Bundesgerichtshof, Urteil vom 14.05.2014, Az. 2 StR 465/13

2. Strafsenat | REWIS RS 2014, 5630

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Gegenstand

Verständigung im Strafverfahren: Beruhen des Urteils auf einer rechtsfehlerhaft zustandegekommenen Urteilsabsprache; fehlende Zustimmung des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft


Tenor

1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 29. April 2013 mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten M.       wegen schweren [X.]s in 16 Fällen und versuchten schweren [X.]s in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt. Den Angeklagten Z.     hat es wegen schweren [X.]s in 17 Fällen, versuchten schweren [X.]s in zwei Fällen, versuchten schweren [X.]s in Tateinheit mit Sachbeschädigung, Beihilfe zum schweren [X.] und Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Staatsanwaltschaft mit einer Verfahrensrüge sowie der Sachbeschwerde. Das Rechtsmittel hat mit der Verfahrensbeanstandung Erfolg.

2

1. Der Rüge liegt Folgendes zugrunde:

3

Nach Beginn der Hauptverhandlung wurde auf Anregung des Verteidigers des Angeklagten M.       die Hauptverhandlung unterbrochen und es wurde ein „[X.]" geführt, das nicht zu einer „Einigung" führte. Nach erneutem Aufruf der Sache gab der Vorsitzende bekannt, dass bei einer geständigen Einlassung des Angeklagten M.      die Gesamtfreiheitsstrafe für die angeklagten Taten eine Obergrenze von sieben Jahren nicht überschrei- ten werde; bei einer geständigen Einlassung des Angeklagten Z.     werde die Obergrenze der Gesamtfreiheitsstrafe fünf Jahre nicht übersteigen. Nach einer erneuten Unterbrechung der Hauptverhandlung erklärten die Verteidiger, dass ihre Mandanten am nächsten Verhandlungstag eine Äußerung zur Sache abgeben werden. Dies geschah, indem die Verteidiger Erklärungen für ihre Mandanten abgaben, diese die Richtigkeit bestätigten und ergänzende Fragen beantworteten.

4

Im Urteil hat das [X.] ausgeführt, dass den Geständnissen der Angeklagten „eine Verständigung nach § 257c StPO" vorausgegangen sei.

5

Die Staatsanwaltschaft rügt mit ihrer - der Sache nach zuungunsten der Angeklagten eingelegten - Revision, es sei ein Verfahren betrieben worden, das „sämtliche Kriterien" für eine gesetzeskonforme Verständigung nicht erfülle.

6

2. Eine wirksame Beschränkung der Revision auf den Strafausspruch liegt angesichts des umfassenden Aufhebungsantrags und der Revisionsbegründung, die den Schuld- und Strafausspruch gleichermaßen betrifft, nicht vor.

7

3. Die Rüge ist begründet; sie wirkt gemäß § 301 StPO auch zugunsten der Angeklagten.

8

a) Die Regelung des § 257c Abs. 1 Satz 1 StPO gestattet eine Verständigung nur nach dieser Vorschrift. Danach kommt eine Verständigung in der Hauptverhandlung zustande, wenn das Gericht ankündigt, wie die Verständigung aussehen könnte (§ 257c Abs. 3 Satz 1 StPO), und wenn der Angeklagte sowie die Staatsanwaltschaft zustimmen (§ 257c Abs. 3 Satz 4 StPO). Ein solcher Ablauf hat nach dem durch das Protokoll der Hauptverhandlung belegten Vortrag der Beschwerdeführerin nicht stattgefunden. Insbesondere die für das Zustandekommen der Verständigung notwendigen Zustimmungserklärungen der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft sind nicht erklärt worden.

9

b) Das Urteil beruht nicht nur im Strafausspruch, sondern auch im Schuldspruch auf dem fehlerhaften Verfahren; denn die Geständnisse der Angeklagten, die zunächst durch die Verteidiger formuliert und sodann von ihnen ergänzt wurden, können durch das rechtsfehlerhafte Verfahren beeinflusst sein.

Fischer                             Schmitt                         Krehl

                Eschelbach                            Zeng

Meta

2 StR 465/13

14.05.2014

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Frankfurt, 29. April 2013, Az: 5/4 KLs 6350 Js 219139/12 (8/13)

§ 257c Abs 1 S 1 StPO, § 257c Abs 3 S 1 StPO, § 257c Abs 3 S 4 StPO, § 337 StPO, Art 2 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 14.05.2014, Az. 2 StR 465/13 (REWIS RS 2014, 5630)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 5630

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