Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.01.2015, Az. 4 StR 378/14

4. Strafsenat | REWIS RS 2015, 17332

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Gegenstand

Einschleusen von Ausländern: Vorliegen einer vorsätzlichen und rechtswidrigen Haupttat des Geschleusten als Voraussetzung der Strafbarkeit


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] ([X.]) vom 11. März 2014 wird

a) das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte im Fall [X.] 4. der Urteilsgründe verurteilt worden ist; insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten;

b) im Fall [X.] 3. der Urteilsgründe der Vorwurf des versuchten Einschleusens von Ausländern von der Verfolgung ausgenommen;

c) das vorgenannte Urteil

aa) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern in Tateinheit mit gewerbsmäßigem Verschaffen von falschen aufenthaltsrechtlichen Papieren, des versuchten gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern in Tateinheit mit gewerbsmäßigem Verschaffen von falschen aufenthaltsrechtlichen Papieren und des gewerbsmäßigen Verschaffens von falschen aufenthaltsrechtlichen Papieren schuldig ist;

bb) mit den zugehörigen Feststellungen hinsichtlich der Einzelstrafen für die Taten [X.] 1. und 3. der Urteilsgründe, im [X.] und im Ausspruch über die Einziehung aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen [X.] von falschen amtlichen Ausweisen in drei Fällen jeweils in Tateinheit mit Einschleusen von Ausländern, wobei es in einem Fall beim Versuch blieb, und wegen versuchten [X.] von falschen amtlichen Ausweisen in Tateinheit mit versuchtem Einschleusen von Ausländern zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zwei Monaten verurteilt und drei näher bezeichnete Mobiltelefone eingezogen. Hiergegen richtet sich die auf eine Verfahrensbeanstandung und die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel führt nach einer Verfolgungsbeschränkung in einem der abgeurteilten Fälle und einer Teileinstellung des Verfahrens zur Änderung des Schuldspruchs und zu der aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilaufhebung des Rechtsfolgenausspruchs; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

2

Nach den Feststellungen kam es im Laufe des Jahres 2012 zu Kontakten des Angeklagten mit [X.] Staatsangehörigen, deren eigener Aufenthaltsstatus oder der von Verwandten oder Freunden in [X.] bzw. der [X.] nicht gesichert war. Für diese Personen beschaffte der Angeklagte gefälschte Aufenthaltskarten und Meldebescheinigungen aus [X.], um mit deren Hilfe entweder eine Einreise nach [X.] bzw. in einen anderen Schengen-Staat oder die Legalisierung eines bereits tatsächlich bestehenden Aufenthalts zu ermöglichen. Darüber hinaus organisierte der Angeklagte zusätzlich die Vermittlung von weiblichen Staatsangehörigen der Bundesrepublik [X.] oder anderer [X.] Staaten, die sich gegen Entgelt für die Schließung von Scheinehen vorwiegend in [X.] zur Verfügung stellen sollten. Zur Durchführung eines entsprechenden Auftrags nahm der Angeklagte zunächst Verbindung zu dem [X.] Staatsangehörigen [X.]auf, der in [X.] sein Ansprechpartner für gefälschte [X.] war und auf Bestellung falsche Aufenthaltskarten und Meldebescheinigungen besorgen konnte. Für seine Tätigkeit verlangte der Angeklagte in der Regel mindestens 1.000 €, wobei er 500 € pro Fall an [X.]weiterleitete. Die Tätigkeit des Angeklagten umfasste die Weiterleitung aller für die Fälschung erforderlichen Daten und Unterlagen an [X.]  , der die Fälschung der Aufenthaltskarten nicht selbst vornahm, sondern seinerseits in Auftrag gab, die Kontrolle auf Übereinstimmung der Daten sowie die Rückleitung der falschen Papiere an seine Kunden bzw. deren Weiterleitung an die Heiratsagentur, wobei er auch die Terminsvereinbarungen koordinierte. Der Angeklagte erschloss sich durch die Schleusungshandlungen Vermögensvorteile von einiger Dauer und einigem Umfang zur Aufbesserung seiner finanziellen Situation.

3

Soweit nach der Teileinstellung des Verfahrens noch von Belang, kam es im Einzelnen zu folgenden Taten:

4

Im November 2012 nahm der [X.] Staatsangehörige [X.]alias [X.], der sich als Asylbewerber in der Bundesrepublik [X.] aufhielt, telefonisch Kontakt zum Angeklagten auf, um Maßnahmen gegen eine befürchtete Abschiebung in sein Heimatland zu treffen. M.    hatte vor, mit einer [X.] Staatsangehörigen aus seinem Umfeld eine Scheinehe einzugehen, wusste jedoch nicht, wie er das umsetzen konnte. Zu diesem Zweck bestellte der Angeklagte für M.    mit den Daten eines von diesem in [X.] bei der dortigen Botschaft erlangten echten Reisepasses eine falsche [X.] Aufenthaltskarte sowie eine falsche [X.] Meldebestätigung und organisierte auf der Basis dieser Identitätspapiere über eine Heiratsagentur einen Hochzeitstermin in [X.]. Die gefälschte [X.] Aufenthaltskarte wurde nach [X.] übersandt. Zu der für den 13. Dezember 2012 angemeldeten Eheschließung in [X.] kam es kurzfristig nicht, weil die für die Eheschließung vorgesehene Frau aus ungeklärten Umständen nicht zur Verfügung stand. Für seine Tätigkeit sollte der Angeklagte insgesamt 3.500 € erhalten, worauf [X.]einen Teilbetrag in unbekannter Höhe leistete (Fall [X.] der Urteilsgründe).

5

Nachdem die gefälschte [X.] Aufenthaltskarte und der Reisepass des M.    im Rahmen polizeilicher Ermittlungen in anderer Sache sichergestellt worden waren, besorgte sich M.    einen neuen, auf falsche Personalien lautenden [X.] Reisepass, um einen weiteren Versuch zu unternehmen, in [X.] zu heiraten. Erneut bat er den Angeklagten darum, für ihn tätig zu werden. Der Angeklagte bestellte daraufhin bei [X.]in [X.] eine neue, auf die Daten des Ersatzpapiers lautende total gefälschte [X.] Aufenthaltserlaubnis und bemühte sich vergeblich darum, in kurzer Zeit eine andere Frau für eine Scheinehe mit M.    zu finden. Dieser war zwischenzeitlich in seinem Umfeld fündig geworden und hatte eine Frau als Ehekandidatin gewinnen können. Nachdem es dem ursprünglich beauftragten [X.] nicht gelungen war, mit den vom Angeklagten per E-Mail übersandten Unterlagen einen Termin bei einem Standesamt zu erhalten, machte die vorgesehene Ehepartnerin eine andere Heiratsagentur ausfindig. Der Angeklagte übernahm daraufhin wie bisher die weitere Organisation und Abstimmung zur Vorbereitung der Eheschließung. Am 19. Februar 2013 reiste M.    zur Eheschließung nach [X.], wo er im Standesamt festgenommen und anschließend nach [X.] abgeschoben wurde. Auch in diesem Fall hatte M.    Geldzahlungen in unbekannter Höhe an den Angeklagten erbracht (Fall [X.] 2. der Urteilsgründe).

6

Um den 7. Februar 2013 traf der Angeklagte mit einer Person zusammen, die sich ihm namentlich vorstellte und einem angeblich in [X.] lebenden Cousin den Aufenthalt in der Bundesrepublik [X.] ermöglichen wollte. In Wahrheit handelte es sich bei dieser Person um eine Vertrauensperson der [X.], die zum Schein auf das Angebot des Angeklagten eingegangen war, eine total gefälschte [X.] Aufenthaltskarte zu besorgen. Der Angeklagte gab Anweisungen für die Errichtung eines [X.] mit Passwort und erhielt hierüber die erforderlichen Informationen über [X.], insbesondere Personendaten, Lichtbilder und Unterschrift, die er an [X.]in [X.] übermittelte. Hierfür erhielt der Angeklagte bei einem weiteren Treffen vereinbarungsgemäß als Anzahlung einen Betrag von 1.000 €, von dem er 500 € an [X.]weiterleitete. Am 25. Februar 2013 schickte der Angeklagte eine Abbildung der Aufenthaltskarte zur Kontrolle der Daten an die Vertrauensperson. Nachdem die Richtigkeit der Daten bestätigt worden war, veranlasste der Angeklagte die Fertigstellung der Karte, die am 28. März 2013 von [X.] aus direkt an die dem Angeklagten von der Vertrauensperson genannte Adresse in [X.] geschickt wurde (Fall [X.] 3. der Urteilsgründe).

7

Ohne nähere Ausführungen zur rechtlichen Subsumtion geht die Strafkammer davon aus, dass sich der Angeklagte - jeweils in Tateinheit mit Verschaffen von falschen amtlichen Ausweisen gemäß § 276 Abs. 1 und 2 StGB -in den Fällen [X.] und 2. der Urteilsgründe des vollendeten und im Fall [X.] 3. der Urteilsgründe des versuchten Einschleusens von Ausländern nach § 96 Abs. 1 und 2 [X.] i.V.m. „§ 95 Abs. 1 Nr. 1 oder [X.], Abs. 1a oder Abs. 2 Nr. 1b oder [X.] [X.]" strafbar gemacht hat.

[X.]

8

1. Die Schuldsprüche wegen (gewerbsmäßigen) Einschleusens von Ausländern gemäß § 96 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 [X.] in Tateinheit mit (gewerbsmäßigem) Verschaffen von falschen amtlichen Ausweisen nach § 276 Abs. 1 und 2 StGB in den Fällen [X.] und 2. der Urteilsgründe halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Die [X.] ergeben indes, dass sich der Angeklagte im Fall [X.] 2. der Urteilsgründe des vollendeten und im Fall [X.] der Urteilsgründe des versuchten gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern gemäß § 96 Abs. 4 [X.] i.V.m. § 96 Abs. 1 Nr. 1a, Abs. 2 Nr. 1 [X.] jeweils in Tateinheit mit gewerbsmäßigem Verschaffen von falschen aufenthaltsrechtlichen Papieren nach § 276 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 276a StGB strafbar gemacht hat.

9

a) Durch die Strafvorschrift des § 96 Abs. 1 [X.] werden sonst nach den allgemeinen Regeln (§§ 26, 27 StGB) strafbare Teilnahmehandlungen an den in § 96 Abs. 1 [X.] in Bezug genommenen Taten nach § 95 [X.] zu selbständigen, in [X.]chaft (§ 25 StGB) begangenen Straftaten heraufgestuft, wenn der Teilnehmer zugleich eines der in § 96 Abs. 1 [X.] geregelten Schleusermerkmale erfüllt (vgl. [X.], Beschlüsse vom 6. Juni 2012 - 4 StR 144/12, [X.], 483; vom 30. Mai 2013 - 5 StR 130/13, [X.]St 58, 262, 265 f.; Urteil vom 11. Juli 2003 - 2 StR 31/03, [X.], 45; vgl. [X.] in MüKoStGB, 2. Aufl., § 96 [X.] Rn. 2). Trotz dieser tatbestandlichen Verselbständigung zur [X.]chaft gelten für die Tathandlungen des § 96 Abs. 1 [X.] die allgemeinen Regeln der Teilnahme einschließlich des Grundsatzes der limitierten Akzessorietät (vgl. [X.] aaO, Rn. 3; [X.] in [X.]/[X.], Strafrechtliche Nebengesetze [Stand: Juli 2014], § 96 [X.] Rn. 3). Die Strafbarkeit wegen vollendeten Einschleusens von Ausländern setzt daher das Vorliegen einer vorsätzlichen und rechtswidrigen Haupttat des Geschleusten voraus.

Fehlt es an einer in § 96 Abs. 1 [X.] genannten Bezugstat oder wird diese nur versucht, kommt für den mit [X.] handelnden Teilnehmer eine Strafbarkeit wegen versuchten Einschleusens von Ausländern nach § 96 Abs. 3 [X.] in Betracht (vgl. [X.], Beschluss vom 6. Juni 2012 - 4 StR 144/12 aaO; Urteil vom 25. März 1999 - 1 [X.], [X.], 409). Für die durch § 96 Abs. 3 [X.] strafrechtlich erfasste versuchte Teilnahme gelten die allgemeinen zur Versuchsstrafbarkeit entwickelten Grundsätze. Sowohl für die Anforderungen, die an den Tatvorsatz des [X.] zu stellen sind, als auch für die Prüfung des unmittelbaren Ansetzens kann ergänzend die Rechtsprechung zur versuchten Anstiftung nach § 30 Abs. 1 StGB herangezogen werden (vgl. [X.], Beschluss vom 6. Juni 2012 - 4 StR 144/12 aaO; Urteil vom 23. März 1999 - 1 [X.] aaO). Der Versuch des Einschleusens von Ausländern in der Tatbestandsalternative des Hilfeleistens erfordert danach in subjektiver Hinsicht, dass der Vorsatz des Schleusers auf die Förderung einer in ihren wesentlichen Merkmalen oder Grundzügen konkretisierten Bezugstat im Sinne des § 96 Abs. 1 [X.] gerichtet ist (vgl. [X.], Urteile vom 29. Oktober 1997 - 2 StR 239/97, [X.], 347, 348; vom 21. April 1986 - 2 StR 661/85, [X.]St 34, 63, 66; vgl. [X.] in [X.], 12. Aufl., § 30 Rn. 24 ff.). Die objektiven Voraussetzungen des Versuchs sind erfüllt, wenn der Täter eine Handlung vornimmt, mit der er nach seiner Vorstellung von der Tat unmittelbar zur Förderung der präsumtiven Bezugstat ansetzt. Maßgebend ist, wie weit sich der Täter bereits dem von ihm anvisierten [X.] angenähert und durch sein Handeln eine Gefahr für das betroffene Rechtsgut begründet hat (vgl. [X.], Beschluss vom 6. Juni 2012 - 4 StR 144/12 aaO).

b) Den im angefochtenen Urteil zu den Fällen [X.] und 2. der Urteilsgründe getroffenen Feststellungen lassen sich vom Angeklagten geförderte Bezugstaten im Sinne des § 96 Abs. 1 [X.] nicht entnehmen. Da der [X.] Staatsangehörige [X.]alias M.    zum Zeitpunkt der Unterstützungshandlungen des Angeklagten bereits in das [X.] eingereist war und sich als Asylbewerber aufgrund der aus § 55 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG resultierenden gesetzlichen Aufenthaltsgestattung für die Dauer des Asylverfahrens (zu den Erlöschensgründen vgl. § 67 Abs. 1 AsylVfG) erlaubt in der Bundesrepublik [X.] aufhielt, scheidet eine unerlaubte Einreise nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 [X.] oder ein unerlaubter Aufenthalt gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 1 und 2 [X.] als Bezugstaten aus. Ein späteres möglicherweise ins Auge gefasstes Erschleichen eines Aufenthaltstitels gemäß § 95 Abs. 2 [X.] [X.] durch unrichtige Angaben gegenüber der Ausländerbehörde über das Bestehen einer ehelichen Lebensgemeinschaft sollte durch die Eheschließung in [X.] erst vorbereitet werden. Feststellungen zu diesbezüglichen Vorstellungen des Angeklagten enthält das Urteil nicht.

c) [X.] ergeben indes, dass der Angeklagte - jeweils unter Verwirklichung des Schleusermerkmals des § 96 Abs. 1 Nr. 1a [X.] sowie gewerbsmäßig handelnd - im Fall [X.] 2. der Urteilsgründe bei einer Zuwiderhandlung gegen die Rechtsvorschriften über die Einreise nach [X.] Hilfe geleistet und im Fall [X.] der Urteilsgründe dies versucht hat (vollendetes und versuchtes gewerbsmäßiges Einschleusen von Ausländern gemäß § 96 Abs. 4 [X.] i.V.m. § 96 Abs. 1 Nr. 1a, Abs. 2 Nr. 1 [X.]).

Indem der Angeklagte die Beschaffung der für die Einreise nach [X.] und die dortige Eheschließung erforderlichen gefälschten [X.]n Aufenthaltserlaubnis aus [X.] übernahm und die Eheschließung in [X.] organisatorisch vorbereitete, leistete er im Fall [X.] 2. der Urteilsgründe einen die Einreise des [X.]alias M.    nach [X.] am 19. Februar 2013 objektiv fördernden Beitrag. Die Einreise erfolgte unter Zuwiderhandlung gegen die Rechtsvorschriften [X.]s über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern. Hierfür reicht aus, dass die Einreise nach Maßgabe der [X.] Rechtsordnung unerlaubt war (vgl. [X.], Beschluss vom 8. November 2000 - 1 StR 447/00, [X.], 157, 158; [X.] in GK-[X.] [Stand: Juli 2008], § 96 [X.] Rn. 52 f.; enger [X.] aaO, § 96 [X.] Rn. 41 unter Verweis auf [X.], Beschluss vom 5. September 2001 - 3 [X.], [X.], 33). Dies war hier der Fall, da dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe noch hinreichend zu entnehmen ist, dass [X.]alias [X.], der als Negativstaatler der Visumspflicht nach Art. 1 Abs. 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 539/2001 des Rates vom 15. März 2001 ([X.]-VisaVO) unterlag, ein für die Einreise nach [X.] erforderliches Visum nicht besaß.

Im Fall [X.] der Urteilsgründe war der Vorsatz des Angeklagten darauf gerichtet, [X.]alias M.    bei der Eheschließung in [X.] und der dafür erforderlichen Einreise nach [X.] zu unterstützen. Da der Angeklagte mit seiner Mitwirkung bei der Beschaffung der gefälschten [X.]n Aufenthaltskarte und der [X.] in [X.] wesentliche Teile seiner Unterstützungshandlungen erbracht hat, liegt auch das unmittelbare Ansetzen zur Hilfeleistung vor.

d) Tateinheitlich zu den Verstößen gegen das [X.] hat sich der Angeklagte in den Fällen [X.] und 2. der Urteilsgründe durch das mittäterschaftlich mit seinem Hintermann in [X.] bewirkte Einführen der falschen [X.] ins Inland jeweils des gewerbsmäßigen [X.] von falschen aufenthaltsrechtlichen Papieren nach §§ 276a, 276 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StGB strafbar gemacht. Durch die Vorschrift des § 276a StGB, die den Anwendungsbereich des § 276 StGB u.a. auf aufenthaltsrechtliche Papiere erstreckt, werden auch ausländische aufenthaltsrechtliche Papiere von [X.] erfasst, die aufgrund der im Schengen-Raum geltenden Rechtsregeln (vgl. etwa Art. 21 [X.], Art. 5 Abs. 1b [X.]) im Inland unmittelbare aufenthaltsrechtliche Bedeutung besitzen (vgl. Gesetzentwurf zum Verbrechensbekämpfungsgesetz, BT-Drucks. 12/6853, S. 30; [X.] in [X.], StGB, 28. Aufl., § 276a Rn. 1). Dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ist zu entnehmen, dass auch die gefälschte Aufenthaltserlaubnis im Fall [X.] 2. der Urteilsgründe vor der Fahrt des [X.]alias M.    nach [X.] ins Inland gelangte.

e) Der Senat ändert die Schuldsprüche in den Fällen [X.] und 2. der Urteilsgründe entsprechend. § 265 StPO steht nicht entgegen, da sich der Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

2. Im Fall [X.] 3. der Urteilsgründe nimmt der Senat mit Zustimmung des [X.] den Vorwurf des Einschleusens von Ausländern gemäß § 154a Abs. 2 StPO von der Verfolgung aus, weil die bisherigen Feststellungen einen auf die Förderung einer hinreichend konkretisierten Haupttat im Sinne des § 96 Abs. 1 [X.] gerichteten Tatvorsatz des Angeklagten nicht belegen. Die Verfolgungsbeschränkung führt zur Änderung des Schuldspruchs, wobei der Angeklagte sich auch in diesem Fall des gewerbsmäßigen [X.] von falschen aufenthaltsrechtlichen Papieren strafbar gemacht hat. § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen.

3. Soweit der Angeklagte im Fall [X.] 4. der Urteilsgründe verurteilt worden ist, stellt der Senat das Verfahren auf Antrag des [X.] nach § 154 Abs. 1 StPO aus verfahrensökonomischen Gründen ein.

4. Die Schuldspruchänderungen in den Fällen [X.] und 3. der Urteilsgründe führen zu der Aufhebung der zugehörigen Einzelstrafen. Demgegenüber kann die Einzelstrafe von zwei Jahren im Fall [X.] 2. der Urteilsgründe mit Blick auf die identische Strafandrohung und die durch die Schuldspruchänderung nicht berührten Strafzumessungserwägungen des [X.]s bestehen bleiben. Die Aufhebung der [X.] in den Fällen [X.] und 3. der Urteilsgründe und der Wegfall der Einzelstrafe infolge der Teileinstellung des Verfahrens haben die Aufhebung der Gesamtstrafe zur Folge. Die [X.] kann ebenfalls nicht bestehen bleiben, weil nach den [X.] nicht auszuschließen ist, dass eingezogene Mobiltelefone allein bei der nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellten Tat [X.] 4. der Urteilsgründe gebraucht wurden.

[X.]Franke

                          Bender                              [X.]

Meta

4 StR 378/14

13.01.2015

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Frankenthal, 11. März 2014, Az: 5036 Js 33055/12 - 2 KLs

§ 95 AufenthG, § 96 Abs 1 AufenthG, § 96 Abs 2 Nr 1 AufenthG, § 96 Abs 3 AufenthG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.01.2015, Az. 4 StR 378/14 (REWIS RS 2015, 17332)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 17332

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