Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.10.2004, Az. XII ZB 80/04

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 1335

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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS [X.]/04
vom 6. Oktober 2004 in der Familiensache

Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja

BGB § 1674 Abs. 1 Zu den Voraussetzungen des Ruhens der elterlichen Sorge bei einem tatsächlichen Hindernis durch längerfristige Abwesenheit des Elternteils. [X.], Beschluß vom 6. Oktober 2004 - [X.]/04 - [X.]

- 2 - Der [X.]Zivilsenat des [X.] hat am 6. Oktober 2004 durch die Vorsitzende Richterin [X.] und [X.], [X.]-Monecke, Prof. Dr. Wagenitz und [X.] beschlossen: Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß des 27. Zivilsenats
des [X.]s Köln als [X.] vom 25. Februar 2004 wird auf Kosten des Beteiligten zu 3 zurückge-wiesen. [X.]: 3.000 •.

Gründe: [X.] Die betroffenen minderjährigen Kinder sind wie ihre Eltern [X.] Staatsangehörige. Sie wurden am 22. April 2002 gemeinsam mit ihrer Mutter von [X.] in die [X.] überstellt. Der [X.] hält sich nach wie vor illegal in [X.] auf und ist dort zur [X.] ausgeschrieben. Nach [X.] Ablehnung ihrer Asylanträge wurden die [X.] und die betroffenen Kinder durch Bescheid des [X.] aufgefordert, die [X.] zu verlassen. Die Ausreise scheiterte daran, daß den Kindern mangels Mitwirkung des [X.] keine Reisedokumente ausgestellt [X.] 3 - den konnten. Der Vater hat ausdrücklich erklären lassen, er sei nicht bereit und nicht willens, die von den Antragstellern verlangte Erklärung gegenüber dem [X.] Generalkonsulat abzugeben, um seinen Kindern einen weiteren Aufenthalt in [X.] und einen Schulbesuch zu ermöglichen. Der Beteiligte zu 3 (Landkreis, Antragsteller) hat beantragt, das Ruhen der elterlichen Sorge des [X.] festzustellen, weil dieser wegen seines Aufenthalts in [X.] nicht in der Lage sei, die elterliche Sorge auszuüben. Dem hat sich die Beteiligte zu 4 (Stadt - Jugendamt -, Antragstellerin) ange-schlossen. Mit Beschluß vom 5. Dezember 2003 hat das Amtsgericht das Ru-hen der elterlichen Sorge des [X.] für seine drei Kinder festgestellt. Auf die Beschwerde beider Eltern hat das [X.] mit Beschluß vom 12. Januar 2004 die sofortige Vollziehung des angefochtenen Beschlusses ausgesetzt. Mit weiterem Beschluß vom 25. Februar 2004 hat es den angefoch-tenen Beschluß ersatzlos aufgehoben. Dagegen richtet sich die vom Be-schwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 3.

I[X.] Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, aber unbegründet. 1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 621 e Abs. 2 Nr. 1 ZPO), weil das Beschwerdegericht sie ausdrücklich zugelassen hat. Daran ist der Senat gebunden (§ 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO). Der Beteiligte zu 3 ist auch beschwerde-berechtigt, weil die auf seinen Antrag ergangene und ihm günstige Entschei-dung durch das Beschwerdegericht abgeändert worden ist (vgl. [X.]/[X.] [X.] 15. Aufl. 2003, § 64 Nr. 48 a). Nach § 78 Abs. 4 ZPO muß der Landkreis - 4 - sich auch als Beteiligter im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde vor dem [X.] nicht durch einen hier zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen. 2. Die Rechtsbeschwerde ist aber unbegründet, weil das Beschwerdege-richt zu Recht davon ausgegangen ist, daß die elterliche Sorge des [X.] nicht nach § 1674 BGB wegen eines tatsächlichen Hindernisses ruht. a) Nach Art. 21 EGBGB ist auf das Rechtsverhältnis zwischen Kindern und ihren Eltern das Recht des Staates anwendbar, in dem die Kinder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Das ist hier das Recht der [X.], weil sich die Kinder seit ihrer Überstellung aus [X.] am 15. April 2002 gemeinsam mit der Mutter ununterbrochen hier aufhalten. Unmit-telbare Kontakte zu anderen Ländern, insbesondere zum Aufenthaltsort des [X.] in [X.], bestehen für die Kinder nicht. b) Nach § 1674 Abs. 1 BGB ruht die elterliche Sorge eines Elternteils, wenn das Familiengericht feststellt, daß er auf längere [X.] die elterliche Sorge tatsächlich nicht ausüben kann. Ein solches tatsächliches Ausübungshindernis ist aber nur dann anzunehmen, wenn der wesentliche Teil der Sorgerechtsver-antwortung nicht mehr von dem Elternteil selbst ausgeübt werden kann. Eine (zulässige) Übertragung der Ausübung auf Dritte ist allerdings kein Hindernis im Sinne des § 1674 BGB, da sie jederzeit widerruflich ist und die Eltern letztlich die Verantwortung für die Ausübung der elterlichen Sorge behalten. Nur wenn diese Steuerungsmöglichkeit praktisch nicht mehr besteht, liegt eine Verhinde-rung vor, weil die Überlassung der Ausübung des Sorgerechts an Dritte dann auf eine (unzulässige) Übertragung des Sorgerechts hinausliefe ([X.]/ [X.] BGB 13. Bearbeitung 2000 § 1674 Rdn. 9). - 5 - aa) In Rechtsprechung und Literatur wird deswegen zu Recht eine bloße physische Abwesenheit nicht für ausreichend erachtet, wenn der Elternteil - sei es durch den anderen Elternteil, sei es durch sonstige Hilfskräfte bei der Aus-übung der elterlichen Sorge - seine Kinder gut versorgt weiß und auf der [X.] moderner Kommunikationsmittel oder Reisemöglichkeiten auch aus der Ferne Einfluß auf die Ausübung der elterlichen Sorge nehmen kann (vgl. [X.]/[X.] aaO Rdn. 11; [X.]/[X.] 4. Aufl. 2002 § 1674 Rdn. 4; [X.]/[X.]/[X.] BGB 2003 § 1674 Rdn. 2; [X.]/[X.] BGB 11. Aufl. 2004 § 1674 Rdn. 2; Weinreich/[X.]/[X.] Fa-milienrecht 2002 § 1674 Rdn. 3 jeweils m.w.[X.]). Bei langfristiger Abwesenheit von der Familie ist deswegen entscheidend darauf abzustellen, ob dem Eltern-teil die Möglichkeit verblieben ist, entweder im Wege der Aufsicht oder durch jederzeitige Übernahme der Personen- und Vermögenssorge zur eigenverant-wortlichen Ausübung zurückzukehren. Ob dieses der Fall ist, hängt entschei-dend von den besonderen Umständen des Einzelfalles ab, insbesondere auch davon, welche andere Person der Elternteil mit der Ausübung seines Teils der elterlichen Sorge betraut hat. Deswegen rechtfertigen nach überwiegender Auffassung die Behinde-rungen in der Ausübung des Sorgerechts durch Verbüßung einer Strafhaft allein noch keine Feststellung des Ruhens der elterlichen Sorge nach § 1674 BGB ([X.] FamRZ 2003, 1947; [X.], 6; [X.] FamRZ 1978, 623). Gleiches gilt, wenn sich das Kind in [X.], weil der sorgeberechtigte Elternteil allein dadurch noch nicht gehindert ist, das Sorgerecht auszuüben (BayObLG FamRZ 1988, 867). Nur dann, wenn der Elternteil auf längere [X.] nicht entscheidend in die Ausübung des Sorgerechts eingreifen kann, sei es infolge langfristiger Inhaftierung (vgl. [X.] FamRZ 2003, 1038) oder Abwesenheit ohne weitere Kontaktpflege (vgl. [X.] FamRZ 2002, 258), sei es durch einen Aufenthalt im Ausland ohne - 6 - Einfluß auf die Ausübung des Sorgerechts ([X.] FamRZ 1992, 1093; [X.] 1993, 1237), ist das Ruhen der elterlichen Sorge nach § 1674 BGB festzustellen. [X.]) [X.] nach § 1674 BGB kommt allerdings auch dann in Betracht, wenn der Elternteil nur Teilgebiete des Sorgerechts langfristig nicht ausüben kann (vgl. [X.]/[X.] aaO Rdn. 10; [X.]/ [X.] aaO Rdn. 1; MünchKomm BGB aaO Rdn. 4; [X.]/[X.]/[X.] aaO Rdn. 4). Denn der Vorschrift des § 1674 BGB läßt sich eine Beschränkung des Anwendungsbereichs auf eine generelle Verhinderung des Elternteils zur Ausübung der gesamten elterlichen Sorge nicht entnehmen. Ein Vergleich mit der Möglichkeit des Ruhens der elterlichen Sorge bei einem rechtlichen Hinder-nis nach § 1673 BGB zeigt vielmehr, daß davon auch Teilbereiche betroffen sein können, weil eine solche Feststellung auch bei beschränkter Geschäftsfä-higkeit in Betracht kommt (§ 1673 Abs. 2 Satz 1 BGB). Der Gedanke ist deswe-gen auf abgrenzbare Teilbereiche der elterlichen Sorge, wie z.B. die [X.] (vgl. BayObLG FamRZ 1979, 71, 73) oder die Personensorge (vgl. KG FamRZ 1974, 452, 453; [X.]/[X.] aaO Rdn. 10), übertragbar, wenn der Elternteil langfristig nur diese nicht ausüben kann. Dann kann der ge-richtliche Beschluß auch nur in diesem Umfang zum Ruhen der elterlichen Sor-ge führen. [X.]) Nach diesen Maßstäben hat das Beschwerdegericht ein Ruhen der elterlichen Sorge des [X.] zu Recht abgelehnt. Wie das gerichtliche Verfahren gezeigt hat, hält die Kindesmutter nach wie vor Kontakt zu dem mit ihr verheirateten Kindesvater. Nur so konnte dieser von dem laufenden Verfah-ren Kenntnis erlangen und sich - anwaltlich vertreten - zur Sache einlassen. Über diesen Kontakt hätte der Kindesvater der Erteilung der Reisedokumente auch zustimmen oder jedenfalls die Mutter der Kinder entsprechend [X.] 7 - mächtigen können. Daß dies nicht geschehen ist, beruht mithin nicht auf einer fehlenden Einwirkungsmöglichkeit, sondern auf einer Willensentscheidung des [X.], die er gerade in Ausübung seiner elterlichen Sorge getroffen hat. Der Verpflichtung nach den §§ 4, 68 Abs. 4 AuslG in Verbindung mit § 25 [X.] kommt der Kindesvater also nicht wegen eines tatsächlichen Hindernisses, sondern absichtlich nicht nach, um eine Ausweisung der Familie in die [X.] zu verhindern. Darauf, ob es sich bei dieser Mitwirkungspflicht um einen ab-grenzbaren Teilbereich des Sorgerechts handelt, kommt es mithin nicht einmal an. In solchen Fällen ruht die elterliche Sorge nicht, sondern es ist zu prüfen, ob die Ausübung der elterlichen Sorge durch den Vater dem Kindeswohl wider-spricht, was aus Sicht des verfassungsrechtlich gebotenen staatlichen [X.] ein staatliches Eingreifen begründen könnte (vgl. [X.] FamRZ 2002, 1021, 1023). [X.]) Sollte die fehlende Mitwirkung des [X.] bei der Erteilung der Personaldokumente zu untragbaren Verhältnissen führen, die dem Kindeswohl widersprechen, käme deswegen allenfalls ein partieller Eingriff in die elterliche Sorge nach § 1629 Abs. 2 Satz 3 in Verbindung mit § 1796 BGB oder nach § 1693 BGB in Betracht. Dieses wird das Jugendamt im Interesse des [X.] der minderjährigen Kinder zu prüfen haben. Das Grundrecht des Art. 6 [X.] dürfte dem jedenfalls nicht entgegenstehen, weil die beabsichtigte [X.] der Kinder nur im Familienverbund und gemeinsam mit ihrer Mutter vor-gesehen ist und der Kindesvater den persönlichen Kontakt seit der Überstellung aus [X.] im April 2002 ohnehin aufgegeben hat. Der verbliebene Kontakt durch moderne Kommunikationsmittel, mit denen der Vater seinen Einfluß auf - 8 - die Erziehung der Kinder aufrechterhält, wird durch den Wechsel des ständigen Aufenthalts der restlichen Familie nicht entscheidend beeinflußt. Hahne [X.] [X.]-Monecke Wagenitz [X.]

Meta

XII ZB 80/04

06.10.2004

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.10.2004, Az. XII ZB 80/04 (REWIS RS 2004, 1335)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 1335

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