Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.12.2004, Az. 2 StR 365/04

2. Strafsenat | REWIS RS 2004, 63

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Nachschlagewerk: ja [X.]St: nein Veröffentlichung: ja

StGB § 130 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a, b und d); § 130 Abs. 3
Zum Tatbestand des [X.] in einer öffentlichen Versammlung im Sinne von § 130 Abs. 3 StGB.

[X.], Urteil vom 22. Dezember 2004 - 2 [X.] - [X.] Erfurt

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 [X.] vom 22. Dezember 2004 in der Strafsache gegen

- 2 -

wegen Volksverhetzung
- 3 - Der 2. Strafsenat des [X.] hat auf Grund der Verhandlung vom 15. Dezember 2004 in der Sitzung am 22. Dezember 2004, an denen teilge-nommen haben: Vorsitzende Richterin am [X.] Dr. [X.]

und [X.] am [X.] Dr. h.c. Detter, die Richterin am [X.] Dr. [X.], [X.] am [X.] [X.], die Richterin am [X.] Roggenbuck,

Bundesanwalt

als Vertreter der [X.],

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
- 4 - Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 26. April 2004 mit den Fest-stellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entschei-dung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen. Von Rechts wegen Gründe: [X.] Das [X.] hat den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen vom Vorwurf eines Vergehens der Volksverhetzung (§ 130 Abs. 2 Nr. 1 a, Abs. 3, Abs. 4 StGB) freigesprochen. Ihm lag zur Last, eine Schrift verbreitet zu haben, in der die Tötung von [X.] in [X.] verharmlost worden sei.
1. Die Strafkammer hat folgende Feststellungen getroffen:

Der Angeklagte war Landesvorsitzender des [X.] und auf Bundesebene dessen Vizepräsident. Am 9. November 2001 fand in der Stadthalle in A.

der Verbandstag des [X.] statt, auf dem der Angeklagte als Landesvorsit-zender einen Rechenschaftsbericht zu erstatten hatte. Der von ihm erstellte - 5 - Rechenschaftsbericht lag in schriftlicher Form vor und wurde in fünf vorbereite-ten Pressemappen im Eingangsbereich der Stadthalle von der Pressereferentin des [X.] bereitgehalten. [X.] wurden Pressemappen zunächst an den bei der Rede anwesenden [X.]der [X.] und später an den Reporter des [X.] [X.], der die Rede des Angeklagten selbst aber nicht mit angehört hatte und darüber auch nicht berichtete. Der Text des Rechenschaftsberichtes war nach den handschriftlichen Vorga-ben des Angeklagten von der Zeugin [X.] in [X.] umgesetzt [X.]. Das Deckblatt des Rechenschaftsberichts enthielt den Vermerk "Sperrfrist: 09.11.2001, 9.30 Uhr. Es gilt das gesprochene Wort!" Der Rechenschaftsbericht enthielt folgende Passage:
"Noch verhindern die Wolken einer bewusst betriebenen einseitigen Kol-lektivschuldzuweisung gegenüber unserem Volke den klaren Blick zur Beurteilung der Verbrechen in der jüngeren [X.] Geschichte und über die Kriegsschuld an den Kriegen des vergangenen Jahrhunderts. Dies wird sich bald verändern, da die Lügen über [X.], über Jebawke (richtig: [X.]), über die Opfer in [X.] und anderes nicht mehr länger zu halten sind".

Der in der Pressemappe enthaltene Rechenschaftsbericht wurde vom Angeklagten in veränderter Form vor den etwa 200 Delegierten mündlich vor-getragen. Dabei formulierte er diese Passage wie folgt:
"Noch verhindern die Wolken einer bewusst betriebenen einseitigen Kol-lektivschuldzuweisung gegenüber unserem Volke den klaren Blick zur - 6 - Beurteilung der Verbrechen in der jüngeren [X.] Geschichte und über die Kriegsschuld in den Kriegen des vergangenen Jahrhunderts. Dies wird sich bald verändern, da die Lügen über [X.], [X.] und die Aussagen über die Opfer in [X.] und anderes nicht mehr länger zu halten sind. In [X.] gab es offensichtlich keine 6 Millionen Opfer, sondern, wie ich in [X.] erfahren habe, sind 930.000 nachgewiesen. Dabei geht es nicht um die Relativierung des Verbrechens, sondern um die geschichtliche Wahrheit. Sie kennen meine Einstellung, daß jedes Opfer eines Verbrechens eines zu viel ist."

Am 9. November 2001 verfaßte der bei der Rede anwesende Journalist [X.]der [X.] einen Artikel, in dem er den Ange-klagten wegen dessen Äußerungen vor den Delegierten, insbesondere in [X.] auf die betreffende Passage des Rechenschaftsberichts, scharf angriff.
2. Das [X.] hält ein strafbares Verhalten des Angeklagten nicht für gegeben. Zwar handele es sich bei der Formulierung in dem von ihm inhalt-lich zu verantwortenden schriftlichen Rechenschaftsbericht um eine im Rahmen von § 130 Abs. 2, 3 und 4 StGB strafrechtlich relevante Äußerung, da hier-durch der [X.] in [X.] zumindest verharmlost werde. Die [X.] seien auch geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören, der [X.] habe aber diesen Bericht weder öffentlich zugänglich gemacht noch verbrei-tet.
3. Gegen den Freispruch wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision. Sie ist der Meinung, das [X.] habe den Begriff des [X.] verkannt. Die vom [X.] 7 - ten gewollte Aushändigung der Pressemappe mit seinem Redemanuskript an Journalisten als Grundlage für deren Bericht von seiner Rede erfülle den Tat-bestand des [X.]. - 8 - 4. Den vom Angeklagten im Rahmen seiner Rede getätigten [X.] hat das [X.] wie bereits die Staatsanwaltschaft in ihrer Abschluß-verfügung vom 9. Januar 2003 zumindest mangels nachweisbaren Vorsatzes keine strafrechtliche Relevanz im Rahmen von § 130 Abs. 3 StGB zugemes-sen.
I[X.]
Das Rechtsmittel, das der [X.] vertritt, führt zur Aufhe-bung des Urteils.
1. Die Strafkammer hat zwar unter den gegebenen Umständen im Er-gebnis in rechtlich nicht zu beanstandender Weise in der Verteilung der [X.] an zwei Journalisten kein Vergehen der Volksverhetzung nach § 130 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a), Abs. 3, 4 StGB gesehen. Nach diesen Vorschrif-ten macht sich strafbar, wer Schriften verbreitet, die eine unter der [X.] begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 [X.] be-zeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen [X.], leugnet oder verharmlost. Der Begriff "Verbreiten" wird in mehreren Straftatbeständen des [X.] (vgl. u.a. §§ 86, 86 a, 184, 186 StGB). Der Gesetzgeber hat den Begriff nicht näher abgegrenzt. Er unterliegt deshalb der Auslegung, wobei insbeson-dere auf den Grundgedanken der jeweiligen Vorschrift abzustellen ist. Im Rah-men von § 130 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a) StGB bedeutet "Verbreiten" die mit einer körperlichen Weitergabe der Schrift verbundene Tätigkeit, die darauf gerichtet ist, die Schrift ihrer Substanz nach einem größeren Personenkreis zugänglich zu machen, wobei dieser nach Zahl und Individualität so groß sein muß, daß er - 9 - für den Täter nicht mehr kontrollierbar ist. Dabei reicht schon die Weitergabe eines Exemplars der Schrift aus, wenn dies mit dem Willen geschieht, der Empfänger werde die Schrift durch körperliche Weitergabe einem größeren Personenkreis zugänglich machen oder wenn der Täter mit einer Weitergabe an eine größere nicht mehr zu kontrollierende Zahl von Personen rechnet ([X.]). Bei der Aushändigung einer Vielzahl gleicher Exemplare an verschiedene Abnehmer (Mengenverbreitung) wird bereits verbreitet, wenn der Täter das erste Exemplar einer Mehrzahl von ihm zur Verbreitung bestimmter Schriften an einen einzelnen Bezieher abgegeben hat. Voraussetzung ist aber immer, daß an einen größeren und nicht (vom Täter) kontrollierbaren Perso-nenkreis weitergegeben wird oder weitergegeben werden soll. Die Weitergabe an einzelne bestimmte Dritte allein vermag das Merkmal des [X.] nicht zu erfüllen, wenn nicht feststeht, daß der Dritte seinerseits die Schrift an [X.] Personen überlassen wird. Entscheidend ist, daß die Schrift, nicht etwa bloß ihr geistiger Inhalt, so vielen Personen zugänglich gemacht wird, daß es sich bei den Empfängern um einen für den Täter nicht mehr kontrollierbaren Perso-nenkreis handelt (vgl. dazu [X.]St 13, 257, 258; 18, 63, 64; 19, 63, 71; 47, 55, 59; [X.] MDR 1966, 687; [X.] NJW 1999, 1979, 1980 insoweit in [X.]St 45, 41 nicht abgedruckt; BayObLG NStZ 1983, 120 ff. m. Anm. [X.]; 1996, 436, 437; 2002, 258, 259 m. Anm. [X.] JZ 2002, 412 f.; [X.] Frankfurt StV 1990, 209; [X.]. [X.] NStZ 2004, 628 ff. [betrifft den hier abzuurteilenden Sachverhalt]). Das vom Angeklagten verfaßte und in die Pressemappe aufgenommene Redemanuskript war eine Schrift im Sinne von § 130 StGB (vgl. dazu [X.]St 13, 375, 376), das Manuskript war nicht nur an eine Person gerichtet und nicht nur für einen einzelnen Empfänger bestimmt, sondern sollte an alle interessier-ten Journalisten, die an der Versammlung teilnehmen wollten, verteilt werden. - 10 - Tatsächlich ist der in der Presseerklärung enthaltene schriftliche Rechen-schaftsbericht als solcher nicht verbreitet worden, sondern nur dessen Inhalt war im Zusammenhang mit der Rede des Angeklagten Gegenstand der [X.] in der [X.]er Zeitung. Das allein genügt aber nicht für ein "Verbreiten" im Sinne von § 130 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a) StGB. In der [X.] von zwei Pressemappen selbst liegt nach den getroffenen Feststellungen noch kein Verbreiten, da weder eine Ketten- noch eine Mengenverbreitung [X.].
2. Das [X.] hat jedoch den Umstand, daß fünf Pressemappen bereitgehalten wurden und nach den getroffenen Feststellungen zu dem [X.] an Vertreter von verschiedenen Zeitungen, Agenturen, des Fernse-hens und des Rundfunks Einladungen verschickt worden waren, nur unzurei-chend rechtlich bewertet.
a) Es hat ein Zugänglichmachen [X.]. § 130 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b) StGB fehlerhaft abgelehnt, weil das Merkmal der Öffentlichkeit nicht erfüllt sei. Zugänglichmachen bedeutet, einem anderen die Möglichkeit zu eröffnen, sich durch sinnliche Wahrnehmung vom Inhalt der Schrift Kenntnis zu verschaffen. Dies kann entweder durch Wahrnehmung des Erzeugnisses in seiner Substanz oder in seinem Inhalt geschehen ([X.] NJW 1976, 1984; [X.]/[X.] StGB 25. Aufl. [X.]. 5; [X.]/[X.] StGB 52. Aufl. [X.]. 10; [X.]/[X.] in [X.]/[X.] StGB 26. Aufl. [X.]. 9 jew. zu § 184). Das [X.] muß allerdings öffentlich erfolgen und ist dann gegeben, wenn die Mög-lichkeit der Wahrnehmung durch eine unbestimmte Vielzahl von - innerlich nicht notwendigerweise verbundenen - Personen eröffnet ist ([X.]/[X.] aaO [X.]. 6; [X.]/[X.] aaO [X.]. 6 jew. zu § 74 d). Ein solcher [X.] 11 - halt liegt hier nahe. Soweit das [X.] ([X.]) eine Anwendung dieser Begehungsalternative abgelehnt hat, weil zu dem Verbandstag neben den [X.] nur Pressevertreter zugelassen waren, nicht aber sonstige Öffentlich-keit und der Bericht nur auf Anforderung und nur an einen ganz bestimmten, eng begrenzten Personenkreis persönlich ausgegeben wurde, hat es nicht be-dacht, daß die Pressevertreter ein Teil der Öffentlichkeit sind (vgl. [X.]St 34, 329, 332; 47, 278, 282) und dadurch eine unbestimmte Zahl von Personen von den Manuskripten Kenntnis nehmen konnten.
b) Die Tatbestandsalternative des —Vorrätighaltens zum Zwecke der [X.]. § 130 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d) StGB hat es überhaupt nicht geprüft. Diese Prüfung lag hier aber nach der Ablehnung eines "[X.]" [X.]. § 130 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a) StGB wegen der Weitergabe nur zweier Exemplare nahe, da fünf Pressemappen bereit lagen und etwa 15 [X.] eingeladen waren ([X.]; vgl. zum Vorrätighalten: [X.]/[X.] aaO [X.]. 5; [X.]/[X.] aaO [X.]. 46 jew. zu § 184 StGB).
3. Dazu kommt, daß das [X.] den zur Aburteilung stehenden Sachverhalt nicht in seinem gesamten Umfang beurteilt hat. Es hat nämlich nur am Rande erörtert, ob die Rede des Angeklagten auf der [X.] den Tatbestand des § 130 Abs. 3 StGB erfüllt, und - wie die [X.] - ohne nähere Begründung ein vorsätzliches Handeln verneint ([X.]). Nach § 130 Abs. 3 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer eine unter der [X.] begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des [X.] bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost. Nach den bisherigen [X.] - stellungen könnten die mündlichen Äußerungen des Angeklagten die Alternati-ve "in einer Versammlung verharmlosen" im Rahmen von § 130 Abs. 3 StGB erfüllen. - 13 -
a) Das [X.] war gehalten, den durch die zugelassene Anklage abgegrenzten Prozeßstoff erschöpfend zu behandeln (st. Rspr. [X.]St 25, 72, 75, 76; 32, 215, 216 m.w.[X.]; vgl. [X.] wistra 2004, 272). Die Äußerungen des Angeklagten in der Versammlung, die auch in der Anklage im wesentlichen Er-gebnis der Ermittlungen ausdrücklich erwähnt sind, stellen zusammen mit dem verteilten Redemanuskript einen einheitlichen Vorgang dar. Denn das in der Pressemappe enthaltene Redemanuskript sollte als Hilfe bei der Berichterstat-tung über diese Rede dienen. Daß die Staatsanwaltschaft in ihrer Abschlußver-fügung vom 9. Januar 2003 einen hinreichenden Tatverdacht für eine [X.] bezüglich der mündlichen Äußerungen aus subjektiven Gründen ver-neint hat, steht dem nicht entgegen, eine möglicherweise zu beachtende "(Teil-) Einstellung" ist insoweit nicht erfolgt. b) Die Äußerungen beziehen sich, dafür steht schon das Synonym "[X.]", auf unter der [X.] begangene Handlungen der in § 6 Abs. 1 [X.] bezeichneten Art (vgl. [X.]/[X.] aaO [X.]. 8 a zu § 130; allgemein zum Leugnen des [X.] EGMR NJW 2004, 3691 ff.). c) Sie wurden in einer Versammlung getätigt. Daß es sich um eine [X.] eines Verbandes mit einer beschränkten Anzahl von [X.] gehandelt hat, steht dem nicht entgegen. Denn zur Erfüllung des Merkmals —[X.] genügt eine räumlich zu einem bestimmten Zweck vereinigte Personenmehrheit, dabei kann es sich auch um einen begrenzten Personenkreis handeln (vgl. [X.]/[X.] aaO § 80 a [X.]. 4; [X.]/[X.] aaO [X.]. 2 zu § 80 a; [X.] in [X.]. [X.]. 14 zu § 111 jew. m.w.[X.]). - 14 - d) Der Angeklagte hat nach den bisherigen Feststellungen auch ver-harmlost. Ein Verharmlosen liegt vor, wenn der Äußernde die Anknüpfungstat-sachen für die Tatsächlichkeit der [X.] herunterspielt, beschönigt oder in ihrem wahren Gewicht verschleiert ([X.]St 46, 36, 40; 47, 278): Nicht erforderlich ist das Bestreiten des [X.] als historisches Gesamtge-schehen, es genügen ein "Herunterrechnen der [X.] und sonstige Formen des Relativierens oder [X.]s seines [X.] (vgl. BT-Drucks. 9/2090 S. 7, 8; 10/1286 S. 9; [X.]St 46, 36, 40; [X.]/[X.] aaO [X.]. 31; [X.] aaO [X.]. 44; [X.] in [X.]/[X.], aaO [X.]. 21 jeweils zu § 130; vgl. auch [X.]; Die Strafbarkeit des [X.]-Leugnens 2000 S. 230 ff.; 245 ff.; [X.]/[X.] NStZ 1995, 1, 3; [X.] NStZ 2000, 281, 285), wobei es sich dann um eine abgeschwächte Form des Leug-nens handelt ("teilweises Leugnen" vgl. [X.] aaO S. 230; [X.] NStZ 2000, 284). Ein solches Relativieren und [X.] liegt hier vor. Das [X.] und [X.] im Konzentrationslager [X.] ist eine geschichtliche Tatsache. Demgegenüber geht die Aussage der einschlä-gigen Textpassage der Rede des Angeklagten erkennbar dahin, daß es nicht in dem geschichtlich anerkannten Umfang zu dem Massenmord in [X.] ge-kommen sei. Die Zahl der Opfer müsse vielmehr in so erheblicher Weise nach unten korrigiert werden, daß es in diesem Zusammenhang als angebracht [X.], der bisherigen Geschichtsschreibung bewußt betriebene einseitige Kollektivschuldzuweisung gegenüber dem [X.] Volk und den Gebrauch von Lügen zu bescheinigen. Der Kontext der Rede zeigt somit ein umfassen-des Herunterspielen der Opferzahlen durch den Angeklagten, nicht nur ein zahlenmäßiges Infragestellen im Randbereich der geschichtlich feststehenden Größenordnung. - 15 - In der Rede findet sich zwar auch eine beschwichtigende Bekundung ("dabei geht es nicht um die Relativierung des Verbrechens, sondern um die geschicht-liche Wahrheit"). Damit wird aber die verharmlosende Hauptaussage des [X.], die Aussagen über die Zahl der Opfer in [X.] entspreche nicht der Wahrheit, nicht in Frage gestellt. Im Vordergrund bleibt das Leugnen der geschichtlichen Wahrheit durch das bewußte Infragestellen der Opferzahlen. Denn dem Angeklagten ging es ersichtlich nicht um ein "Zahlenspiel". Sinn sei-ner Ausführungen war es, "die Lügen über [X.], über [X.], die [X.] über die Opfer in [X.]" anzuprangern. Der Angeklagte wollte den Eindruck erwecken, daß eine zutreffende Beurteilung der Verbrechen, also ins-besondere auch der [X.] Verbrechen in [X.], bisher durch "bewußt betriebene einseitige Kollektivschuldzuweisung" und "Lügen" nicht möglich gewesen sei. Dies impliziert die Aussage, daß die bisherigen als gesichert geltenden Erkenntnisse über Anzahl und Schicksal der Opfer im Kon-zentrationslager [X.] das Ergebnis einer bewußten und gewollten Ge-schichtsfälschung seien, deren Richtigstellung zu einer entscheidend günstige-ren Beurteilung [X.] Unrechtstaten führen werde.

e) Die Rede des Angeklagten war auch geeignet, den öffentlichen Frie-den zu stören. [X.] ist der öffentliche Frieden unter anderem dann, wenn das Vertrauen der Bevölkerung in die öffentliche Rechtssicherheit erschüttert wird ([X.]St 34, 329, 331; 46, 212, 218; vgl. auch [X.]/[X.] aaO [X.]. 14 [X.]; [X.] aaO [X.]. 13 und 46 jeweils zu § 130 StGB), die [X.] "auf die Betroffenen als Ausdruck unerträglicher Mißachtung wirkt" (BT-Drucks. 9/2090 S. 7). Geeignetheit zur [X.] liegt nach dem Sinn des Gesetzes aber nur dann vor, wenn die Äußerung vernünftigerweise eine der angeführten Reaktionen erwarten lassen muß (BT-Drucks. 9/2090 S. 8). - 16 - Daß die Äußerungen des Angeklagten vor der Vertreterversammlung diese Wirkung hatten, zeigen schon die scharfen Angriffe des anwesenden Journalis-ten in seinem Bericht in der [X.] über die Rede des Angeklagten (vgl. zur Beobachtung durch die Presse: [X.]St 47, 278, 282; vgl. auch [X.]St 34, 329, 332) und die Reaktion einiger Versammlungsteilnehmer ([X.]).
f) Auch die subjektive Seite ist zumindest in Gestalt des bedingten [X.] (vgl. [X.]/[X.] aaO [X.]. 12 zu § 130) entgegen der Ansicht des [X.] nach dem bisherigen Beweisergebnis naheliegend. Im Falle des "[X.]" muß sich der Vorsatz auf die Unwahrheit der mit der [X.] verbundenen Tatsachenbehauptungen sowie auf die gänzliche Unan-gemessenheit der geäußerten Wertungen erstrecken (vgl. [X.]/[X.] aaO § 130 [X.]. 34 [X.]; vgl. auch [X.] aaO S. 230 f.). Die bisherigen [X.] sprechen dafür, daß dem Angeklagten - unabhängig von seiner persön-lichen Überzeugung ([X.] NStZ 1995, 128 f.; vgl. auch [X.] NStZ 2000, 281, 286) - die Tragweite seiner Äußerungen bewußt und ihr Inhalt auch ge-wollt war. Gerade die Einschränkung "dabei geht es nicht um die Relativierung des Verbrechens, sondern um die geschichtliche Wahrheit" zeigt, daß es dem Angeklagten darauf ankam, seinen Zuhören bewußt zu machen, daß es sich bei der Zahl der Opfer in [X.] neben den "Lügen über [X.], [X.]" um eine (weitere) "Lüge" handelte, um die nach seiner Ansicht "einseitig be-triebene Kollektivschuldzuweisung" zu begründen. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang zudem, daß die Ausführungen des Angeklagten über [X.], [X.] und [X.] in dem Rechenschaftsbericht des Landesvorsitzenden eines [X.] ersichtlich fehl am Platze waren, was auch Delegierte selbst bemängelten ([X.]). - 17 - - 18 - Die Sache muß deshalb neu verhandelt werden.

[X.] Detter [X.]

[X.]

Roggenbuck

Meta

2 StR 365/04

22.12.2004

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.12.2004, Az. 2 StR 365/04 (REWIS RS 2004, 63)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 63

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