Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.07.2006, Az. III ZB 14/06

III. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 2356

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[X.] [X.] vom 28. Juli 2006 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja ZPO § 485 Abs. 2; BGB § 839a Ein Antrag auf Begutachtung durch einen Sachverständigen im selbständigen Beweisverfahren nach § 485 Abs. 2 ZPO, der der Vorbereitung eines Sach-verständigenhaftpflichtprozesses nach § 839a BGB dienen soll, ist mangels eines rechtlichen Interesses grundsätzlich unzulässig, solange der Vorprozess noch nicht abgeschlossen ist und der [X.] dort Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen, mit denen sie eine Korrektur des ihrer Meinung nach grob fehlerhaften Gutachtens erwirken kann. [X.], Beschluss vom 28. Juli 2006 - [X.]/06 - [X.]

LG [X.] - 2 - Der II[X.] Zivilsenat des [X.] hat am 28. Juli 2006 durch den Vorsitzenden [X.] und [X.] [X.], [X.], Dr. [X.] und [X.] beschlossen: Die Rechtsbeschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des 8. Zivilsenats des [X.] vom 28. De-zember 2005 wird zurückgewiesen. Die Antragsteller haben die Kosten des [X.] zu tragen. Der Streitwert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 25.000 • festgesetzt. Gründe: [X.] Die Antragsteller begehren im selbständigen Beweisverfahren die Begut-achtung von Bauwerksmängeln. 1 Die Antragsteller werden als Beklagte in einem Rechtsstreit vor dem [X.] von der dortigen Klägerin auf Zahlung von Werklohn für die Errichtung eines Wohnhauses in Anspruch genommen. Sie machen gel-tend, die Werkleistungen der Klägerin seien mit verschiedenen Mängel [X.] - 3 - tet. Das [X.] ordnete in jenem Verfahren eine Beweiserhebung über die behaupteten Mängel durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengut-achtens an. Mit der Begutachtung beauftragte es den Antragsgegner zu 1, ei-nen von der Industrie- und Handelskammer [X.] öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für Schäden an Gebäuden. Der Antragsgegner zu 2 erstattete ein statisches Congutachten über die Standsicherheit der [X.]. Die Antragsteller halten die schriftlichen Gutachten für grob unrichtig. Zur Vorbereitung eines [X.]es gegen die Sachverständigen nach § 839a BGB beantragen sie die Einholung eines neuen schriftlichen Sachver-ständigengutachtens über einen Teil der Mängel, die bereits Gegenstand des [X.] im Vorprozess gewesen waren. Der Vorprozess selbst ist noch nicht rechtskräftig abgeschlossen. 3 Das [X.] hat den Antrag als insgesamt unzulässig, das Oberlan-desgericht ([X.], 120, siehe auch Weise, [X.], 165, 166 und [X.], [X.], 165, 169) als derzeit unzulässig zurückgewiesen. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgen die [X.] ihren Antrag weiter. 4 I[X.] Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, aber nicht begründet. Die [X.] haben den Antrag zu Recht zurückgewiesen. 5 - 4 - 1. Grundlage für den Antrag auf Begutachtung durch einen Sachverständi-gen ist hier § 485 Abs. 2 ZPO. Eine Beweissicherung nach Absatz 1 dieser Vorschrift kommt hingegen nicht in Betracht, da die Voraussetzungen dafür nicht vorliegen. Sie werden auch von der Rechtsbeschwerde nicht geltend [X.]. 6 2. Die durch das [X.] vom 17. Dezember 1990 ([X.] I S. 2847) mit Wirkung vom 1. April 1991 neu gestalteten [X.] über das selbständige Beweisverfahren ermöglichen in § 485 Abs. 2 ZPO eine von einem Beweissicherungsbedürfnis, wie es etwa § 485 Abs. 1 ZPO voraussetzt, unabhängige Erhebung des [X.]. [X.] ist lediglich, dass der Antragsteller ein rechtliches Interesse an der zu treffenden Feststellung hat; ein solches ist insbesondere (aber nicht nur) dann anzunehmen, wenn die Feststellung der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen kann. Der Begriff des "rechtlichen Interesses" ist weit zu fassen. [X.] ist es dem Gericht grundsätzlich verwehrt, bereits im Rahmen des selbständigen Beweisverfahrens eine Schlüssigkeits- oder Erheblichkeitsprü-fung vorzunehmen. Dementsprechend kann ein rechtliches Interesse etwa dann verneint werden, wenn ein Rechtsverhältnis, ein möglicher Prozessgegner oder ein Anspruch nicht ersichtlich ist. Dabei kann es sich nur um völlig eindeutige Fälle handeln, in denen evident ist, dass der behauptete Anspruch keineswegs bestehen kann (Senatsbeschluss vom 16. September 2004 - [X.]/04 = NJW 2004, 3488 m.w.N.). 7 3. Ein derartiges Interesse leiten die Antragsteller hier aus der von ihnen behaupteten groben Fehlerhaftigkeit des im Vorprozess eingeholten, ihnen [X.] Sachverständigengutachtens her. Die Begutachtung im [X.] - 5 - gen Beweisverfahren soll daher der Vorbereitung eines Schadensersatzan-spruchs gegen die Sachverständigen nach § 839a BGB dienen. a) Aufgrund dieser Bestimmung ist ein vom Gericht ernannter [X.], der vorsätzlich oder grob fahrlässig ein unrichtiges Gutachten erstat-tet, zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der einem Verfahrensbeteiligten durch die gerichtliche Entscheidung entsteht, die auf diesem Gutachten beruht. § 839a BGB erfordert somit einen zweiaktigen Geschehensablauf, nämlich ein unrichtiges Gutachten, das Eingang in eine unrichtige gerichtliche Entscheidung gefunden hat, die ihrerseits den Schaden herbeiführt (Senatsurteil vom 9. März 2006 - [X.] = NJW 2006, 1733, für [X.] vorgesehen; Rn. 5 m.w.N.). 9 b) Dementsprechend kann der Schadensersatzanspruch der [X.] gegen die Sachverständigen derzeit noch nicht bestehen. Da der Vorpro-zess noch nicht abgeschlossen ist, kann das Gutachten noch nicht in die ge-richtliche Entscheidung eingeflossen sein und den Schaden verursacht haben. 10 4. Dies hat die Folge, dass die Antragsteller aufgrund des auch bei der Sachverständigenhaftung geltenden Vorrangs des Primärrechtsschutzes (§ 839a Abs. 2 i.V.m. § 839 Abs. 3 BGB) gehalten sind, durch Einlegung von Rechtsmitteln auf eine Korrektur des ihrer Meinung nach unrichtigen Sachver-ständigengutachtens oder der darauf beruhenden gerichtlichen Entscheidung hinzuwirken. Als "Rechtsmittel" kommen zum einen solche Behelfe in Betracht, die sich unmittelbar gegen das fehlerhafte Gutachten selbst richten und die be-stimmt und geeignet sind, eine auf das Gutachten gestützte instanzbeendende gerichtliche Entscheidung zu verhindern. Zu denken ist insoweit etwa an Ge-genvorstellungen und Hinweise auf die Unrichtigkeit des Gutachtens (vgl. § 411 Abs. 4 ZPO), Anträge, den Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung sei-11 - 6 - nes Gutachtens zu laden, formelle Beweisanträge auf Einholung eines neuen (Ober-)Gutachtens (§ 412 ZPO). Zum anderen fallen nach Sinn und Zweck der Neuregelung unter die Rechtsmittel auch solche gegen die gerichtliche Ent-scheidung, die deren Korrektur im Rechtsmittelzug erstreben ([X.]/ [X.], BGB 13. Bearb. [2002] § 839a Rn. 6). 5. Diese mögliche Korrektur des nach Meinung der Antragsteller grob [X.] Sachverständigengutachtens schon im Vorprozess selbst ist in noch höherem Maße als die nunmehr beantragte Begutachtung im selbständigen Beweisverfahren bestimmt und geeignet, schon im Vorfeld einer streitigen [X.] zu stiften. Durch die erfolgreiche Einlegung ei-nes Rechtsmittels kann und soll nämlich bewirkt werden, dass es erst gar nicht zu einer gerichtlichen Entscheidung kommt, die auf dem Gutachten beruht. Damit wird dann der Eintritt eines Schadens verhindert, ohne dass es dann noch zu einem [X.] gegen den Sachverständigen zu kommen braucht. Deswegen ist, solange und soweit die Möglichkeit erfolgversprechen-den Primärrechtsschutzes besteht, ein rechtliches Interesse an der Begutach-tung im selbständigen Beweisverfahren, wie § 485 Abs. 2 ZPO es fordert, zu verneinen (a.A. wohl [X.], [X.], 585). 12 6. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Vorprozess und der in Aussicht genommene [X.] gegen die Sachverständigen zwei ver-schiedene Streitgegenstände mit unterschiedlichen [X.]en betreffen. Die [X.] sind nämlich gleichwohl identisch. Ziel des selbständigen Beweis-verfahrens nach § 485 Abs. 2 ZPO ist die Entlastung der Gerichte von [X.], deren Streitfragen weniger rechtlicher als tatsächlicher Art sind und für de-ren Entscheidung daher das Fachgutachten eines Sachverständigen eine maß-gebliche (oft sogar allein ausschlaggebende) Bedeutung hat, so insbesondere 13 - 7 - bei Gewährleistungs- oder Schadensersatzprozessen ([X.]/[X.], ZPO 25. Aufl. 2005 § 485 Rn. 6 m.w.N.). Dieses gesetzgeberische Ziel der Prozess-ökonomie würde in sein Gegenteil verkehrt, wenn man zur Vorbereitung eines [X.]es gegen den gerichtlichen Sachverständigen eine erneute Begutachtung über dieselben Beweisfragen zulassen würde, die im Vorprozess noch gar keiner streitentscheidenden Klärung zugeführt sind. Schlick [X.] [X.]

[X.] [X.] Vorinstanzen: LG [X.], Entscheidung vom 02.12.2005 - 12 OH 108/05 - [X.], Entscheidung vom 28.12.2005 - 8 W 37/05 -

Meta

III ZB 14/06

28.07.2006

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.07.2006, Az. III ZB 14/06 (REWIS RS 2006, 2356)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 2356

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