Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.08.2013, Az. XII ZB 131/13

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 3613

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 131/13
vom
7.
August
2013
in der
Betreuungssache

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am 7.
August
2013
durch [X.], die Richterin
Weber-Monecke
und die Richter

Schilling, Dr.
Nedden-Boeger
und Dr. Botur
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 5.
Zivilkammer des
[X.]s [X.]
vom 11. Februar 2013
wird zurückge-wiesen.
Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei.
[X.]: 3.000

Gründe:
I.
Die
84jährige Betroffene leidet an einer fortgeschrittenen
Demenz vom Alzheimer-Spättyp.
Sie lebte bis Anfang 2012 mit ihrem 88jährigen Ehemann, mit dem sie seit 58
Jahren verheiratet ist, in der gemeinsamen ehelichen
Woh-nung. Vom 16.
bis 23.
Januar 2012 befand sich die Betroffene aufgrund ihrer Demenz und wegen häuslicher Konflikte
in stationärer psychiatrischer [X.].
Nach einem Sturz des Ehemanns am Abend des 8.
März 2012, der zu einem mehrwöchigen Krankenhausaufenthalt des Ehemanns in der chirurgischen Abteilung führte, wurde die Betroffene
in den frühen Morgen-stunden des 9.
März 2012 nach Suiziddrohungen
erneut in die
psychiatrische Abteilung des Krankenhauses verbracht, in dem
sie bereits im Januar [X.]
-
3
-
nommen worden war, und dort bis zum 23.
April 2012 wegen Demenz behan-delt.
Von dort wurde die Einrichtung einer rechtlichen Betreuung angeregt.
Später wurde sie für die Dauer von sechs Wochen geschlossen unterge-bracht und danach in anderen Pflegeeinrichtungen betreut, wo
sie durch [X.] genehmigte unterbringungsähnliche Maßnahmen am Entweichen ge-hindert wurde.
Das Amtsgericht hat eine Betreuung für die [X.] der [X.], Vermögenssorge, Vertretung gegenüber Behörden, Versicherern, Renten-
und Sozialleistungsträgern, Entgegennahme,
Öffnen und
Anhalten der Post, Aufenthaltsbestimmung einschließlich
der
Unterbringung sowie Entschei-dung über unterbringungsähnliche Maßnahmen eingerichtet und die Beteiligte zu
2 zur
Berufsbetreuerin bestimmt.
Dagegen hat der Ehemann Beschwerde eingelegt, mit der er geltend gemacht hat, er sei aufgrund seiner langjährigen Verbundenheit zur Betroffenen besser geeignet, ihre rechtlichen Interessen wahrzunehmen, als die Berufsbe-treuerin. Das [X.] hat die Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen rich-tet sich die Rechtsbeschwerde des Ehemanns.

II.
Die zulässige Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.
1. Die Rechtsbeschwerde ist zulassungsfrei statthaft,
auch wenn sich der Ehemann nicht gegen die Anordnung der Betreuung als solche, sondern nur gegen die gleichzeitige Auswahl des Betreuers wendet (vgl. Senatsbeschluss vom 15.
September 2010

XII
ZB 166/10

FamRZ 2010, 1897
Rn.
10).
2
3
4
5
6
-
4
-
2. Das [X.] hat zur Begründung seiner Entscheidung im [X.] ausgeführt:
Zwar habe die Bestellung eines langjährigen Ehepartners gemäß §
1897 BGB grundsätzlich Vorrang gegenüber der Einrichtung einer Be-rufsbetreuung. Der Ehemann sei aber nicht geeignet, die rechtliche Betreuung zum Wohle der Betroffenen auszuüben. Er sei nicht in der Lage, die Demenzer-krankung der Betroffenen zu erkennen und zu akzeptieren, da er die [X.] Erkrankung lediglich
als
altersbedingte Augenerkrankung einstufe
und jegli-che demenzielle Erkrankung leugne.
Daher sei er auch nicht in der Lage, die sich aus der Erkrankung ergebenden Konsequenzen für eine ordnungsgemäße pflegerische Betreuung
zu erkennen und Entscheidungen zum objektiven Wohl der Betroffenen zu treffen.
Bei seinem Vorhaben, die Betroffene zu sich nach Hause zu holen, schätze er den Pflegebedarf falsch ein und verkenne die Not-wendigkeit besonderer
Schutzvorkehrungen
gegen die
Weglauftendenzen der Betroffenen. Diese sei
außerhalb ihres bekannten [X.] hilflos und deshalb auf eine beaufsichtigende Umgebung angewiesen.
3. Die
angefochtene Entscheidung
hält
einer rechtlichen Nachprüfung stand.
a) Das [X.] hat die Voraussetzungen für die Einrichtung einer Be-treuung rechtsfehlerfrei festgestellt. Dagegen erinnert auch die Rechtsbe-schwerde nichts.
b) Schlägt der volljährige Betroffene
eine Person vor, die zum Betreuer bestellt werden kann, so ist diesem Vorschlag zu entsprechen, wenn es dem Wohl des Betroffenen nicht zuwiderläuft

1897 Abs.
4 Satz
1 BGB).
Ein sol-cher Vorschlag erfordert in der Regel weder Geschäftsfähigkeit noch natürliche Einsichtsfähigkeit. Vielmehr genügt, dass der Betroffene seinen Willen oder 7
8
9
10
-
5
-
Wunsch kundtut, eine bestimmte Person solle sein Betreuer werden (Senatsbe-schluss vom 15.
Dezember 2010

XII
ZB 165/10

FamRZ 2011, 285 Rn.
14).
Schlägt der volljährige Betroffene niemanden vor, der zum Betreuer be-stellt werden kann, so ist bei der Auswahl des Betreuers auf die verwandt-schaftlichen und sonstigen persönlichen Bindungen des Volljährigen, insbeson-dere auf die Bindungen zu Eltern, zu Kindern, zum Ehegatten und zum Lebens-partner, sowie auf die Gefahr von Interessenkonflikten Rücksicht zu nehmen

1897 Abs.
5 BGB).
Die Betroffene hat in ihrer Anhörung vor dem Amtsgericht auf die Frage, wer
sich um ihre Angelegenheiten
kümmere, angegeben, das mache [X.]. Einmischung von außen bräuchten sie nicht, es sei alles geregelt.
Diese Äuße-rung kann als gestufter Vorschlag verstanden werden, möglichst von der Ein-richtung einer Betreuung abzusehen, weil alles geregelt sei, hilfsweise anstelle einer "Einmischung von außen"
den Ehemann als Betreuer zu bestellen, der die Angelegenheiten schon bisher
geregelt
habe.
Zu Recht hat daher das [X.] am Maßstab des §
1897 Abs.
4 Satz
1, Abs.
5
BGB geprüft, ob eine Betreuung durch den Ehemann
dem Wohl der
Betroffenen zuwiderläuft.
c) Zwar steht dem Tatrichter bei der Auswahl des Betreuers im Fall des §
1897 Abs.
4 Satz
1 BGB kein Ermessen zu. Es ist die Person zum Betreuer zu bestellen, die der Betreute wünscht. Der Wille des Betreuten kann aber dann unberücksichtigt bleiben, wenn die Bestellung der vorgeschlagenen Person dem Wohl des Betreuten zuwiderläuft. Dies setzt voraus, dass sich aufgrund einer umfassenden Abwägung aller relevanten Umstände Gründe von erhebli-chem Gewicht ergeben, die gegen die Bestellung der vorgeschlagenen Person sprechen. Es muss die konkrete Gefahr bestehen, dass der Vorgeschlagene 11
12
13
14
-
6
-
die Betreuung des Betroffenen nicht zu dessen Wohl führen kann oder will (Se-natsbeschlüsse
vom 10.
November 2010

XII
ZB 355/10

FamRZ 2011, 100 Rn.
4 und vom 15.
September 2010

XII
ZB 166/10

FamRZ 2010, 1897 Rn.
20; vgl. auch
BVerfGE 33, 236, 238
f.).
Das Beschwerdegericht hat ausführlich dargelegt, warum eine Bestellung des Ehemanns zum Betreuer dem Wohl der Betroffenen zuwiderlaufen würde.
Gegen diese Ausführungen, die durch
das eingeholte [X.] gestützt werden,
ist nichts zu erinnern. Die Feststellungen des Beschwer-degerichts rechtfertigen es, im vorliegenden Fall bei der Auswahl des Betreuers von einer Bestellung des Ehemanns abzusehen.
Unter den gegebenen Voraus-setzungen verletzt die getroffene Entscheidung auch nicht die Menschenwürde (Art.
1 GG) und das Recht auf Achtung des Familienlebens (Art.
6 Abs.
1 GG, Art.
8 Abs.
1 EMRK).
15
-
7
-
Von einer weiteren Begründung wird gemäß §
74 Abs.
7 [X.], weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzli-cher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitli-chen Rechtsprechung beizutragen.

Dose
Weber-Monecke
RiBGH Schilling hat

Urlaub und kann des-

wegen nicht unter-

schreiben.

Dose

Nedden-Boeger

Botur
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 26.09.2012 -
XVII 41/12 -

LG [X.], Entscheidung vom 11.02.2013 -
5 [X.]/12 -

16

Meta

XII ZB 131/13

07.08.2013

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.08.2013, Az. XII ZB 131/13 (REWIS RS 2013, 3613)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 3613

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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