Bundespatentgericht, Beschluss vom 29.10.2013, Az. 24 W (pat) 14/12

24. Senat | REWIS RS 2013, 1586

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "RHENO (IR-Marke)/GENO (Gemeinschaftsmarke)" – keine durch Benutzung gesteigerte Kennzeichnungskraft - Warenidentität und -ähnlichkeit – keine unmittelbare Verwechslungsgefahr – keine Verwechslungsgefahr durch gedankliche Verbindung


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die [X.] 836 663

hat der 24. Senat ([X.]) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 29. Oktober 2013 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin [X.] sowie der Richterin [X.] und des Richters Heimen

beschlossen:

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die am 30. Dezember 2004 veröffentlichte Marke [X.] 836 663

2

[X.]

3

ist seit 26. Juli 2004 für die folgenden Waren international registriert:

4

Klasse 9: [X.], [X.]; appareils détecteur de [X.], photomètres; doseurs de [X.], de liquides et de matières sèches utilisés dans le traitement des [X.], pompes de dosage.“

5

Klasse 11: [X.] des [X.], en particulier pour le traitement de l'eau potable, de l'eau pour piscines et des [X.] industrielles, installations pour la purification de l'air, installations pour la décontamination et la désinfection de l'eau et de l'air; installations de désinfection, en particulier installations de désinfection par chloration électrique, [X.], [X.]; appareils de réglage pour le traitement de l'eau et du [X.]“.

6

Gegen die Schutzrechtserstreckung dieser Marke auf das Gebiet der [X.] ist am 28. Februar 2005 Widerspruch erhoben worden aus der für die Waren

7

„Klasse 1: Chemische Erzeugnisse für gewerbliche Zwecke, wissenschaftliche, photographische, land-, garten- und forstwirtschaftliche Zwecke; chemische Erzeugnisse für die Wasseraufbereitung für Gewerbe- und Haushaltszwecke; Kunstharze und synthetische Harze zur Verwendung in der Wasser- und Abwasseraufbereitung.

8

Klasse 5: Desinfektionsmittel

9

 Klasse 9: Mess-, Regel- und Steuergeräte; Apparate zur automatischen Dosierung und Abgabe von Chemikalien

 Klasse 11: Beleuchtungs-, Heizungs-, Dampferzeugungs-, Koch-, Kühl-, Trocken-, Lüftungs- und Wasserleitungsgeräte; Apparate und Anlagen zur Aufbereitung von Wasser und Abwasser; sanitäre Anlagen“

seit 19. April 2001 eingetragenen [X.]smarke [X.] 1 449 065

GEN[X.]

Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat wiederholt, u. a. mit [X.] vom 7. Juni 2012, die Einrede der Nichtbenutzung erhoben. Die Widersprechende hat daraufhin mehrere eidesstattliche Versicherungen und [X.] zur Akte gereicht.

In zwei Beschlüssen vom 11. September 2008 und vom 12. Januar 2012, von denen einer durch eine Beamtin des höheren Dienstes im Erinnerungsverfahren ergangen ist, hat die Markenstelle für Klasse 11 [X.] des [X.] den Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, zwischen den [X.] bestehe, so das Ergebnis der gebotenen Gesamtbetrachtung, nicht die Gefahr einer markenrechtlichen Verwechslung im Sinne der §§ 125 b, 107, 114, 43 Abs. 2 S. 2, 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] in Verbindung mit Art. 5 [X.], Artikel 6 quinquies B [X.]. Die sich gegenüberstehenden Marken beanspruchten beide Schutz für die Ware „Messgeräte“. Die Widerspruchsmarke verfüge über eine normale Kennzeichnungskraft. Im [X.] unterschieden sich beide Wortmarken an dem im Allgemeinen stärker beachteten Wortanfang indes sowohl klanglich als auch schriftbildlich deutlich voneinander. Gerade die Abweichungen in den Anfangsbuchstaben beeinflussten die relativ kurzen Wörter im Markenvergleich stark. Eine Verwechslungsgefahr in begrifflicher Hinsicht oder unter weiteren Gesichtspunkten bestehe nicht. Auf dem betreffenden Warensektor besäßen weder die angegriffene noch die ältere Marke einen Sinngehalt. Auf die Benutzungslage komme es daher nicht an.

Gegen diese Entscheidungen wendet sich die Widersprechende mit ihrer Beschwerde. Sie hält die [X.], die einander auf ähnlichen und identischen Waren begegneten, für verwechslungsfähig. Infolge des [X.] sei von einer zumindest leicht erhöhten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke auszugehen. Die schwachen Anfangskonsonanten beider Zeichen würden leicht überhört. Identisch seien die [X.] und die Betonung der jeweils zweisilbig ausgesprochenen Zeichen auf dem ersten Vokal, welcher länger betont werde. Die Widersprechende regt die Erstattung der Erinnerungs- und der Beschwerdegebühr an.

Die Widersprechende beantragt,

die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 11 [X.] des [X.] vom 11. September 2008 und vom 12. Januar 2012 aufzuheben und die angegriffene Marke im Umfang des Widerspruchs zu löschen.

Die Inhaberin der jüngeren Marke beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie schließt sich der Begründung der angefochtenen Beschlüsse an und bestreitet, dass der Widerspruchsmarke eine durch Benutzung leicht erhöhte Kennzeichnungskraft zukomme.

Ergänzend wird auf die Verfahrensakten Bezug genommen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 29. Oktober 2013 haben die Parteien ihre gegenseitigen Standpunkte vertieft.

II.

Die gem. § 66 Abs. 1 [X.] zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Unter Berücksichtigung einer bis zur Identität reichenden [X.] und einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke hält die angegriffene Marke einen ausreichenden [X.] zur Widerspruchsmarke ein. Die Voraussetzungen einer markenrechtlichen Verwechslungsgefahr [X.] § 9 Abs. 1 Nr. 2, 1. u. [X.]. [X.] i. V. m. §§ 125 b, 107, 114, 43 Abs. 2 S. 2, 42 Abs. 2 Nr. 1 [X.], Art. 5 [X.], Artikel 6 quinquies B Nr. 1 [X.] sind nicht gegeben.

Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2, 1. u. [X.]. [X.] ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend vorzunehmen. Dabei sind zunächst - und zwar unabhängig voneinander – Feststellungen zur Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, zur Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen sowie zur Ähnlichkeit der [X.] zu treffen. Bei einer abschließenden Entscheidung ist zu berücksichtigen, dass die vorgenannten Faktoren in einem Verhältnis der Wechselwirkung zueinander stehen, so dass ein geringerer Grad des einen Faktors durch einen höheren Grad eines anderen Faktors ausgeglichen werden kann (st. Rspr.; vgl. z. B. [X.] GRUR 1998, 387, 389 (Nr. 22) - Sabèl/[X.]; [X.], 343, 345 (Nr. 48) - [X.]/[X.]; BGH [X.], 905 (Nr. 12) - Pantohexal).

In den Klassen 9 und 11 können die [X.] einander auf identischen („Messinstrumente“ der Klasse 9 sowie „Apparate und Anlagen zur Aufbereitung von Wasser“ der Klasse 11) und hochgradig ähnlichen Waren begegnen. Diese Waren richten sich vorwiegend an den Fachverkehr sowie an fachlich interessierte Endverbraucher. Im Vergleich zum allgemeinen Durchschnittsverbraucher, der Waren des täglichen Bedarfs konsumiert, begegnen diese Erwerber den hier beanspruchten Waren beim Kauf regelmäßig mit erhöhter Aufmerksamkeit.

Zugunsten der Widersprechenden hat der Senat unterstellt, dass diese die rechtserhaltende Benutzung ihrer [X.]smarke [X.] §§ 125 b Nr. 4, 42 Abs. 2 Nr. 1, 43 Abs. 1 [X.], Art. 15 [X.]V für diese Waren der Klassen 11 und 9 auf die in zulässiger Weise erhobene Einrede der Nichtbenutzung hin durch die vorgelegten [X.] hinreichend glaubhaft gemacht hat.

Die Widerspruchsmarke verfügt von Haus aus über eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Das Markenwort „[X.]“ hat im Zusammenhang mit den hier in Rede stehenden Waren keine erkennbare sachliche Bedeutung.

Entgegen dem Vortrag der Widersprechenden ist der Senat nicht von einer infolge Benutzung gesteigerten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ausgegangen. Zureichende Anhaltspunkte, die einen solchen Schluss zuließen, hat die Widersprechende nicht vorgetragen. Zur Steigerung der Kennzeichnungskraft einer Marke, hier einer [X.]smarke, ist eine durch intensive und nicht nur kurzfristige Benutzung entstandene Verkehrsbekanntheit in der [X.] erforderlich. Zu deren Feststellung sind alle relevanten Umstände im Einzelfall zu berücksichtigen, wie der Marktanteil der Marke, ihre Benutzungsdauer und -intensität, ihre geographische Verbreitung, die für die Marke getätigten [X.] sowie der Anteil der Verkehrskreise, die die mit der Marke gekennzeichneten Waren als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkennen (vgl. [X.], [X.]/[X.], [X.], 10. Aufl. 2011, Rn. 138 zu § 9 m. w. N). Eine gestärkte Kennzeichnungskraft muss schon im Prioritätszeitpunkt der jüngeren Marke vorgelegen haben (vgl. BGH [X.], 903, 904, Rn. 14 - [X.]; GRUR 2013, 833, 836 Rn. 41 – Culinaria /Villa  Culinaria) und noch im Entscheidungszeitpunkt fortbestehen (vgl. [X.], [X.]/[X.], a. a. [X.], Rn. 148, 187 zu § 9 m. w. N). Diesen Anforderungen genügen der Sachvortrag der Widersprechenden und die von ihr vorgelegten [X.] nicht.

Die am 26. Juli 2004 international registrierte [X.]-Marke  836 663 „[X.]“ wurde am 30. Dezember 2004 nach Regel 32 GAusfO in der [X.] veröffentlicht, § 114 [X.]. Mitteilungen der Widersprechenden zu den mit ihrer Marke erzielten Umsätzen, die ihr technischer Geschäftsführer  [X.] am 31. Juli 2007, am 15. Juni 2010 und am 16. April 2013 an Ei- des Statt versichert hat, beziehen sich nicht auf den Prioritätszeitpunkt der jüngeren Marke, sondern auf die [X.] und 2006, 2008 und 2009 sowie 2011 und 2012.

Mit keiner ihrer Waren hat die Widersprechende in einem dieser Jahre erweislich mehr als [X.]. umgesetzt. Die Widersprechende hat diese Umsatzzahlen für die [X.] und 2006 für Enthärtungsanlagen eidesstattlich versichert. Ihre Umsätze sind in den Jahren 2008 und 2009 auf [X.]., im Jahre 2011 auf [X.]. und im Jahre 2012 auf [X.]. gesunken. Für sich genommen erlauben diese Zahlen schon deshalb keine Rückschlüsse auf den Bekanntheitsgrad der Widerspruchsmarke, weil die Widersprechende keine Zahlen über die Gesamtumsätze des einschlägigen Marktes mitgeteilt hat und die [X.] gilt, dass umsatzstarke Marke wenig bekannt sein können und umgekehrt umsatzstarke Marken – z. B. wegen ihrer Exklusivität - sehr bekannt (vgl. [X.] 2007, 126 – [X.] und [X.]; [X.] Beschluss vom 24. April 2008, 26 W (pat) 23/06 – [X.] Bierflasche). Konkrete Angaben zum Bekanntheitsgrad in der [X.] bzw. in der [X.] als deren wesentlicher Teil (vgl. [X.], [X.], 1158 Rn. 30 - Pago/Tirolmilch), zur Zusammensetzung des entsprechenden Marktes und zur Stellung der Widersprechenden in diesem Markt hat die Widersprechende nicht gemacht. [X.] Gutachten zur Verkehrsbekanntheit der Widerspruchsmarke hat die Widersprechende nicht zur Akte gereicht.

Den unter Berücksichtigung einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und einer bis zur Identität reichenden [X.] gebotenen [X.] hält das angegriffene Zeichen sicher ein.

Die zu vergleichenden Markenwörter „[X.]“ und „[X.]“ stimmen zwar in der Silbenanzahl, in der Betonung, in der [X.] „[X.]“ und am Wortende überein. Sie unterscheiden sich jedoch am erfahrungsgemäß stärker beachteten Wortanfang, auf dem zugleich die Betonung liegt, klanglich wie schriftbildlich deutlich voneinander. Das übereinstimmende Wortende beider Zeichen bleibt demgegenüber [X.]. Der jeweilige Wortanfang ist nicht kennzeichnungsschwach, beschreibend oder verbraucht (vgl. [X.], [X.]/[X.], a. a. [X.], Rn. 237 zu § 9). Beide Markenwörter sind kurze zweisilbige Wörter, bei der Widerspruchsmarke mit ihren lediglich vier Buchstaben handelt es sich überdies um ein Kurzwort, dessen Klang- und Schriftbild dem angesprochenen Verkehr regelmäßig besser und genauer in Erinnerung bleibt (vgl. [X.], [X.]/[X.], a. a. [X.], Rn. 241 zu § 9). Anhaltspunkte für eine begriffliche Ähnlichkeit beider Zeichen fehlen (vgl. [X.] GRUR 2006, 416 - Z[X.]H/S[X.]).

Angesichts dessen sind, dies ergibt die gebotene Gesamtbetrachtung, die Voraussetzungen einer unmittelbaren Verwechslungsgefahr [X.] § 9 Abs. 1 Nr. 1 1. Alt. [X.] nicht gegeben.

Wer die Unterschiede zwischen den Vergleichsmarken erkennt, und insoweit keinen unmittelbaren Verwechslungen unterliegt, hat außerdem keinen Anlass, beide Zeichen auf andere Weise gedanklich miteinander in Verbindung zu bringen, § 9 Abs. 1 Nr. 2, [X.]. [X.]. Das angegriffene Zeichen beinhaltet insbesondere keinen Stammbestandteil einer Serienmarke der Widersprechenden.

Aus diesen Gründen bleibt die Beschwerde der Widersprechenden ohne Erfolg.

Die Erinnerungs- und die Beschwerdegebühr sind der Widersprechenden nach Bestätigung der angefochtenen Entscheidungen nicht zu erstatten. Es verbleibt bei dem Grundsatz, dass jeder der Parteien die von ihr verursachten Kosten selbst trägt, § 71 Abs. 1 [X.].

Meta

24 W (pat) 14/12

29.10.2013

Bundespatentgericht 24. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 29.10.2013, Az. 24 W (pat) 14/12 (REWIS RS 2013, 1586)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 1586

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