Bundessozialgericht, Urteil vom 28.11.2018, Az. B 14 AS 47/17 R

14. Senat | REWIS RS 2018, 1161

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Gegenstand

Arbeitslosengeld II - Mehrbedarf - unabweisbarer laufender besonderer Bedarf - Besuchsreise zum im Ausland lebenden Ehegatten


Leitsatz

Aufenthaltsrechtliche Hindernisse für den Nachzug zu deutschen Staatsangehörigen im Bundesgebiet begründen keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II zum Besuch der ausländischen Ehegatten im Ausland.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 20. Mai 2016 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Umstritten sind Kosten zum Besuch der in [X.] lebenden Ehefrau des [X.].

2

Der Kläger - ein [X.] Staatsangehöriger - war in [X.] berufstätig und heiratete dort eine [X.] Staatsangehörige. Seit seiner Rückkehr nach [X.] im Jahr 2007 bezieht er [X.] Da er von seiner Ehefrau, die damals nach [X.] gezogen sei, unfreiwillig getrennt lebe, weil ihrem Nachzug nach [X.] aufenthaltsrechtliche Gründe entgegenständen, beantragte er 2011 beim beklagten Jobcenter Reisekosten zum Besuch der Ehefrau von etwa 950 Euro jährlich und die Zustimmung zu seiner Ortsabwesenheit. Der Beklagte lehnte die Gewährung von Reisekosten ab (Bescheid vom 14.9.2011; Widerspruchsbescheid vom 23.1.2012).

3

Das [X.] hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 16.10.2014). Das L[X.] hat auf die Berufung des [X.] den ablehnenden Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids aufgehoben, weil für den Erlass eines gesonderten Bescheids keine Rechtsgrundlage bestehe. Im Übrigen stehe dem Kläger der Anspruch materiell nicht zu (Urteil vom 20.5.2016): Ein unabweisbarer Bedarf nach § 21 Abs 6 [X.]B II liege nicht vor, da aus Art 6 Abs 1 GG nicht folge, dass jegliche eine Familie betreffende Belastung auszugleichen sei.

4

Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger als Verfahrensfehler, das L[X.] habe den Streitgegenstand unzutreffend erfasst und zu Unrecht seinen Willen zum Zusammenleben mit seiner Ehefrau angezweifelt. Materiell seien Art 6 Abs 1 GG und § 21 Abs 6 [X.]B II verkannt. Eheleute hätten ein Recht auf regelmäßigen Umgang. Sie anders als Kinder vom Anspruch nach § 21 Abs 6 [X.]B II auszunehmen, sei nicht gerechtfertigt.

5

Der Kläger beantragt,
die Urteile des [X.] vom 20. Mai 2016 und des [X.] vom 16. Oktober 2014 zu ändern und festzustellen, dass der Beklagte ihm, solange er Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.]B II hat, in jedem Kalenderjahr eine dreiwöchige Reise zu seiner Ehefrau nach [X.] in der VR [X.] zu bezahlen und seiner Ortsabwesenheit für diese Zeit zuzustimmen hat.

6

Der Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision des [X.] ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 2 [X.]): Im Ergebnis zu Recht hat das [X.] offengelassen, ob die räumliche Trennung von seiner in [X.] lebenden Ehefrau unfreiwillig ist. Zwar war ungeachtet der Aufhebung des ursprünglich streitbefangenen Ablehnungsbescheids in der Sache über den vom [X.]läger geltend gemachten Anspruch auf Deckung der [X.]osten künftiger Reisen zum Besuch seiner Ehefrau zu entscheiden (dazu 2.). Ein dies tragender Härtefallmehrbedarf (dazu 4.) besteht jedoch hier nicht, weil der [X.]läger und seine Ehefrau existenzsicherungsrechtlich darauf verwiesen sind, zur Beendigung ihrer räumlichen Trennung das Verfahren zur Erteilung eines Visums zum Ehegattennachzug zu betreiben (dazu 5.).

8

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist neben den vorinstanzlichen Urteilen die Frage der Deckung der [X.]osten künftiger Besuche bei der Ehefrau des [X.] durch existenzsichernde Leistungen nach dem [X.] Nicht mehr Verfahrensgegenstand ist dagegen der Ablehnungsbescheid vom 14.9.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.]; gegen dessen Aufhebung durch das [X.] hat sich der Beklagte weder mit Revision noch im Wege einer [X.]revision gewandt und sie daher in Rechtskraft erwachsen lassen. Ebenso nicht Verfahrensgegenstand sind bereits angefallene Reisekosten; dass der [X.]läger Reisen nach [X.] bereits durchgeführt hätte, hat das [X.] nicht festgestellt, und es ist keine Entscheidung streitbefangen, in deren Rahmen im Verhältnis zum Beklagten über einen allein in Betracht zu ziehenden Mehrbedarf nach § 21 Abs 6 [X.] (zur prozessualen Lage diesbezüglich vgl zuletzt nur BSG vom 7.12.2017 - [X.] [X.]/17 R - vorgesehen für [X.], Rd[X.]0 mwN) zu entscheiden wäre.

9

2. [X.] entgegenstehende prozessuale Hindernisse bestehen nicht. Zu Recht begehrt der [X.]läger insbesondere, dass über die Deckung künftiger Reisekosten durch existenzsichernde Leistungen ausnahmsweise vorab entschieden wird; sachdienlich und auch im Revisionsverfahren noch zulässig hat er dazu die Verpflichtungsklage in eine Feststellungsklage umgestellt.

a) Im Ausgangspunkt liegt der Entscheidung des [X.] allerdings zutreffend zu Grunde, dass über die Deckung künftiger Bedarfslagen durch Leistungen nach dem [X.] nur ausnahmsweise im Vorhinein durch Verwaltungsakt zu befinden ist. Besteht keine Sonderregelung (vgl etwa § 22 Abs 4 [X.]), kommt eine das Jobcenter bindende Entscheidung über künftiges Handeln nur nach Maßgabe von § 34 SGB X in Betracht. Gegenstand einer Zusicherung kann danach nur der spätere Erlass oder die spätere Unterlassung eines "bestimmten Verwaltungsakt(s)" sein (§ 34 Abs 1 Satz 1 SGB X), was bezogen auf die Deckung einzelner Bedarfe für das [X.] verfahrensrechtlich nicht vorgesehen ist; ein Mehrbedarf nach § 21 Abs 6 [X.] kann nicht Gegenstand isolierter Entscheidung sein (vgl zuletzt nur BSG vom 29.4.2015 - [X.] [X.] R - [X.], 7 = [X.]-4200 § 21 [X.], Rd[X.]2 mwN).

b) Das schließt vorbeugende [X.]lärungen allerdings nicht schlechterdings aus. Einzelne Elemente eines Leistungsanspruchs können Gegenstand einer (Elementen-)Feststellungsklage nach § 55 Abs 1 [X.] [X.] sein, wenn anzunehmen ist, dass hierdurch der zukünftige Streit der Beteiligten insgesamt bereinigt wird (vgl nur BSG vom [X.] [X.]/15 R - [X.]-1500 § 55 [X.]6 Rd[X.]7 mwN), etwa bei der Leistungserheblichkeit künftigen Verhaltens (vgl BSG vom [X.] AS 36/15 R - [X.]-4200 § 22 [X.] Rd[X.]8 ff ) oder einer einzugehenden Verpflichtung (BSG vom 10.11.2005 - B 3 P 10/04 R - [X.]-3300 § 40 [X.] Rd[X.]2 ; BSG vom [X.] - B 1 [X.]R 27/14 R - [X.]-2500 § 76 [X.] Rd[X.]4 f <Übernahme von Fahrkosten für Vertragsärzte mit entfernt gelegenen [X.]>; BSG vom 8.3.2017 - [X.] [X.] 2/16 R - [X.]-1500 § 55 [X.]0 Rd[X.]3 f ). So liegt es ungeachtet eines nicht auszuschließenden Streits über die Höhe entsprechender Aufwendungen auch hier, weil dem [X.]läger eine weitere [X.]onkretisierung und vor allem ständige Aktualisierung seiner Reisepläne nicht abverlangt werden kann (ebenso BSG vom 8.3.2017 - [X.] [X.] 2/16 R - [X.]-1500 § 55 [X.]0 Rd[X.]3 zu den [X.]osten eines noch zu beschaffenden [X.]fz) und er ein nach § 55 Abs 1 [X.] vorausgesetztes berechtigtes Interesse daran hat, vor der Verauslagung nicht unbeträchtlicher Reisekosten ihre Deckungsfähigkeit durch existenzsichernde Leistungen nach dem [X.] vorab klären zu lassen.

c) Der Umstellung des [X.]lageantrags steht das Verbot einer im Revisionsverfahren unzulässigen [X.]lageänderung (§ 168 Satz 1 [X.]) nicht entgegen. Nach § 99 Abs 3 [X.] [X.] ist es nicht als [X.]lageänderung anzusehen, wenn der [X.]lageantrag in der Hauptsache erweitert oder beschränkt wird. Diese Fiktion aus Gründen der Prozessökonomie (vgl [X.] in [X.]/[X.], [X.], 2014, § 99 Rd[X.]5) setzt voraus, dass eine Umstellung der Anträge ohne Änderung des [X.]lagegrunds erfolgt, dh der dem Verfahren zu Grunde liegende Lebenssachverhalt unverändert bleibt (vgl BSG vom [X.] AL 28/09 R - [X.]-4300 § 57 [X.] Rd[X.]0; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 2014, § 99 Rd[X.]2; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/ [X.], [X.], 12. Aufl 2017, § 99 Rd[X.]). So liegt es hier, weil die Beschränkung des Verfahrens auf die Leistungserheblichkeit künftiger Reisen den zu beurteilenden Lebenssachverhalt unberührt lässt.

3. Als Rechtsgrundlage für die begehrte Feststellung, dass Aufwendungen zum Besuch der Ehefrau des [X.] durch zusätzliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.] zu decken sein können, kommt im [X.]punkt der Senatsentscheidung nur § 19 iVm § 21 Abs 6 [X.] (hierzu 4. b) idF des [X.] in Betracht, die es zuletzt vor der mündlichen Verhandlung des Senats durch Gesetz zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften vom 17.7.2017 ([X.], 2541) erhalten hat (vgl dagegen zur Maßgeblichkeit des zum damaligen [X.]punkt geltenden Rechts in Rechtsstreitigkeiten über schon abgeschlossene Bewilligungszeiträume - Geltungszeitraumprinzip - BSG vom 19.10.2016 - [X.] [X.]/15 R - [X.]-4200 § 11 [X.] Rd[X.]5 mwN).

4. Anders nicht gedeckte und nicht nur einmalige Aufwendungen zum Besuch eines Ehepartners im Ausland können entgegen der Auffassung des [X.] in einer Sondersituation einen Härtefallmehrbedarf begründen.

a) Im Ausgangspunkt liegt der Berufungsentscheidung allerdings zutreffend zu Grunde, dass Aufwendungen zur [X.]ontaktpflege unter Angehörigen der Art nach grundsätzlich ausschließlich aus dem Regelbedarf nach § 20 [X.] zu bestreiten sind. Zur Deckung der vom Anspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen [X.]s neben einem Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben umfassten Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen (vgl nur [X.] vom [X.] - 1 BvL 1/09 ua - [X.]E 125, 175, 223 = [X.]-4200 § 20 [X.]2 Rd[X.]35) hat der Gesetzgeber in den der Teilhabe zuzuordnenden regelbedarfsrelevanten [X.] in den Abteilungen 7 (Verkehr mit 32,90 Euro), 8 (Nachrichtenübermittlung mit 35,31 Euro), 9 (Freizeit usw mit 37,88 Euro) und 11 (Beherbergung ua 9,82 Euro) einen Gesamtbetrag von 115,91 Euro eingestellt (§ 5 Abs 1 des Gesetzes zur Ermittlung der Regelbedarfe nach § 28 des [X.], [X.] 3159). Darin waren Aufwendungen für Verwandtenbesuche eingeschlossen (vgl BT-Drucks 18/9984 S 48 zur Nichtberücksichtigung von Übernachtungskosten bei [X.]). [X.]rechtlich im Grundsatz unbedenklich (vgl aber [X.] vom 23.7.2014 - 1 BvL 10/12 - [X.]E 137, 34 = [X.]-4200 § 20 [X.]0, Rd[X.]17 ff) sind die Leistungsberechtigten danach zumutbar darauf verwiesen, punktuelle Unterdeckungen in der Regel intern auszugleichen und ihr Verbrauchsverhalten so zu gestalten, dass sie mit dem Festbetrag auskommen (vgl [X.] vom [X.] - 1 BvL 1/09 ua - [X.]E 125, 175, 238 = [X.]-4200 § 20 [X.]2 Rd[X.]72; BSG vom 12.7.2012 - [X.] AS 153/11 R - [X.], 211 = [X.]-4200 § 20 [X.]7, RdNr 60 mwN; zur Lage speziell beim "allgemeinen Verwandtenbesuch" vgl Schlette in [X.]/[X.], [X.], [X.] § 73 Rd[X.]0, Stand 09/16; zur [X.]onzeption der Regelbedarfsermittlung vgl zuletzt auch BSG vom 12.9.2018 - [X.] AS 33/17 R - vorgesehen für [X.], Rd[X.]6).

b) Lassen sich dem Regelbedarf zugeordnete und nicht nur einmalige Aufwendungen in einer Sondersituation mit zumutbarem internem Ausgleich (zu den Grenzen vgl [X.] vom 23.7.2014 - 1 BvL 10/12 ua - [X.]E 137, 34 = [X.]-4200 § 20 [X.]0, Rd[X.]17) nicht bestreiten, können zu ihrer Deckung nach der im [X.] an die [X.] des [X.] eingeführten Regelung des § 21 Abs 6 [X.] (zu den Motiven vgl BT-Drucks 17/1465, [X.] f) iVm § 19 Abs 1 Satz 3 [X.] zusätzliche existenzsichernde Leistungen zu erbringen sein. Danach gilt: Bei Leistungsberechtigten wird ein nach § 19 Abs 1 Satz 3 [X.] von den Leistungen umfasster Mehrbedarf ua anerkannt, "soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht".

c) Dem Grunde nach als besondere Bedarfslage in diesem Sinne anerkannt ist im familiären [X.]ontext die Ausübung des Umgangsrechts getrennt lebender Elternteile mit ihren minderjährigen [X.]indern. Die Aufrechterhaltung dieser Eltern-[X.]ind-Beziehung hat bereits das [X.] der notfalls mit Mitteln der Sozialhilfe zu sichernden menschenwürdigen Lebensführung zugerechnet und als persönliches Bedürfnis des täglichen Lebens angesehen, das - anders als die Beziehungen zur [X.] Umwelt, die mit sachgerechten Maßstäben kaum einzugrenzen seien - nicht unter dem Vorbehalt des Vertretbaren stehe ([X.] vom 18.2.1993 - 5 C 30.89 - [X.]E 92, 97, 99). Dem Umfang nach sind die daraus sich ergebenden Ansprüche vorrangig an den Abreden der Eltern zu bemessen; auch existenzsicherungsrechtlich ist maßgebend, wie die Eltern ihre durch Art 6 Abs 2 Satz 1 GG geschützte Entscheidung über die Ausübung ihrer Elternverantwortung handhaben ([X.] <[X.]ammer> vom 25.10.1994 - 1 BvR 1197/93 - FamRZ 1995, 86, 87).

Dem hat sich das BSG für das [X.] angeschlossen, zunächst gestützt auf § 73 [X.] (grundlegend [X.] B 7b [X.] - [X.], 242 = [X.]-4200 § 20 [X.], Rd[X.]1 ff) und im [X.] an die [X.] des [X.] auf § 21 Abs 6 [X.] (BSG vom [X.] - [X.] [X.]/13 R - [X.], 86 = [X.]-4200 § 21 [X.]8, Rd[X.]0; BSG vom 18.11.2014 - [X.] [X.]/14 R - [X.], 240 = [X.]-4200 § 21 [X.]9, Rd[X.]5; ebenso etwa Behrend in jurisP[X.]-[X.], 4. Aufl 2015, § 21 RdNr 98 ff; von [X.] in LP[X.]-[X.], 6. Aufl 2017, § 21 RdNr 43; S. [X.]nickrehm/[X.] in Eicher/[X.], [X.], 4. Aufl 2017, § 21 RdNr 74; [X.]rauß in [X.]/[X.], [X.] [X.] § 21 RdNr 83 ff, Stand 05/2011). [X.] wegen eines Umgangsrechts bestehen danach unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls in Höhe der kostengünstigsten und gleichwohl bezogen auf den verfassungsrechtlichen Schutz des Umgangsrechts verhältnismäßigen sowie zumutbaren Art der Bedarfsdeckung (BSG vom 18.11.2014 - [X.] [X.]/14 R - [X.], 240 = [X.]-4200 § 21 [X.]9, Rd[X.]1 ff), soweit wegen Getrenntlebens der Eltern oder - liegen besondere rechtfertigende Gründe dafür vor - bei getrennten Wohnsitzen (hierzu BSG vom 11.2.2015 - [X.] AS 27/14 R - [X.], 82 = [X.]-4200 § 21 [X.]1, Rd[X.]7) eine grundsicherungsrechtlich beachtliche Trennungssituation besteht.

d) Entsprechendes gilt - unter Beachtung der Unterschiede zur Ausübung des Umgangsrechts - ebenso für intensive Familienbindungen jenseits der umgangsrechtlichen Eltern-[X.]ind-Beziehung. Auch zwischen Erwachsenen oder im Großeltern-[X.]ind-Verhältnis können verwandtschaftliche Bindungen für die personale Existenz von herausgehobener Bedeutung sein, wie deren besonderer Schutz durch Art 6 Abs 1 GG belegt (vgl dazu nur [X.] vom 2[X.] - 1 BvR 2926/13 - [X.]E 136, 382 Rd[X.]). Dem ist bei der Auslegung der Härtefallklausel des § 21 Abs 6 [X.] Rechnung zu tragen. Das verfassungsrechtlich zu gewährleistende [X.] hat außer der physischen Seite wegen der notwendigen Existenz des Menschen in [X.] Bezügen neben einem Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben auch die Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen zu sichern ([X.] vom [X.] - 1 BvL 1/09 ua - [X.]E 125, 175, 223 = [X.]-4200 § 20 [X.]2 Rd[X.]35; zum Verhältnis von Eltern und volljährigen [X.]indern vgl nur [X.] vom 18.4.1989 - 2 BvR 1169/84 - [X.]E 80, 81, 90 f; [X.] <[X.]ammer> vom 21.7.2005 - 1 BvR 817/05 - NVwZ-RR 2005, 825, 826). Hierbei kann verwandtschaftlichen Bindungen auch außerhalb des Schutzbereichs von Art 6 Abs 2 Satz 1 GG besonderer Stellenwert zukommen, wenn sie als tatsächlich gelebte Beziehung von besonderer Nähe, familiärer Verantwortlichkeit füreinander sowie [X.] geprägt sind (vgl zu Art 6 Abs 1 GG und dem [X.]reis der davon umfassten Verwandtschaftsbeziehungen [X.] vom 2[X.] - 1 BvR 2926/13 - [X.]E 136, 382 Rd[X.]3 mwN) und deshalb für die individuelle personale Existenz herausgehobene Bedeutung haben. Unter Berücksichtigung dessen kann in Sondersituationen zur Ermöglichung der Begegnung naher Angehöriger ein Härtefallmehrbedarf nicht anders als beim Umgangsrecht anzuerkennen sein.

e) Eine solche Bedarfslage kommt in Betracht bei einer dem Einfluss des zu Besuchenden entzogenen außergewöhnlichen - bei der Bemessung des Regelbedarfs nicht berücksichtigten (vgl [X.] vom [X.] - 1 BvL 1/09 ua - [X.]E 125, 175, 254 = [X.]-4200 § 20 [X.]2 Rd[X.]07 f) - Situation, in der einem Leistungsberechtigten gemessen am personalen Sicherungszweck des verfassungsrechtlich zu gewährleistenden [X.]s unter Berücksichtigung der Intensität der konkreten verwandtschaftlichen Beziehung (vgl [X.] vom 2[X.] - 1 BvR 2926/13 - [X.]E 136, 382 Rd[X.]3 [X.]) sowie aller weiterer Umstände des Einzelfalls (zum Umgangsrecht vgl nur BSG vom 18.11.2014 - [X.] [X.]/14 R - [X.], 240 = [X.]-4200 § 21 [X.]9, Rd[X.]1, 23 mwN) ein Verzicht auf die Begegnung mit dem im Sinne von Art 6 Abs 1 GG nahen Angehörigen nicht zugemutet werden kann; sei es, um die Beziehung in einer ihrer Bedeutung gerecht werdenden Weise aufrechterhalten oder Beistand leisten zu können. Angenommen werden kann das insbesondere bei erheblichen Notlagen oder einer ungewollten - rechtlich oder tatsächlich nicht änderbaren - räumlichen Trennung familienrechtlich nicht getrennt lebender Eheleute, die über längere [X.] anhält und einen als erheblich anzusehenden Wunsch nach kontinuierlicher Begegnung begründet (vgl etwa [X.] Sachsen-Anhalt vom [X.] AS 196/15 - info also 2017, 30: Regelmäßige Besuche beim dauerhaft in einer stationären Einrichtung untergebrachten Ehemann). Ist eine [X.]ommunikation über Brief, Telefon oder Internetdienste nicht möglich oder erscheint sie nachvollziehbar als nicht ausreichend (vgl zur Bedeutung der - allerdings durch Art 6 Abs 2 Satz 1 GG geschützten - elterlichen Umgangsentscheidung [X.] <[X.]ammer> vom 25.10.1994 - 1 BvR 1197/93 - FamRZ 1995, 86 f), können danach Notlagen von erheblichem Gewicht oder eine ungewollte und nicht behebbare Trennung naher Angehöriger (zu einem Sonderfall familienrechtlich nicht getrennt lebender Eheleute vgl BSG vom 11.2.2015 - [X.] AS 27/14 R - [X.], 82 = [X.]-4200 § 21 [X.]1, Rd[X.]5 f) über einen längeren [X.]raum hinweg einen existenzsicherungsrechtlich beachtlichen Besuchsanlass bilden, wenn dies dem gelebten Verhältnis der Beteiligten und seiner Bedeutung für die personale Existenz des Leistungsberechtigten entspricht; das gilt auch bei Besuchen im Ausland (vgl BSG vom 28.11.2018 - [X.] [X.]8/17 R, zur Veröffentlichung in [X.] und [X.] vorgesehen, Rd[X.]0 f).

5. Aufenthaltsrechtliche Hindernisse für den Nachzug zu [X.] Staatsangehörigen im [X.] begründen keinen Anlass für Leistungen nach dem [X.] zum Besuch der ausländischen Ehegatten im Ausland.

a) Aufenthaltsrechtliche Nachzugsbegrenzungen für Personen ohne [X.] Staatsangehörigkeit zu [X.] Ehegatten dürfen nach der Rechtsprechung des [X.] und des [X.] regelmäßig nicht zeitlich unbegrenzt sein: Auch wenn Art 6 GG grundsätzlich keinen unmittelbaren Anspruch auf Aufenthalt gewährt, sind bei der Entscheidung über ein Aufenthaltsbegehren nach der Rechtsprechung des [X.] bestehende eheliche Bindungen an berechtigterweise im [X.] lebende Personen in einer Weise zu berücksichtigen, die der Bedeutung entspricht, welche Art 6 GG dem Schutz von Ehe und Familie beimisst. Der Betroffene braucht es nicht hinzunehmen, unter unverhältnismäßiger Vernachlässigung dessen daran gehindert zu werden, bei seinem im [X.] lebenden Ehepartner ständigen Aufenthalt zu nehmen; Eingriffe sind nur zulässig, soweit sie unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich sind (grundlegend [X.] vom 12.5.1987 - 2 BvR 1226/83 ua - [X.]E 76, 1, 47 f, 49 ff; zuletzt etwa [X.] <[X.]ammer> vom 17.5.2011 - 2 BvR 1367/10 - [X.][X.] 18, 436, 440). Hiervon ausgehend erachtet das [X.] das von ihm grundsätzlich als verfassungsmäßig angesehene Spracherfordernis beim Ehegattennachzug zu [X.] Staatsangehörigen dann als ein unverhältnismäßiges dauerhaftes Nachzugshindernis, wenn es dem ausländischen Ehegatten aus besonderen persönlichen Gründen oder wegen der besonderen Umstände in seinem Heimatland nicht möglich oder nicht zumutbar ist, die [X.] Sprache innerhalb angemessener [X.] zu erlernen. Die zeitliche Grenze hat es dabei bei einer Nachzugsverzögerung von einem Jahr gezogen ([X.] vom 4.9.2012 - 10 C 12.12 - [X.]E 144, 141 Rd[X.]5 ff; zum Ehegattennachzug zu Ausländern vgl [X.] vom [X.] - 1 C 8.09 - [X.]E 136, 231 RdNr 9 ff; nachfolgend [X.] <[X.]ammer> vom 25.3.2011 - 2 BvR 1413/10 - NVwZ 2011, 870).

b) Nach dieser Rechtslage sind der [X.]läger und seine Ehefrau darauf verwiesen, die räumliche Trennung zwischen ihnen durch Betreiben des gesetzlich vorgesehenen Visumverfahrens zu beenden. [X.]önnen aufenthaltsrechtliche Hindernisse für ein eheliches Zusammenleben im Inland im Visumsverfahren ausgeräumt werden, besteht schon keine Sondersituation, in der zur Sicherung der personalen Existenz (vgl oben Rd[X.]0) von [X.] wegen mit (zusätzlichen) existenzsichernden Leistungen eine Begegnung von Eheleuten im Ausland zu ermöglichen ist. Der verfassungsrechtliche Leistungsanspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen [X.]s erstreckt sich nur auf diejenigen Mittel, die zur Aufrechterhaltung eines menschenwürdigen Daseins "unbedingt erforderlich" sind ([X.] vom [X.] - 1 BvL 1/09 ua - [X.]E 125, 175, 223 = [X.]-4200 § 20 [X.]2 Rd[X.]35). Dem entsprechend sind ungewollte räumliche Trennungen von Eheleuten nach dem Rechtsgedanken des § 2 Abs 1 Satz 1 [X.] für einen Härtefallmehrbedarf unbeachtlich, soweit sie nicht alle ihnen zuzumutenden Möglichkeiten zu deren Beendigung ausgeschöpft haben (vgl BSG vom 11.2.2015 - [X.] AS 27/14 R - [X.], 82 = [X.]-4200 § 21 [X.]1, Rd[X.]7), in Fällen wie hier also: Der ausländische Ehegatte die Erteilung eines Visums zum Ehegattennachzug betrieben hat.

c) Dass nach diesen Maßstäben hier noch ein Härtefallmehrbedarf zur Deckung von nicht nur einmaligen Reiseaufwendungen des [X.] zum Besuch seiner Ehefrau in [X.] bestehen könnte, ist nicht ersichtlich. Anhaltspunkte dafür, dass seine Ehefrau bei den zuständigen Behörden bereits erfolglos ein Visum zum Ehegattennachzug beantragt und im [X.] um gerichtlichen Rechtsschutz nachgesucht hätte, sind weder den Feststellungen des [X.] noch dem Vortrag des [X.] zu entnehmen. Sollte die Versagung eines beantragten Nachzugs aufenthaltsrechtlich nicht zu beanstanden sein, stünde auch dies einem Härtefallmehrbedarf entgegen: Soweit seiner Frau nach dem Vorbringen die notwendigen Mittel für den Sprachkundeerwerb fehlen, betrifft das die an Art 6 Abs 1 GG zu messenden Anforderungen an das Spracherfordernis beim Ehegattennachzug zu einem [X.] Staatsangehörigen und begründet keinen Anspruch auf existenzsichernde Leistungen, um dem [X.]läger eine Begegnung mit seiner Frau in deren Heimatland zu ermöglichen. Soweit schließlich nach der Rechtsprechung des [X.] das Spracherfordernis beim Ehegattennachzug zu [X.] dem Visumsbegehren von Sonderfällen abgesehen erst dann nicht mehr entgegengehalten werden darf, wenn zumutbare Bemühungen zum Erwerb der Sprachkenntnisse ein Jahr lang erfolglos geblieben sind ([X.] vom 4.9.2012 - 10 C 12.12 - [X.]E 144, 141 Rd[X.]8), beansprucht das auch Geltung für den hier geltend gemachten Anspruch zur Ermöglichung persönlicher Begegnungen der Eheleute bis zur Visumserteilung.

6. Offen bleiben kann hiernach, ob das [X.] verfahrensfehlerhaft den Willen des [X.] zum Zusammenleben mit seiner Ehefrau angezweifelt und ob der Beklagte einer Ortsabwesenheit während eines Besuchs bei seiner Ehefrau zuzustimmen hat.

Die [X.]ostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 [X.].

Meta

B 14 AS 47/17 R

28.11.2018

Bundessozialgericht 14. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Frankfurt, 16. Oktober 2014, Az: S 2 AS 148/12, Urteil

§ 21 Abs 6 S 1 SGB 2, § 21 Abs 6 S 2 SGB 2, Art 1 Abs 1 GG, Art 6 Abs 1 GG, Art 20 Abs 1 GG, § 20 Abs 1 SGB 2, § 5 Abs 1 RBEG 2017

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 28.11.2018, Az. B 14 AS 47/17 R (REWIS RS 2018, 1161)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 1161

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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B 14 AS 6/18 R (Bundessozialgericht)


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1 BvL 1/09

1 BvR 2926/13

2 BvR 1367/10

2 BvR 1413/10

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