Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.12.2012, Az. 1 StR 165/12

1. Strafsenat | REWIS RS 2012, 183

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1
[X.]

vom
19. Dezember 2012
[X.]St:
ja
[X.]R:
ja
Nachschlagewerk:
ja
Veröffentlichung:
ja
___________________________

[X.] Art. 14 Abs. 1 [X.]. b

Ein wegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Spezialität bestehendes Verfahrenshindernis entfällt gemäß Art. 14 Abs. 1 [X.]. b des [X.] vom 13. Dezember 1957 ([X.]) jedenfalls dann, wenn der [X.] nach Verlassen der [X.] dorthin zurückkehrt, obwohl er auf die sich aus einer Wiedereinreise ergeben-den Rechtsfolgen dieser Vorschrift hingewiesen worden war (Bestätigung und Fortführung von [X.], Beschluss vom 9. Februar 2012 -
1 [X.], [X.]St 57, 138).

[X.], Beschluss vom 19. Dezember 2012 -
1 StR
165/12 -
LG [X.]

-
2
-

in der Strafsache
gegen

wegen
Steuerhinterziehung u.a.

-
3
-
Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 19. Dezember 2012 gemäß §
349 Abs. 2 [X.]
beschlossen:

In Fortsetzung des mit [X.]sbeschluss vom 25. Oktober 2012 vorläufig eingestellten Verfahrens wird die Revision des Ange-klagten gegen das Urteil des [X.] vom 30.
Sep-tember 2011 als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tra-gen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen gewerbs-
und bandenmä-ßigen Betruges in Tateinheit mit Steuerhinterziehung sowie wegen gewerbs-
und bandenmäßiger Urkundenfälschung in Tateinheit mit Steuerhinterziehung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich
die auf eine Verfahrensrüge und die näher ausgeführte Sachrüge gestützte Re-vision des Angeklagten. Sie hat keinen Erfolg (§
349 Abs. 2 [X.]).

I.
Ein Verfahrenshindernis besteht nicht.
1. Allerdings hatte zunächst wegen Verstoßes gegen den in Art. 14 des [X.] vom 13. Dezember 1957
1
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-
4
-
([X.]) normierten Grundsatz der Spezialität ein von Amts wegen zu be-rücksichtigendes [X.] (Verfahrenshindernis) bestanden.
a) Dieses Abkommen findet im Rechtshilfeverkehr mit der [X.] (vgl. dazu auch [X.] II 2003, 1783). Der von dort ausgelie-ferte Angeklagte durfte deswegen nur wegen solcher vor der Auslieferung [X.] Taten verfolgt werden, für die die Auslieferung bewilligt worden war (vgl. [X.], Urteile
vom 20. Dezember 1968 -
1 [X.], [X.]St 22, 307
und
vom 11. März 1999 -
4 [X.], [X.], 363).

b) Da zunächst unklar war, ob sich die Bewilligung der Auslieferung des Angeklagten auch auf die Tatvorwürfe im vorliegenden Verfahren bezog oder nur auf die Vollstreckung einer Restfreiheitsstrafe aus einem früheren Verfah-ren, musste der [X.] den Umfang der [X.] im Freibe-weisverfahren feststellen. Zwar konnte dabei nicht aufgeklärt werden, welchen Inhalt das letztlich an die Behörden der [X.] übermittelte Auslie-ferungsersuchen im Einzelnen hatte. Denn der Inhalt des Ersuchens war weder dem landgerichtlichen Urteil noch dem sonstigen Akteninhalt zu entnehmen; auch beim [X.] waren keine weiterführenden Erkenntnisse zu erlangen. Der [X.] hat sich aber auf der Grundlage einer klarstellenden Mittei-lung des [X.] der [X.] davon überzeugt, dass die Auslieferung allein für die Vollstreckung der
Restfreiheitsstrafe erteilt wurde, weil das Ersuchen um Auslieferung dort nicht in dem Sinn verstanden worden war, dass die Auslieferung auch für die hier verfahrensgegenständlichen Taten begehrt werde.
c) Damit lag zwar ein Verfahrenshindernis vor. Dieses war aber noch in der Revisionsinstanz behe[X.]ar (vgl. [X.], Beschlüsse vom 9. Februar 2012
-
1 [X.], [X.]St 57, 138, und 1 [X.] -
und vom 25. Oktober 2012 4
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-
-
1 [X.], jeweils mwN), da ein [X.] um Zustimmung zur Verfolgung der verfahrensgegenständlichen Taten noch möglich und von den [X.] Behörden sogar angeregt worden war. Das bestehende [X.] hatte auch nicht zur Folge, dass das Strafurteil des Landge-richts nichtig wäre (vgl. [X.] [X.]O). Der [X.] hatte das Verfahren deswegen mit Beschluss vom 25. Oktober 2012 in entsprechender Anwendung des §
205 [X.] vorläufig eingestellt ([X.], Beschluss vom 25.
Oktober 2012 -
1 [X.]).
2. Das Verfahrenshindernis ist nachträglich weggefallen, da die Speziali-tätsbindung aus Art. 14 [X.] gemäß Art. 14 Abs. 1 [X.].
b [X.] wie-der entfallen ist. Der [X.] kann daher -
wie vom [X.] mit Schreiben vom 26.
November 2012 beantragt -
in der Sache entscheiden.
a) Nach Art. 14 Abs. 1 [X.].
b [X.] darf der [X.] wegen einer anderen vor der Übergabe begangenen Handlung als derjenigen, die der Auslieferung zugrunde liegt, dann verfolgt, abgeurteilt oder einer Beschränkung seiner persönlichen Freiheit unterworfen werden,

ferte, obwohl er dazu die Möglichkeit hatte, das Hoheitsgebiet des St[X.]tes, dem er ausgeliefert worden ist, innerhalb von 45 Tagen nach seiner endgültigen Freilassung nicht verlassen hat oder wenn er nach Verlassen dieses [X.] dorthin zurückgekehrt ist.

Wie der [X.] in seinem Beschluss vom 25. Oktober 2012 im vorliegen-den Verfahren (dort Rn. 13) klargestellt hat, entfällt die Spezialitätsbindung aus Art. 14 [X.] gemäß Art. 14 Abs. 1 [X.]. b [X.] unter den dort ge-nannten Voraussetzungen jedenfalls dann, wenn der [X.] auf die Fol-ge eines Verbleibs in dem St[X.]t oder einer Wiedereinreise hingewiesen worden 7
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war (vgl. dazu [X.], Beschlüsse vom 9. Februar 2012 -
1
[X.],
[X.]St 57, 138
und 1 [X.]). Ob -
was der [X.] für zutreffend hält -
diese Rechtsfolge auch ohne vorherigen Hinweis eintritt, wenn dem [X.]n diese Folge aus anderen Gründen bekannt war, bedarf hier keiner abschlie-ßenden Entscheidung.
b) Die Voraussetzungen für einen Wegfall der Spezialitätsbindung ge-mäß Art.
14 Abs. 1 [X.]. b [X.] liegen hier vor. Die Spezialitätsbindung an die [X.] ist aufgrund der freiwilligen Ausreise des [X.] am 15. November 2012 und seiner anschließenden Wiedereinreise nach [X.] entfallen. Dabei braucht der [X.] nicht zu entscheiden, ob auch in einem solchen Fall der Wegfall der Spezialitätsbindung die vorherige endgültige Freilassung

des [X.]n voraussetzt. Der An-hkeit,
das [X.] zu verlassen (nachfolgend [X.]), er ist nach Verlassen des Bundesgebietes wieder dorthin zurückgekehrt (nachfolgend [X.]), obwohl er auf die sich aus einer Wiedereinreise ergebenden Rechtsfolgen hingewiesen worden war (nachfol-gend [X.]). Vom Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen des Art. 14 Abs.
1 [X.].
b [X.] hat sich der [X.] im [X.] überzeugt.

[X.].
b [X.]. Denn das [X.] [X.] hatte den gegen den Ange-klagten bestehenden Haftbefehl mit Beschluss vom 26. Oktober 2012 ohne Auflagen außer Vollzug gesetzt. Der Angeklagte wurde noch am selben Tag aus der Untersuchungshaft entlassen.
Dem Vorliegen
einer endgültigen Freilassung steht der Bestand des au-ßer Vollzug gesetzten Haftbefehls nicht entgegen. Der Angeklagte war nicht durch Weisungen, Auflagen oder andere Pflichten in seiner Bewegungsfreiheit 10
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-
eingeschränkt (vgl. [X.], Beschlüsse vom 9. Februar 2012 -
1
[X.],
[X.]St 57, 138
und 1 [X.]; [X.], Beschluss vom 20. Januar 1993 -
1 Ws 8/93, 1 Ws 9/93, [X.], 392); vielmehr stand es ihm frei -
wie er wusste -
das Gebiet der [X.] zu verlassen. Er hat von dieser Möglichkeit auch Gebrauch gemacht.
[X.]) Der Angeklagte verließ nach seiner Freilassung [X.] [X.] und kehrte dann dorthin zurück. Er begab sich am 15. November 2012 nach [X.] und reiste von dort aus wieder nach [X.]. Hiervon ist der [X.] nach Durchführung des [X.]s aus folgenden Gründen überzeugt:
(1) In einem dem [X.] in Kopie übersandten Schreiben an die St[X.]ts-
urch die ihn sein Weg in [X.] geführt hatte.
(2) Seinen Aufenthalt in [X.] bestätigte er bei seiner erneuten Fest-nahme in [X.] nach umfassender Belehrung gegenüber einem Polizeibeam-ten. Ausweislich des Festnahmeberichts vom 22. November 2012 (dort [X.])
bewusst wurde, dass diese Aus-
und erneute Einreise der Grund für die Involl-zugsetzung des [X.]. Das kann man [X.] eh nicht nachweisen. An der Grenze finden ja kei-

(3) Bei der Eröffnung des Beschlusses, mit dem der Haftbefehl wieder in Vollzug gesetzt worden war, e-13
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ben, er sei nach seiner Entlassung in [X.] gewesen. Tatsächlich sei er r-min vom 22. November 2012).
(4) In einem Schreiben vom
5. Dezember 2012 an das [X.] Ber-lin rückte der Angeklagte dann von dieser Einlassung wieder ab und bestätigte, am 15.
November 2012 in die [X.] gereist und am selben Tag nach

(5) Auch die als Zeugin vernommene und entsprechend belehrte Tochter des Angeklagten,

[X.]

, gab am 22. November 2012 an, ih-res Wissens sei ihr Vater zwischenzeitlich in [X.] gewesen, dies habe er jedenfalls erzählt.
(6) Schließlich belegen die Ermittlungen des [X.], dass auf den Namen des Angeklagten in einem [X.]er Reisebüro für den 15. November 2012 ein Flug von [X.]-Tegel nach [X.] und zurück gebucht worden war und dass der Flug entsprechend dieser Buchung auch durchge-führt wurde (Vermerke der St[X.]tsanwaltschaft [X.] vom 26. und vom 28. No-vember 2012).
(7) Aufgrund einer Gesamtwürdigung dieser Erkenntnisse ist der [X.] davon überzeugt, dass der Angeklagte am 15. November 2012
in die [X.] ausgereist und dann wieder in die [X.] zurückgekehrt ist.
[X.]) Der [X.] ist aufgrund des durchgeführten [X.]s auch davon überzeugt, dass der Angeklagte über die sich aus Art. 14 Abs. 1 [X.].
b [X.] ergebenden rechtlichen Folgen einer Wiedereinreise in die [X.] ausreichend belehrt war.
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(1) Der Angeklagte behauptet, auf die Folgen einer Wiedereinreise aus dem Ausland nicht hingewiesen worden zu sein. In ihrer Gegenerklärung auf den Antrag des [X.]s vom 26. November 2012, die Revision des Angeklagten gemäß §
349 Abs.
2 [X.] zu verwerfen, macht die Verteidi-gung des Angeklagten am 14.
Dezember 2012 ergänzend u.a. Folgendes gel-tend: Voraussetzung für das Entfallen der Spezialitätsbindung aus Art.
14
[X.]
sei nach dem [X.]sbeschluss vom 25.
Oktober 2012, dass
der An-
Haftentlassung nicht auf die Folge einer Nichtausreise bzw. Wiedereinreise hingewiesen worden. Der erforderliche Hinweis könne nicht durch Ausführun-gen im [X.]sbeschluss vom 25.
Oktober 2012 ersetzt werden, da dieser Be-schluss dem Angeklagten in der Haft nicht
ausgehändigt worden sei. Auch eine spätere Aushändigung sei nicht erfolgt.

(2) Der [X.] ist aufgrund der Erkenntnisse im [X.] da-von überzeugt, dass der Angeklagte ausreichend auf die rechtliche Folge des Wegfalls der Spezialitätsbindung im Falle einer Ausreise und Wiedereinreise hingewiesen worden war.

(a) Als Hinweis genügen bereits die Ausführungen im [X.]sbeschluss vom 25. Oktober 2012 (dort Rn.
13). In diesem Beschluss hat der [X.] -
zur Verdeutlichung der zu beachtenden rechtlichen Grundlagen -
ausdrücklich auch die Vorschrift des Art. 14 Abs. 1 [X.]. b [X.] und deren Voraussetzun-gen sowie die sich daraus ergebende Rechtsfolge eines nachträglichen Entfal-lens der Spezialitätsbindung dargelegt.

(b) Der [X.] ist aufgrund folgender Umstände davon überzeugt, dass der Angeklagte den [X.]sbeschluss vom 25. Oktober 2012 -
entgegen seiner 22
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gegenteiligen Behauptung -
mit dem darin enthaltenen Hinweis erhalten und gelesen hat:

([X.]) In einem bereits am 5. November 2012 -
also vor seiner Reise nach [X.] -

e-r-liegenden Verfahren vom 25. Oktober 2012 betreffend die vorläufige Einstel-lung des
Verfahrens) durchgelesen. Er machte dabei auch Ausführungen zum Inhalt des [X.]sbeschlusses, sprach die dort aufgezeigte Möglichkeit eines [X.]s an die [X.] an und verwies darauf, dass der [X.] bisher noch keine Ausführungen zum Inhalt des von ihm angefoch-tenen Urteils gemacht habe. Zudem verwies er darauf, dass der Kammerbe-schluss des [X.]s, mit dem der Haftbefehl außer Vollzug gesetzt wor-

([X.]) Angesichts dieser Äußerungen ist der [X.] davon überzeugt, dass dem Angeklagten nicht nur -
wie aber die Verteidigung geltend
macht -
von [X.] telefonisch der Tenor des [X.]sbeschlusses vom 25.
Oktober 2012 vorgelesen worden ist, sondern dass der Angeklagte -
jeden-falls vor Abfassung seines Schreibens vom 5.
November 2012 -
die Möglichkeit hatte, diesen Beschluss zu lesen, ihn auch tatsächlich gelesen und sich mit ihm inhaltlich auseinandergesetzt hat. Der Angeklagte hatte keinen erkennbaren Grund, in seinem Schreiben wahrheitswidrig zu behaupten, er habe den Se-natsbeschluss gelesen, und auf angebliche Abweichungen zum Beschluss des [X.]s hinzuweisen, zumal dies einen inhaltlichen Vergleich der beiden Beschlüsse voraussetzt. In der nachträglichen Einlassung des Angeklagten, er habe -
ohne Kenntnis der Beschlussgründe des [X.]sbeschlusses vom 25.
Oktober 2012 -
fälschlicherweise angenommen, das [X.] [X.] sei 26
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von diesem [X.]sbeschluss abgewichen, indem es den Haftbefehl lediglich außer Vollzug gesetzt habe, sieht der [X.] eine bloße Schutzbehauptung.

([X.]) Der [X.] ist auch davon überzeugt, dass das Schreiben vom 5.
November 2012 vom Angeklagten selbst stammt. Zwar macht die Verteidi-gung geltend, es fehle der Nachweis, dass das als Telefax übersandte [X.] vom Angeklagten stamme. Die Zweifel, ob die auf dem Schreiben [X.] Unterschrift tatsächlich von dem Angeklagten stamme, weil es sich bei dem Fax nur um eine Kopie handele, teilt der [X.] jedoch nicht. Es bestehen -
ins-besondere angesichts des Inhalts des Schreibens -
keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass eine andere Person das Schreiben erstellt oder verfälscht und [X.] die Unterschrift des Angeklagten gefälscht haben könnte.

([X.]) Damit war der Angeklagte so deutlich über die Rechtsfolgen des Art.
14 Abs.
1 [X.]. b [X.] unterrichtet, dass er sie unschwer erfassen konnte. Besondere Anhaltspunkte dafür, der Angeklagte könnte nicht in der Lage gewesen sein, die aufgezeigten Rechtsfolgen zu verstehen (vgl. zu § 136 [X.]: [X.], Urteil vom 16.
März 1993 -
1 StR 888/92, [X.], 395), sind weder dargetan noch sonst ersichtlich. Ob sich der Angeklagte dieser Rechts-folgen bei seiner Wiedereinreise oder beim Versenden des diese offenbaren-den Schreibens an die St[X.]tsanwaltschaft bewusst
war, ist für die Frage, ob der Angeklagte ausreichend über die Möglichkeiten eines Wegfalls der [X.] gemäß Art. 14 Abs. 1 [X.]. b [X.] belehrt worden war, oh-ne Bedeutung.

(c) Entgegen der Annahme der Verteidigung ist der [X.]sbeschluss vom 25.
Oktober 2012 im vorliegenden Verfahren auch nicht dahingehend zu verstehen, dass einem Hinweis auf die Vorschrift des Art. 14 Abs. 1 [X.]. b [X.] dann keine rechtliche Bedeutung zukomme, wenn er nicht unmittelbar 28
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12
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bei der Freilassung ergangen ist. Vielmehr hat der Zeitpunkt des Hinweises (wie sich auch aus den im [X.]sbeschluss vom 25. Oktober 2012 in Bezug genommenen [X.]sbeschlüssen vom 9. Februar 2012 -
1 [X.] und
1 [X.] ergibt)
lediglich für den Lauf der 45-tägigen Schonfrist bei einer Nichtausreise nach endgültiger Freilassung, nicht aber im Falle einer [X.] Bedeutung.
II.
Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der [X.] hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 [X.]). Ergänzend zu den zutreffenden Ausführungen des [X.] in seiner Antragsschrift vom 19. April 2012 bemerkt der [X.]:
Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen insbesondere auch die Verurteilung des Angeklagten wegen gewerbs-
und bandenmäßigen Betrugs.
1. Das [X.] hat hierzu festgestellt, dass der Angeklagte spätes-tens nach einer Haftentlassung im Juni 2001 beschlossen hatte, mit weiteren Mittätern -
wie schon zuvor praktiziert -
durch den fingierten Handel mit hoch-wertigen Computerprozessoren Umsatzsteuer zu hinterziehen, um sich dadurch eine nicht unerhebliche Einnahmequelle von einiger Dauer zu verschaffen. Für die Umsetzung dieses Plans konnte er zum einen den geschäftsunerfahrenen Zeugen S.

gewinnen, der alle Geschäftsanteile und die formelle Ge-schäftsführerstellung einer N.

GmbH übernahm, während der Angeklagte deren Geschäfte tatsächlich leitete. Zum anderen gewann er den Zeugen H.

zur Mitarbeit bei der N.

GmbH.
31
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-
13
-
Mit einer vom
Angeklagten veranlassten Korrespondenz (lautend auf ei-ne vom Angeklagten erdachte Person) wurde der Firma W.

KG
(im Folgenden W.

KG) vorgetäuscht, die Firma
e-.

(im Folgenden E.

) mit Sitz in [X.] wolle von der Firma N.

GmbH hochwertige Mikroprozessoren beziehen. Da diese aber nicht selbst exportieren wolle, sei die Zwischenschaltung einer weiteren
Firma erforderlich. Dies wurde als für die zwischengeschaltete Firma finanziell risikolos dargestellt. Daraufhin willigte die W.

KG ein, als dieser Zwischen-händler tätig zu werden, und schloss vermeintlich mit der E.

einen ent-sprechenden Rahmenvertrag betreffend die Lieferung hochwertiger Mikropro-zessoren. Tatsächlich war der Vertragsabschluss durch die Verantwortlichen der E.

zur Täuschung der W.

KG vom Angeklagten lediglich fingiert worden. Auch die hochwertigen Mikroprozessoren, die [X.] sein sollten, existierten zu keinem Zeitpunkt und wurden daher auch nicht an die E.

in [X.] geliefert.
Um allerdings -
auch gegenüber den Verantwortlichen der W.

KG -
den Schein einer realen Handelstätigkeit mit rechnungsgemäßen Lieferungen zu wahren, wurden auf Veranlassung des Angeklagten geringwertige [X.] an eine von der W.

KG
beauftragte Spedition übergeben und von dieser nach [X.] geschickt. Die einzelnen Pakete wurden dort von einer Kontaktperson des Angeklagten in Empfang genommen und an die N.

GmbH oder andere Firmen aus dem Einflussbereich des Angeklagten [X.], damit sie für die erneute Versendung nach [X.] zur Verfügung standen. Mitarbeiter der W.

KG waren nie im Besitz der Lieferungen. Zum Schutz vor Kontrollen wurde die Ware luftdicht verpackt; es wurde darauf [X.], dass die Verpackungen nur unter absolut staubfreien Bedingungen 34
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14
-
geöffnet werden dürften, andernfalls die Gefahr der Beschädigung der Prozes-soren bestehe.
Im Zeitraum vom
13. März 2002 bis zum 24. Juli 2002 fanden insgesamt 32 solcher Lieferungen angeblich hochwertiger Mikroprozessoren der N.

GmbH im
beschriebenen
Lieferweg an die E.

statt. Während die von den Zeugen S.

und H.

für die N.

GmbH unterzeichneten Ausgangs-rechnungen an die W.

Umsatzsteuer in Höhe von 40.166

KG der E.

für die umsatzsteuerfreie Ausfuhrlieferung (§ 4 Nr.
1 [X.]. a, §
6 UStG) der [X.]. Zur Erzielung eines Gewinns war die W.

KG deshalb darauf an-gewiesen, die in den Zahlungen an die N.

GmbH enthaltene Umsatzsteuer im Rahmen ihrer monatlichen Umsatzsteuervoranmeldungen als Vorsteuer ge-genüber dem zuständigen Finanzamt geltend zu machen.
Für die Zahlungsabwicklung veranlasste der Angeklagte jeweils, dass ei-nem Konto der W.

KG der gegenüber der E.

in Rechnung gestellte er Firma [X.] wurde. Die W.

KG erbrachte sodann Zahlungen in H

GmbH. Hieraus wurde jeweils wieder eine an die W.

In Unkenntnis der wahren Umstände -
insbesondere
der Tatsache, dass keine hochwertigen Mikroprozessoren nach [X.] verschickt worden waren -
machten die Verantwortlichen der W.

KG die in den Rechnungen der N.

GmbH ausgewiesene und an diese bezahlte Umsatzsteuer in Höhe von [X.] 1.285.324,Vorsteuer geltend. Nachdem bekannt wurde, dass den Rechnungen der N.

36
37
38
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15
-
GmbH nicht der dort angegebene Leistungsaustausch zugrunde lag, versagte das zuständige Finanzamt nachträglich den Vorsteuerabzug. Die dagegen er-hobene Klage der W.

KG wies das Finanzgericht [X.]-Brandenburg rechts-kräftig ab.
2. Das [X.] hat das Verhalten des Angeklagten u.a.
als Betrug zum Nachteil der W.

KG in Tateinheit mit Steuerhinterziehung in mittelbarer
Täterschaft gewertet. Die Mitarbeiter der W.

KG seien über das Bestehen ei-nes Vorsteuererstattungsanspruchs getäuscht worden und hätten irrtumsbe-dingt Zahlungen einschließlich der in Rechnung gestellten Umsatzsteuer an die N.

GmbH vorgenommen. Einen der W.

KG entstandenen Vermögens-schaden erblickt das [X.] darin, dass der zwischen erhaltener Vorkasse und geleisteter Auszahlung verbliebene Saldo nicht durch einen Anspruch auf Vorsteuererstattung zugunsten der W.

KG kompensiert worden sei.
3. Dies ist ohne Rechtsfehler. Insbesondere belegen hinsichtlich des [X.] die Feststellungen der Strafkammer (anders als offenbar die der [X.] [X.], Beschluss vom 26.
November 2009 -
5 [X.], [X.], 146, zugrundeliegenden Feststellungen), dass die W.

KG zum [X.] nicht berechtigt war und deshalb ein deren Mehraufwendungen kompensierender Vermögenswert nicht vorhanden war. Denn es fehlt schon an ordnungsgemäßen Rechnungen der N.

GmbH an die W.

KG.
a) Nach § 15 Abs. 1 Satz
1 Nr. 1 Satz 1 UStG in der für den Tatzeitraum geltenden Fassung kann ein Unternehmer die in Rechnungen im Sinne des §
14 UStG (a.F.) gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. [X.] ist dabei aber eine Rechnung, die die jeweilige 39
40
41
-
16
-
Lieferung oder sonstige Leistung belegt (vgl. auch [X.], Urteil vom 21.
Juni 2012
-
C-80/11 und [X.], Rn.
52, [X.] 2012, 1336). Rechnung in [X.] ist nur ein solches Abrechnungspapier, das hinreichende Angaben tatsächlicher Art enthält, welche die Identifizierung der abgerechneten Leistung ermöglichen; der Aufwand zur Identifizierung der Leistung muss dahingehend begrenzt sein, dass die Rechnungsangaben eine eindeutige und leicht nach-prüfbare Feststellung der Leistung ermöglichen, über die abgerechnet worden ist. Die ausgeführte Leistung oder der beim Leistungsempfänger eintretende Erfolg der [X.] muss mit der in der Rechnung bezeichneten identisch sein (vgl. [X.], Urteile
vom 8. Oktober 2008 -
V [X.], [X.] 2009, 166 mwN und
vom 24. September 1987 -
V [X.], [X.]E 153, 65; vgl. auch [X.], Urteile
vom 6.
September 2012
-
C-324/11, Rn.
26 und vom 6.
Dezem-ber 2012 -
C-285/11, Rn. 29
ff.).
b) Diese Voraussetzungen sind nach den Urteilsfeststellungen hier nicht gegeben. Vielmehr wurden die in Rechnung gestellten hochwertigen Mikropro-zessoren zu keinem Zeitpunkt
an die W.

KG geliefert. Ein Vorsteuerabzug scheidet daher von vornherein aus (so in dieser Sache auch FG [X.]-Brandenburg, Urteil vom 24. November 2010 -
7 K 2356/06, [X.], 918).
c) Da die in den Rechnungen aufgeführten Lieferungen hochwertiger Mikroprozessoren nicht durchgeführt wurden, bedarf es keiner Erörterung mehr, dass nach den Feststellungen des [X.]s (UA S.
19) die [X.] der W.

KG -
ohne dass dadurch ihr Irrtum i.S.d. §
263 StGB [X.] -
ihre Einbindung in ein auf Mehrwertsteuerhinterziehung ausgelegtes Hinter-ziehungssystem hätten erkennen müssen (zur Versagung des [X.], wenn ein Steuerpflichtiger weiß oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligt, der in eine Mehrwertsteuerhin-42
43
-
17
-
terziehung einbezogen ist, vgl. [X.], Urteile
vom 6.
Dezember 2012
-
C-285/11, Rn.
39, vom 21. Juni 2012 -
C-80/11 und [X.], Rn.
46,
[X.] 2012, 1336
und
vom 6. Juli 2006, [X.]/04 und [X.], [X.] und [X.], Slg. 2006 [X.], 59, Rn.
56).
4. Auch die Annahme gewerbs-
und bandenmäßiger Begehungsweise wird von den rechtsfehlerfrei getroffenen Urteilsfeststellungen getragen. Denn danach wussten die Zeugen S.

und H.

spätestens mit Aufnahme der Lieferungen von dem vom Angeklagten ersonnenen Betrugs-
und Steuerhinter-ziehungssystem und kamen mit dem Angeklagten zumindest stillschweigend überein (vgl. dazu [X.], Urteil vom 23. April 2009 -
3 [X.], Rn. 10; [X.], Beschluss vom 5. August 2005 -
2 [X.], [X.], 176), in der be-schriebenen Weise eine Vielzahl von Straftaten zur Sicherung einer fortlaufen-den, nicht unerheblichen Einkommensquelle zu begehen. Der Annahme ge-werbsmäßigen Handelns steht nicht entgegen, dass das [X.] das 44
-
18
-
Gesamtverhalten des Angeklagten -
was diesen nicht beschwert -
als uneigent-liches Organisationsdelikt gewertet
und damit zur Tateinheit zusammengefasst hat ([X.], Urteil vom 17.
Juni 2004 -
3 [X.], [X.], 106).
[X.]

[X.] Jäger

Ri[X.] Prof. Dr. Sander

befindet sich in Urlaub und

ist deshalb verhindert zu

unterschreiben.

[X.]

[X.]

Meta

1 StR 165/12

19.12.2012

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.12.2012, Az. 1 StR 165/12 (REWIS RS 2012, 183)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 183

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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