8. Kammer | REWIS RS 2021, 6746
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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"
1.Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 25.09.2020 - Az.: 2 Ca 863/20 - teilweise abgeändert.
Es wird festgestellt, dass dem Kläger aus dem Jahr 2019 noch Anspruch auf Freistellung von der Arbeitsleistung für einen Tag gemäß § 25 MTV für die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens vom 08.11.2018 zusteht.
2.Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3.Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 1/3, die Beklagte zu 2/3.
4.Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.
Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Zahlung eines tariflichen Zusatzgeldes nach § 2 Nr. 2 a des Tarifvertrages Tarifliches Zusatzgeld für die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen vom 14.02.2018 (TV T-ZUG).
Der am 29.11.1965 geborene Kläger ist bei der Beklagten seit dem 01.09.1982 als Mitarbeiter in Vollzeit gegen eine Bruttomonatsvergütung von 5.723,00 € beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit der Einheitliche Manteltarifvertrag für die Eisen- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen vom 18.12.2003 (EMTV) Anwendung, der mit Wirkung zum 01.01.2019 durch den Manteltarifvertrag für die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen vom 08.11.2018 (MTV) ersetzt wurde. Weiterhin anwendbar sind das Entgeltrahmenabkommen vom 18.12.2003 (ERA) und der TV T-ZUG.
Nach § 2 TV T-ZUG erhalten Beschäftigte, die jeweils am 31.07. eines Kalenderjahres in einem Arbeitsverhältnis stehen und zu diesem Zeitpunkt dem Betrieb ununterbrochen 6 Monate angehört haben, ein tarifliches Zusatzgeld. Weiter ist in § 25 MTV - wie zuvor inhaltsgleich in § 3d EMTV in der Fassung des Änderungstarifvertrages vom 14.02.2018 - geregelt:
"§ 25 Freistellungstage statt T-ZUG (A)
Beschäftigte können nach Maßgabe nachfolgender Bestimmungen verlangen, statt des tariflichen Zusatzgeldes nach § 2 Nr. 2 a) TV T-ZUG eine Freistellung in Anspruch zu nehmen.
25.1 Anspruchsberechtigte
Die Möglichkeit, eine bezahlte Freistellung in Anspruch zu nehmen, besteht für folgende Beschäftigtengruppen:
a) Beschäftigte mit einer individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von mindestens 35 Stunden, die
in drei oder mehr als drei Schichten oder nur in der Nachtschicht arbeiten (nach einer Betriebszugehörigkeit von mindestens 5 Jahren und nachdem sie mindestens 3 Jahre beim derzeitigen Arbeitgeber üblicherweise in Schicht gearbeitet haben), und voraussichtlich im Folgejahr in einem der vorgenannten Schichtmodelle beschäftigt sein werden.
25.2 Geltendmachung
Beschäftigte können bis zum 31. Oktober eines Jahres den Anspruch für das Folgejahr geltend machen.
25.3 Freistellungsumfang
Der Freistellungsanspruch beträgt acht Tage für Beschäftigte, bei denen sich die Arbeitszeit regelmäßig auf fünf Tage pro Woche verteilt. Grundsätzlich erfolgt die Inanspruchnahme in Form von ganzen freien Tagen, vergleichbar dem Verfahren bei der Urlaubsnahme. …
Bei der zeitlichen Festlegung der Freistellung sind die Wünsche des Beschäftigten im Rahmen der betrieblichen Möglichkeiten zu berücksichtigen.
Kann der Freistellungsanspruch aus personenbedingten Gründen nicht oder nicht vollständig im Kalenderjahr genommen werden, geht der Freistellungsanspruch unter. Im Umfang der nicht realisierten Freistellungstage besteht der Anspruch auf das tarifliche Zusatzgeld nach § 2 Nr. 2 a) TV T-ZUG.
25.5 Kompensation des entfallenden Arbeitsvolumens
Betriebsrat und Arbeitgeber haben bis zum 31. Dezember eines Kalenderjahres anhand der vorliegenden Anträge zu erörtern, wie das entfallende Arbeitsvolumen betriebsintern ausgeglichen werden kann. Dabei ist die Nutzung der vorhandenen betrieblichen und tariflichen Instrumente zu erörtern, insbesondere:
Stellen die Betriebsparteien fest, dass der Anspruch nicht für alle Antragsteller realisiert werden kann, können sie eine Reihenfolge festlegen. Dabei sollen folgende Kriterien berücksichtigt werden:
Die Betriebsparteien können darüber hinaus weitere Kriterien festlegen. Kommt keine Einigung zustande und kann das entfallende Arbeitsvolumen nicht mit der entsprechenden Qualifikation betriebsintern kompensiert werden, kann der Arbeitgeber solche Anträge ablehnen.
Für das Jahr 2019 beantragte der Kläger anstelle des tariflichen Zusatzgeldes nach § 2 Nr. 2 a TV T-ZUG gemäß § 25.3 MTV für den 15.04.2019 die Gewährung als Freistellungstag (Bl. 12 der Akte). Die Beklagte bewilligte dem Kläger, der zu den Anspruchsberechtigten gemäß den tariflichen Voraussetzungen gehört, den beantragten Freistellungstag. Am 15.04.2019 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Per E-Mail vom 17.04.2019 (Bl. 13 der Akte) teilte ihm die Beklagte mit, gemäß Tarifvertrag verfalle der beantragte Freistellungstag ersatzlos und lebe nicht, wie bei den normalen Urlaubstagen, wieder auf.
Mit Schreiben vom 20.02.2020 (Bl. 14 f. der Akte) machte der Kläger gegenüber der Beklagten unter Fristsetzung zum 06.03.2020 einen Anspruch auf Nachzahlung des wegen Krankheit ausgefallenen Freistellungstages nach § 25.3 Abs. 3 S. 2 MTV in Höhe von 263,12 € brutto geltend. Für das Jahr 2020 existiert eine Betriebsvereinbarung bei der Beklagten vom 02.04.2020 (Bl. 39 f. der Akte), die für den Fall der Erkrankung an einem Freistellungstag einen Verfall des Anspruchs festlegt.
Mit seiner am 23.04.2020 bei Gericht eingegangenen Klage, der Beklagten zugestellt am 30.04.2020, verfolgt der Kläger den Zahlungsanspruch gerichtlich weiter.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, nach Sinn und Zweck des § 25.3 MTV in Verbindung mit dessen Wortlaut stehe ihm wegen des ausgefallenen Freistellungstages ein Anspruch auf Zahlung des tariflichen Zusatzgeldes zu. Einen ersatzlosen Verfall des Freistellungstages im Falle der Erkrankung hätten die Tarifvertragsparteien nicht gewollt.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 263,12 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 07.03.2020 zu zahlen und hierüber bei jeder Zahlung auf die vorgenannte Schuld eine Abrechnung zu erteilen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat gemeint, der Freistellungstag gelte als verbraucht, da er bereits terminlich fixiert gewesen sei. Der Umstand der Erkrankung des Klägers am Freistellungstag 15.04.2019 sei zu beurteilen wie eine Erkrankung während einer Freischicht oder eines Freizeitausgleichs, bei der der Arbeitnehmer das Risiko der tatsächlichen Nutzungsmöglichkeit trage. Es scheide auch eine entsprechende Anwendbarkeit des § 9 BUrlG aus, der nur für den Erholungsurlaub Geltung entfalte. Zudem spreche auch die Tarifgeschichte gegen den klägerischen Anspruch, da die Tarifvertragsparteien 2018 ein eigenständiges Regelungsregime TV T-ZUG hätte schaffen wollen, um unabhängig von den in der Rechtsprechung schwankenden Entscheidungen zum Urlaubsrecht zu sein. Zudem sei ein etwaiger Anspruch nach § 49.2 MTV verfallen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 25.09.2020 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger könne die Zahlung des Zusatzgeldes nicht verlangen, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 25.3 Abs. 3 Satz 1 MTV nicht vorlägen. Es sei mit Blick auf den Wortlaut der Vorschrift schon nicht zu erkennen, dass der Kläger durch die Erkrankung am 15.04.2019 aus personenbedingten Gründen nicht in der Lage gewesen sei, bis zum 31.12.2019 einen Freistellungstag zu nehmen. Vielmehr habe die Beklagte ihm diesen am 15.04.2019 gewährt und der Kläger ihn genommen, ohne dass der Anspruch auf Arbeitsbefreiung infolge der Erkrankung wiederauflebe. § 9 BUrlG sei auf die vorliegende Fallkonstellation weder direkt noch analog anwendbar. Die Systematik des § 25.3 MTV und die Tarifhistorie zeigten, dass die Tarifvertragsparteien sich vom Urlaubsrecht gerade lösen wollten. Die Gewährung der tariflichen Freistellungstage diene auch nicht Erholungszwecken, sondern verschaffe den Mitarbeitern Zeit, sich den zu betreuenden oder zu pflegenden Angehörigen und Kindern zu widmen bzw. private Termine langfristig zu planen, die sonst nicht mit dem Schichtbetrieb vereinbar seien. Bedenken bestünden auch im Hinblick auf die Wahrung der Verfallfrist des § 49 Satz 2 MTV.
Gegen das ihm am 19.10.2020 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am 04.11.2020 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten Berufung eingelegt und diese mit einem weiteren, am 14.12.2020 eingegangenen Schriftsatz auch begründet.
Der Kläger rügt die Rechtsfehlerhaftigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung. Das Arbeitsgericht habe verkannt, dass es den Tarifvertragsparteien in § 25 MTV um eine gesundheitspolitische Zielsetzung gegangen sei, nämlich besonders belasteten Arbeitnehmergruppen "tarifliche Gesundheitstage" einzuräumen. Es gehe nicht um erleichterte Betreuung von Angehörigen, sondern um die persönliche Regeneration der Arbeitnehmer, die einen erhöhten Erholungsbedarf aufwiesen. Das rechtfertige es, ebenso wie in § 9 BUrlG das Risiko der tatsächlichen Nutzungsmöglichkeit der Freistellungstage dem Arbeitgeber und nicht den Arbeitnehmern zuzuweisen. Könne ein einmal gewährter Freistellungstag wegen Erkrankung nicht genutzt werden, lebe der Anspruch auf das tarifliche Zusatzgeld automatisch wieder auf, damit dem Mitarbeiter der wirtschaftliche Wert zufließe. Ein Anspruchsverfall gemäß § 49 Satz 2 MTV sei schon deshalb nicht anzunehmen, weil die Beklagte die Zahlung am 17.04.2019 abgelehnt habe. Abgesehen davon habe er, so die Behauptung des Klägers, für den 04.10.2019 im Personalbüro nochmals um die Gewährung eines Freistellungstages gebeten. Dies habe die Personalleiterin L. zwar verweigert, aber mitgeteilt, dass der Freistellungstag am Jahresende "vergütet bzw. abgegolten" würde.
Der Kläger beantragt zuletzt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 25.09.2020 - Az.: 2 Ca 863/20 - abzuändern und
1.die Beklagte zu verurteilen, an ihn 263,12 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 07.03.2020 zu zahlen und hierüber bei jeder Zahlung auf die vorgenannte Schuld eine Abrechnung zu erteilen,
2.hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Klageantrag zu 1. festzustellen, dass ihm aus dem Jahr 2019 noch Anspruch auf Freistellung von der Arbeitsleistung für einen Tag gemäß § 25 MTV für die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens vom 08.11.2018 zusteht.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts unter ergänzender Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Vortrag. Sie habe den Freistellungsanspruch des Klägers am 15.04.2019 erfüllt. Für die Freistellungstage des § 25 MTV gölten dieselben Regeln wie für sonstige Freizeitausgleichstage, nicht aber die speziellen Regeln des Bundesurlaubsgesetzes. Wer an einem Freistellungstag erkranke, bekomme seine Vergütung wegen der Freistellung, nicht als Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Hätte das Nutzungsrisiko der Freistellungstage dem Arbeitgeber zugewiesen werden sollen, hätten die Tarifvertragsparteien dies ausdrücklich regeln müssen. Dazu genügten die Verfahrensbestimmungen des § 25.3 MTV nicht. Absatz 3 der Vorschrift sei für den vorliegenden Fall so oder so nicht einschlägig. Die Einschätzung des Arbeitsgerichts zu Sinn und Zweck der Freistellungstage träfen zu. Es handele sich um umgewandelte Entgeltansprüche. Deshalb scheide auch eine Übertragung von Freistellungstagen auf das Folgejahr aus. Im Übrigen seien die Behauptungen des Klägers zu etwaigen Vergütungszusagen der Frau L. zu bestreiten. Diese habe mit dem Kläger nach der E-Mail vom 17.04.2019 nicht mehr über die Angelegenheit gesprochen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, die zu den Akten gereichten Unterlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen beider Rechtszüge verwiesen.
A.
Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 1, 2 lit. b) ArbGG an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet, § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG.
B.
Die Berufung ist jedoch nur teilweise begründet.
I.
Im Hinblick auf den Hauptantrag unterlag die Klage, wie das Arbeitsgericht jedenfalls im Ergebnis zu Recht erkannt hat, der Abweisung. Der Kläger kann nicht Zahlung in Höhe von 263,12 € brutto aus 2 Nr. 2a TV T-ZUG von der Beklagten verlangen.
1.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Wiederauflebens des Anspruchs auf Gewährung des tariflichen Zusatzgeldes gemäß § 25.3 Abs. 3 MTV liegen nicht vor. Der Kläger war nicht aus Gründen in seiner Person daran gehindert, bis zum 31.12.2019 seinen Freistellungsanspruch aus § 25.3 Abs. 1 MTV zu realisieren. Entweder wurde dem Kläger die Freistellung am 15.04.2019 gewährt und der Tag vergütet, dann trat Erfüllung ein (so die Beklagte); oder der Anspruch auf einen Freistellungstag verblieb ihm in Anbetracht der Arbeitsunfähigkeit am 15.04.2019. Der Freistellungstag hätte vielmehr unter Wahrung des Zwecks des § 25.3 MTV, besonders belasteten Beschäftigtengruppen die Wahl zu eröffnen, anstatt Geld eine über den tariflichen Urlaubsanspruch hinausgehende bezahlte Freistellung in Anspruch zu nehmen, auch nach dem 15.04.2019 noch gewährt werden können. Dass ein Mitarbeiter nur eine Chance haben soll, einen konkreten Freistellungstag zu beantragen, und für den Fall seiner Erkrankung an diesem Tag automatisch, sofort und exklusiv der Freistellungsanspruch durch den Anspruch auf das tarifliche Zusatzgeld ersetzt werden soll, findet in den Bestimmungen des § 25 MTV keinen Anhalt. § 25.2 Abs. 1 MTV verlangt vom Mitarbeiter eine grundsätzliche Entscheidung für die Freistellung bis zum 31.10. des Vorjahres. Hinsichtlich der zeitlichen Festlegung der Freistellung heißt es in § 25.3 Abs. 2 Satz 3 MTV lediglich, dass die Wünsche der Beschäftigten im Rahmen der betrieblichen Möglichkeiten zu berücksichtigen sind. Bei akuter Pflegebedürftigkeit soll die Freistellung sogar kurzfristig, nämlich mit einer Ankündigungsfrist von 10 Tagen für den Folgemonat möglich sein, § 25.2 Abs. 3 MTV. Eine Vorschrift, die die Verlegung von Freistellungstagen oder ihre Nachgewährung im laufenden Kalenderjahr ausschließt, findet sich nirgends.
Dass im Übrigen die Beklagte dem Kläger den Freistellungstag ohne weiteres oder sogar trotz neuen Antrags im weiteren Jahresverlauf nicht gewährte, stellt fraglos keinen personenbedingten Grund im Sinne des § 25.3 Abs. 3 Satz 1 MTV dar.
2.
Ebenso wenig ist § 25 MTV zu entnehmen, dass sich der aus anderen als personenbedingten Gründen im Kalenderjahr nicht oder nicht vollständig realisierte Freistellungsanspruch am Jahresende per se in einen Anspruch auf Zahlung des (restlichen) tariflichen Zusatzgeldes umwandelte. Die Regelung in § 25.3 Abs. 3 Satz 2 MTV bezieht sich nach ihrer systematischen Stellung allein auf die im vorhergehenden Satz genannte Nichtrealisierung der Freistellungstage aus personenbedingten Gründen. Soweit der Kammer ersichtlich, wird eine derartige Rechtsfolge auch in der bisher ergangenen einschlägigen Rechtsprechung nicht vertreten. Während das Bundesarbeitsgericht in seinen Entscheidungen vom 20.01.2021 zum Az. 4 AZR 283/20 (NZA 2021, 792, Rdz. 49) und vom 11.11.2020 zum Az. 4 AZR 210/20 (AP Nr. 237 zu § 1 TVG Auslegung, Rdz. 46, in diesem Sinne auch LAG Nürnberg, Urteil vom 03.03.2021 - 2 Sa 343/20, juris, Rdz. 67) von einem Fortbestand des Erfüllungsanspruchs auf die Gewährung von Freistellungstagen über das Jahresende hinaus ausging, judizierte das LAG Hamm (Urteil vom 25.11.2020 - 6 Sa 695/20, juris, Rdz. 108 ff.), dass der Freistellungsanspruch bei Nichtgewährung der Freistellungstage am Jahresende entweder mangels Geltendmachung ersatzlos erlischt oder der Arbeitnehmer Schadensersatz in Form der Ersatzgewährung der Freistellungstage als Naturalrestitution gemäß § 275 Abs. 4, 283, 280 Abs. 1, 249 BGB verlangen kann, wenn der Arbeitgeber den Anspruchsuntergang am Jahresende zu vertreten hat.
3.
Die im Schriftsatz vom 28.01.2021 erstmals erhobene Behauptung des Klägers, die Personalleiterin L. habe ihm im Zusammenhang mit der Beantragung eines Ersatzfreistellungstages am 04.10.2019 mitgeteilt, ein Freistellungstag werde am Jahresende vergütet bzw. abgegolten, ist für die Entscheidung des Rechtsstreits unbeachtlich. Sie stellte, soweit es sie gegeben haben sollte, in Anbetracht der obigen Ausführungen ohne weiteres nicht mehr als eine falsche Rechtsansicht der Beklagten dar. Dass Frau L. durch die ihr zugeschriebene Erklärung einen vertraglichen Zahlungsanspruch des Klägers erst hat begründen wollen, den §§ 25.3 MTV, 2 Nr. 2a TV T-ZUG gar nicht vorsehen, ist ebenso wenig ersichtlich, wie dass der Kläger durch seine im Fließtext enthaltene Behauptung dies überhaupt hat geltend machen und damit einen neuen Streitgegenstand im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO in den Rechtsstreit hat einführen wollen. Das Gericht stellt klar, dass sich seine Entscheidung auf den Streitgegenstand einer vertraglichen, übertariflichen Zahlungszusage der Beklagten durch ihre Personalleiterin L. nicht bezieht.
II.
Die Berufung des Klägers hat Erfolg, soweit dieser in der Berufungsinstanz auf Hinweis des Gerichts seine Klage erweitert und hilfsweise die Feststellung begehrt hat, ihm stehe aus dem Jahre 2019 noch die Nachgewährung eines tarifvertraglichen Freistellungstages gemäß § 25 MTV zu.
1.
Der Feststellungsantrag ist gemäß § 256 Abs. 1 ZPO als solches zulässig und konnte auch in der Berufungsinstanz noch in den Rechtsstreit eingeführt werden.
a.
Der Kläger hat ein rechtliches Interesse daran, durch das Gericht feststellen zu lassen, ob ihm für das Jahr 2019 noch Freistellungstage zustehen, was zwischen den Parteien im Streit steht. Die Feststellungsklage kann sich insbesondere auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken (vgl. BAG, Urteil vom 03.12.2019 - 9 AZR 54/19, NZA 2020, 541).
Sie ist auch nicht wegen des Vorrangs der Leistungsklage unzulässig. Eine Klage gemäß § 894 ZPO auf Gewährung eines Freistellungstages für einen bestimmten kalendermäßig festgelegten Zeitpunkt wäre weder prozesswirtschaftlicher als die Feststellungsklage, noch wäre sie dem Kläger zumutbar. Wird der Schuldner zur Abgabe einer empfangsbedürftigen Willenserklärung antragsgemäß verurteilt, gilt nach § 894 ZPO die Willenserklärung erst dann als abgegeben, wenn das Urteil rechtskräftig geworden ist. Dem Kläger kann zum Zeitpunkt der Klageerhebung indes nicht bekannt sein, wann ein gegebenenfalls stattgebendes Urteil rechtskräftig wird; er müsste deshalb seinen mit der Leistungsklage angegebenen Freistellungszeitraum mittels Klageänderung fortlaufend anpassen (vgl. BAG, Urteil vom 12.04.2011 - 9 AZR 80/10, NZA 2011, 1050). Auf eine Klage zur Gewährung der Freistellung für einen nicht festgelegten Zeitraum darf der Kläger nicht verwiesen werden, denn bei einer solchen Klage müsste er auf sein Recht aus § 25.3 Abs. 2 Satz 3 MTV, die Freistellung nach seinen Wünschen zeitlich festzulegen, verzichten (zu allem LAG Hamm, Urteil vom 25.11.2020 - 6 Sa 695/20, juris, Rdz. 83 f.).
b.
Die Klageerweiterung in der Berufungsinstanz ist gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG, 533 ZPO zulässig. Sie ist sachdienlich, weil sie geeignet ist, einen weiteren Rechtsstreit zwischen den Parteien zu vermeiden. Die Tatsachen, auf die der Hilfsantrag gestützt wird, hat das Gericht bei der Entscheidung über den Hauptantrag ohnehin gemäß § 67 ArbGG zu berücksichtigen.
2.
Der Feststellungsantrag des Klägers ist auch begründet. Der Kläger kann die Nachgewährung eines Freistellungstages aus dem Jahre 2019 gemäß § 25.3 MTV verlangen.
a.
Die Beklagte hat den Anspruch des Klägers auf Gewährung der Freistellungstage für das Jahr 2019 nicht vollständig im Sinne des § 362 Abs. 1 BGB erfüllt. Eine Erfüllungswirkung durch Freistellung am 15.04.2019 konnte nicht eintreten, weil der Kläger an diesem Tag arbeitsunfähig erkrankt war. Die bloße Bewilligung des Freistellungstages bewirkt nicht bereits die Erfüllung des klägerischen Anspruchs. Die Auslegung des § 25 MTV ergibt vielmehr, dass der Arbeitgeber im Falle der Freistellung nach § 25 MTV - ausnahmsweise - das Risiko der tatsächlichen Nutzungsmöglichkeit eines Freistellungstages tragen soll. Einer analogen Anwendung des § 9 BUrlG bedarf es hierzu nicht.
aa.
Das Gericht schließt sich zunächst der Begründung des LAG Hamm in seinem Urteil vom 25.11.2020 zum Az. 6 Sa 695/20 zur wortgleichen Vorgängerbestimmung des § 3d EMTV an. In den Entscheidungsgründen heißt es unter Ziffer II.2.b)cc)(3), Rdz. 92 ff. wie folgt:
" Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wird ein Anspruch auf Arbeitszeitausgleich bereits durch die Freistellung von der Arbeitspflicht erfüllt. Der Arbeitnehmer ist in diesem Falle nicht mehr verpflichtet, im Freistellungszeitraum die nach dem Arbeitsvertrag geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Er kann über diesen Zeitraum frei verfügen, ohne dass die Pflicht des Arbeitgebers zur Zahlung der entsprechenden Vergütung entfällt. Eine nachträglich eintretende krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit im Freistellungszeitraum macht die Erfüllung des Ausgleichsanspruchs nicht hinfällig (vgl. BAG vom 11.09.2003 - 6 AZR 374/02; BAG vom 21.08.1991 - 5 AZR 91/91). Demnach trägt grundsätzlich der Arbeitnehmer das Risiko, die durch Arbeitsbefreiung als Arbeitszeitausgleich gewonnene Freizeit auch tatsächlich nach seinen Vorstellungen nutzen zu können. (vgl. BAG vom 11.09.2003 - 6 AZR 374/02).
Etwas anderes gilt im Falle eines tarifvertraglich geregelten Arbeitszeitausgleichs nur dann, wenn der Tarifvertrag mit dem Freizeitausgleich die Verschaffung einer zu Erholungszwecken nutzbaren arbeitsfreien Zeit sicherstellen und dazu dem Arbeitgeber bei einer zuvor erfolgten Festlegung der freien Arbeitstage das Risiko dieser Nutzungsmöglichkeit zuweist (vgl. BAG vom 11.09.2003 - 6 AZR 374/02). Die Frage, ob die "Gewährung freier Tage" i.S.v. § 3d EMTV während einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit möglich ist, ist nicht anhand begrifflicher Erwägungen oder allgemeiner schuldrechtlicher Grundsätze, sondern durch Auslegung der Tarifvorschrift selbst zu beantworten (vgl. BAG 04.09.1985 - 7 AZR 531/82 zu § 17 Abs. 5 BAT).
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts folgt die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (vgl. BAG vom 22.03.2018 - 6 AZR 29/17; BAG vom 20.03.2012 - 9 AZR 518/10; BAG vom 24.10.2010 - 6 AZR 992/08; BAG vom 19.09.2007 - 4 AZR 670/06; BAG vom 07.07.2004 - 4 AZR 433/03).
Zu Recht hat das Arbeitsgericht angenommen, dass sich im Streitfall der tariflichen Regelung des § 3d EMTV abweichend von den allgemeinen Grundsätzen entnehmen lässt, dass das Risiko der Nutzungsmöglichkeit bei einer erfolgten Festlegung der freien Arbeitstage dem Arbeitgeber zugewiesen sein soll. Eine Erfüllung des Freistellungsanspruchs soll hiernach ausnahmsweise dann ausgeschlossen sein, wenn der Arbeitnehmer nach zeitlicher Festlegung der Freistellung in diesem Zeitraum arbeitsunfähig erkrankt.
(a) Nach dem Wortsinn bedeutet "Gewährung freier Tage" die Freistellung des Arbeitnehmers von einer bestehenden Arbeitspflicht. Dies geschieht durch eine entsprechende Erklärung des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer, durch die der Arbeitgeber auf sein vertragliches Recht auf Leistung der versprochenen Dienste in einem bestimmten Umfang verzichtet und damit die entsprechende Dienstleistungspflicht des Arbeitnehmers zum Erlöschen bringt (vgl. BAG vom 04.09.1985 - 7 AZR 531/82).
(b) Soweit im Falle des Ausgleichs eines Arbeitszeitkontos oder von Überstunden die Freistellungserklärung des Arbeitgebers allein in der Regel zu Recht als Erfüllungshandlung angesehen wird, ist dies nicht auf den Freistellungsanspruch nach § 3d EMTV übertragbar.
(aa) Der Überstundenausgleich verlangt vom Arbeitgeber nur die Entbindung des Arbeitnehmers von seiner vertraglichen Arbeitspflicht im Umfang der geleisteten Überstunden, nicht aber darüber hinaus die Verschaffung einer zu Erholungszwecken nutzbaren arbeitsfreien Zeit. Dies stellt damit nur eine Regelung zur Arbeitszeitverlegung im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit dar. Überstunden sollen in der Regel vorweggenommene Arbeitsleistung sein. Der spätere Freizeitausgleich ist lediglich der zweite zur Arbeitszeitverlegung erforderliche Akt (vgl. BAG vom 11.09.2003 - 6 AZR 374/02; BAG vom 04.09.1985 - 7 AZR 531/82). Die durch die Arbeitsbefreiung als Überstundenausgleich gewonnene Freizeit des Arbeitnehmers kann rechtlich keine andere Qualität haben als seine sonstige arbeitsfreie Zeit, denn durch die Leistung der Überstunden und ihren Ausgleich durch Arbeitsbefreiung findet lediglich eine Verlagerung der Arbeitszeit und damit notwendig auch der arbeitsfreien Zeit des Arbeitnehmers statt. Ebenso wenig wie der Arbeitgeber sonst dem Arbeitnehmer dafür einzustehen braucht, dass dieser an der beliebigen Nutzung seiner arbeitsfreien Zeit nicht durch Krankheit gehindert ist, trägt der Arbeitnehmer dieses Risiko bei der durch Arbeitsbefreiung als Überstundenausgleich gewonnenen Freizeit (vgl. BAG vom 04.09.1985 - 7 AZR 531/82). Wird ein Arbeitnehmer zum Ausgleich von Überstunden freigestellt, hat er seine geschuldete regelmäßige Arbeitszeit gleichwohl zuvor erbracht und ist hierfür auch vergütet worden. Erkrankt er nach Festlegung des Ausgleichszeitraums arbeitsunfähig, ist er nicht anders zu behandeln, als ein Arbeitnehmer, der an einem regelmäßig arbeitsfreien Tag - etwa einem Sonntag - erkrankt. Beide Arbeitnehmer haben ihre regelmäßige Arbeitszeit geleistet und sind hierfür vergütet worden. Beide sind in ihrer Freizeit erkrankt.
(bb) Anders liegt der Fall bei der Freistellung nach § 3d EMTV. Hiernach hat der Arbeitnehmer mit dem Freistellungsanspruch einen Anspruch auf Reduzierung seiner regelmäßigen Arbeitszeit bei gleichzeitiger Fortzahlung der regelmäßigen Vergütung. Es handelt sich gerade nicht nur um eine Verlegung der geschuldeten Arbeitszeit. Vielmehr geht der Zweck der Regelung darüber hinaus. Nach § 3d EMTV soll die Erfüllung des Anspruchs nicht allein mit der Entbindung des Arbeitnehmers von seiner vertraglichen Arbeitspflicht eintreten, sondern es ist darüber hinaus die Verschaffung einer zu einem bestimmten Zweck nutzbaren arbeitsfreien Zeit erforderlich.
Zwar weist die Beklagten zu Recht darauf hin, dass der Ursprung des Freistellungsanspruchs nach § 3d EMTV in der Gewährung eines tariflichen Zusatzgeldes nach § 2 TV T-ZUG und damit einem rein monetären Anspruch liegt. Gleichwohl sieht § 3d EMTV nicht für alle Arbeitnehmer mit Anspruch nach TV T-ZUG eine Umwandlungsmöglichkeit in Freistellungstage vor. So können nur solche Arbeitnehmer einen Freistellungsanspruch geltend machen, die in Schichtarbeit tätig sind und sein werden oder einen Angehörigen pflegen bzw. ein Kind unter acht Jahren betreuen. Der ersten Gruppe soll damit ein Erholungszweck zur Kompensation der besonderen Erschwernisse von Schicht- bzw. Nachtarbeit zugutekommen, der zweiten Gruppe soll erleichtert werden, ihren sozialen Verpflichtungen zur Pflege und Betreuung nachzukommen. Der Beklagten ist auch zuzugestehen, dass weder die Pflege von Angehörigen noch die Betreuung von Kindern mit einem Erholungswert einhergehen muss. Der viel zitierte Erholungszweck (vgl. BAG vom 21.08.1991 - 5 AZR 91/91; BAG vom 30.01.1991 - 5 AZR 78/90; BAG vom 02.12.1987 - 5 AZR 652/86; BAG vom 04.09.1985 - 7 AZR 531/82) ist jedoch nicht der einzig denkbare über die eigentliche Freistellung hinausgehende Zweck, den eine Freistellungsreglung bezwecken kann. Für die Frage der Auslegung, wann ein Freistellungsanspruch erfüllt sein soll, können die Regelungsparteien - wie vorliegend - auch andere Zwecke als den der Erholung vorsehen.
Soll jedoch dem Arbeitnehmer ein Erholungswert zugutekommen bzw. ermöglicht werden, einen Angehörigen zu pflegen oder sein Kind zu betreuen, ist für die Erfüllung des Freistellungsanspruchs auch die tatsächliche Nutzung der festgelegten arbeitsfreien Zeit durch den Arbeitnehmer sicherzustellen.
Dass die Tarifvertragsparteien dem Arbeitgeber bei einer bereits zuvor festgelegten Arbeitsbefreiung auch das Risiko dieser Nutzungsmöglichkeit im Falle einer nachträglich auftretenden Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers auferlegten wollten, wird weiter aus den Regelungen zur Kompensation des entfallenden Arbeitsvolumens in § 3d Ziff. 5 EMTV deutlich. Die Tarifvertragsparteien haben nämlich erkannt, dass - anders als bei der reinen Verlagerung der Arbeitszeit im Rahmen des Arbeitszeitausgleichs - bei einer Freistellung nach § 3d EMTV den Arbeitgeber eine Zusatzbelastung trifft. Um hierfür einen Ausgleich zu schaffen, haben sie in Ziff. 5 eine Regelung zur Kompensation geschaffen.
Im Ergebnis besteht der Zweck des Freistellungsanspruchs nach § 3d EMTV in der Umwandlung einer monetären Vergünstigung, die dem Arbeitnehmer in Form einer tatsächlichen Nutzung von arbeitsfreier Zeit zufließen soll. Dem steht nach dem Willen der Tarifvertragsparteien eine Belastung des Arbeitgebers spiegelbildlich gegenüber, die einer Kompensation bedurfte. Anders als im Falle des Überstundenausgleichs, der nicht zu einer zusätzlichen Vergütungspflicht des Arbeitgebers führen soll (vgl. BAG vom 04.09.1985 - 7 AZR 531/82), soll dem Arbeitnehmer mit den Regelungen der §§ 2 TV T-ZUG und 3d EMTV eine zusätzliche - den Arbeitgeber belastende - Aufwendung zugutekommen. Der Arbeitnehmer, der einen Überstundenausgleich erhält, hat die Vergütung für den Freischichttag schon mit der Bezahlung der tatsächlichen Arbeitszeit erhalten. Der Arbeitnehmer, der eine tarifliche Freistellungszeit in besonderen Fällen erhält, bekommt seine Vergütung nicht für geleistete Arbeit. Es liegt vielmehr ein Tatbestand von Lohn ohne Arbeit vor. Der Arbeitnehmer soll seine regelmäßige Vergütung erhalten und darüber hinaus einen freien Arbeitstag zur Nutzung des tarifvertraglich vorgesehen Zwecks. Der Zweck der tariflichen Vorschrift zur Freistellung lässt sich jedoch nur dann erreichen, wenn auch das Risiko der Nutzungsmöglichkeit im Falle einer nachträglich auftretenden Arbeitsunfähigkeit den Arbeitgeber trifft. Spiegelbildlich dazu verliert ein grundsätzlich anspruchsberechtigter Arbeitnehmer, der auf die Umwandlung in Freizeit verzichtet hat, seinen Anspruch auf das tarifliche Zusatzgeld nicht bei Eintritt einer Erkrankung.
Dieses Auslegungsergebnis wird durch die Regelung in § 3d Ziff. 3 Abs. 3 EMTV gestützt, der einen Untergang des Anspruchs vorsieht, wenn der Arbeitnehmer aus personenbedingten - in der Regel krankheitsbedingten - Gründen die Freistellung nicht nehmen kann. Zielsetzung dieser Regelung ist einerseits, den Freistellungsanspruch zeitlich zu begrenzen, dem schuldlos gehinderten Arbeitnehmer seinen Anspruch jedoch nicht ersatzlos zu nehmen. Ein langzeiterkrankter Arbeitnehmer, der an der Freistellungnahme bis zum Jahresende personenbedingt gehindert ist, erhält hiernach eine Kompensation. Dies wäre jedoch ausgeschlossen, wenn er seinen Anspruch zuvor bereits - womöglich auch zur Planungssicherheit des Arbeitgebers - frühzeitig zeitlich konkretisiert hätte. Dass die Tarifvertragsparteien eine derartige Differenzierung vornehmen wollten, ist nicht anzunehmen. Denn ersichtlich wollten sie den Rückfall auf das tarifliche Zusatzgeld nach der Frage des Grundes für die Unmöglichkeit der Inanspruchnahme der Freistellung und nicht nach der Frage der vorherigen Konkretisierung der tatsächlichen Freistellung richten."
bb.
Das Gericht hält folgende ergänzende Erwägungen für relevant, die für das vom LAG Hamm gefundene Ergebnis sprechen:
(1)Träfe die Auffassung der Beklagten zu, dass mit erstmaliger Bewilligung bestimmter Freistellungstage bereits die Erfüllung des Anspruchs aus § 25 MTV eintritt, liefe die Vorschrift des § 25.3 Abs. 3 MTV weitgehend leer. Auch ein anspruchsberechtigter, im ganzen Kalenderjahr dauererkrankter Mitarbeiter, der bis zum 31.10. des Vorjahres die Freistellungsoption gewählt hat, würde sich die Erfüllung des Anspruchs entgegen halten lassen müssen, wenn der Arbeitgeber die Freistellungstage denn nur frühzeitig genug - nämlich vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit (vgl. hierzu LAG Nürnberg, Urteil vom 03.03.2021 - 2 Sa 343/20, juris, Rdz. 69) - festgelegt hat. Konsequenz wäre weiterhin, dass der Arbeitgeber auch nach Ablauf der sechswöchigen Entgeltfortzahlungsphase im Krankheitsfall (§ 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG) das Entgelt für den Freistellungstag - ggf. unter Anrechnung des für diesen Tag gewährten Krankengeldes - vergüten müsste, weil dessen Arbeitsunfähigkeit an diesem Tag gerade nicht monokausal für den Arbeitsausfall war. Ein Wiederaufleben des Anspruchs auf das tarifliche Zusatzgeld nach § 2 Nr. 2a) TV T-ZUG wäre ausgeschlossen.
(2)Das alles motivierte den anspruchsberechtigten Arbeitnehmer, die Festlegung der konkreten Freistellungstage so lange als möglich heraus zu zögern, um nicht in die "Arbeitsunfähigkeitsfalle" zu geraten. Das wiederum kollidierte ersichtlich mit dem in § 25 MTV berücksichtigten Interesse des Arbeitgebers, auch die konkreten Freistellungstage möglichst weiträumig zu planen, um die betrieblichen Abläufe sicherzustellen und überhaupt die Umsetzbarkeit der Freistellungswünsche aller anspruchsberechtigten Mitarbeiter prüfen zu können (§ 25.5 MTV). Nicht umsonst sieht § 25.2 Abs. 3 Satz 1 MTV vor, dass nur in Ausnahmefällen - nämlich bei Eintritt eines akuten Pflegefalles - Freistellungsanträge noch nachträglich kurzfristig geltend gemacht werden können. Ist danach die langfristige Planung der Freistellungstage durch den Arbeitgeber die tariflich gewollte Regel, schüfe der Untergang des Freistellungsanspruchs bereits durch erstmalige Bewilligung konkreter Freistellungstage ein maßgebliches Motiv gerade für die besonders belasteten und dadurch krankheitsanfälligeren Mitarbeiter, auf die Freistellung zu verzichten, um am Ende nicht mit leeren Händen dazustehen. Das ist mit dem Zweck des § 25 MTV unvereinbar.
(3)Für die hier gefundene Einschätzung spricht nach Auffassung der Kammer weiter, dass in § 25.3 Abs. 3 Satz 2 MTV von "nicht realisierten" Freistellungstagen die Rede ist. Synonyme zum Begriff "realisieren" sind "ausführen", "durchführen" und "verwirklichen" (nachgesehen auf www.duden.de am 19.04.2021). Das erscheint aus Sicht des Mitarbeiters als ein Mehr im Verhältnis zum bloßen Nehmen bzw. Gewähren einer Freistellung. Die Freistellung soll den tarifvertraglichen Zweck der Erholung bzw. Erleichterung von Pflege und Betreuung gewährleisten. Das tut sie im Falle der parallel vorliegenden Arbeitsunfähigkeit nicht.
(4)Sicher beachtlich im Sinne der Beklagten ist das vom LAG Nürnberg in seiner Entscheidung vom 03.03.2021 (Az. 2 Sa 343/20, juris, Rdz. 62) gebrachte Argument, dass bei einem bloßen Abstellen auf den Zweck, besonders belasteten Arbeitnehmergruppen zusätzliche Freizeit einzuräumen, kaum erklärlich wäre, warum Betriebsrat und Arbeitgeber den Kreis der anspruchsberechtigten Mitarbeiter im Sinne des § 25.1 MTV bis auf den gesamten Betrieb sollen erweitern können; § 25.4 MTV. Für durchschlagend hält die Kammer das Argument indes nicht: § 25.1. MTV enthält eine Aufzählung typischer Fallgruppen "gestresster" Arbeitnehmer, die aber betriebliche Besonderheiten nicht abbilden kann und deshalb keinen abschließenden Charakter haben soll. § 25.4 MTV eröffnet den Betriebsparteien die Möglichkeit, mit Blick auf die konkreten betrieblichen Gegebenheiten auch anderen Mitarbeitergruppen weitergehende Freizeitoptionen zum Zwecke der Erholung zuzuerkennen. Soweit Betriebsrat und Arbeitgeber dies freiwillig vereinbaren, kommt darin zugleich zum Ausdruck, dass die hinzugekommenen Anspruchsberechtigten im Sinne des § 25 MTV für in vergleichbarem Maße erholungsbedürftig gehalten werden wie Schichtarbeiter und Mitarbeiter, die Angehörige pflegen und/oder Kinder betreuen. Gegen den Zweck der Gewährung von Freistellungstagen, die Erholung der Arbeitnehmer zu fördern bzw. Pflege und Betreuung zu erleichtern, spricht dies per se nicht.
b.
Der Anspruch auf Nachgewährung eines Freistellungstages aus dem Jahre 2019 ist nicht durch Zeitablauf am 31.12.2019 untergegangen. Das Gericht folgt insoweit der Auffassung des BAG in seinen Entscheidungen vom 20.01.2021 zum Az. 4 AZR 283/20 (NZA 2021, 792, Rdz. 49) und vom 11.11.2020 zum Az. 4 AZR 210/20 (AP Nr. 237 zu § 1 TVG Auslegung, Rdz. 46, in diesem Sinne auch LAG Nürnberg, Urteil vom 03.03.2021 - 2 Sa 343/20, juris, Rdz. 67). § 25 MTV sieht für die vorliegende Fallkonstellation kein Erlöschen des Anspruchs vor. Es liegt auch kein Fall der subjektiven Unmöglichkeit im Sinne des § 275 BGB vor, da die Gewährung von Freistellungstagen, deren Anspruch aus einem früheren Kalenderjahr stammt, im fortbestehenden Arbeitsverhältnis - wie auch hier - ohne weiteres möglich ist.
Soweit die Beklagte meint, die Freistellungstage enthielten wie die Zahlung des tariflichen Zusatzgeldes selbst einen Bezug zum laufenden Kalenderjahr und müssten deshalb am Jahresende verfallen, ist ihr entgegen zu halten, dass dieser Bezug nicht einmal in § 25 MTV durchgehend erkennbar ist, wie etwa die Regelung des § 25.2 Abs. 2 Satz 2 MTV zeigt, wonach der Freistellungsanspruch auch für zwei Jahre in Folge geltend gemacht werden kann. Abgesehen davon blieb der Beklagten unbenommen, den Bezug der Freistellung des Klägers für das Jahr 2019 dadurch zu wahren, dass sie von sich aus dem am 15.04.2019 ausgefallenen Freistellungstag nachgewährte oder - wenn es ihn gab - den Antrag des Klägers für den 04.10.2019 bewilligte. Mit Blick auf die zu verschaffende "Möglichkeit zu zusätzlichen Betreuungsleistungen oder zu einer Art Verschnaufpause" (vgl. den Beklagtenschriftsatz vom 03.03.2021, Blatt 4) macht es jedenfalls keinen Unterschied, ob die Freistellung des Klägers Ende 2019 oder Anfang 2020 erfolgte.
Die Kammer folgt schließlich auch nicht der Auffassung des LAG Hamm (Urteil vom 25.11.2020 - 6 Sa 695/20, juris, Rdz. 108 f.), wonach sich aus der Bestimmung des § 3d.2 EMTV (hier: § 25.2 MTV) ergäbe, dass der Freistellungsanspruch (nur) das Folgejahr betreffe und demzufolge am Ende des Folgejahres gemäß § 275 BGB mangels Geltendmachung konkreter Freistellungstage durch den Arbeitnehmer ersatzlos untergehe. Dem steht die Regelung des § 25.3 Abs. 3 Satz 1 MTV entgegen, der es nicht bedürfte, wenn der Untergang des Freistellungsanspruchs die Regel wäre. Soweit das LAG Hamm meint, dass die Tarifnorm eine Benachteiligung erkrankter Arbeitnehmer durch den Untergang des Anspruchs verhindern wolle, indem sie einen privilegierten Rückfall auf das tarifliche Zusatzgeld gemäß § 2 TV T-ZUG vorsehe, ist das nicht zwingend. Im Kalenderjahr dauererkrankte Arbeitnehmer werden nämlich regelmäßig kein Interesse daran haben, ggf. in absehbarer Zukunft nicht realisierbare Freistellungstage noch einmal in Anspruch zu nehmen, für sie hat sich die bis zum 31.10. des Vorjahres zu treffende Prognose für das "Kalenderjahr" wegen der Dauererkrankung überholt, weswegen sie auf die Zahlung des tariflichen Zusatzgeldes als Regelzustand zurückfallen. Zugleich wird zugunsten des Arbeitgebers eine Kumulierung von Freistellungsansprüchen über mehrere Jahre verhindert. All das gilt für nicht dauererkrankte Arbeitnehmer, die die Freistellungsoption gewählt haben, nicht: Hier kann der Arbeitgeber durch Gewährung von Freistellungstagen auch ohne Antrag des Arbeitnehmers ein Auflaufen von Freistellungsansprüchen verhindern. Aus Sicht des Arbeitnehmers wiederum hat sich die Freistellung nicht notwendig erledigt, wenn bis zum Jahresende nicht alle Freistellungstage in Anspruch genommen wurden. Es gilt das im Vorabsatz Ausgeführte.
C.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die Kammer hat den ihrer Entscheidung zugrunde liegenden Rechtsfragen grundsätzliche Bedeutung beigemessen und deshalb die Revision gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG für beide Parteien zugelassen.
RECHTSMITTELBELEHRUNG
Gegen dieses Urteil kann von beiden Parteien
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eingelegt werden.
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In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Revisionsschrift unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
Die elektronische Form wird durch ein elektronisches Dokument gewahrt. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 46c ArbGG nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (ERVV) v. 24. November 2017 in der jeweils geltenden Fassung eingereicht werden. Nähere Hinweise zum elektronischen Rechtsverkehr finden Sie auf der Internetseite des Bundesarbeitsgerichts www.bundesarbeitsgericht.de.
* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
Schneider Stricker Krüll
Meta
20.04.2021
Landesarbeitsgericht Düsseldorf 8. Kammer
Urteil
Sachgebiet: Sa
Zitiervorschlag: Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 20.04.2021, Az. 8 Sa 754/20 (REWIS RS 2021, 6746)
Papierfundstellen: REWIS RS 2021, 6746
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
10 Sa 694/20 (Landesarbeitsgericht Düsseldorf)
10 AZR 99/21 (Bundesarbeitsgericht)
Tarifliche Freistellungstage - Arbeitsunfähigkeit - Tarifauslegung - Metall- und Elektroindustrie
10 Sa 60/21 (Landesarbeitsgericht Köln)
10 Sa 61/21 (Landesarbeitsgericht Köln)
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