Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 09.08.2010, Az. 2 B 36/10

2. Senat | REWIS RS 2010, 4197

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Gegenstand

Disziplinarsache; Verhinderung des Beamtenbeisitzers; Verzicht auf das Erfordernis der Zugehörigkeit des Vertreters zur Laufbahn des betroffenen Beamten


Tenor

Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] für das [X.] vom 17. Februar 2010 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1

Die auf den [X.] gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, § 67 Satz 1 [X.] NRW gestützte Beschwerde des [X.] kann keinen Erfolg haben, weil der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht vorliegt.

2

In dem Berufungsurteil hat das Oberverwaltungsgericht die vom Verwaltungsgericht ausgesprochene Entfernung des [X.] aus dem Beamtenverhältnis bestätigt. Mit seiner Beschwerde macht der Beklagte geltend, das Berufungsurteil beruhe auf einer Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen [X.] gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, § 16 [X.]. Der Senat für Disziplinarsachen sei nicht vorschriftsgemäß besetzt gewesen, weil die Mitwirkung einer [X.]in an der Berufungsentscheidung gegen gesetzlichen Vorgaben und den Geschäftsverteilungsplan des [X.] verstoßen habe.

3

Die vom [X.] beanstandete Mitwirkung der [X.] als [X.]in an der Sitzung am 17. Februar 2010 als Vertreterin einer zunächst vorgesehenen [X.]in verletzt das Recht auf den gesetzlichen [X.] gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG schon deshalb nicht, weil sie vorschriftsgemäß gewesen ist. Zum einen ist die Mitwirkung Frau [X.] nicht gesetzlich ausgeschlossen gewesen. Zum anderen hat ihre Heranziehung den Bestimmungen des [X.] entsprochen. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

4

Der beim Oberverwaltungsgericht gebildete Senat für Disziplinarsachen entscheidet als Berufungsgericht mit drei [X.]n und zwei [X.]n (§ 45 Abs. 1 Satz 2, § 51 Abs. 2 Satz 1 [X.] NRW). Die [X.] sollen der Laufbahn des betroffenen Beamten angehören (§ 51 Abs. 2 Satz 2, § 47 Abs. 4 [X.] NRW).

5

Die Reihenfolge, in der die ehrenamtlichen [X.] zu den Sitzungen heranzuziehen sind, bestimmt das Präsidium des Gerichts vor Beginn des Geschäftsjahres. Dies gilt gleichermaßen für die [X.] in Disziplinarsachen (§ 30 Abs. 1 VwGO, § 3 Abs. 1 [X.] NRW). Nach dem Geschäftsverteilungsplan des [X.] für das [X.] richtet sich die Heranziehung der [X.] nach der mit der Zuweisung beschlossenen Liste. Dabei ist vom Beginn der Liste auszugehen und mit dem nächsten [X.] in der jeweils maßgeblichen Reihe fortzufahren (vgl. S. 44 des [X.]).

6

Da in der Sitzung am 17. Februar 2010 die erste Verhandlung in diesem Jahr in einer Disziplinarsache gegen einen Beamten der Laufbahn des gehobenen Dienstes der Finanzverwaltung stattgefunden hat, sind nach § 51 Abs. 2 Satz 2, § 47 Abs. 4 [X.] NRW und dem Geschäftsverteilungsplan diejenigen [X.] zur Mitwirkung bestimmt gewesen, die an der Spitze der Liste für diese Laufbahn stehen. Dies sind [X.] und die am Sitzungstag unvorhergesehen verhinderte [X.], als deren Vertreterin Frau [X.] herangezogen worden ist (vgl. S. 6 der Liste).  

7

Der Vortrag des [X.], bereits [X.] sei nicht zur Mitwirkung bestimmt gewesen, beruht darauf, dass er auf die Regelungen des [X.] für die Heranziehung der ehrenamtlichen [X.] des 3. Senats abstellt. Diese Regelungen sind jedoch nicht anzuwenden, soweit dieser Senat als Senat für Disziplinarsachen im Sinne von § 45 Abs. 1 Satz 2, § 51 [X.] NRW tätig wird. Für die Heranziehung der [X.] des [X.] enthält der Geschäftsverteilungsplan die dargestellten besonderen Regelungen.  

8

Für die Fälle der unvorhergesehenen Verhinderung eines zur Mitwirkung bestimmten ehrenamtlichen [X.]s kann das Präsidium des Gerichts eine [X.] aus ehrenamtlichen [X.]n aufstellen, die am [X.] oder in seiner Nähe wohnen. Der Vertreter ist dann nach dieser [X.] zu bestimmen. Dies gilt auch für die Mitwirkung der [X.] in Disziplinarsachen (§ 30 Abs. 2 VwGO, § 3 Abs. 1 [X.] NRW).

9

Ein ehrenamtlicher [X.] ist verhindert im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGO, wenn er nachvollziehbar darlegt, die Teilnahme an der Sitzung sei ihm aus beruflichen oder privaten Gründen nicht zuzumuten. Eine Nachprüfung der Angaben durch das Gericht ist im Regelfall nicht geboten (Urteile vom 12. Dezember 1973 - BVerwG 6 C 104.73 - BVerwGE 44, 215 <217 f.> = [X.] 310 § 30 VwGO Nr. 7 S. 9 f.; vom 28. Februar 1984 - BVerwG 9 C 136.82 - [X.] 310 § 30 VwGO Nr. 18 S. 6 ff. und vom 25. April 1991 - BVerwG 7 C 11.90 - BVerwGE 88, 159 <165> = [X.] 300 § 21i [X.] Nr. 1 S. 5). Die Verhinderung ist unvorhergesehen, wenn sie so plötzlich eintritt, dass nicht mehr die Möglichkeit besteht, den in der Hauptliste folgenden [X.] zu laden (Urteil vom 12. Dezember 1973 a.a.[X.] f. bzw. [X.]). Danach hat der Senat für Disziplinarsachen [X.] wegen des von ihr angegebenen [X.] als unvorhergesehen verhindert ansehen und für die Bestimmung des Vertreters auf die [X.] der [X.] zurückgreifen können.

Die Kriterien für die Anwendung der [X.] in [X.] sind vom Präsidium des Gerichts festzulegen. Es kann bestimmen, dass die [X.] nach der Reihenfolge abgearbeitet und derjenige ehrenamtliche [X.] als Vertreter bestimmt wird, der als erster für die Sitzungsteilnahme zur Verfügung steht, so dass die Verhandlung möglichst ohne Verzögerung begonnen werden kann. Jedenfalls in eiligen Fällen genügt es, dass das Gericht den nach der [X.] als nächsten in Betracht kommenden [X.] einmal fernmündlich zu erreichen versucht. Bleibt dies erfolglos, kann es in der Reihenfolge der [X.] fortfahren (Urteil vom 28. Februar 1984 a.a.[X.] f.).

Nach den Angaben des Berufungsgerichts in dem Nichtabhilfebeschluss vom 28. April 2010 werden nur [X.] mit dienstlichem Wohnsitz im [X.] als Vertreter herangezogen. Diese Beschränkung entspricht § 30 Abs. 2 VwGO.  Nach der Vertretungsregelung des [X.] ist bei Verhinderung eines [X.]s am [X.] bereite [X.] mit dienstlichem Wohnsitz im [X.] ohne Rücksicht auf den [X.], die Laufbahn und das Geschlecht heranzuziehen (vgl. S. 44 des [X.]).

Der Begriff des nächst bereiten [X.]s ist im Hinblick auf die dargestellte Rechtsprechung des [X.] hinreichend bestimmt.  Als „nächst bereit“ ist derjenige [X.] heranzuziehen, der nach der Reihenfolge der [X.] als erster erreicht wird und in der Lage ist, unverzüglich beim Gericht zu erscheinen. Das Berufungsgericht hat in dem Nichtabhilfebeschluss vom 28. April 2010 dargelegt, dass dies Frau [X.] gewesen ist.   

Der Verzicht auf das Erfordernis der Zugehörigkeit des Vertreters zur Laufbahn des betroffenen Beamten in [X.] verstößt nicht gegen § 47 Abs. 4 [X.] NRW. Da es sich bei dieser Vorschrift um eine „Soll-Regelung“ handelt, kann in begründeten Ausnahmefällen davon abgesehen werden, dass die mitwirkenden [X.] derselben Laufbahn wie der betroffene Beamte angehören. Ein derartiger Ausnahmefall ist jedenfalls bei der unvorhergesehenen Verhinderung eines zur Mitwirkung bestimmten [X.]s gegeben. Hier ist es schon wegen des gesetzlichen Gebots, Disziplinarverfahren beschleunigt durchzuführen (§ 4 Abs. 1 [X.] NRW), gerechtfertigt, die Sitzung mit einem laufbahnfremden [X.] durchzuführen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 74 Abs. 1 [X.] NRW, § 154 Abs. 2 VwGO. Ein Streitwert für das Beschwerdeverfahren muss nicht festgesetzt werden, weil die Gerichtskosten gesetzlich [X.] festgelegt sind (§ 75 Satz 1 [X.] NRW, [X.] und 62 des Gebührenverzeichnisses der Anlage zu diesem Gesetz).

Meta

2 B 36/10

09.08.2010

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 17. Februar 2010, Az: 3d A 1079/09.O, Urteil

Art 101 Abs 1 S 2 GG, § 132 Abs 2 Nr 3 VwGO, § 67 DG NW 2004, § 51 DG NW 2004, § 47 Abs 4 DG NW 2004, § 3 Abs 1 DG NW 2004, § 30 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 09.08.2010, Az. 2 B 36/10 (REWIS RS 2010, 4197)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 4197

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