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PDF anzeigenBUNDESGERICHTSHOFIM NAMEN DES VOLKESUrteil4 StR 115/01vom9. August 2001in der Strafsachegegen1.2.wegen versuchten Mordes u.a.- 2 -Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 9. August2001, an der teilgenommen haben:Richter am BundesgerichtshofMaatzals Vorsitzender,die Richter am BundesgerichtshofDr. Kuckeinund Athing,die Richterin am BundesgerichtshofSolin-Stojanoviæ,der Richter am BundesgerichtshofDr. Ernemann als beisitzende Richter,Bundesanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft,Rechtsanwältin als Verteidigerin für den Angeklagten F. ,Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,für Recht erkannt:- 3 -Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil desLandgerichts Frankenthal vom 14. November 2000 wer-den verworfen.Es wird davon abgesehen, den Beschwerdefrern dieKosten und Auslagen des Revisionsverfahrens aufzuerle-gen.Von Rechts wegenGr:Das Landgericht hat die Angeklagten unter anderem fides versuchten Mor-des in ff tateinheitlich zusammentreffenden Fllen, in Tateinheit mit gefrlicherKörperverletzung in drei tateinheitlich zusammentreffenden Fllen, in weitererTateinheit mit versuchter besonders schwerer Brandstiftungfl schuldig gesprochenund sie zu Jugendstrafen verurteilt, den Angeklagten S. zu einer Jugendstrafevon drei Jahren und sechs Monaten, den Angeklagten F. zu einer Jugend-strafe von zwei Jahren und sechs Monaten.Nach den Feststellungen unternahmen die Angeklagten in der Tatnachtgemeinschaftlich mit den frren Mitangeklagten W. und Sch. einen Brand-anschlag auf ein Auslrwohnheim. Sie warfen Molotow-Cocktails in Richtungeines beleuchteten Fensters dieses Heims. fiAllen war klar, daß in dem beleuch-teten Wohnraum mit Menschen zu rechnen war, die dort eng beisammen lebten.Ihnen war weiter klar, daß wenigstens eine der Brandflaschen die Fensterscheibetreffen und durchschlagen könne, daß es zur Explosion der Benzingase mit derFolge tödlicher Brandverletzungen der Bewohner kommen könne und daß we-sentliche Teile der Wohnung ... in Brand geraten könnten. Solche Folgen waren- 4 -ihnen aber gleicltig, weil sie ihr Mtchen auch um einen solchen Preis klenwolltenfl. Tatschlich durchschlug eine der geworfenen Flaschen einen Fenster-fll. Sie traf auf den Tisch der Wohnkche, in der sich zur Tatzeit zwei Erwach-sene und drei Kinder aufhielten, geriet anschlieûend auf den Schoû eines derKinder und rollte dann mit dem weiter brennenden Benzin auf den Teppichboden.Die Kleidung des Kindes fing Feuer. Obwohl seine Mutter und eine Mitbewohnerindes Heims die Flammen sofort erstickten, zog es sich am Bauch und an den In-nenseiten der Oberschenkel Brandwunden zweiten und dritten Grades zu, dieeine dreiwchige statire Behandlung erforderlich machten. Zwei weitere Per-sonen erlitten leichtere Verletzungen. Das Feuer konnte gelscht werden, bevorweiterer Schaden entstand.Mit ihren Revisionen rie Angeklagten die Verletzung materiellenRechts; auûerdem beanstanden sie das Verfahren. Die Rechtsmittel haben kei-nen Erfolg.1. Die Verfahrensrsind nicht ausgefrt und daher unzulssig (§ 344Abs. 2 Satz 2 StPO).2. Die Nachprfung des Urteils aufgrund der Sachrt keinenRechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.a) Soweit sich die Revisionen gegen den Schuldspruch richten, sind sieaus den zutreffenden Grr Antragsschriften des Generalbundesanwaltsunbegrt im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.b) Auch die Strafaussprche halten der rechtlichen Überprfung stand. DerErrterung bedarf nur, ob die Feststellungen der Jugendkammer zum Vorliegensclicher Neigungen, die eine Jugendstrafe erfordern, bei den Angeklagten Œanders als bei den frren Mitangeklagten - nicht ausreichend sind und die je-- 5 -weils verten Jugendstrafen auf einer etwa fehlerhaften Annahme sclicherNeigungen beruhen. Das ist nicht der Fall.Unter sclichen Neigungen sind erhebliche Œ seien es anlagebedingte,seien es durch unzulliche Erziehung oder Umwelteinflsse bedingte Œ Mlzu verstehen, die ohne lre Gesamterziehung die Gefahr der Begehung weite-rer Straftaten in sich bergen, die nicht nur gemeinlstig sind oder den Charaktervon Bagatelldelikten haben (st. Rspr., vgl. BGHR JGG § 17 Abs. 2 sclicheNeigungen 5 m.w.N; Eisenberg, JGG, 8. Aufl. Rdn. 18a). Sie ksich auchschon in der ersten Straftat des Jugendlichen zeigen. Es bedarf dann aber regel-mûig der Feststellung von Perslichkeitsmln, die Œ wenn auch verborgen -schon vor der Tat entwickelt waren, auf sie Einfluû gehabt haben und weitereTaten befrchten lassen (vgl. BGHR JGG § 17 Abs. 2 scliche Neigungen 3,7).Bei einer derart schwer wiegenden Tat wie der von den Angeklagten be-gangenen sind die Anforderungen an die schon vor der Tatbegehung entwickel-ten Perslichkeitsml, auch dann, wenn es sich um die erste Straftat handelt,nicht zu hoch anzusetzen. Wer die hohe Hemmschwelle bei Ttungsdeliktenrwindet, wird in aller Regel, wenn die Tat nicht durch auûergewliche Um-strt ist, erhebliche Perslichkeitsml aufweisen, die Anlaû zu derBefrchtung weiterer gravierender Straftaten geben ig davon,daû auch die Schwere der Schuld Jugendstrafe rechtfertigt Œ die Ahndung nur mitZuchtmitteln als nicht ausreichend und verfehlt erscheinen lieûen. Solche Um-stsind dem Urteil nicht zu entnehmen und auch sonst nicht ersichtlich. ImGegenteil sprechen gewichtige zustzliche Indizien fr das Vorliegen sclicherNeigungen bei beiden Angeklagten:So sind beide Angeklagten dem erzieherischen Einfluû ihrer Eltern weitge-hend entglitten. Der zur Tatzeit 16jrige Angeklagte S. war nach den Fest-- 6 -stellungen aus der Hauptschule ohne Abschluûzeugnis entlassen worden, nach-dem er immer fter unentschuldigt gefehlt hatte. Bei dem zur Tatzeit noch14jrigen Angeklagten F. hattfiges unentschuldigtes Fernbleiben vomUnterricht dazu gefrt, daû er von der Realschule in die Hauptschule umge-schult werden muûte. Beide Angeklagten konsumierten - der Angeklagte S. unter anderem in Gesellschaft des frren Mitangeklagten W. , der die trei-bende Kraft bei dem Brandanschlag war fig Haschisch und Bier in nicht un-betrchtlichen Mengen. Sie muûten in der Untersuchungshaft disziplinarisch ge-maûregelt werden; der Angeklagte F. deshalb, weil er einen Mitgefangenengetreten und geschlagen hat.Dafr, daû der Brandanschlag Ausdruck sclicher Neigungen ist, die beibeiden Angeklagten schon vor der Tat angelegt waren, spricht auch, daû sie amNachmittag vor der Tatnacht ohne Zrn und Bedenken einem Vorschlag desfrren Mitangeklagten W. zustimmten, der vorhatte, gemeinsam ªnach Artdes ‡Ku-Klux-Klan‚ gegen einen farbigen US-Amerikaner vorzugehen,fl der ihm ±W. ± ªunsympathisch (war), weil er immer so blcktefl. Nach W. s Vor-stellung sollte in dem Garten ªdes Negersfl ein Kreuz aufgestellt, mit Benzir-gossen und dann angezt werden. Als am Abend Bedenken aufkamen, daûdas Entdeckungsrisiko beim Transport, Aufstellen und Inbrandsetzen des Kreuzeszu hoch sei, und die frren Mitangeklagten W. und Sch. die Vorstellungentwickelten, es sollten statt dessen Brandflaschen gegen die Fenster und gegendie Haustr ªdes Farbigenfl geworfen werden, waren die Angeklagten S. undF. zwar zchst ªdagegen und sagten, daû sie ‡nicht zu Mrdern werden‚wolltenfl. Als W. und Sch. sie darauf ªals Feiglinge beschimpftûer-ten, sie sollten ‡nicht so herumpiensen‚fl, war dies fr die Angeklagten hinreichen-der Grund, ihre Bedenken sofort zurckzustellen und bei der Vorbereitung dieserTat, die schlieûlich wegen zu hohen Entdeckungsrisikos doch nicht durchgefrtwurde, mitzumachen. Auch dies belegt ± ebenso wie die ster ausgefrte Tat -- 7 -die schon vorher angelegten Perslichkeitsml. Nur mit solchen Mlnlût es sich regelmûig erklren, wenn ein Jugendlicher, nur um nicht als feige zugelten und einen dahingehenden Vorwurf sofort zu entkrften, ohne jedes Zrnsogar zu einer Handlung bereit ist, die er selbst zutreffend als Mord erkannt hat.Hiernach hat die Jugendkammer, auch wenn sie sich mit der Frage scd-licher Neigungen der Angeklagten nur knapp auseinandergesetzt hat, diese Vor-aussetzung auf der Grundlage der von ihr getroffenen Feststellungen im Ergebniszu Recht bejaht. Im rigen hat sie die Vervon Jugendstrafe in rechtlichnicht zu beanstandender Weise auch unter dem Gesichtspunkt der Schwere derSchuld bejaht. Auch die Bemessung der Hr Strafen begegnet keinen recht-lichen Bedenken; insbesondere hat das Landgericht dem ErziehungsgedankenRechnung getragen. Daneben hat es auch den Strafzweck des gerechtenSchuldausgleichs beachtet (vgl. BGH NStZ 1998, 39; BGH NStZ-RR 1996, 120;BGH StV 1994, 598; BGH NJW 1992, 380; BGHR JGG § 18 Abs. 2 Strafzwecke4). Wrde der von den Angeklagten mittterschaftlich begangene Mordversuch inff tateinheitlich zusammentreffenden Fllen, wie sie es mit ihren Revisionenanstreben, nur mit einer bewrungsfigen Jugendstrafe geahndet, so wrde- 8 -dies ± unter Bercksichtigung aller von der Strafkammer festgestellten Umstn-de - eine unangemessene und erziehungsscliche Verharmlosung des verwirk-lichten Unrechts und der Schwere ihrer Schuld bedeuten.Maatz Kuckein Athing Solin-Stojanoviæ Ernemann
Meta
09.08.2001
Bundesgerichtshof 4. Strafsenat
Sachgebiet: StR
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.08.2001, Az. 4 StR 115/01 (REWIS RS 2001, 1655)
Papierfundstellen: REWIS RS 2001, 1655
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
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4 StR 233/01 (Bundesgerichtshof)
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