10. Senat | REWIS RS 2016, 17062
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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"
(Bildung einer Rücklage gemäß § 52 Abs. 16 EStG)
NV: Wird durch die Anwendung des Wertaufholungsgebots (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4, Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 EStG) im Jahr 2002 ein Gewinn ausgelöst, dann darf dieser Gewinn nicht (anteilig) durch eine gewinnmindernde Rücklage gemäß § 52 Abs. 16 Satz 3 EStG ausgeglichen werden .
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 29. März 2012 5 K 1924/07 aufgehoben.
Die Sache wird an das [X.] zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.
I. Die Kläger und [X.] (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr 2002 zusammen zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt wurden. Der Kläger erzielt seit 1992 mit seinem Einzelunternehmen gewerbliche Einkünfte. Das Einzelunternehmen ermittelt seinen Gewinn durch [X.]. Im Anlagevermögen sind verschiedene Beteiligungen ausgewiesen, zu der auch die Beteiligung an der Firma R-GmbH gehört. Der Buchwert der R-GmbH zum 31. Dezember 2002 betrug 24.000 €.
Diese Beteiligung hatte sich wie folgt entwickelt:
An der R-GmbH mit Geschäftssitz in … war der Kläger bereits seit dem [X.] als Gründungsgesellschafter mit 50.000 DM beteiligt. Das Stammkapital betrug 100.000 DM. Zum 31. Dezember 1998 war die R-GmbH in Höhe von 1.022.820,04 DM überschuldet. Mit notariellem Vertrag vom 23. Juni 1999 erwarb der Kläger von der Mitgesellschafterin, der Y-GmbH, deren Gesellschaftsanteil von 50.000 DM zum Kaufpreis von 1 DM, so dass er ab diesem Zeitpunkt alle Geschäftsanteile an der R-GmbH hielt.
Mit einem weiteren notariellen Vertrag vom 12. Juli 1999, der mit der vorangegangenen Anteilsübertragung in wirtschaftlichem Zusammenhang stand, trat der Kläger den ihm bereits ursprünglich gehörenden Geschäftsanteil an der R-GmbH und von dem hinzu erworbenen Geschäftsanteil an der R-GmbH einen Anteil von 10.000 DM an die Firma F-GmbH ab, die zur [X.] gehörte. Durch Darlehensverzichte u.a. des [X.] in Höhe von 218.729,74 DM und einen von der neu eingetretenen Gesellschafterin gewährten Ertragszuschuss wurde die Überschuldung der R-GmbH zum Jahresende 1999 beseitigt.
Mit Vertrag vom 29. Februar 2000 stellten die Gesellschafter das Stammkapital der R-GmbH auf Euro um und erhöhten es unter Beibehaltung ihrer Beteiligungsverhältnisse auf 60.000 €. In einer neuen Satzung legten sie fest, dass neuer Unternehmensgegenstand die Lagerung, die Behandlung, der Umschlag, die Verarbeitung und die Verwertung von Rest- und Sekundärrohstoffen sowie von Abfällen einschließlich Sonderabfällen sein soll, nachdem ihr Geschäftszweck zunächst nur die Sammlung und die Beförderung sowie die Zwischenlagerung von Abfällen war.
Ab dem Kalenderjahr 2000 erzielte die R-GmbH folgende Jahresfehlbeträge bzw. Jahresüberschüsse:
2000 |
2001 |
2002 |
2003 |
2004 |
-33.568 DM |
+7.534 € |
+147.096 € |
+131.257,07 € |
+73.232,24 € |
Zum 31. Dezember 2002 wies die R-GmbH in ihrer Bilanz Bauten auf fremden Grundstücken mit einem Buchwert in Höhe von 564.092 € aus. Die Abschreibungen hierauf beliefen sich im Jahr 2002 auf 31.722 €.
Ausweislich ihrer Jahresabschlüsse betrug das Eigenkapital der R-GmbH zum Jahresende 2003 221.868,27 € und zum Jahresende 2004 295.100,51 €.
Ab dem Kalenderjahr 2001 ergaben sich bei der R-GmbH mehrere Gesellschafterwechsel, wobei die Beteiligung des [X.] an ihr unverändert fortbestand.
In der Bilanz des Einzelunternehmens zum 31. Dezember 1998 hatte der Kläger [X.] auf seine Beteiligung an der R-GmbH in Höhe von 204.506,92 DM vorgenommen. Dieser Betrag setzte sich aus dem Nennwert der Beteiligung über 50.000 DM sowie aus der Abschreibung eines der R-GmbH gewährten Darlehens von 154.506,92 DM zusammen, das steuerlich als nachträgliche Anschaffungskosten auf diese Beteiligung behandelt worden war. Die Einzelfirma des [X.] hatte der R-GmbH zum Ausgleich des nicht durch Eigenkapital gedeckten [X.] ein Darlehen in der genannten Höhe gewährt und zugleich den Rangrücktritt erklärt.
In der Bilanz seines Einzelunternehmens zum 31. Dezember 1999 hatte der Kläger weitere [X.] auf seine Beteiligung an der R-GmbH in Höhe von 218.729,74 DM vorgenommen, die auf seinem Verzicht auf [X.] gegenüber der R-GmbH beruhen. Eine beim Kläger durchgeführte Außenprüfung beanstandete die von ihm in den Jahren 1998 und 1999 vorgenommenen [X.] nicht. Die für diese Jahre ergangenen [X.] wurden bestandskräftig.
Für das Streitjahr 2002 vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) dem Bericht über eine beim Kläger durchgeführte Außenprüfung folgend die Auffassung, die in den Jahren 1998 und 1999 vorgenommenen [X.] seien durch eine [X.] nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Sätze 2 und 3 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG) rückgängig zu machen. Die Ertragssituation der R-GmbH habe sich spätestens ab dem Kalenderjahr 2002 deutlich verbessert. Eine dauernde Wertminderung liege zum Bilanzstichtag 31. Dezember 2002 nicht mehr vor. Der Wert der Beteiligung an der R-GmbH wurde daher um 209.460 € erhöht. Unter Berücksichtigung anderer hier nicht streitiger Änderungen und einer gewinnmindernden Erhöhung der [X.] erhöhte sich der Gewinn des [X.] für das Streitjahr von 221.941,49 € auf 403.910,49 €. Die [X.] wurde in der Weise berechnet, dass die Summe der [X.] für 1998 und 1999 von insgesamt 423.236,66 DM um darauf entfallende Abschreibungen für Zinszahlungen von 13.567,90 DM gekürzt wurde. Dadurch ergab sich der Betrag von 409.668,76 DM (entspricht abgerundet 209.406 €).
Mit ihrer hiergegen nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage machten die Kläger geltend, die [X.] sei nicht berechtigt. Das [X.] habe die Ertragslage und den Vermögenswert der R-GmbH zum Bewertungsstichtag 31. Dezember 2002 unzutreffend eingeschätzt. Hilfsweise sei gemäß § 52 Abs. 16 Satz 3 EStG eine gewinnmindernde Rücklage in Höhe von vier Fünfteln der aufgeholten Teilwertabschreibung zu bilden.
Das Finanzgericht ([X.]) ist mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 1445 veröffentlichtem Urteil dem Begehren der Kläger, keine [X.] vorzunehmen, nicht gefolgt. Es hat aber ihrem Hilfsantrag entsprochen.
Mit seiner Revision rügt das [X.] die Verletzung materiellen Rechts. Das [X.] habe § 52 Abs. 16 Satz 3 EStG fehlerhaft angewandt. Das dort geregelte Wahlrecht zur Bildung einer gewinnmindernden Rücklage bestehe nur für [X.], die vor dem 1. Januar 1999 vorgenommen worden seien. Dies folge daraus, dass § 6 Abs. 1 i.d.[X.] vom 24. März 1999 erstmals für das erste nach dem 31. Dezember 1998 endende Wirtschaftsjahr (Erstjahr) anzuwenden sei. Bei [X.], die nach dem 31. Dezember 1998 vorgenommen worden seien, sei eine [X.] bis zur Wertobergrenze zwingend vorzunehmen, sofern der Steuerpflichtige nicht einen niedrigeren Teilwert nachweise. Das [X.] habe für die im [X.] vorgenommene Teilwertabschreibung in Höhe von 205.161,84 DM (218.729,74 DM abzüglich Zinszahlungen in Höhe von 13.567,90 DM) zu Unrecht eine gewinnmindernde Rücklage zugelassen.
Das [X.] beantragt sinngemäß,
das Urteil des [X.] insoweit teilweise aufzuheben, als das [X.] die Rücklagenbildung auch für die im Jahre 1999 gebildete Teilwertabschreibung zugelassen hat, die Klage im Übrigen abzuweisen und den [X.] die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
die Revision zurückzuweisen.
Die Rechtsauffassung des [X.] sei zutreffend. Die in 1998 und auch in 1999 jeweils berücksichtigten [X.] seien im Jahr 2002 rückgängig zu machen. Folglich komme § 6 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 EStG erstmals im Veranlagungszeitraum 2002 zur Anwendung. Der gesamte durch die [X.] entstehende Gewinn dürfe daher zu vier Fünfteln durch eine Rücklage neutralisiert werden.
Das [X.] habe sich zudem mit der vom [X.] vorgeschlagenen Erledigung des Verfahrens ausdrücklich einverstanden erklärt. Hieran sei es unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben und in analoger Anwendung der Grundsätze zur tatsächlichen Verständigung nach § 88 der Abgabenordnung gebunden.
II. Auf die Revision des [X.] wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Zu Unrecht hat das [X.] angenommen, die infolge des [X.] im Streitjahr 2002 aufgedeckten stillen Reserven könnten zu vier Fünfteln durch eine gewinnmindernde Rücklage ausgeglichen werden (unter 2. und 3.). Das [X.] ist hinsichtlich dieses Punkts auch nicht nach [X.] und Glauben gehindert, sich auf die bestehende Rechtslage zu berufen (unter 4.). Die vom [X.] festgestellten Tatsachen lassen aber keine Entscheidung des erkennenden Senats zu, ob der durch die [X.] ausgelöste Gewinn zutreffend ermittelt worden ist (unter 5.).
1. Der Senat legt den Revisionsantrag des [X.] in dem Sinne aus, dass es begehrt, das angefochtene Urteil des [X.] aufzuheben und die [X.] unter Berücksichtigung eines geänderten Gewinns aus Gewerbebetrieb in der Weise zu ändern, dass die Bildung einer gewinnmindernden Rücklage nur in Bezug auf die [X.] wegen der Teilwertabschreibung 1999 unterbleibt.
Aus dem Revisionsvorbringen des [X.] ergibt sich, dass es sich in dieser Hinsicht durch das angefochtene Urteil beschwert fühlt (zu diesem Gesichtspunkt vgl. z.B. Urteil des [X.] --BFH-- vom 28. Mai 2013 XI R 32/11, [X.], 419, [X.], 411, unter [X.]). Dem steht nicht entgegen, dass das [X.] beantragt hat, das [X.]-Urteil insoweit teilweise aufzuheben, als es die Rücklagenbildung auch für die Teilwertabschreibung 1999 zugelassen hat. Zwar liegt bei einem Streit über die Höhe von nur einer [X.] nur ein einheitlicher und nicht teilbarer Streitgegenstand vor. Dementsprechend kommt eine nur teilweise Aufhebung des angefochtenen Urteils in einem solchen Fall nicht in Betracht. Die Ausführungen des [X.] zum Klageantrag sind in einem solchen Fall als Erläuterung des Begehrens des Rechtsmittelführers zu sehen (vgl. auch Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 115 Rz 6).
2. Der Kläger ist nicht berechtigt, den infolge der [X.] im Streitjahr 2002 entstehenden Gewinn zum Teil durch eine gewinnmindernde Rücklage gemäß § 52 Abs. 16 Satz 3 EStG auszugleichen.
a) Erstmals für nach dem 31. Dezember 1998 endende Wirtschaftsjahre bestimmt § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG in der durch das Steuerentlastungsgesetz ([X.]) 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 ([X.], 402) eingeführten Fassung, dass Wirtschaftsgüter, die bereits am Schluss des vorangegangenen [X.] zum Vermögen des Steuerpflichtigen gehört haben, zwingend mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu bewerten sind, wenn nicht der Steuerpflichtige einen niedrigeren Teilwert nachweist. Gelingt ein solcher Nachweis nicht, dann sind im Wege der [X.] in der Vergangenheit vorgenommene Teilwertabschreibungen bis zur Obergrenze der fortgeschriebenen Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Wirtschaftsguts rückgängig zu machen (BFH-Urteil vom 24. April 2007 I R 16/06, [X.], 102, [X.], 707). Nach der Übergangsbestimmung des § 52 Abs. 16 Satz 3 EStG kann im Erstjahr der Anwendung des [X.] eine gewinnmindernde Rücklage von vier Fünfteln des [X.]sbetrags gebildet werden.
b) Entgegen der Auffassung des [X.] kann eine solche gewinnmindernde Rücklage nicht allein deshalb für den durch die [X.] ausgelösten Gewinn gebildet werden, weil erstmals in diesem Jahr keine dauernde Wertminderung der Beteiligung des [X.] an der R-GmbH vorgelegen hat. Eine solche Rücklage darf nur für solche Gewinne gebildet werden, die infolge des [X.] im ersten nach dem 31. Dezember 1998 endenden [X.] angefallen sind (ebenso Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 25. Februar 2000, [X.], 372, Rz 37; [X.]/[X.], EStG, 34. Aufl. § 6 Rz 371; im Ergebnis ebenso BFH-Urteil vom 18. Juni 2015 IV R 6/11, [X.], 1381; offen [X.]/[X.], § 6 EStG, Rz 579e).
aa) Dies folgt aus dem Gesetzeswortlaut und der Gesetzessystematik.
Gemäß § 52 Abs. 16 Satz 3 EStG kann in Höhe von vier Fünfteln des im Erstjahr durch die Anwendung von § 6 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 EStG i.d.F. des [X.] entstehenden Gewinns eine Rücklage gebildet werden. Der Begriff des Erstjahrs ergibt sich aus Satz 2 der Vorschrift, die wiederum an den Begriff des [X.] in Satz 1 der Vorschrift anknüpft. Danach ist das Letztjahr das Jahr, für das letztmals das EStG in der vor dem [X.] geltenden Fassung anzuwenden ist; das ist das vor dem 1. Januar 1999 endende Wirtschaftsjahr. Das Erstjahr ist demgegenüber das erste Jahr im zeitlichen Anwendungsbereich des [X.], für das § 6 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG neuer Fassung gilt. Dies ist nach § 52 Abs. 16 Satz 2 EStG das erste Wirtschaftsjahr, das nach dem 31. Dezember 1998 endet. Danach kann eine Rücklage nach Satz 3 nur im Erstjahr und nur für einen Gewinn gebildet werden, der in diesem Jahr durch die Anwendung des durch das [X.] eingeführten [X.] entsteht. Auch die Gesetzesbegründung bezieht sich nur auf einen solchen Gewinn (vgl. Gesetzesentwurf des [X.] vom 9. November 1998, BTDrucks 14/23 S. 186, zu Buchst. o).
Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut ist es entgegen der Auffassung der Kläger und des [X.] nicht ausreichend, wenn in einem späteren Wirtschaftsjahr die Anwendung des [X.] im konkreten Einzelfall zu einem solchen Gewinn führt. Gegen eine solche Auslegung spricht auch der Umstand, dass die Berechtigung zur Rücklagenbildung nicht in § 6 Abs. 1 EStG, sondern in § 52 Abs. 16 Satz 3 EStG und damit in einer Übergangsregelung angesiedelt ist.
bb) Die dem Wortlaut folgende Auslegung entspricht auch ersichtlich dem Sinn und Zweck dieser Übergangsregelung. Diese dient dazu, u.a. Härten im Zusammenhang mit der Anwendung des neu geschaffenen [X.] zu mildern.
Entgegen der bisher geltenden Regelung, wonach eine in der Vergangenheit vorgenommene Teilwertabschreibung auch dann beibehalten werden konnte, wenn der Teilwert des betrieblichen Wirtschaftsguts wieder angestiegen war, ist nunmehr zu jedem Bilanzstichtag der Gesichtspunkt der [X.] zu beachten. Dies hat zur Folge, dass nicht nur die im zeitlichen Anwendungsbereich des [X.] durch Anstieg des [X.] (bis zur Höhe des Betrags der Anschaffungs- und Herstellungskosten) gebildeten stillen Reserven zwingend aufzudecken sind, sondern auch solche, die vor Beginn dieses zeitlichen Anwendungsbereichs gebildet wurden (BFH-Urteil in [X.], 102, [X.], 707, Rz 25). Hierdurch wird das Vertrauen des Steuerpflichtigen darauf beeinträchtigt, er könne eine Teilwertabschreibung auch im Fall eines Wiederanstiegs des [X.] des Wirtschaftsguts aufrechterhalten. Wegen des Gebots der [X.] muss er auch die in der [X.] vor Beginn des Geltungsbereichs des [X.] gebildeten stillen Reserven zwingend im ersten nach dem 31. Dezember 1998 endenden Wirtschaftsjahr aufdecken. Eine solche "unechte" Rückwirkung bzw. "tatbestandliche Rückanknüpfung" ist zwar nach dem vorstehend genannten BFH-Urteil zulässig. Die Steuerverschärfung sollte aber durch die Möglichkeit der Bildung einer Rücklage nach § 52 Abs. 16 Satz 3 EStG abgemildert werden.
3. Der Auffassung des [X.] ist nicht zu folgen, auch aus Gründen der Gleichbehandlung sei es geboten, die Bildung einer gewinnmindernden Rücklage ebenfalls dann zuzulassen, wenn das [X.]sgebot erst in einem dem Erstjahr nachfolgenden Jahr zur Aufdeckung der stillen Reserven führt.
Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Dabei verwehrt Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind (ständige Rechtsprechung des [X.]; vgl. z.B. Beschluss vom 29. September 2015 2 BvR 2683/11, [X.], 2757, unter B.[X.]a).
Die gesetzliche Differenzierung in § 52 Abs. 16 Satz 3 EStG ist sachlich gerechtfertigt. Die Vorschrift gestattet die Bildung einer gewinnmindernden Rücklage (nur) dann, wenn zum Ende des ersten [X.], das in den zeitlichen Geltungsbereich des [X.] fällt, infolge des [X.] ein Gewinn entsteht. Dem liegt die typisierende Annahme zugrunde, dass der Wert des Wirtschaftsguts, für das eine Teilwertabschreibung vorgenommen worden war, bereits vor Inkrafttreten des [X.] wieder einen über diesen Wertansatz hinausgehenden Wertzuwachs erfahren hat und damit der tatsächliche Wert des Wirtschaftsguts den zuvor angesetzten niedrigeren Buchwert überstieg. Demgegenüber werden in Fällen, in denen das [X.]sgebot erst in nachfolgenden Jahren zur Aufdeckung stiller Reserven führt, nur Fallgruppen erfasst, bei denen dieser Wertzuwachs erst im zeitlichen Geltungsbereich des [X.] stattgefunden hat, denn ein früherer Wertzuwachs hätte zwingend bereits im Erstjahr der [X.] unterlegen. Da das [X.] im zuerst genannten Fall das Vertrauen des Steuerpflichtigen in die Fortgeltung der bisherigen Rechtslage in wesentlich größerem Umfang beeinträchtigt als im zweiten Fall, konnte der Gesetzgeber beide Fallgruppen in zulässiger Weise unterschiedlich behandeln.
Dementsprechend scheidet die Bildung einer Rücklage im Streitjahr 2002 aus.
4. Der Grundsatz von [X.] und Glauben steht der Versagung der Bildung einer gewinnmindernden Rücklage nicht entgegen.
Dieser Grundsatz findet dann Anwendung, wenn dem Steuerpflichtigen eine bestimmte steuerrechtliche Behandlung zugesagt worden ist oder wenn die Finanzbehörde durch ihr früheres Verhalten außerhalb einer Zusage einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat (Senatsurteil vom 14. Oktober 2009 [X.], [X.], 406, unter II.4.).
Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Das [X.] hat weder eine Zusage erteilt noch in sonstiger Weise einen Vertrauenstatbestand geschaffen. Auf das Schreiben des Berichterstatters des [X.] vom 12. März 2012, in dem die Beteiligten auf die Möglichkeit der Bildung einer Rücklage hingewiesen wurden, hat das [X.] mit Schriftsatz vom 15. März 2012 erklärt, die Bildung einer solchen Rücklage hänge von der Ausübung des insoweit bestehenden Wahlrechts durch den Kläger ab. Auch diene die Möglichkeit der Bildung einer solchen Rücklage der Erhaltung ausreichender Liquidität, die im klägerischen Einzelunternehmen nicht gefährdet sei. Ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung hat das [X.] auch nach Stellung eines [X.], mit dem die Kläger die Bildung einer gewinnmindernden Rücklage beantragt haben, die vollständige Klageabweisung beantragt. Angesichts dieses Verhaltens des [X.] konnten die Kläger nicht davon ausgehen, das [X.] sei mit der Bildung einer gewinnmindernden Rücklage einverstanden.
5. Die vom [X.] festgestellten Tatsachen lassen keine Beurteilung zu, ob der im Streitjahr angesetzte Gewinn aus der [X.] zutreffend ermittelt worden ist.
Sofern nicht der Steuerpflichtige einen niedrigeren Teilwert nachweist, sind nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG Wirtschaftsgüter die am Schluss des vorangegangen Wirtschaftsjahres zum Anlagevermögen des Steuerpflichtigen gehört haben, mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu bewerten. Dies hat zur Folge, dass in der Vergangenheit vorgenommene Teilwertabschreibungen im Wege der [X.] rückgängig zu machen sind. Die Obergrenze für diese [X.] bilden die fortgeführten Anschaffungs- oder Herstellungskosten (BFH-Urteil in [X.], 102, [X.], 707).
a) Es ist nicht zu beanstanden, dass das [X.] dem Argument des [X.] nicht im Einzelnen nachgegangen ist, der Kläger habe in den Jahren 1998 und 1999 zu Unrecht Teilwertabschreibungen auf die nachträglichen Anschaffungskosten seiner Beteiligung an der R-GmbH vorgenommen, weil keine Fehlmaßnahmen vorgelegen hätten. Diese Problematik wäre in Bezug auf das Streitjahr 2002 nur dann bedeutsam, wenn nach den Grundsätzen des [X.] (vgl. hierzu [X.]/[X.], EStG, 34. Aufl., § 4 Rz 700 ff.) oder wegen des [X.] der Gewinn im Rahmen eines verfahrensrechtlich noch änderbaren Steuerbescheids für ein Vorjahr zu erhöhen und damit zugleich die genannte Beteiligung in der Gewinnermittlung für 2002 mit einem höheren Ausgangswert anzusetzen wäre.
Das [X.] hat aber in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass in dem den bestandskräftigen [X.]en 1998 und 1999 nachfolgenden [X.]raum erst zum 31. Dezember 2002 keine voraussichtlich dauerhafte Wertminderung der klägerischen Beteiligung an der R-GmbH mehr vorgelegen hat. Dies versteht der Senat in dem Sinn, dass zu den Bilanzstichtagen 31. Dezember 2000 und 2001 die Beteiligung an der R-GmbH in der Bilanz des klägerischen Einzelunternehmens nicht mit einem zu niedrigen Buchwert ausgewiesen war, weshalb eine Korrektur nach den Grundsätzen des [X.] bzw. wegen des [X.] bereits aus diesem Grund ausscheidet. Es kann deshalb dahinstehen, ob im Hinblick auf die inzwischen verstrichene [X.] eine Änderung der Steuerfestsetzungen für diese Jahre verfahrensrechtlich überhaupt noch möglich ist.
b) [X.] nicht zu beanstanden sind auch die Ausführungen des [X.], wonach die Kläger nicht nachgewiesen haben, dass der Teilwert der Beteiligung an der R-GmbH zum 31. Dezember 2002 deren Anschaffungskosten unterschreitet. Hiergegen wenden sich die Beteiligten auch nicht, so dass der erkennende Senat von weiteren Ausführungen hierzu absieht.
c) Die Feststellungen des [X.] reichen aber nicht zur Beurteilung aus, ob die für die Ermittlung des Gewinns aus der [X.] maßgeblichen Anschaffungskosten für die Beteiligung des [X.] an der R-GmbH in zutreffender Höhe angesetzt worden sind. Zwar gehen die Beteiligten und das [X.] hiervon aus. Dies bedarf aber in zwei Punkten der Überprüfung.
aa) Nach den Feststellungen des [X.] gewährte der Kläger der R-GmbH im Jahr 1998 zum Ausgleich eines bei der GmbH entstandenen bilanziellen [X.] ein Darlehen über 154.506,92 DM und erklärte der GmbH gegenüber den Rangrücktritt. Welche Regelungen im Zusammenhang mit dem Rangrücktritt getroffen wurden, hat das [X.] nicht festgestellt. Den Betrag von 154.506,92 DM behandelte der Kläger als nachträgliche Anschaffungskosten auf die Beteiligung. Den gesamten Betrag dieser nachträglichen Anschaffungskosten und die ursprünglichen Anschaffungskosten von 50.000 DM (insgesamt also 204.506,92 DM) schrieb er in der Bilanz zum 31. Dezember 1998 ab.
aaa) Die Beurteilung des Darlehens als nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung begegnet rechtlichen Zweifeln. Ein bloßer Rangrücktritt führt im Grundsatz nicht dazu, dass ein Darlehen den Charakter als Fremdkapital bzw. als Forderung des Darlehensgebers verliert. Dies gilt auch, wenn die Darlehensgewährung und der Rangrücktritt durch das Gesellschaftsverhältnis bedingt sind (BFH-Urteile vom 28. März 2000 VIII R 28/98, [X.], 347, [X.], 347, und vom 6. November 2003 IV R 10/01, [X.], 438, [X.], 416, unter 1.b, sowie [X.]/[X.], EStG, 34. Aufl., § 5 Rz 315). Soweit die Rechtsprechung kapitalersetzende Darlehen als nachträgliche Anschaffungskosten einer Beteiligung beurteilt hat, betrifft dies ausschließlich die Beurteilung von Anschaffungskosten im Rahmen von § 17 EStG (BFH-Urteil vom 18. Dezember 2001 VIII R 27/00, [X.], 483, [X.] 2002, 733).
Allerdings können in Fällen eines "qualifizierten Rangrücktritts" Besonderheiten bestehen (BFH-Urteile vom 10. November 2005 IV R 13/04, [X.], 294, [X.] 2006, 618; vom 30. November 2011 I R 100/10, [X.], 476, [X.] 2012, 332, und vom 15. April 2015 I R 44/14, [X.], 493, [X.] 2015, 769, sowie [X.]/[X.], a.a.[X.], § 5 Rz 315).
bbb) Es fehlen Feststellungen des [X.], welche Vereinbarungen im Zusammenhang mit dem Rücktritt getroffen wurden. Das gewährte Darlehen wäre jedenfalls im Falle der Vereinbarung eines bloßen "normalen Rangrücktritts" nicht als Anschaffungskosten der Beteiligung, sondern als Forderung des [X.] gegenüber der R-GmbH auszuweisen gewesen. Die zum Bilanzstichtag 31. Dezember 1998 gebildete Teilwertabschreibung von insgesamt 204.506,92 DM wäre dann in Höhe der Darlehenssumme von 154.506,92 DM eine Teilwertabschreibung auf diese Forderung gewesen.
In diesem Fall müsste die Höhe des [X.] dieser Forderung zum Bilanzstichtag 31. Dezember 2002 ermittelt werden. In welcher Höhe der Teilwert der Forderung in diesem Fall anzusetzen wäre, bestimmt sich nach den Umständen des konkreten Einzelfalls.
Der Teilwert einer solchen kapitalersetzenden Forderung ist nicht zwingend nach gleichen Kriterien zu ermitteln, die für die Ermittlung des [X.] der Beteiligung gelten. Eine solche übereinstimmende Beurteilung ist nur im Fall einer Betriebsaufspaltung vorzunehmen, bei der die Beurteilung des [X.] einer Forderung des Besitzunternehmens gegen die Betriebsgesellschaft ebenso wie der Teilwert der Beteiligung von einer Gesamtbetrachtung der Ertragsaussichten von Betriebs- und Besitzunternehmen abhängt (Senatsurteil vom 14. Oktober 2009 [X.], [X.], 50, [X.] 2010, 274). Eine solche Betriebsaufspaltung lag zum 31. Dezember 2002 nicht vor, weil der Kläger zu diesem [X.]punkt nicht mehr Mehrheitsgesellschafter der R-GmbH war, diese also nicht personell beherrscht hat.
Bei der Bemessung des [X.] der Forderung wird das [X.] aber nicht unberücksichtigt lassen dürfen, dass der Kläger zu dem genannten Bilanzstichtag mit mehr als 10 % an der R-GmbH beteiligt war und zudem zwischen dem klägerischen Einzelunternehmen und der GmbH durch Überlassung eines Erbbaurechts auch eine sachliche Verknüpfung beider Unternehmen bestand. Diese Umstände würde ein potentieller Erwerber des klägerischen Unternehmens bei der Bemessung des [X.] der Forderung berücksichtigen.
bb) Das [X.] hat ferner festgestellt, dass der Kläger im Zusammenhang mit dem am 12. Juli 1999 abgeschlossenen [X.] gegenüber der R-GmbH auf ein dieser gewährtes Darlehen in Höhe von 218.729,24 DM verzichtete. In Höhe dieses Betrags setzte der Kläger nachträgliche Anschaffungskosten für seine Beteiligung an dieser Gesellschaft an. Auch nahm er zum 31. Dezember 1999 in gleicher Höhe eine (weitere) Teilwertabschreibung vor.
Ob diese Behandlung des Darlehensverzichts als nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung zutreffend ist, bedarf weiterer tatsächlicher Feststellungen des [X.]. Die Behandlung als nachträgliche Anschaffungskosten ist nur dann und nur insoweit zutreffend, als das Darlehen im [X.]punkt des Verzichts werthaltig war (Senatsurteil vom 20. April 2005 [X.], [X.], 29, [X.] 2005, 694, unter II.2.a).
6. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das [X.] beruht auf § 143 Abs. 2 [X.]O.
Meta
27.01.2016
Urteil
vorgehend Finanzgericht Rheinland-Pfalz, 29. März 2012, Az: 5 K 1924/07, Urteil
§ 6 Abs 1 Nr 1 S 4 EStG 2002, § 6 Abs 1 Nr 2 S 3 EStG 2002, § 52 Abs 16 S 3 EStG 2002, Art 3 Abs 1 GG
Zitiervorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 27.01.2016, Az. X R 33/13 (REWIS RS 2016, 17062)
Papierfundstellen: REWIS RS 2016, 17062
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
(Wertaufholungsgebot verstößt nicht gegen Art. 20 Abs. 3 GG - Kein erhöhter Vertrauensschutz bei Erwerb …
Wertaufholungsgebot verfassungsgemäß - Keine besonderen Gründe des Vertrauensschutzes - Steuerbilanzrechtliche Abweichung vom Imparitätsprinzip und Folgerichtigkeit
Wertaufholung von Teilwertabschreibungen auf Beteiligungen an Organgesellschaften
(Gewinnübertragung nach § 6b EStG: Veräußerung an Schwesterpersonengesellschaft, Kürzung um fiktive Wertaufholung)
Kein Übergang des Wertaufholungsgebots bei Verschmelzung
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