Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.01.2021, Az. 5 StR 535/20

5. Strafsenat | REWIS RS 2021, 9446

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Störung der Totenruhe: Erforderliche Feststellungen zur subjektiven Tatseite


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 24. Juni 2020 aufgehoben

a) hinsichtlich der Verurteilung im Fall [X.] mit den zugehörigen Feststellungen mit Ausnahme derjenigen zum äußeren Geschehen;

b) im Strafausspruch zu Fall II.2 der Urteilsgründe, im [X.] sowie im Ausspruch über den [X.] von Freiheitsstrafe vor der Maßregel.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Totschlags, Störung der Totenruhe und bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vierzehn Jahren verurteilt. Daneben hat es seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und den [X.] von fünf Jahren der Freiheitsstrafe angeordnet. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Sein Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Wie vom [X.] beantragt, hebt der Senat den Schuldspruch wegen Störung der Totenruhe im Fall II.3 auf. Zwar belegen die insoweit [X.] Feststellungen des [X.]s, dass der Angeklagte mit dem Leichnam seines Opfers in einer Art und Weise umgegangen ist, die objektiv eine grob ungehörige, rohe Kundgabe von Missachtung im Sinne von § 168 Abs. 1 Alt. 2 StGB darstellt. Allerdings sind die Feststellungen zur subjektiven Seite unzureichend. Voraussetzung einer Strafbarkeit nach § 168 Abs. 1 Alt. 2 StGB ist, dass der Täter entweder dem Toten seine Verachtung zeigen will und ihm der beschimpfende Charakter seiner Handlung bewusst ist (Rechtsgut postmortaler Persönlichkeitsschutz, vgl. [X.], Urteil vom 22. April 2005 - 2 [X.], [X.]St 50, 80, 89; [X.], Beschlüsse vom 30. August 2018 - 5 [X.]; vom 24. Februar 1981 - 1 StR 834/80, NStZ 1981, 300) oder dass der Täter mit dem Leichnam in einer Art und Weise umgeht, die seine Verachtung gegenüber dem Menschsein an sich aufzeigt, indem er die dem Menschen über den Tod hinaus zukommende Würde als Gattungswesen missachtet (Rechtsgut Pietätsgefühl der Allgemeinheit, vgl. [X.], Urteil vom 22. April 2005 - 2 [X.], [X.]St 50, 80, 89 f.). Zu beiden Alternativen sind die Feststellungen zur subjektiven Tatseite letztlich unklar. Der Senat hebt diese auf, um dem zur neuen Entscheidung berufenen Tatgericht widerspruchsfreie neue Feststellungen zu ermöglichen, sofern insoweit nicht nach § 154 Abs. 2 StPO verfahren wird.

3

2. Dieser Rechtsfehler wirkt sich auch hinsichtlich der Strafzumessung für den Totschlag im Fall II.2 aus.

4

Der [X.] hat hierzu in seiner Antragsschrift ausgeführt:

„Das bloße Beseitigen des Leichnams sowie ein ungehöriger Umgang mit dem Leichnam, der die Voraussetzungen des § 168 StGB nicht erfüllt, darf grundsätzlich nicht straferschwerend herangezogen werden (vgl. [X.], Beschluss vom 19. Juni 2013 - 2 [X.] -, NStZ 2013, 579, 580; Senat, Beschluss vom 6. Mai 2008 - 5 [X.]/08 -, [X.], 569). Derartigen Handlungen liegt letztlich nur der Versuch zugrunde, sich der Strafverfolgung zu entziehen.

Anders kann es freilich liegen, wenn der Täter mit seinen Verschleierungsbemühungen seine rechtsfeindliche Gesinnung dokumentiert oder neues Unrecht schafft (vgl. [X.], Urteil vom 14. März 2018 - 2 StR 416/16 -, NJW 2018, 2210, 2211). Vor diesem Hintergrund wäre die mit der [X.] verbundene Intention des Angeklagten - dem es allein um den Schutz seiner von der Rechtsordnung nicht gedeckten Cannabisplantage ging (...) - geeignet gewesen, ausnahmsweise eine Strafschärfung zu begründen. Jedoch hat das [X.] diesem Aspekt im Rahmen der Strafzumessung zum Fall ll.3 sogar strafmildernden Charakter beigemessen (...).“

5

Dem verschließt sich der Senat letztlich nicht.

6

Danach kann dieser Einzelstrafausspruch keinen Bestand haben. Die Feststellungen werden von dem aufgezeigten [X.] nicht berührt; sie können deshalb bestehen bleiben. Dies schließt ergänzende Feststellungen, die zu den bisher getroffenen nicht in Widerspruch stehen, nicht aus. Das neue Tatgericht wird den ungehörigen Umgang des Angeklagten mit dem Leichnam strafschärfend berücksichtigen dürfen, soweit dieser über bloße Beseitigungshandlungen hinausgegangen ist und die Angehörigen schwer belastet hat. Auch ist es dem neuen Tatgericht nicht verwehrt, den vom [X.] angeführten Gesichtspunkt straferschwerend zu werten, dass der Angeklagte mit seinem Nachtatverhalten der [X.] die Sicherung seiner illegalen Cannabisplantage beabsichtigte.

7

3. Die Aufhebung des Strafausspruchs im Fall II.2 und der Verurteilung im Fall Il.3 entziehen auch dem [X.] die Grundlage. Daher muss ebenfalls über den [X.] von Freiheitsstrafe vor der Maßregel nach § 67 Abs. 2 StGB neu entschieden werden.

Cirener     

        

Berger     

        

Gericke

        

Mosbacher     

        

Resch     

        

Meta

5 StR 535/20

19.01.2021

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Bremen, 24. Juni 2020, Az: 21 Ks 1/20

§ 168 Abs 1 Alt 2 StGB, § 261 StPO, § 267 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.01.2021, Az. 5 StR 535/20 (REWIS RS 2021, 9446)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 9446

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

5 StR 411/18 (Bundesgerichtshof)

Tötung des Opfers und Zerteilen der Leiche: Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe; Störung der Totenruhe


2 StR 270/23 (Bundesgerichtshof)


4 StR 429/22 (Bundesgerichtshof)

Tatrichterliche Anforderung an Verurteilung wegen versuchten Totschlags bzw. Mordes bei einer Fluchtfahrt


5 StR 267/17 (Bundesgerichtshof)

Mord und Tötung auf Verlangen: Strafmilderung nach der sog. Rechtsfolgenlösung bei Befriedigung des Geschlechtstriebs


3 StR 185/23 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

5 StR 411/18

2 StR 117/13

2 StR 416/16

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.