Bundespatentgericht, Beschluss vom 11.10.2011, Az. 28 W (pat) 102/10

28. Senat | REWIS RS 2011, 2511

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Berliner Wasserstoff Union" – keine Unterscheidungskraft


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2008 043 004.4

hat der 28. Senat ([X.]) des [X.] in der Sitzung vom 11. Oktober 2011 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin [X.], der Richterin [X.] und des Richters Schell

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Angemeldet ist die Wortmarke

2

[X.] Wasserstoff [X.]

3

als Kennzeichnung für die nachfolgend aufgeführten Waren und Dienstleistungen der Klassen 1, 4, 35, 39 und 40

4

5

Die Markenstelle für Klasse 4 des [X.] hat die Anmeldung mit zwei Beschlüssen zurückgewiesen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist. Zur Begründung wurde ausgeführt, der angemeldeten Marke fehle jegliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.]. Sie werde aufgrund ihres sachbezogenen Aussagegehalts von den angesprochenen Verkehrskreisen nur als Sachhinweis aufgefasst, nicht jedoch als betrieblicher Herkunftshinweis. Zwar sei die [X.] „[X.] Wasserstoff [X.]" sehr umfassend, eine schutzbegründende Mehrdeutigkeit sei aber nicht gegeben.

6

Hiergegen hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt. Zur Sache selbst hat sie nicht erneut Stellung genommen, sondern insoweit lediglich auf ihre Erinnerungsbegründung im Verfahren vor der Markenstelle verwiesen. Hier hatte sie im Wesentlichen vorgetragen, der Wortbestandteil „[X.]“ beschreibe weder unmittelbar noch mittelbar produktbezogene Merkmale, da mit der Anmeldung gerade keine Dienstleistungen einer Vereinigung beansprucht würden. Bei Anlegung des von der Rechtsprechung geforderten, großzügigen Beurteilungsmaßstabs könne der Marke die erforderliche Unterscheidungskraft nicht abgesprochen und auch ein schutzwürdiges Interesse der Mitbewerber an der freien Verwendbarkeit des Zeichens nicht bejaht werden. Die Schutzfähigkeit der [X.] werde nicht zuletzt auch durch verschiedene Markeneintragungen mit dem Wortbestandteil „[X.]“ bestätigt.

7

Die Anmelderin beantragt sinngemäß,

8

die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 4 vom 9. April 2009 und vom 8. Juli 2010 aufzuheben.

9

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Der beantragten Eintragung der [X.] steht bereits das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] entgegen.

Unterscheidungskraft i. S. v. von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] bedeutet die Eignung einer Marke, die mit ihr beanspruchten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie dadurch von denen anderer Anbieter für den Verkehr unterscheidbar zu machen (vgl. [X.], 19, 22, Rdn. 45 – Standbeutel; [X.], 850, 854 – [X.]). Kann ein Zeichen diese Herkunftsfunktion nicht erfüllen, widerspricht es dem Allgemeininteresse, es durch seine Eintragung ins Register zugunsten eines Anmelders zu monopolisieren und der Nutzung durch die Allgemeinheit dauerhaft zu entziehen (vgl. [X.] GRUR 2004, 943, 944, Rdn. 26 – SAT.2). Wortmarken ist die erforderliche Unterscheidungskraft vor allem dann abzusprechen, wenn sie sich als bloße produktbeschreibende bzw. anpreisende Aussagen darstellen oder wenn sie sich auf Umstände beziehen, durch die ein enger beschreibender Bezug zu den betreffenden Produkten oder Leistungen hergestellt wird (vgl. nochmals [X.], 778, Rdn. 11, 14 – [X.]; sowie [X.] a. a. O., § 8 Rdn. 144 m. w. N.). Nach diesen Grundsätzen fehlt der angemeldeten Wortfolge „[X.] Wasserstoff [X.]“ jegliche Unterscheidungskraft i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.], da sie sich bezüglich aller verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen in einem ohne weiteres erkennbaren, produktbezogenen Aussagegehalt erschöpft.

Für die Beurteilung der Frage, ob eine Marke die erforderliche Unterscheidungskraft aufweist, ist immer ihr Gesamteindruck maßgeblich (vgl. [X.] [X.] 2007, 204, 209, Rdn. 79 – [X.]; [X.] GRUR Int 2005, 1012, 1014, Rdn. 31 – BioID; [X.] GRUR 2004, 943, 944, Rdn. 28 – SAT.2). Die Prüfung erfolgt dabei im Hinblick auf die Auffassung derjenigen Verkehrskreise, in denen die angemeldete Marke Verwendung finden oder Auswirkungen haben kann (vgl. hierzu [X.] in [X.]/[X.], [X.], 9. Aufl., § 8, Rdn. 23 ff.), im vorliegenden Fall somit Fachkreise aus dem Energiesektor sowie teilweise auch die allgemeinen Endabnehmer.

Wasserstoff gilt als reproduktive und damit umweltneutrale Energiequelle mit einem bedeutsamen Zukunftspotenzial. Im Hinblick auf die Nutzung von Wasserstoff als ökologisch nachhaltiger Kraftstoff, kommen für die [X.] vornehmlich regenerative Energiequellen in Betracht, wie vor allem die Solarenergie. In diesem Sinne wird die Wasserstofftechnologie sowohl auf [X.] als auch auf [X.] als wichtiges Energiekonzept angesehen, um die angestrebten, energie- und klimapolitischen Ziele erreichen zu können. Auch wenn eine diesen Zielsetzungen entsprechende Wasserstoffwirtschaft aktuell noch nicht in großem Umfang verwirklicht ist, kommt [X.]nergie bereits heute in verschiedenen stationären oder mobilen Anwendungen zum Einsatz. Zudem werden fortlaufend weitere Anwendungsbereiche der Wasserstoff- und Brennstoffzelltechnologie erschlossen, wie beispielsweise in der Automobilindustrie.

Bei den beanspruchten Waren kann es sich um flüssige oder gasförmige [X.] selbst handeln oder um aus regenerativen Energiequellen gewonnene, zur Herstellung von Wasserstoff bestimmte Primärenergie (Brennstoffe, elektrische Energie, Strom). Die mit der Anmeldung beanspruchten Dienstleistungen gehören sämtlich zum einschlägigen Leistungsspektrum von Energieversorgern, wie auf den Handel mit Wasserstoff bezogene Dienstleistungen, entsprechende Informations- und Beratungsleistungen, die Vermittlung von Verträgen über die Erbringung von Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Nutzung, Lieferung oder Produktion von Wasserstoff sowie so genannte begleitende Dienstleistungen, wie Bestellannahme, [X.] und Rechnungsabwicklung. Die beanspruchten Logistikleistungen können ebenfalls im Zusammenhang mit Wasserstoff stehen und sich bspw. mit dem Transport, der Durchleitung, Anlieferung und Verteilung sowie mit der Versorgung mit Wasserstoff befassen. Darüber hinaus wird die Erzeugung entsprechender Produkte beansprucht, wie flüssige und gasförmige [X.] sowie die Erzeugung von Strom durch Elektrolyse von flüssigen und gasförmigen [X.]n. Die [X.] erweist sich somit hinsichtlich aller beanspruchten Waren und Dienstleistungen als gattungsmäßige Angabe, die den Unternehmensgegenstand bzw. das Leistungsspektrum (irgend)einer [X.] Firmenvereinigung beschreibt (vgl. zum Begriffsgehalt des Wortes „[X.]“: [X.] – [X.], 6. Aufl. [X.] 2006 [CD-ROM]). Es ist deshalb davon auszugehen, dass die angesprochenen Verkehrskreise die Wortfolge „[X.] Wasserstoff [X.]“ lediglich als eine branchenübliche [X.] ansehen, ihr aber keinen betriebskennzeichnenden Hinweis entnehmen werden. Der beantragten Eintragung in das Register steht somit auch bei Anlegung des gebotenen, großzügigen [X.] das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] entgegen. Die Frage, ob an der freien Verwendbarkeit der angemeldeten Wortfolge auch ein schutzwürdiges Interesse der Allgemeinheit i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] besteht, ist bei dieser Sachlage nicht entscheidungserheblich und kann somit dahingestellt bleiben.

Soweit sich die Beschwerdeführerin auf die Eintragung von vermeintlich vergleichbaren Marken beruft, begründet dies keine andere Wertung. Die Schutzfähigkeit einer Marke ist ausschließlich auf Grundlage der gesetzlichen Vorgaben und nicht etwa auf der Grundlage von Voreintragungen zu beurteilen (vgl. [X.], [X.] 2009, 478, 484, Rdn. 57 – [X.]; [X.], GRUR 2011, 230, Rdn. 10 ff. – [X.]). Dies gilt selbst für den Fall, dass die identische Marke für denselben Anmelder bereits einmal für schutzfähig erachtet und eingetragen wurde (vgl. [X.], [X.], 411, 412, Rdn. 14 – [X.]). Der Umstand, dass Voreintragungen – zu Recht oder zu Unrecht – erfolgt sind, kann lediglich in die Schutzfähigkeitsprüfung des konkreten Einzelfalls miteinbezogen werden (vgl. [X.], [X.] 2009, 201 – Schwabenpost; [X.], [X.], 778, 779, Rdn. 18 – [X.]). In diesem Sinne hat der Senat bei der Beurteilung des streitgegenständlichen Zeichens die vom Anmelder angeführte Voreintragung berücksichtigt, ohne dass sich hieraus jedoch schutzfähigkeitsbegründende Gesichtspunkte ergeben hätten.

Die Beschwerde war somit zurückzuweisen. Nachdem das [X.] über Beschwerden in Markensachen grundsätzlich ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 69 [X.]) und im vorliegenden Fall eine mündliche Verhandlung weder von der Beschwerdeführerin beantragt wurde noch nach Wertung des Senats sachdienlich gewesen wäre, konnte diese Entscheidung im schriftlichen Verfahren ergehen.

Meta

28 W (pat) 102/10

11.10.2011

Bundespatentgericht 28. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 11.10.2011, Az. 28 W (pat) 102/10 (REWIS RS 2011, 2511)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 2511

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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