Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.04.2014, Az. 1 StR 126/14

1. Strafsenat | REWIS RS 2014, 6518

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Gegenstand

Nachstellung: Strafschärfende Berücksichtigung der "besonderen Hartnäckigkeit" und "Bedenkenlosigkeit" bei der Tatbegehung; Nachholung der Festsetzung der Tagessatzhöhe im Revisionsverfahren


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 28. November 2013 im Schuldspruch dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte der sexuellen Nötigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, der Nachstellung und der versuchten Nötigung schuldig ist.

2. Der Tagessatz der im Fall III.3. der Urteilsgründe verhängten Einzelgeldstrafe wird auf einen Euro festgesetzt.

3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

4. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen sexueller Nötigung, Nachstellung sowie Bedrohung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Seine dagegen gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision führt lediglich zu den aus der [X.] ersichtlichen Änderungen. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Im Fall der Urteilsgründe ändert der Senat den allein auf die Verurteilung wegen sexueller Nötigung lautenden Schuldspruch in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO (vgl. etwa [X.], Beschluss vom 5. September 2001 - 1 StR 317/01) dahingehend, dass der Angeklagte auch der [X.] verwirklichten vorsätzlichen Körperverletzung schuldig ist. Die entsprechende Fassung des Urteilstenors ist ersichtlich irrtümlich unterblieben. Nach den vom [X.] rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen ergriff der Angeklagte die Nebenklägerin im Verlauf des zur sexuellen Nötigung führenden Geschehens und trug sie ins Schlafzimmer. Durch die dabei angewendeten Griffe erlitt die Nebenklägerin Schmerzen, was der Angeklagte billigend in Kauf nahm ([X.]). In seiner rechtlichen Würdigung hat das [X.] dieses Geschehen sowie die anschließende Vornahme sexueller Handlungen als sexuelle Nötigung in Tateinheit mit (vorsätzlicher) Köperverletzung gewertet ([X.]). Zudem hat es im Rahmen der konkreten Strafzumessung für diese Tat berücksichtigt, dass der Angeklagte zwei Strafgesetze verletzt hat ([X.] 31).

3

Angesichts der Berücksichtigung der Verwirklichung auch der [X.]en Körperverletzung bei der Strafzumessung für die sexuelle Nötigung schließt der Senat aus, dass das Fassungsversehen im Schuldspruch sich bei der Festsetzung der Einzelstrafe zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat.

4

2. Im Fall III.3. der Urteilsgründe hat das [X.] den Angeklagten wegen Bedrohung (§ 241 StGB) verurteilt und dafür eine Einzelgeldstrafe von 120 Tagessätzen verhängt. Die Höhe des Tagessatzes hat es nicht festgelegt.

5

a) Nach den getroffenen Feststellungen kündigte der Angeklagte während einer Beschuldigtenvernehmung im Rahmen eines gegen ihn wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Gewaltschutzgesetz geführten Ermittlungsverfahrens den beiden Vernehmungsbeamten an, sie und alle anderen an dem Verfahren gegen ihn beteiligten Personen umzubringen. „Seine Absicht war dabei, auf das gegen ihn gerichtete Ermittlungsverfahren ... Einfluss zu nehmen und die Beamten zumindest zeitweise von weiteren Ermittlungen abzuhalten" ([X.] 16).

6

Auf der Grundlage dieser Feststellungen hat sich der Angeklagte wegen versuchter Nötigung zu Lasten der zuständigen Polizeibeamten strafbar gemacht. Sein Vorsatz war darauf gerichtet, diese durch eine Drohung mit einem empfindlichen Übel davon abzuhalten, weitere Ermittlungen, mithin Handlungen, vorzunehmen. Durch das Aussprechen der Drohung hat der Angeklagte unmittelbar zu der im Sinne von § 240 Abs. 2 StGB verwerflichen, weil auf einen rechtswidrigen Zweck gerichteten Tat angesetzt. Hinter dieser versuchten Nötigung tritt die durch dieselbe Nötigungshandlung begangene Bedrohung nach der Rechtsprechung des [X.] zurück ([X.], Beschluss vom 8. November 2005 - 1 [X.], [X.], 342 mwN). Da nach den weiteren Urteilsgründen die Beamten sich in ihrer Ermittlungsarbeit von der Drohung nicht weiter haben beeindrucken lassen, war der Nötigungsversuch fehlgeschlagen. Die Bedrohung kann daher auch nicht im Hinblick auf einen Rücktritt des Angeklagten vom Versuch der Nötigung bestehen bleiben.

7

Der Senat hat dem gesetzeskonkurrierenden Vorrang der Verurteilung wegen versuchter Nötigung entsprechend den Schuldspruch geändert. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil der Angeklagte sich gegen diesen Vorwurf nicht erfolgreicher hätte verteidigen können.

8

b) Der Senat schließt auch unter Berücksichtigung des vertypten [X.] aus § 23 Abs. 2 StGB angesichts des gegenüber § 241 StGB höheren Strafrahmens von § 240 StGB aus, dass das Tatgericht im Fall III.3. der Urteilsgründe zu einer geringeren Tagessatzanzahl gelangt wäre, wenn es seiner Strafzumessung eine versuchte Nötigung zugrunde gelegt hätte.

9

c) Das [X.] hat bezüglich der im Fall III.3. verhängten Geldstrafe von 120 Tagessätzen die Höhe des Tagessatzes nicht festgesetzt. Einer solchen Festsetzung bedarf es aber auch dann, wenn die Einzelgeldstrafe gemäß § 53 Abs. 2 Satz 1 StGB in eine Gesamt(freiheits)strafe einbezogen wird (st. Rspr.; siehe nur [X.], Beschluss vom 14. Mai 1981 - 4 StR 599/80, [X.]St 30, 93, 96). Zwar kommt bei unterbliebener Festsetzung regelmäßig eine Zurückverweisung zum Zwecke der Nachholung der Bestimmung der [X.] in Betracht ([X.] aaO, [X.]St 30, 93, 97). Allerdings kann das Revisionsgericht in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO in geeigneten Fällen auch selbst die Festsetzung vornehmen ([X.] aaO; siehe [X.], StGB, 61. Aufl., § 53 Rn. 4 mwN) und etwa die [X.] auf das gesetzliche Mindestmaß festsetzen (vgl. [X.], Urteil vom 27. August 2010 - 2 [X.], [X.], 1957, 1964). Davon macht der Senat Gebrauch.

3. Die Angriffe der Revision gegen die Strafzumessung des [X.]s im Fall [X.] der Urteilsgründe (Nachstellung) bleiben ohne Erfolg. Ein Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB liegt im Ergebnis nicht vor. Zwar ist der Revision zuzugeben, dass dem objektiven Tatbestand der Nachstellung gemäß § 238 Abs. 1 StGB mit dem Merkmal „beharrlich" eine in der Tatbegehung zum Ausdruck kommende besondere Hartnäckigkeit und gesteigerte Gleichgültigkeit des [X.] gegenüber dem gesetzlichen Verbot innewohnt ([X.], Beschluss vom 19. November 2009 - 3 [X.], [X.]St 54, 189, 195). Das Tatgericht hat mit der strafschärfenden Berücksichtigung der „besonderen Hartnäckigkeit" und „[X.]" des Angeklagten jedoch nicht auf die Beharrlichkeit als Merkmal des gesetzlichen Tatbestandes abgestellt, sondern - wie sich aus der Bezugnahme auf die Äußerung des Angeklagten in der Hauptverhandlung, ihm sei das gerichtlich angeordnete Kontaktverbot zu der Nebenklägerin egal - die ablehnende Einstellung des Angeklagten gegenüber den durch Einzelanordnungen konkretisierten Verhaltensanforderungen der Rechtsordnung berücksichtigt. Soweit zudem auf die rechtsfehlerfrei festgestellten gravierenden Auswirkungen der Tat für die körperliche und psychische Gesundheit der Nebenklägerin abgestellt worden ist, handelt es sich ohnehin nicht um zum Tatbestand von § 238 Abs. 1 StGB gehörende Merkmale, dafür aber um berücksichtigungsfähige, verschuldete Auswirkungen der Tat gemäß § 46 Abs. 2 StGB.

Graf                         [X.]                            Cirener

             [X.]

Meta

1 StR 126/14

08.04.2014

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Stuttgart, 28. November 2013, Az: 19 KLs 24 Js 37165/13

§ 46 Abs 3 StGB, § 53 Abs 2 S 1 StGB, § 238 Abs 1 StGB, § 240 StGB, § 241 StGB, § 354 Abs 1 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.04.2014, Az. 1 StR 126/14 (REWIS RS 2014, 6518)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 6518

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