Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.06.2021, Az. 2 ARs 46/21

2. Strafsenat | REWIS RS 2021, 4661

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Gegenstand

Vollstreckung der Jugendstrafe: Zuständigkeit für die Entscheidung über Rechtsmittel gegen die Ablehnung des Strafaufschubs durch den Jugendrichter als Vollstreckungsleiter


Tenor

Zuständig für die gerichtliche Entscheidung über Einwendungen des Verurteilten gegen einen abgelehnten Vollstreckungsaufschub ist das Amtsgericht - [X.]- Neumünster.

Gründe

1

Das [X.]und das [X.]streiten sich, wer für die gerichtliche Entscheidung über Einwendungen des Verurteilten gegen den abgelehnten [X.]zuständig ist.

2

1. Das Amtsgericht - [X.]- [X.]hat den Verurteilten am 25. Januar 2014 u.a. wegen gewerbsmäßigen Betruges in 14 Fällen zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und die Vollstreckung der Jugendstrafe zur Bewährung ausgesetzt. Mit Beschluss vom 25. Februar 2015 hat es die Bewährungsaufsicht und die weiteren Entscheidungen dem Amtsgericht - Jugendrichter - [X.]übertragen.

3

Das Amtsgericht - Jugendrichter - [X.]hat die Strafaussetzung zur Bewährung mit Beschluss vom 24. Januar 2017 widerrufen und den Verurteilten mit Verfügung vom 25. Februar 2020 zum Strafantritt geladen, nachdem sein Wiederaufnahmeantrag sowie sein Gnadengesuch abgelehnt worden waren.

4

Am 17. März 2020 hat der Verurteilte die Gewährung eines Strafaufschubs von vier Monaten beantragt. Die Jugendrichterin als Vollstreckungsleiterin des Amtsgerichts [X.]hat am 21. September 2020 diesen Antrag zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die „sofortige Beschwerde“ des Verurteilten vom 1. Oktober 2020.

5

Das Amtsgericht [X.]hat die Akten am 26. Oktober 2020 an das Amtsgericht - [X.]- [X.]zur Entscheidung über die „sofortige Beschwerde“ übersandt. Das [X.]hat seine Zuständigkeit verneint, weil die Bewährungsaufsicht abgegeben worden sei und es kein Beschwerdegericht sei. Die [X.]liege gemäß § 83 Abs. 2 JGG beim zuständigen Landgericht. Das [X.]hatte zuvor seine Zuständigkeit ebenfalls verneint. Über Beschwerden wegen Versagung eines beantragten Vollstreckungsaufschubs habe gemäß § 458 Abs. 2, § 462 Abs. 1 StPO das Gericht zu entscheiden, welches das Urteil gesprochen habe. Die Voraussetzungen des § 83 Abs. 2 JGG lägen nicht vor. Deshalb hat das [X.]mit Beschluss vom 6. Januar 2021 die Sache dem [X.]zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.

6

2. Das Amtsgericht - [X.]- [X.]ist nach § 2 Abs. 2 JGG in Verbindung mit § 456, § 458 Abs. 2, § 462 Abs. 1 StPO zuständiges Gericht für die gerichtliche Entscheidung über Einwendungen des Verurteilten gegen den abgelehnten Vollstreckungsaufschub.

7

a) Der [X.]ist nach § 14 StPO in Verbindung mit § 2 Abs. 2 JGG als gemeinschaftliches oberstes Gericht des [X.][X.](Oberlandesgerichtsbezirk Brandenburg) und des Amtsgerichts [X.](Bezirk des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts) zur Entscheidung des [X.]berufen.

8

b) Das Amtsgericht - [X.]- [X.]hat als Gericht des ersten Rechtszugs gemäß § 2 Abs. 2 JGG in Verbindung mit § 456, § 458 Abs. 2, § 462 Abs. 1 StPO über die Einwendungen des Verurteilten gegen den abgelehnten [X.]zu befinden.

9

aa) Gemäß § 83 Abs. 1 JGG sind Entscheidungen des Vollstreckungsleiters nach §§ 86 bis 89a [X.]und § 89b Abs. 2 JGG sowie nach § 462a StPO und § 463 StPO jugendrichterliche Entscheidungen. Diese jugendrichterlichen Entscheidungen werden von dem [X.]aufgrund eines gerichtlichen Verfahrens in richterlicher Unabhängigkeit getroffen. Sie können grundsätzlich gemäß § 83 Abs. 3 JGG mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden.

bb) Soweit hingegen Entscheidungen des Vollstreckungsleiters - wie hier - nicht jugendrichterliche Entscheidungen im Sinne von § 83 Abs. 1 JGG sind, nimmt der Jugendrichter als [X.]Justizverwaltungsaufgaben wahr. Er ist insoweit weisungsgebunden. Über Beschwerden gegen andere als jugendrichterliche Entscheidungen des Vollstreckungsleiters wird grundsätzlich im [X.]entschieden (vgl. auch OLG Hamm, Beschluss vom 3. August 2004 - 3 Ws 382/04, juris Rn. 10; Saarländisches OLG, Beschluss vom 21. Juni 2017 - 1 Ws 104/17, juris Rn. 15; MüKo-StPO/Nestler, § 456 Rn. 11; BeckOK-JGG/Sengbusch, 21. Ed., § 83 Rn. 1a; Eisenberg/Kölbel, JGG, 22. Aufl., § 83 Rn. 2, 5; Diemer/Schatz/Sonnen, JGG, 8. Aufl., § 83 Rn. 3 ff.; Ostendorf-JGG/Rose, 10. Aufl., § 83 Rn. 2).

cc) Insoweit besteht allerdings eine Ausnahme gemäß § 2 Abs. 2 JGG in Verbindung mit § 458 Abs. 2, § 462 Abs. 1 StPO, wonach das Gericht, das das Urteil gesprochen hat, über Einwendungen gegen die Entscheidungen des [X.]als [X.]in den Fällen der §§ 455, 456 [X.]zu befinden hat. Danach ist das Gericht des ersten [X.]zuständig (vgl. Richtlinie zu § 85 JGG, Ziff. [X.]5.; Löwe/Rosenberg/Graalmann-Scheerer, StPO, 26. Aufl., § 456 Rn. 14, MüKo-StPO/ Nestler, aaO, Rn. 16; Ostendorf-JGG/Rose, aaO, Rn. 6; zum parallelen Fall des Arrestaufschubs vgl. auch OLG Hamm, aaO; Saarländisches OLG, aaO).

dd) Ein Ausnahmefall gemäß § 83 Abs. 2 Nr. 1 JGG, der zur Zuständigkeit des [X.]- [X.]- [X.]geführt hätte, liegt dagegen nicht vor. Wegen der Abgabe der Bewährungsaufsicht an das Amtsgericht [X.]und dessen Entscheidung, die Strafaussetzung zu widerrufen, ist der Jugendrichter des Amtsgerichts [X.][X.]geworden. Die von § 83 Abs. 2 Nr. 1 JGG vorausgesetzte Interessenkollision (vgl. BeckOK-JGG/Sengbusch, aaO, Rn. 3 mwN; Diemer/Schatz/Sonnen, aaO, Rn. 6), wonach der [X.]selbst oder unter seinem Vorsitz das [X.]im ersten Rechtszug erkannt hat, ist hier nicht gegeben (vgl. OLG Hamm, aaO, Rn. 15 f.; Saarländisches OLG, aaO, Rn. 16; siehe auch BeckOK-JGG/Sengbusch, aaO). Ebenso wenig ergibt sich eine Zuständigkeit der [X.]aus § 83 Abs. 2 Nr. 2 JGG. Denn der [X.]hat hier schon nicht die Aufgaben einer Strafvollstreckungskammer wahrgenommen.

Franke     

        

Appl     

        

Zeng   

        

Grube     

        

Schmidt     

   

Meta

2 ARs 46/21

24.06.2021

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: ARs

§ 2 Abs 2 JGG, § 83 Abs 1 JGG, § 86 JGG, §§ 86ff JGG, § 455 StPO, § 456 StPO, § 458 Abs 2 StPO, § 462 Abs 1 StPO, § 462a StPO, § 463 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.06.2021, Az. 2 ARs 46/21 (REWIS RS 2021, 4661)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 4661

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