Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.10.2012, Az. V ZB 5/12

V. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 1919

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V [X.]
vom

25. Oktober 2012

in dem Notarbeschwerdeverfahren

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 174 Satz 1, § 180 Satz 2
a)
Eine Erklärung kann neben einer Beanstandung gemäß §
180 Satz 2 [X.] auch eine Zurückweisung gemäß § 174 Satz 1 [X.] enthalten, sofern aus ihr eindeutig hervorgeht, dass das Bestehen der Vertretungsmacht bemängelt und zugleich das Rechtsgeschäft wegen der fehlenden Vorlage einer Vollmachtsurkunde zurück-gewiesen wird.

b)
Die Beanstandung führt ebenso wie die Zurückweisung zu der Unwirksamkeit des einseitigen Rechtsgeschäfts, wenn eine wirksame Vertretungsmacht nicht besteht; eine nachträgliche Heilung ist ausgeschlossen.

[X.], Beschluss vom 25. Oktober 2012 -
V [X.] -
[X.]

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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Oktober 2012 durch die Vorsitzende Richterin [X.], den Richter Dr.
Roth, die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland und den Richter Dr. Kazele

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 und 2 wird der Be-schluss der 5. Zivilkammer des [X.] vom 12.
Dezember 2011 aufgehoben.

Die Beschwerde der Beteiligten zu 3 gegen die Weigerung des Notars [X.]aus [X.], die Abwicklung des zwischen den Beteiligten zu 1 und 2 sowie den Beteiligten zu 4 bis 6 ge-schlossenen notariellen Kaufvertrags vom 30. Mai 2011 ([X.]. 75/2011/T) zu unterlassen, wird zurückgewiesen.

Die Beteiligte zu 3 trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.

Der Gegenstandswert des [X.] beträgt

Gründe:

I.
Die Beteiligten zu 4 bis 6 (im Folgenden: Vorkaufsverpflichtete) sind Ei-gentümer eines bebauten Grundstücks. Die Beteiligte zu 3 (im Folgenden: [X.]) ist eine Genossenschaft, zu deren Gunsten in Abteilung II 1
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des Grundbuchs ein Vorkaufsrecht eingetragen ist. Sie wird nach ihrer Satzung entweder durch zwei Vorstandsmitglieder oder durch ein Vorstandsmitglied in [X.] mit einem Prokuristen vertreten.

Die Vorkaufsverpflichteten schlossen mit den Beteiligten zu 1 und 2 (im Folgenden: [X.]) am 30.
Mai 2011 einen notariellen Kaufvertrag über den Grundbesitz. Am 9. Juni 2011 setzte der Notar die [X.] über den Kaufvertrag und die gesetzliche Frist zur Ausübung des Vorkaufsrechts in Kenntnis. Mit Schreiben vom 2. August 2011 erklärte ein Rechtsanwalt in deren Namen die Ausübung des Vorkaufsrechts gegenüber den [X.]. Der Erklärung war eine Vollmacht beigefügt, die ein Vorstandsmitglied und eine Prokuristin
der Genossenschaft unterzeichnet hatten. Die [X.] wiesen die [X.] mit jeweils am 9. August 2011 bei der [X.]n eingegangenen gleichlautenden Schreiben mangels Vollmachtsurkunde als unwirksam zurück; die Prokura sei nicht in das Genos-senschaftsregister eingetragen, so dass keine wirksame Vollmacht vorliege. Tatsächlich war die Prokura vor Unterzeichnung der Vollmacht erteilt worden. Sie wurde jedoch erst am 11.
August 2011 in das [X.]. Mit Schreiben vom 22.
August 2011 teilten die Vorkaufsverpflichteten dem Rechtsanwalt mit, sie seien nunmehr mit der Übertragung des Eigentums an die [X.] einverstanden.

Mit Schreiben vom 24.
August 2011 kündigte der Notar allen Beteiligten den Erlass eines Vorbescheids mit dem Inhalt an, dass er beabsichtige, den zwischen den Vorkaufsverpflichteten und den [X.]n geschlossenen nota-riellen Kaufvertrag zu vollziehen. Der Beschwerde der [X.]n hat das [X.] stattgegeben und den Notar angewiesen, die Abwicklung des Kaufvertrags zu unterlassen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde, deren 2
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Zurückweisung die [X.] beantragt, wollen die [X.] die Zurückweisung der Beschwerde erreichen.

II.

Das Beschwerdegericht meint, die Beschwerde sei auch ohne Erlass des angekündigten Vorbescheids zulässig, weil der Notar die von der [X.]n verlangte Unterlassung der weiteren Vertragsabwicklung verweigert habe. Die [X.] habe das
Vorkaufsrecht wirksam ausgeübt. Die Zurückweisung der [X.] sei unbegründet. Weil sie nicht auf Mängel der Vollmachtsurkunde, sondern auf Zweifel an der Wirk-samkeit der Vollmacht gestützt worden sei, lasse sich ein [X.] nicht aus §
174 [X.] herleiten. Entscheidend sei daher, ob die Vollmacht tat-sächlich bestanden habe. Das sei anzunehmen. Die Prokuristin der [X.] sei im Zeitpunkt der Vollmachtserteilung wirksam bestellt gewe-sen. Die Eintragung der Prokura in das Genossenschaftsregister habe nur [X.] Wirkung. Für die Vorkaufsverpflichteten habe gemäß §
29 [X.] ein Wahlrecht bestanden. Sie hätten die Ausübung des Vorkaufsrechts durch den Rechtsanwalt wegen der fehlenden Eintragung zurückweisen oder die [X.] gegen sich gelten lassen können. Indem sie mit ihrem Schreiben vom 22.
August
2011 deutlich gemacht hätten, dass sie die Ausübung des [X.] nicht länger wegen der fehlenden Eintragung der Prokura zurück-weisen wollten, hätten sie von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht und auf den Schutz des § 29 [X.] verzichtet. Dies wirke auf den Zeitpunkt der Erteilung der Vollmacht zurück.

III.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
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1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Sie ist nach §
15 Abs. 2 Satz 1 [X.] unter anderem in den Fällen eröffnet, in denen der Notar eine sonstige Tätigkeit verweigert. Weil sich der Notar durch seine Ankündigung geweigert hat, den Vollzug des notariellen Kaufvertrags zwischen den Vorkaufsverpflich-teten und den [X.]n zu unterlassen, war die Beschwerde der [X.] auch ohne Erlass des angekündigten Vorbescheids statthaft. Durch die Entscheidung des [X.] sind die [X.] beschwert.

2. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Das [X.] hat den Notar zu Unrecht angewiesen, die Abwicklung des notariellen Kaufvertrags zwischen den Vorkaufsverpflichteten und den [X.]n zu [X.], weil die für die Ausübung des Vorkaufsrechts erforderliche Erklärung (§
464 Abs. 1 Satz 1 [X.]) nicht wirksam abgegeben worden ist.

a) Das Beschwerdegericht legt die Schreiben der Vorkaufsverpflichteten vom 9.
August 2011 dahingehend aus, dass die Zurückweisung der [X.] nicht auf die unterbliebene
Vorlage einer Vollmachtsurkunde gemäß § 174 Satz 1 [X.] gestützt worden sei, sondern allein auf die fehlende Vertretungsmacht. Ob diese Auslegung der revisionsrechtlich eingeschränkten Nachprüfung standhalten kann, ist zweifelhaft.

[X.]) Eine Erklärung kann neben einer Beanstandung gemäß §
180 Satz 2 [X.] auch eine Zurückweisung gemäß § 174 [X.] enthalten, sofern aus ihr eindeutig hervorgeht, dass das Bestehen der Vertretungsmacht bemängelt und zugleich das Rechtsgeschäft wegen der fehlenden Vorlage einer Vollmachtsur-kunde zurückgewiesen wird
(BeckOK
[X.]/[X.], [X.], § 174 Rn. 8; vgl. auch [X.], NJW 1981, 2374 f.). Dies ist insbesondere dann bedeutsam, 6
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wenn die Vertretungsmacht tatsächlich besteht. Wird nur ihr Vorliegen gemäß §
180 Satz 2 [X.] in Zweifel gezogen, ist die Erklärung des Vertreters gleich-wohl wirksam; dagegen ist sie (endgültig) unwirksam, wenn das Rechtsgeschäft zugleich wegen der fehlenden Vorlage der Vollmachtsurkunde zurückgewiesen wird (§
174 Satz 1 [X.]).

bb) Die Vorkaufsverpflichteten haben nicht nur das Fehlen einer wirksa-men Prokura gerügt, sondern die auf die Ausübung bezogene Willenserklärung
urückgewiesen. Das Beschwerdegericht sieht dies nicht als relevant an, weil dem Schreiben des Rechtsanwalts eine Vollmachtsurkunde beigefügt gewesen sei. Dabei lässt es aber außer [X.], dass bei einer Untervertretung nicht nur die Vertretungs-macht des Untervertreters, sondern auch die des [X.] durch Voll-machtsurkunde nachgewiesen werden muss ([X.]/[X.], [X.], 13.
Aufl., §
174 Rn. 5; Soergel/Leptien, [X.], 13.
Aufl., § 174 Rn. 2; [X.]/Schilken, [X.] [2009], § 174 Rn. 3 jeweils mwN). Im
Hinblick darauf könnte dem Schreiben seinem Wortlaut entsprechend zu entnehmen sein, dass die Vorkaufsverpflichteten die Vollmacht anzweifeln und die Erklärung zugleich we-gen des fehlenden Nachweises der aus dem Genossenschaftsregister nicht ersichtlichen
Prokura zurückweisen wollten; sollte dies ein Zurückweisungs-recht gemäß §
174 Satz 1 [X.] begründen, wäre die [X.] [X.] aus diesem Grund unwirksam.

b) Im Ergebnis ist es jedoch ohne Bedeutung, ob (auch) eine Zurückwei-sung gemäß § 174 Satz 1 [X.] erfolgt ist. Denn jedenfalls haben die [X.] die Vertretungsmacht gemäß § 180 Satz 2 [X.] beanstandet mit 10
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der Folge, dass die [X.] gemäß § 180 Satz 1 [X.] unwirksam ist.

[X.]) Die Vertretungsmacht eines [X.]n

hier des Rechtsanwalts

kann nicht weiter gehen als die Hauptvollmacht (Pa-landt/Ellenberger, [X.], 71. Aufl., § 167 Rn. 12). Fehlt es an der [X.], so handelt auch der [X.] ohne Vertretungsmacht.

bb) Wegen der fehlenden Eintragung der Prokura in das [X.] und der fehlenden Kenntnis der Vorkaufsverpflichteten von der tatsächlichen Erteilung muss sich die [X.] so behandeln lassen,
als habe sie keine Prokura erteilt. Zwar hat die Eintragung und Bekanntma-chung der Prokura nur deklaratorische Wirkung ([X.] in Baumbach/[X.], HGB, 35. Aufl., § 53 Rn. 1; MünchKomm-HGB/[X.], 3. Aufl., § 53 Rn. 1 mwN). Weil sie eintragungspflichtig ist (§ 42 Abs. 1 Satz 1 [X.] i.V.m.
§ 53 Abs. 1 Satz 1 HGB), kann die Genossenschaft sie aber vor der Eintragung und Bekanntma-chung einem [X.] nicht entgegensetzen, es sei denn, dass die Erteilung dem [X.] bekannt war; der Rechtsverkehr darf auf das Schweigen des [X.] vertrauen (§ 42 Abs. 1 Satz 3 i.V.m.
§
29 Abs. 1 [X.], sog. negative Publizität; Beuthin, [X.], 15.
Aufl., §
29 Rn. 5; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 37.
Aufl., §
29 Rn. 5 f.; [X.], Genossenschafts-handbuch, Stand Januar 2012, § 29 Rn. 10, 17).

[X.]) War die Prokura danach als fehlend anzusehen, hat die [X.] der Vorkaufsverpflichteten

was das Berufungsgericht übersehen hat

gemäß § 180 Satz 1 und 2 [X.] zu der Unwirksamkeit der [X.] geführt. Eine Beanstandung hat bei fehlender Vertretungsmacht die
gleiche Wirkung wie eine Zurückweisung gemäß §
174 Satz 1 [X.] (MünchKomm-12
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[X.]/[X.], 6.
Aufl., §
180 Rn. 8; Soergel/Leptien, [X.]O, §
180 Rn. 9; [X.]/Schilken, [X.]O, §
180 Rn. 7).

dd) Schließlich war die Beanstandung auch rechtzeitig. Jedenfalls dann, wenn sie sich gegen eine unter Abwesenden abgegebene Willenserklärung richtet, reicht es aus, wenn sie unverzüglich erfolgt (Soergel/Leptien, [X.]O, §
180 Rn. 9; [X.]/Schilken, [X.]O, § 180 Rn. 7). Davon ist nach den Fest-stellungen des [X.] auszugehen.

c) Entgegen der Ansicht des [X.] haben die Erklärungen der Vorkaufsverpflichteten vom 22.
August 2011, mit denen sie zum Ausdruck gebracht haben, an der Beanstandung nicht mehr festzuhalten, den Mangel der Vertretungsmacht nicht rückwirkend geheilt. Richtig ist, dass sich der Dritte bei einer fehlenden Eintragung im Genossenschaftsregister jederzeit auf die wahre Rechtslage berufen kann, wenn sie ihm günstiger erscheint (vgl. [X.], Urteile vom 21.
Dezember 1970

II
ZR
258/67, [X.]Z 55, 267, 273; vom 1.
Dezember 1975

II
ZR
62/75, [X.]Z 65, 309, 310; vom 5.
Februar 1990

II
ZR
309/88, [X.], 638, 639, jeweils zu § 15 HGB; [X.], Genossenschaftshandbuch, Stand Januar 2012, §
29 Rn. 18; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 2.
Aufl. §
29 Rn. 6). Das bedeutet aber nicht, dass es ihm freisteht, seine Entscheidung nach Ausübung des Wahlrechts zu ändern. Jedenfalls dann, wenn die Beru-fung auf das Schweigen des Registers

wie hier

bereits zu der Unwirksam-keit des vorgenommenen Rechtsgeschäfts geführt hat, kann eine rückwirkende Heilung durch den nachträglichen Verzicht auf den Schutz nicht mehr eintreten; dies wäre auch mit dem Erfordernis der Rechtssicherheit unvereinbar. Ein Rechtsgeschäft, das endgültig unwirksam (also nichtig) ist, kann nur bestätigt werden (§
141 [X.]), was innerhalb der Ausübungsfrist nicht geschehen ist.

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IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 15 Abs. 2 Satz 3 [X.], §
84 FamFG. Als Gegenstandswert des Vorkaufsrechts ist gemäß § 20 Abs. 2 KostO
in der Regel der halbe Wert der Sache anzunehmen, wobei gemäß § 20 Danach ergibt sich ein Betrag von 117.500

Stresemann

Roth

Brückner

Weinland

Kazele

Vorinstanz:
[X.], Entscheidung vom 12.12.2011 -
5 [X.] -

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Meta

V ZB 5/12

25.10.2012

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.10.2012, Az. V ZB 5/12 (REWIS RS 2012, 1919)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 1919

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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