Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.10.2013, Az. II ZR 394/12

II. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 1775

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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
II ZR 394/12
Verkündet am:
22. Oktober 2013
Stoll
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 15a Abs. 1; § 109 Abs. 1; § 119
Ein Vermieter, der dem Mieter vor [X.] Räume überlassen hat, ist regelmäßig Altgläubiger und erleidet keinen Neugläubigerschaden infolge der Insolvenzverschleppung, weil er sich bei [X.] nicht von dem Mietvertrag hätte lösen können.

[X.], Urteil vom 22. Oktober 2013 -
II ZR 394/12 -
OLG [X.]

[X.]

-
2
-
Der [X.] Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 22. Oktober 2013 durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr.
Bergmann und die Richterin [X.], [X.]
Drescher, [X.] und Sunder

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen
der Beklagten
wird das Urteil des 7.
Zivilsenats des [X.] in [X.]
vom 23.
Mai
2012 im Kostenpunkt und insoweit, als zum Nachteil der Beklagten ent-schieden worden ist, aufgehoben
und insgesamt neu gefasst:
Die Berufungen
der Kläger gegen das Urteil der 10.
Zivilkammer des [X.] vom 29.
September 2011 werden
zurück-gewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Kläger vermieteten an die R.

GmbH
(im Folgenden: Schuldnerin), deren Geschäftsführer die Beklagten waren, mit Mietvertrag vom 8.
Januar 2007 Geschäftsräume in E.

für einen monatlichen Mietzins einschließlich Betriebskosten von 10.367,80

vom 1.
Februar 2007 bis 31.
Januar 2012 mit Verlängerungsoption. §
3 Abs.
5 des schriftlichen [X.] enthält folgen-de Regelung:
1
-
3
-

Bleibt der Mieter mit dem monatlichen Mietzins länger als 2
Mona-te im Rückstand, so ist der Vermieter zur fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigt. Ferner ist der Vermieter im Falle des Konkurses, des Vergleichs oder der Zahlungseinstellung des [X.] zur fristlosen Kündigung des [X.] berechtigt.
Die Schuldnerin
zahlte im November 2009 nur einen Teil der Miete, im April
2009 und von Februar 2010 bis September 2010 zahlte sie keine Miete. Am 4.
Februar, 5.
März, 8.
April und 8.
Juni 2010 kündigten die Kläger das Mietverhältnis
wegen Nichtzahlung des Mietzinses
jeweils fristlos. In einem Räumungsvergleich vom 11.
Juni 2010 verpflichtete sich die Schuldnerin, die Geschäftsräume zum 31.
August 2010 zu räumen
und den Mietzins für Juli und August 2010 noch zu zahlen. Am 18.
Juni 2010 beantragten die Beklagten die
Eröffnung
des Insolvenzverfahrens
über das Vermögen der
Schuldnerin, das am 22.
Juli 2010 eröffnet
wurde.
Die Kläger haben von den Beklagten die Zahlung von 129.913,41

nebst Zinsen mit der Begründung verlangt,
diese seien ihnen in Höhe
der von der Schuldnerin nicht bezahlten Mietzinsen und der
Mietkaution
zum Scha-densersatz verpflichtet. Das Landgericht hat
die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat die Beklagten unter Zurückweisung der weitergehenden Berufungen

-um-Zug gegen Abtretung der Mietzinsansprüche der Kläger gegen die Schuldnerin verurteilt. Dagegen richten
sich die vom erkennenden Senat zugelassenen
Revisionen
der Beklagten.

Entscheidungsgründe:
Die Revisionen
haben
Erfolg. Sie führen
zur Aufhebung des Berufungsurteils, soweit zum Nachteil der Beklagten entschieden wurde, und zur vollständigen Abweisung der Klage.
2
3
4
-
4
-

I. Das Berufungsgericht
hat ausgeführt, die Beklagten schuldeten den Klägern nach §
823 Abs.
2 BGB i.V.m. §
15a [X.] Schadensersatz in Höhe von 98.768

-tember 2010 sowie den Restmietzins für November 2009. Die Schuldnerin sei bereits zum 31.
Dezember 2008 insolvenzrechtlich überschuldet gewesen. Die Kläger seien hinsichtlich der Mietzinsen
Neugläubiger und nicht Altgläubiger, weil der Mietzinsanspruch nach [X.] entstanden sei. Es sei auch anzunehmen, dass die Kläger bei rechtzeitiger Insolvenzantragstellung von ihrem mietvertraglich eingeräumten Kündigungsrecht Gebrauch gemacht und das Mietverhältnis
fristlos gekündigt hätten.
[X.] Das Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Kläger können den Mietzinsausfall nicht als Neugläubiger nach §
823 Abs.
2 BGB in Verbindung mit §
15a Abs.
1 Satz
1 [X.] ersetzt verlangen.
1. [X.] einer GmbH haben bei einem schuldhaften Verstoß der Geschäftsführer gegen die [X.] einen Anspruch gegen diese
auf Ausgleich des Schadens, der ihnen dadurch entsteht, dass sie in Rechtsbeziehungen zu einer überschuldeten oder zahlungsunfähigen Gesell-schaft getreten sind ([X.], Urteil vom 6.
Juni 1994

II
ZR
292/91, [X.]Z 126, 181, 198; Urteil vom 5.
Februar 2007

II
ZR
234/05, [X.]Z 171, 46 Rn.
13; Urteil vom 27.
April 2009

II
ZR
253/07, [X.], 1220 Rn.
15; Urteil vom 14.
Mai 2012

II
ZR
130/10, [X.], 1455
Rn.
13). Das Verbot der Insolvenz-verschleppung dient nicht nur der Erhaltung des Gesellschaftsvermögens, sondern hat auch den Zweck, insolvenzreife Gesellschaften mit beschränktem Haftungsfonds vom Geschäftsverkehr fernzuhalten, damit durch das Auftreten solcher Gebilde nicht Gläubiger geschädigt oder gefährdet werden ([X.], Urteil vom 6.
Juni 1994

II
ZR
292/91, [X.]Z 126, 181, 194; Urteil vom 25.
Juli 2005

II
ZR
390/03, [X.]Z 164, 50, 60; Urteil
vom 14.
Mai 2012

II
ZR
130/10, [X.], 1455
Rn.
13). Soweit §
15a Abs.
1 Satz
1 [X.] potenzielle Neugläubiger 5
6
7
-
5
-

vor der Eingehung solcher Geschäftsbeziehungen mit einer [X.] GmbH schützen soll, geschieht dies zu dem Zweck, sie davor zu bewahren, einer solchen Gesellschaft noch Geld-
oder [X.] zu gewähren und dadurch einen Schaden zu erleiden. Anders als der Schaden der Altgläubiger, der in der durch die Insolvenzverschleppung bedingten Masse-
und Quoten-verminderung besteht, liegt der Schaden eines Neugläubigers deshalb darin, dass er der [X.] auf deren Solvenz noch Geld-
oder Sachmittel zur Verfügung gestellt hat, ohne einen entsprechend werthaltigen Gegenanspruch oder eine entsprechende Gegenleistung zu erlangen ([X.], Urteil vom 25.
Juli 2005

II
ZR
390/03, [X.]Z 164, 50, 60; Urteil vom 5.
Februar 2007

II
ZR
234/05, [X.]Z 171, 46 Rn.
13; Urteil vom 15.
März 2011

II
ZR
204/09, [X.], 1007 Rn.
40; Urteil vom 14.
Mai 2012

II
ZR
130/10, [X.], 1455 Rn.
13). Es
handelt sich um den Ersatz eines [X.], der dadurch entsteht, dass der Gläubiger mit dem Schuldner einen [X.] schließt und eine Vorleistung erbringt.
2. Die Kläger sind keine Neu-, sondern Altgläubiger. Ein Vermieter, der dem Mieter vor [X.] Räume überlassen hat, ist regelmäßig Altgläubi-ger und erleidet keinen Neugläubigerschaden infolge der Insolvenzver-schleppung, weil er sich bei [X.] nicht von dem Mietvertrag hätte [X.] können (vgl. [X.], [X.], 2342, 2343).
a) Wenn ein Dauerschuldverhältnis vor [X.] begründet wurde, ist der Gläubiger für seine nach [X.] fällig werdenden, aber ohne Gegenleistung bleibenden
Leistungen Alt-
und nicht Neugläubiger, weil der [X.] gegen die [X.] nicht ursächlich für den Vertrags-abschluss
und damit für die Geld-
oder Sachleistung
nach [X.]
ist, der Gläubiger bei Eintritt der [X.] vielmehr bereits in vertragliche Be-ziehungen zur Schuldnerin getreten war. Anders ist dies dann, wenn das Dauerschuldverhältnis mit Insolvenzeröffnung endet oder gekündigt werden 8
9
-
6
-

kann ([X.], Urteil vom 5.
Februar 2007

II
ZR
234/05, [X.]Z 171, 46 Rn.
13
f.) oder eine Lösung vom Vertrag bei Stellung eines Eröffnungsantrags
möglich ist. Dann kann die Fortsetzung des vertraglichen Verhältnisses darauf beruhen, dass der Gläubiger seine Leistung im Vertrauen auf die Solvenz der Gesell-schaft fortsetzt, obwohl er sich bei Kenntnis der [X.] vom Vertrag ge-löst hätte.

b)
Die Kläger konnten sich bei [X.] nicht von dem [X.] mit der Schuldnerin lösen.
aa) Das Mietverhältnis endete weder mit der Insolvenzeröffnung noch konnte es bei [X.]
und Stellung eines Eröffnungsantrags
von den Klägern
gekündigt werden. Ein
Mietverhältnis endet nicht mit der Insolvenzeröff-nung (§
108 [X.];
vgl. [X.], Urteil vom 5.
Februar 2007

II
ZR
234/05, [X.]Z 171, 46 Rn.
14)
und kann vom Vermieter nicht außerordentlich bei [X.] oder Insolvenzeröffnung gekündigt werden.
[X.]) Die Kläger konnten das Mietverhältnis auch nicht fristlos aufgrund des vereinbarten Sonderkündigungsrechts bei Konkurs oder [X.] kündigen.
Eine
in einem Mietvertrag vereinbarte
insolvenzabhängige [X.] ist nach allgemeiner Ansicht unwirksam
(vgl. [X.], [X.], 343; [X.],
[X.], 125, 127;
MünchKomm[X.]/[X.], 3.
Aufl., §
109
Rn.
79;
MünchKomm[X.]/[X.], 3.
Aufl.,
§
119 Rn.
21, 70
und 72;
Kübler/Prütting/[X.], [X.], Stand November 2010, §
112 Rn.
13; [X.]/[X.], [X.], 13.
Aufl., §
119
Rn.
22; [X.], [X.], 4.
Aufl., §
112 Rn.
2; [X.]/[X.], [X.], 4.
Aufl., §
119 Rn.
5; [X.] in [X.]/Futterer, Mietrecht, 10.
Aufl., §
542 BGB Rn.
147; vgl.
auch [X.], Urteil vom 15.
November 2012

IX
ZR
169/11, [X.]Z 195, 348 Rn.
9
ff. zu
Lösungs-klauseln in Verträgen über die fortlaufende Lieferung von Waren oder Energie).

10
11
12
-
7
-

Jedenfalls ist die Vereinbarung eines Kündigungsrechts für den Fall der Insolvenzeröffnung unwirksam. Nach §
119 [X.]
sind
Vereinbarungen, durch die im Voraus
die Anwendung der §§
103 bis 118 [X.] ausgeschlossen oder beschränkt wird, unwirksam. Die vertragliche Vereinbarung eines Kündigungs-rechts für den Fall der Insolvenzeröffnung beschränkt die Anwendung der §§
108
ff. [X.]. Das Mietverhältnis über Räume besteht nach §
108 Abs.
1 Satz
1
[X.] im Fall der Insolvenzeröffnung
fort. Nach §
109 Abs.
1 [X.] kann es nur der Verwalter kündigen.
Der Vermieter kann es gemäß
§
112 [X.]
nach dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht einmal
wegen eines Verzugs mit der Entrichtung der Miete oder Pacht, der in der [X.] vor dem Eröffnungsantrag eingetreten ist, oder
wegen einer Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Schuldners kündigen. Die Vereinbarung eines Kün-digungsrechts für den Fall der Insolvenz (oder des Konkurses)
ist als Vereinba-rung eines solchen, unwirksamen
Kündigungsrechts im [X.] auszulegen.

Auch auf das
im Mietvertrag enthaltene Kündigungsrecht für den Fall der Zahlungseinstellung, die nicht festgestellt ist,
hätten die Kläger eine fristlose Kündigung nicht stützen können, wenn die Beklagten pflichtgemäß einen [X.] gestellt hätten. Nach dem Antrag auf Eröffnung des [X.] kann der Vermieter das Mietverhältnis weder wegen eines Verzugs mit der Entrichtung der Miete, der in der [X.] vor dem Eröffnungsantrag einge-treten ist, noch wegen einer Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Schuldners kündigen

112 [X.]). Da die Vermögensverschlechterung kein gesetzlicher Kündigungsgrund ist, werden davon gerade entsprechende Vertragsklauseln
erfasst
([X.]/[X.], [X.], 13.
Aufl., §
112 Rn.
13; Karsten
[X.]/[X.], [X.], 18.
Aufl., §
112 Rn.
20). Die Zahlungsein-stellung, die die Zahlungsunfähigkeit vermuten lässt (§
17 Abs.
2 Satz
2 [X.]), ist ein solcher Fall der Verschlechterung der Vermögensverhältnisse, so dass 13
14
-
8
-

aus einer darauf gestützten [X.] ab dem Eröffnungsantrag kein Kündigungsrecht abgeleitet werden kann.
I[X.] [X.] ist zur Endentscheidung reif. Den Altgläubigerschaden
können die Kläger nicht einklagen. Solange das Insolvenzverfahren andauert, ist er allein von dem Insolvenzverwalter und nicht den Gläubigern geltend zu machen
([X.], Urteil vom 5.
Februar 2007

II
ZR
234/05, [X.]Z 171, 46 Rn.
12).
Die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs wegen Einge-hungs-
oder [X.] gemäß §
823 Abs.
2 BGB i.V.m. §
263 StGB hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei verneint.

Bergmann

[X.]

Drescher

[X.]

Sunder
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 29.09.2011 -
10 O 1490/10 -

OLG [X.], Entscheidung vom 23.05.2012 -
7 U 862/11 -

15

Meta

II ZR 394/12

22.10.2013

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.10.2013, Az. II ZR 394/12 (REWIS RS 2013, 1775)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 1775

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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