Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.10.2007, Az. 3 StR 254/07

3. Strafsenat | REWIS RS 2007, 1431

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.] vom 16. Oktober 2007 in der Strafsache gegen wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a. - 2 - Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 16. Oktober 2007 gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen: Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 2. Februar 2007 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen. Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten wegen Einfuhr von Betäubungs-mitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt und daneben [X.] und [X.] getroffen. Mit seiner Revision gegen dieses Urteil rügt der An-geklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit einer verfahrensrechtlichen Beanstandung Erfolg. Zutreffend macht der [X.] einen Verstoß des [X.] gegen § 229 Abs. 4 Satz 1 StPO geltend. 1 Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zu Grunde: Die [X.] gegen den Angeklagten fand an fünf [X.] statt; sie begann am 15. November 2006 und wurde sodann am 6. und 20. Dezember 2006 fortgesetzt. Der Termin vom 6. Dezember dauerte von 9.02 bis 9.08 Uhr. In diesem erschien statt des erkrankten Pflichtverteidigers ein an-2 - 3 - derer Rechtsanwalt und beantragte, dem Angeklagten für diesen [X.] als Pflichtverteidiger beigeordnet zu werden. Der Vorsitzende gab darauf [X.] bekannt, dass ein Ablehnungsantrag vorliege, über den noch nicht ent-schieden worden sei; er ordnete an, dass die Hauptverhandlung dennoch [X.] fortgesetzt werde (§ 29 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 StPO). Sodann bestellte er den erschienenen Rechtsanwalt für diesen [X.] zum Pflichtverteidiger des Angeklagten. Anschließend stellte er fest, dass das am ersten [X.] angeordnete Selbstleseverfahren zwischenzeitlich durchgeführt worden sei (§ 249 Abs. 2 Satz 3 StPO). Danach wurde die Hauptverhandlung bis zum 20. Dezember 2007 unterbrochen. Mit Recht rügt der Beschwerdeführer, dass durch diese Verfahrensvor-gänge die Hauptverhandlung im Termin vom 6. Dezember 2007 nicht im Sinne des § 229 Abs. 4 Satz 1 StPO fortgesetzt worden ist, deren tatsächliche Fort-setzung somit erst am 20. Dezember 2006 stattgefunden hat und die [X.] daher wegen Überschreitung der Frist des § 229 Abs. 1 StPO neu hätte begonnen werden müssen. Ein Fortsetzungstermin ist nur dann geeignet, die [X.]en des § 229 Abs. 1 oder 2 StPO zu wahren, wenn in ihm zur Sache verhandelt ([X.], 1149; 1996, 3019, 3020; NStZ 1999, 521), also das Verfahren inhaltlich auf den abschließenden Urteilsspruch hin gefördert wird ([X.], 3077 m. w. N.). Nicht genügend sind dage-gen sog. Schiebetermine, die die [X.] lediglich rein formal wah-ren, in denen tatsächlich aber keine Prozesshandlungen oder Erörterungen zu Sach- oder Verfahrensfragen vorgenommen werden, die geeignet sind, die Sa-che ihrem Abschluss substantiell näher zu bringen. Derartige Schiebetermine liegen darüber hinaus auch dann vor, wenn einheitliche [X.], insbesondere Beweisaufnahmen, willkürlich in mehrerer kurze [X.] zerstückelt und diese auf mehrere Verhandlungstage verteilt werden, 3 - 4 - nur um hierdurch die zulässigen [X.]en einzuhalten ([X.], 3019, 3020; 2006, 3077; NStZ-RR 1998, 335). Wo dabei zur Wahrung der dem § 229 StPO zu Grunde liegenden Konzentrationsmaxime (zum Zweck der Vorschrift s. [X.], 3019 f.; 2006, 3077, 3078 jew. m. w. N.) die Grenze zu ziehen ist, bedarf vorliegend keiner allgemeinen Erörterung. Sie ist jedenfalls dann überschritten, wenn sich ein "Fortsetzungstermin" in der [X.] solcher Formalien erschöpft, die weder für die Urteilsfindung noch für den dorthin führenden Verfahrensgang eigenständiges Gewicht besitzen. So lag es hier. Die Bestellung des Pflichtverteidigers für den [X.]stermin vom 6. Dezember 2006 sowie die Anordnung des [X.] nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 StPO haben die Sache nicht inhaltlich auf die Endentscheidung hin gefördert; sie schafften vielmehr erst die notwendigen Voraussetzungen, damit an diesem Termin die Verhandlung überhaupt fortge-setzt werden konnte (zur Entpflichtung oder Bestellung eines Pflichtverteidigers vgl. [X.] StV 1982, 4, 5 m. Anm. [X.]; NStZ 1999, 521; vgl. auch [X.] NStZ-RR 1998, 335). Aber auch die Feststellung nach § 249 Abs. 2 Satz 3 StPO be-inhaltete keine Sachverhandlung. Sie erschöpfte sich in der Protokollierung, dass ein Teil der Beweiserhebung, der [X.] im Selbstleseverfahren, entsprechend der Anordnung des Vorsitzenden vom ersten [X.] zwi-schenzeitlich außerhalb der Hauptverhandlung stattgefunden hatte. Nur die Beweisaufnahme als solche, nicht jedoch ihre Aufnahme in die [X.] befördert die Wahrheitsermittlung in der Sache und damit die Urteilsfin-dung. Ein Hauptverhandlungstermin, der nur zu dem Zweck anberaumt wird, [X.] aus einem früheren [X.] zu protokollieren, ist daher generell nicht geeignet, die [X.]en des § 229 Abs. 1 oder 2 StPO zu wahren; nichts anderes kann gelten, wenn es allein um die [X.] - 5 - rung eines Verfahrensteils geht, der - wie hier - ausnahmsweise außerhalb der Hauptverhandlung stattfinden konnte. Hat der Tatrichter gegen § 229 Abs. 1 und 4 Satz 1 StPO verstoßen, so beruht das Urteil regelmäßig auf diesem Verfahrensmangel (§ 337 Abs. 1 StPO; vgl. [X.] NStZ 1992, 550, 551; [X.], 623, 624; 1996, 3019, 3020). So liegt es auch hier; denn besondere Umstände, die ausnahmsweise eine andere Be-urteilung rechtfertigen könnten (s. [X.]St 23, 224, 225; [X.] StV 1994, 5), lie-gen nicht vor. Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben. 5 Für das weitere Verfahren weist der Senat noch auf Folgendes hin: Sollte im Falle einer erneuten Verurteilung des Angeklagten wiederum die Anordnung des erweiterten Verfalls des Pkw [X.] Phaeton gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 2 BtMG, § 73 d Abs. 1 Satz 3, § 73 Abs. 2 Satz 2 StGB in Betracht zu ziehen sein, so wird sich das [X.] eingehender mit der Frage zu beschäftigen haben, ob eine derartige Anordnung gegen den Angeklagten ergehen kann, obwohl das Fahrzeug in das Eigentum der B.

AG gelangt ist. Allein der Umstand, dass der Angeklagte Alleinaktionär dieser Gesellschaft ist, reicht hierfür nicht aus; vielmehr ist es nur beim Vorliegen besonderer, darüber hinaus gehender Gründe zulässig, die formale rechtliche Unterscheidung zwischen dem Gesell-schaftsvermögen und dem Privatvermögen des Angeklagten außer Betracht zu lassen (vgl. [X.] NStZ 2006, 639, 640). Die bisherigen Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten deuten jedoch darauf hin, dass derartige Besonderheiten hier gegeben sein könnten. Sollten solche den-noch nicht festzustellen sein, wird der neue Tatrichter zu beachten haben, dass die Anordnung des erweiterten Verfalls gegen die [X.] von vornherein ausscheidet und diese daher nicht am Verfahren zu beteiligen ist; denn § 73 d verweist nicht auf § 73 Abs. 3 StGB (Joecks in [X.] § 73 d 6 - 6 - Rdn. 26). In diesem Fall wird zu erwägen sein, ob gegen den Angeklagten in Höhe des Kaufpreises des [X.] Phaeton der erweiterte Wertersatzverfall hin-sichtlich des Kurierlohns aus nicht abgeurteilten Betäubungsmitteltransporten anzuordnen ist (§ 33 Abs. 1 Nr. 2 BtMG, § 73 d Abs. 2, § 73 a Satz 1 StGB). [X.] [X.]

Meta

3 StR 254/07

16.10.2007

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.10.2007, Az. 3 StR 254/07 (REWIS RS 2007, 1431)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 1431

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

3 StR 61/11 (Bundesgerichtshof)


3 StR 61/11 (Bundesgerichtshof)

Fristwahrende Unterbrechung der Hauptverhandlung: Verfahrensfehlerhafte Durchführung eines "reinen Schiebetermins"


3 StR 401/11 (Bundesgerichtshof)

Strafverfahren: Scheinverhandlung zur Wahrung der Unterbrechungsfrist


6 StR 75/23 (Bundesgerichtshof)

Unterbrechung der Hauptverhandlung: Erörterung eines Ablehnungsgesuchs als fristwahrende Verhandlung


3 StR 401/11 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.