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Unbestimmtheit der Bauvorlagen
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Klägerin begehrt die Erteilung einer Baugenehmigung für das Grundstück FlNr. …, Gemarkung …, … Das Vorhaben liegt im Geltungsbereich des einfachen Bebauungsplans Nr. … Mit am 28. Juni 2019 bei der Beklagten eingegangenem Antrag beantragte die Klägerin die Baugenehmigung für das Vorhaben „Neubau einer Wohnanlage mit Tiefgarage“ auf dem Grundstück FlNr. …, Gemarkung … Mit Bescheid vom 25. Mai 2020 wurde unter dem Az.: … die Genehmigung für das Vorhaben „Neubau einer Wohnanlage mit Gewerbeeinheit (31 WE und 1 Gewerbeeinheit) einschließlich einer Tiefgarage mit 31 Stellplätzen“ für das Grundstück FlNr. …, Gemarkung … …, erteilt. Dabei wurden Abweichungen zugelassen wegen der Nichteinhaltung der erforderlichen Abstandsflächen der Gauben von Haus 1 zu den Nachbargrundstücken FlNrn. … und … sowie wegen der Nichteinhaltung der erforderlichen Abstandsflächen zwischen den nördlichen Balkonen von Haus 3 auf dem Baugrundstück. Gegenstand dieser Genehmigung sind folgende Wohngebäude: Haus 1, das die Lücke an der … schließt, als 5-geschossiges, straßenseitiges Gebäude, Haus 2 im Blockinnenbereich als 5-geschossiger Baukörper sowie grenzständig zu den Flurstücken … und … Haus 3 mit einer von Nord nach Süd abgetreppten Geschossigkeit von 4, 3 und 2 Geschossen.
Mit am 14. September 2020 bei der Beklagten eingegangenem Antrag beantragte die Klägerin die Genehmigung für das Vorhaben „Tektur Haus 3 zum Bauantrag Az.: …: Neubau einer Wohnanlage“ für das Grundstück FlNr. …, Gemarkung … Die Änderung erstreckt sich im Vergleich zum mit Bescheid vom 25. Mai 2020 genehmigten Vorhaben lediglich auf das Haus 3. Dieses soll nunmehr auf etwa 2/3 seiner Länge 4 Geschosse und auf 1/3 seiner Länge 3 Geschosse statt der genehmigten abgetreppten Geschossigkeit von 4, 3 und 2 Geschossen aufweisen.
Mit Schreiben vom 27. November 2020 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass das Vorhaben im Geltungsbereich des einfachen Bebauungsplans Nr. … liege und sich die Zulässigkeit des Vorhabens im Übrigen nach § 34 BauGB richte. Die Umgebung werde als Mischgebiet analog § 6 BauNVO eingestuft. Das beantragte Vorhaben füge sich nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Die beantragten zusätzlichen Geschosse auf Haus 3 seien planungsrechtlich unzulässig. Das geplante Maß der baulichen Nutzung als grenzständige Bebauung sei nicht aus der Bezugsumgebung des Gevierts ableitbar und füge sich nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Die im Osten angrenzenden Grundstücke FlNrn. … und …, jeweils Gemarkung …, an die mit 4 bzw. 3 Geschossen angebaut werden solle, seien nur 1- und 2-geschossig bebaut. Hier überschreite das geplante Vorhaben deutlich die grenzständige Geschossigkeit der Nachbarbebauung und demnach das von ihnen ausgehende, ableitbare Bezugsmaß für eine Bebauung ohne Abstandsflächen. Auch die Höhenentwicklung und Anzahl der Vollgeschosse der im Norden angrenzenden Nachbarn FlNrn. … und …, jeweils Gemarkung …, könne für ein Einfügen der geplanten 4-geschossigen Grenzbebauung nicht herangezogen werden. Das Maß der baulichen Nutzung und damit die nach Außen wahrnehmbar in Erscheinung tretende Anzahl an Vollgeschossen der rückwärtigen Bebauung auf FlNr. …, Gemarkung …, zeige nach Norden eine 4-Geschossigkeit mit Satteldach inklusive einer breitgestalteten Gaube. Zur südlichen Seite orientiert bilde das Gebäude eine nahezu 5-Geschossigkeit aus. Das Gebäude sei mit einem Grenzabstand von 4 bis 5 Meter zum beantragten südlichen Grundstück errichtet worden. Der erdgeschossige Anbau dagegen reiche bis zu seiner südlichen Grundstücksgrenze. Lediglich an den kürzeren Giebelseiten sei das Gebäude ohne Einhaltung der seitlichen Abstandsflächen an den seitlichen Grundstücksgrenzen errichtet worden. Ähnlich verhalte es sich mit der rückwärtigen Bebauung der FlNr. …, Gemarkung … Nach außen wahrnehmbar in Erscheinung träten drei Geschosse, sowohl nach Norden als auch nach Süden. Das Mansarddach verfüge auf beiden Seiten über mehrere schmale einzelne Gauben, deren Erscheinungsbild nicht zu einem weiteren Geschoss führe. Das Gebäude sei wie der oben beschriebene westliche Nachbar ebenfalls von der südlichen Grundstücksgrenze um 2 m - 3,70 m abgerückt. Die nördlich angrenzenden Nachbarn entsprächen in beiden Bereichen nicht der geplanten grenzständigen Bebauung auf dem beantragten Grundstück. Die dargestellte Höhenentwicklung und Anzahl an Vollgeschossen über eine Länge von ca. 36 m ohne Einhaltung der seitlichen Abstandsflächen übersteige den vorhandenen Rahmen und füge sich nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Aus städtebaulicher Sicht sei der maximal zulässige Rahmen mit der bereits erteilten Baugenehmigung zu … erreicht. Dem Tekturantrag könne deshalb nicht zugestimmt werden. Es werde Gelegenheit zur Stellungnahme binnen vier Wochen gegeben.
Mit Bescheid vom 20. Januar 2021 wurde für das Vorhaben „Neubau einer Wohnanlage mit Gewerbeeinheit (31 WE und 1 Gewerbeeinheit) einschließlich einer Tiefgarage mit 31 Stellplätzen - TEKTUR über Aufstockung Haus 3“ unter dem Az.: … die Genehmigung versagt. Die Begründung entspricht im Wesentlichen dem Inhalt des Anhörungsschreibens. Zusätzlich wird auf das Abstandsflächenrecht verwiesen. Infolge der beantragten Änderung (Aufstockung) von Haus 3 würden die Abstandsflächen nach Nordosten zu den FlNrn. … und … und Südosten zur FlNr. …, jeweils Gemarkung …, nicht eingehalten. Das geplante Vorhaben überschreite deutlich die grenzständige Geschossigkeit der Nachbarbebauung und demnach das ableitbare Bezugsmaß hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung. Die Möglichkeit, das Gebäude in der beantragten Form gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO an der Grenze ohne Einhaltung von Abstandsflächen zu errichten, scheide daher im vorliegenden Fall aus. Die erforderlichen Abweichungen könnten nicht zugelassen werden, weil diese unter Berücksichtigung der gesetzlichen Anforderungen unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen unvereinbar seien.
Mit Schriftsatz vom 2. Februar 2021, eingegangen bei Gericht am selben Tag, ließ die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten Klage erheben.
Zur Begründung wird unter anderem ausgeführt, dass das Geviert …, …, … und … aufgrund der Bebauungsstruktur und der räumlichen Nähe der Grundstücke zueinander für die Bestimmung der Eigenart der näheren Umgebung i.S.d. § 34 BauGB maßgeblich sei. Die maßgebliche Umgebung sei geprägt von bis zu 5-geschossiger Bebauung, grenzständig insbesondere auch in den rückwärtigen Grundstücksbereichen. Kleinere Innenhöfe seien ebenfalls vorhanden. Unmittelbar an das Vorhabensgrundstück schließe im Nordosten grenzständig ein 3-geschossiges Gebäude mit ausgebautem Dach an (FlNr. …*). Ebenfalls im rückwärtigen Bereich grenzständig bebaut seien die an das Vorhabensgrundstück angrenzenden Nachbargrundstücke FlNrn. …, … sowie … Seitens der Beklagten werde ausschließlich das geplante Maß der baulichen Nutzung als sich nicht in die nähere Umgebung einfügend benannt. Zunächst sei eine grenzständige Bebauung auch an den rückwärtigen Grundstücksgrenzen planungsrechtlich zulässig, da es nach der Rechtsprechung für die Möglichkeit, im Rahmen des § 34 Abs. 1 BauGB an rückwärtige Grundstücksgrenzen anzubauen genüge, dass eine entsprechende Bauweise in der Umgebung gehäuft vorzufinden sei. Das maßgebliche Geviert sei von teilweise massiver rückwärtiger grenzständiger Bebauung geprägt, womit eine grenzständige Bebauung grundsätzlich planungsrechtlich zulässig sei. Hiervon gehe im Übrigen auch die Beklagte aus. Der Umfang der zulässigen Grenzbebauung werde bauplanungsrechtlich durch das Maß der baulichen Nutzung, nicht durch die Bauweise bestimmt. In der hier vorliegenden maßgeblichen näheren Umgebung seien auch im rückwärtigen Bereich grenzständige oder grenznahe Gebäude mit bis zu 5 Vollgeschossen vorhanden. Insofern bilde die in den rückwärtigen Grundstücksbereichen vorhandene Bebauung mit bis zu 5 Geschossen den sich aus der maßgeblichen näheren Umgebung ergebenden Rahmen, in denen sich das Vorhaben einfügen müsse. Da der Maßstab der näheren Umgebung naturgemäß gröber sei als die Festsetzungen eines Bebauungsplans, komme im Einzelfall dem in § 34 Abs. 1 BauGB verankerten Gebot der Rücksichtnahme eine entscheidende Bedeutung zu. Im Begriff des Sicheinfügens eines Vorhabens in die nähere Umgebung sei auch das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme als ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal enthalten. Es könne für die Frage des Sicheinfügens des Tekturvorhabens alleine darauf ankommen, ob das Gebäude in Bezug auf die Nachbargrundstücke ausreichend Rücksicht nehme. Eine Rechtsverletzung sei erst dann zu bejahen, wenn von dem Vorhaben eine unzumutbare Beeinträchtigung ausgehe. Eine Veränderung der Verhältnisse durch ein Vorhaben, das wie das Vorliegende den Rahmen der Umgebungsbebauung wahre und städtebaulich vorgegeben sei, sei aber regelmäßig als zumutbar hinzunehmen. Für die Annahme einer abriegelnden bzw. erdrückenden Wirkung eines Vorhabens sei grundsätzlich kein Raum, wenn der Baukörper nicht erheblich höher sei als der des betroffenen Nachbargebäudes, was insbesondere gelte, wenn die Gebäude im dicht bebauten innerstädtischen Bereich lägen. Das mit dem Tekturantrag hinzutretende Vorhaben sei mit einer Höhe Oberkante Attika im 4-geschossigen Bauteil von 12,15 m und im 3-geschossigen Bauteil von 9,20 m nicht höher als die Nachbarbebauung auf dem Grundstück FlNr. …, lediglich ca. 3,8 m höher als die rückwärtige Grenzbebauung auf dem Nachbargrundstück FlNr. … bzw. im 3-geschossigen Bauteil nur ca. 4,5 m höher als die Nachbarbebauung auf FlNr. … Die straßenseitigen Bebauungen … und … seien jeweils für sich deutlich höher als das streitgegenständliche Tekturvorhaben. Durch das Vorhaben entstehe ein Höhenversatz an der Grenze, dieser liege aber deutlich unter dem seitens der Rechtsprechung zugelassenen. Eine einmauernde und abriegelnde Wirkung komme dem Bauvorhaben auch nicht gegenüber der straßenseitigen Nachbarbebauung … und … sowie … zu. Wie aus den beiliegenden Schnitten erkennbar, seien die straßenseitigen Nachbarbebauungen durchgehend erheblich höher als das beantragte Vorhaben. Durch das Vorhaben entstehe auch nur eine geringe zusätzliche Verschattung der Innenhöfe bei den Grundstücken … und … Nachdem das Vorhaben sich in den von der maßgeblichen Umgebung vorgegebenen Rahmen auch in seiner grenzständigen Ausprägung einfüge und auch nicht gegen das im Tatbestandsmerkmal des Sicheinfügens enthaltene Rücksichtnahmegebot verstoße, könne es ohne die Einhaltung von Abstandsflächen wie beantragt an der Grenze errichtet werden.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 20. Januar 2021, Az.: …, aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin die beantragte Baugenehmigung gemäß dem Antrag vom 14. September 2020 zu erteilen.
Hilfsweise,
die Beklagte zu verpflichten, den Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu verbescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung wird unter anderem ausgeführt, dass das Geviert zwischen der …, der …, der … und der … geformt durch eine insgesamt diffuse Bestandsbebauung sei. Während die äußere Bebauung von einer straßenbegleitenden Blockrandschließung mit 3- bis 5-geschossigen Gebäuden geprägt sei, grenzten im Blockinnenbereich sowohl Elemente in geschlossener als auch in halboffener Bebauung an das streitgegenständliche Vorhaben an. Die tatsächliche Bebauung lasse insgesamt ein einheitliches städtebauliches Ordnungssystem nicht erkennen. So lägen für die von der … aus erschlossenen Anwesen im rückwärtigen Grundstücksbereich nur Nebengebäude vor. Für die von der … aus erschlossene Bestandsbebauung hingegen sei aufgrund der dort anzutreffenden größeren Grundstückstiefen von bis ca. 35 m ein rückwärtiger Gebäudebestand mit 3- bzw. 4-geschossigen Hauptnutzungen in Form von Wohngebäuden ausgeführt. Bei den von der … aus erschlossenen Wohngebäuden betrage die Grundstückstiefe ca. 22 m; im rückwärtigen Grundstücksbereich seien hier grenzständig zum streitgegenständlichen Vorhaben 1- und 2-geschossige Rückgebäude mit teilweise gewerblicher Nutzung anzutreffen. Die von der … aus erschlossene Wohnbebauung weise mit ca. 17 m eine geringere Grundstückstiefe auf, grenzständig seien hier nurmehr untergeordnet Nebengebäude vorhanden. Hinsichtlich des Rahmens für das Maß der baulichen Nutzung könnten die Merkmale der äußeren Blockrandbebauung nicht schematisch auf den Blockinnenbereich übertragen werden. Die größte Bestandsbebauung im nördlichen Blockinneren sehe Gebäude mit Grundflächen von ca. 15 x 14 m bzw. 16 x 10 m und 4 (+D) bzw. 3 (+D) Geschossen vor. Östlich grenzten an das Baugrundstück Rückgebäude an, die eine Grundfläche von ca. 17 x 5 m und 1 bzw. 2 Geschossen aufwiesen. Mit dem ursprünglichen Bauantrag unter dem Az.: … sei auf diese Eigenart der Umgebung Bezug genommen worden, in dem sich die Neubebauung von Haus 3 in höhenabgestaffelter Weise mit 2, 3 und 4 Geschossen an der vorhandenen 1- und 2-geschossigen Grenzbebauung orientierte. Die den Gesamtbauvorhaben der Klägerin weichenden Gebäude auf dem Baugrundstück seien nicht geeignet, den Rahmen des Zulässigen, was Gebäudehöhe, Geschossigkeit und überbaubare Grundstücksfläche beträfe, zu erweitern. An der östlichen Grundstücksgrenze hätten sich auf dem Baugrundstück mutmaßlich eingeschossige Lager- oder Produktionsgebäude befunden. Der Katasterplan mit dem aktuellen Stand der Vermessung zeige ein weiteres Detail: Die zum Baugrundstück hin orientierte Nachbarbebauung, beginnend mit dem 4 (+D)-geschossigen Wohngebäude auf der FlNr. … und endend mit dem 1-geschossigen Rückgebäude auf FlNr. …, vermindere sich hinsichtlich ihrer Geschossigkeit im Uhrzeigersinn, nämlich von IV (+D) auf III (+D), auf II (+D), auf II und auf I. Dieser Abstufung in der Geschossigkeit sei in der Logik auch die Genehmigung des Hauses 3 mit einer abgetreppten Geschossigkeit von Nordwesten nach Südosten gefolgt. Der damals genehmigte Höhenversatz habe sich als städtebaulich verträglich dargestellt und weder eine erdrückende Wirkung noch unzumutbare Beeinträchtigungen auf die östliche Nachbarbebauung erkennen lassen. Nunmehr solle diese nachbarverträgliche Grenzbebauung zugunsten eines in Grundfläche und Geschossigkeit maximierten Vorhabens aufgegeben werden. Es entstünde ein ca. 36 m langes, 3- bis 4-geschossiges, dreiseitig an der Grenze stehendes und damit in dieser Ausprägung in der Umgebung vorbildloses Bauvorhaben. Die Klägerin nehme nun für sich in Anspruch, die größte Gebäudelänge im Innenbereich des Quartiers mit einer Geschossigkeit zu kombinieren, wie sie als grenzständige Bebauung nicht aus der maßstabsbildenden Bezugsumgebung des Gevierts abgeleitet werden könne. Die Bebauung von Haus 3 solle mit 4 bzw. 3 Geschossen mit einer Länge von ca. 36 m über die gesamte Grundstückstiefe errichtet werden. Die im Osten angrenzenden Nachbargebäuden seien hingegen nur 1- und 2-geschossig. Hier überschreite das geplante Vorhaben deutlich die grenzständige Geschossigkeit der Nachbarbebauung und demnach das ableitbare Bezugsmaß für eine Bebauung ohne Abstandsflächen. Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO könnten Abstandsflächen dann entfallen, wenn an die Grenze gebaut werden müsse und gebaut werden dürfe. Voraussetzung sei allerdings, dass sich das grenzständige Haus einfüge und deshalb planungsrechtlich zulässig sei. Sei dies nicht der Fall, müsse das Haus in seiner geänderten Höhe und Geschossigkeit die Abstandsflächen einhalten.
Mit Schriftsatz vom 17. Mai 2021 wies die Klägerin unter anderem auf die umfangreiche Grenzbebauung auf den Nachbargrundstücken sowohl an der Nordost- als auch an der Ostgrenze des Baugrundstücks hin. Die allseits geschlossene Grenzbebauung schließe schon eine wesentlich nachteilige Beeinträchtigung der Nachbarbebauung auch bei einem Höhenversatz zum streitgegenständlichen Vorhaben aus. Insbesondere ergebe sich auch aus den seitens der Beklagten selbst vorgelegten Lichtbildern, dass sich die nachbarliche Grenzbebauung gerade nicht wie seitens der Beklagten dargestellt im Uhrzeigersinn von einer 4-geschossigen Bebauung zu einer 1-geschossigen Bebauung entwickele, vielmehr sei die als eingeschossig verzeichnete Bebauung überhoch und entfalte die Wirkung von zwei Regelgeschossen. Im Übrigen beschränke sich deren Höhenentwicklung auch nur auf den kleineren Teil der Nachbarbebauung, wobei weiterhin zu beachten sei, dass auf diesen überhohen eingeschossigen Bauteilen zusätzlich noch Aufbauten und ein großmaßstäblicher Kamin vorhanden seien. Insbesondere der Kamin, der sich im Bereich des beantragten 3-geschossigen Gebäudeteils des streitgegenständlichen Vorhabens befinde, wirke sich wohl ebenfalls nicht positiv auf das Baugrundstück aus. Das streitgegenständliche Vorhaben sei auch im 3-geschossigen Bauteil nicht wesentlich höher als die Nachbarbebauung geplant. Keinesfalls bewege sich dieser Höhensprung in einem Rahmen, der das Rücksichtnahmegebot berühren könne. Dass ein ca. 36 m langes grenzständiges Gebäude im Bereich des Baugrundstücks planungs- und bauordnungsrechtlich zulässig sei, davon gehe die Beklagte ausweislich der Baugenehmigung von 2020 selbst aus. Eine darüber hinaus rahmensprengende Ausgestaltung des streitgegenständlichen Vorhabens sei im Vergleich zum bereits genehmigten Vorhaben nicht erkennbar. Ausdrücklich miteinbezogen werde die Kostenentscheidung der Beklagten vom 20. Januar 2021. Die erhobenen Gebühren seien nicht korrekt ermittelt worden, insbesondere seien die entsprechenden Tarifstellen des Kostenverzeichnisses nicht korrekt angewandt worden. Gemäß laufender Nummer 1.25.1 KVz entstehe eine Gebühr bei einer wesentlichen Änderung in Höhe der Gebühr wie Tarifstelle 1.24 abzüglich 50 von 100 der Gebühr für die Erstgenehmigung. Bei Zugrundelegung von 4,9 Mio. EUR Baukosten für das geänderte Vorhaben ergäben sich zunächst Gebühren in Höhe von 9.800,00 EUR. Davon wären nach Tarifstelle 1.25.1 50% der Erstgenehmigungsgebühr abzuziehen, d.h. 5.965,00 EUR. Von den verbleibenden 3.835,00 EUR sei dann noch die Ermäßigung aufgrund der Ablehnung des Antrags gemäß Art. 8 Abs. 1 KG abzuziehen. Die Kostenfestsetzung in Höhe von 5.948,61 EUR sei somit nicht korrekt.
Mit Schriftsatz vom 19. Juli 2021 führte die Beklagte unter anderem aus, dass das genehmigte Bauvorhaben aus städtebaulicher Sicht den Rahmen des maximal Zulässigen ausschöpfe. Die übermittelten Lichtbilder der Baustelle seien als Entscheidungsgrundlage für eine Baugenehmigung ungeeignet und nicht in der Lage, eine geänderte Beurteilung zu begründen. Einer positiven Bescheidung stünden auch unzureichende Planunterlagen entgegen. Zum einen erfülle der dem Tekturantrag beigefügte Lageplan im Maßstab 1:1000 nicht die Anforderungen im Hinblick auf eine darzustellende Bebauung, das geplante Vorhaben (üblicherweise Eintrag von Gebäude mit Geschosszahl bzw. First- und Außenwandhöhe) fehle im Lageplan völlig. Zum anderen fehlten vollständige Ansichten zum geplanten Vorhaben mit den Anschlüssen an die jeweiligen Nachbargebäude, hier insbesondere die für eine städtebauliche Beurteilung nicht unerhebliche Darstellung der vierten Gebäudeansicht (Ostfassade) als Brandwand mit höhengestaffelter anliegender Bestandsbebauung, von der Innenhofseite … aus gesehen. Vorgelegt worden sei nur die Westansicht zu Haus 3. Der Beurteilung, ob das Tekturvorhaben und das anliegende grenzständige Nachbargebäude trotz der geplanten Aufstockung nachbarverträglich aneinandergebaut würden, komme eine zentrale Bedeutung zu. Dieser planerische Nachweis sei auch umso wichtiger, als sich die Klägerin gerade darauf berufe, dass die Aufstockung unmittelbar an der Grundstücksgrenze auch bei nicht profil-/höhengleichem Anbau planungsrechtlich zulässig sei. Der konkrete Nachweis der Verträglichkeit bleibe durch die Unbestimmtheit der Bauvorlagen zur Tektur weiterhin offen. Die Kostenfestsetzung sei nicht zu beanstanden. Die Tarifstellen des Kostenverzeichnisses seien für die Ablehnung des Tekturantrags richtig angewandt worden. Zur Anwendung sei die Tarifstelle 1.25.1 in Verbindung mit der Tarifstelle 1.24.1.1.2 gekommen. Aufgrund der Ablehnung sei eine Ermäßigung in Höhe von 25% nach Art. 8 Abs. 1 KG gewährt worden. Die Differenz in den Berechnungen ergebe sich allein aus der unterschiedlichen Berechnungsgrundlage, nämlich den Baukosten. Die Klägerseite gehe von Baukosten in Höhe von 4,9 Mio. EUR bei einer Kubatur von 17.055,00 m³ aus. Diese Angaben stammten aus der Baubeschreibung des ursprünglichen Bauantrags. Bereits in der Berechnung der Baukosten zum ursprünglichen Bauantrag sei die Bauordnungsbehörde nach Überprüfung mit dem damaligen Baukostenindex von Baukosten in Höhe von 5,59 Mio. EUR ausgegangen. Bei Überprüfung der Kosten für den Tekturantrag seien als Rauminhalt nun 17.447,236 m³ in Ansatz gebracht worden. Hiernach beliefen sich die Baukosten nun auf 6.758.500,00 EUR.
Mit Schriftsatz vom 10. August 2021 teilte der Klägerbevollmächtigter unter anderem mit, dass die Ausführungen der Beklagten zur mangelnden Beurteilungsmöglichkeit der Nachbarverträglichkeit verwunderlich seien, da diese Anforderungen zum ersten Mal an die Bauherrin herangetragen worden seien. Es werde auf den vorgelegten Plan zur Tektur Haus 3 verwiesen, in welchem vor allem die geplanten Außenwandhöhen des Vorhabens dargestellt seien und insbesondere auch die unmittelbaren Auswirkungen auf die jeweilige Nachbarbebauung mittels des Eintrags des 45°-Winkels dargestellt seien. Die Anschlüsse zu den jeweiligen Nachbargebäuden sowohl nach Norden als auch nach Osten seien diesen Plänen ebenfalls entgegen den Ausführungen der Beklagten unschwer zu entnehmen. Die Nachbarbebauungen seien aufgrund des besonderen Fokus der Berücksichtigung des Rücksichtnahmegebots und auch den bisherigen Gesprächen mit der Beklagten in die Plandarstellungen aufgenommen worden, um hier eine entsprechende Bewertungsmöglichkeit zu schaffen. Die angestrebte Erhöhung durch das Tekturvorhaben sei in den zugehörigen Plänen ebenfalls vollständig dargelegt. Im Übrigen wäre die Beklagte, sofern sie Mängel in den Bauvorlagen erkannt hätte, gemäß Art. 65 Abs. 2 BayBO verpflichtet gewesen, die Bauherrin zu deren Behebung aufzufordern. Eine Nachforderung von Unterlagen sei nicht geschehen. Der konkrete Nachweis der Verträglichkeit, insbesondere was die ausreichende Belichtung der Nachbargebäude betreffe, sei mittels der vorgelegten Unterlagen mit dortiger Aufnahme des 45°-Winkels geführt worden.
Im Übrigen wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Behördenakten. Hinsichtlich des Augenscheins und Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
A.
Klagegegenstand ist einerseits die Verpflichtung der Beklagten auf Erteilung einer Baugenehmigung für das Vorhaben „Neubau einer Wohnanlage mit Gewerbeeinheit (31 WE und 1 Gewerbeeinheit) einschließlich einer Tiefgarage mit 31 Stellplätzen - TEKTUR über Aufstockung Haus 3“.
Weiterhin wendet sich die Klägerin auch ausdrücklich gegen die Kostenentscheidung, die zum ablehnenden Bescheid ergangen ist
B.
Die zulässigen Klagen sind unbegründet. Bezüglich der Verpflichtungsklage mangelt es der Klägerin an einem Anspruch auf Erteilung der begehrten Baugenehmigung (siehe 1.). Es besteht auch kein Anspruch auf Neuverbescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts (siehe 2.).
Auch die insoweit als Anfechtungsklage auszulegende gegen die Gebührenfestsetzung gerichtete Klage ist unbegründet (siehe 3.).
1. Gem. Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 BayBO ist eine Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind, d.h., wenn das Vorhaben sowohl genehmigungspflichtig als auch genehmigungsfähig ist.
1.1 Die beantragte Änderung des bereits genehmigten Vorhabens stellt sich unzweifelhaft als genehmigungspflichtig dar, da durch die geplante Aufstockung die bauliche Substanz verändert wird (siehe Decker in Busse/Kraus, BayBO, Stand 2021, Art. 55 Rn. 26), Art. 55 Abs. 1 BayBO.
1.2 Das nunmehr streitgegenständliche Vorhaben erweist sich indes als nicht genehmigungsfähig, da keine vollständigen Bauvorlagen vorgelegt wurden.
Ein Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung kann nur gegeben sein, wenn das beantragte Vorhaben auf der Grundlage des Bauantrags und der Bauvorlagen (Art. 64 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 BayBO) anhand der heranzuziehenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften geprüft werden kann.
Gem. Art. 64 Abs. 2 Satz 1 BayBO sind mit dem Bauantrag die für die Beurteilung des Vorhabens und die Bearbeitung des Bauantrags erforderlichen Unterlagen (Bauvorlagen) einzureichen. Art, Umfang und Inhalt der vorzulegenden Bauvorlagen regelt die Bauvorlagenverordnung (Art. 80 Abs. 4 BayBO).
Sofern die für die Beurteilung des Vorhabens und die Bearbeitung des Bauantrags erforderlichen Unterlagen nicht vollständig eingereicht worden sind und somit kein prüffähiger Bauantrag gegeben ist, darf die Behörde auch nicht im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens zur Erteilung der Baugenehmigung verpflichtet werden. Dies gilt auch für den Fall, dass es die Bauordnungsbehörde entgegen Art. 62 Abs. 1 Satz 1 BayBO unterlassen hat, den jeweiligen Bauherren zur Ergänzung der Bauvorlagen aufzufordern (siehe hierzu BayVGH, B.v. 26.9.2002 - 26 ZB 99.1925 - juris Rn. 9; VG München, U.v. 21.9.2020 - M 8 K 18.3139 - juris Rn. 23; VG Ansbach, U.v. 10.5.2021 - AN 3 K 20.01651 - juris Rn. 32; siehe auch allgemein: BayVGH, U.v. 29.4.1996 - 15 B 95.1843).
Gem. § 8 Abs. 2 Nr. 3 BauVorlV sind unter anderem die Ansichten der geplanten baulichen Anlage mit dem Anschluss an Nachbargebäude vorzulegen. Vorliegend hat es die Klägerin unterlassen, die Ostansicht des streitgegenständlichen Gebäudes vorzulegen, in den Bauvorlagen findet sich nur die Westansicht. Nach Auffassung der Kammer ist aber gerade die Ostansicht für die Beurteilung des Vorhabens von wesentlicher Bedeutung, da auf diese Weise die Grenzbebauung auf den östlich angrenzenden Nachbargrundstücken gemeinsam mit dem streitgegenständlichen Vorhaben in die Blickbeziehung genommen werden kann. Diese Zusammenschau kann sowohl für Fragen des Einfügens hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung, als aber auch für das Rücksichtnahmegebot von Bedeutung sein. Zwar finden sich in den Schnitten auch Einzeichnungen bezüglich der Nachbarbebauung, diese vermögen aber nicht die unterschiedlichen Höhenverläufe der Bebauung auf den im Osten angrenzenden Grundstücken wiederzugeben. Gerade auch die Wirkung des sich dort befindlichen Kamins, der sich über die Höhe von einem Geschoss erstreckt, ist für eine sachgerechte Beurteilung des Vorhabens in einer Ansicht gemeinsam mit dem streitgegenständlichen Vorhaben abzubilden. Die vorgenannten Ausführungen gelten insbesondere auch deshalb, weil das durch den Bauantrag und die Bauvorlagen gekennzeichnete Vorhaben den Gegenstand möglicher Nachbareinwendungen bestimmt (VGH Mannheim, U.v. 1.4.1998 - 4 S 722/98; BayVGH, B.v. 10.10.2013 - 15 ZB 11.01480).
Die Verpflichtungsklage war somit im Hauptantrag abzuweisen.
2. Auch bezüglich des hilfsweise geltend gemachten Anspruchs, den Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu verbescheiden, erweist sich die Klage als unbegründet, da die erforderliche Spruchreife gerade - wie soeben ausgeführt - nicht gegeben ist (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
3. Soweit die Klägerin sich gegen die Gebührenfestsetzung wendet, ist die Klage ebenfalls unbegründet. Die Beklagte hat nachvollziehbar die Berechnung anhand der von ihr zugrunde gelegten Baukosten in Höhe von 6.758.500,00 EUR und des Baukostenindexes dargelegt. Die durch die Beklagte angesetzten Baukosten wurden durch die Klägerin auch nicht substantiiert bestritten. Gründe, warum dieser Ansatz fehlerhaft sein sollte, wurden weder vorgetragen noch sind sie in sonstiger Weise ersichtlich.
C.
Nach alledem waren die Klagen abzuweisen.
Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit nach § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
Datenquelle d. amtl. Textes: Bayern.Recht
Meta
01.06.2022
Urteil
Sachgebiet: K
Zitiervorschlag: VG Ansbach, Urteil vom 01.06.2022, Az. AN 9 K 21.00188 (REWIS RS 2022, 3010)
Papierfundstellen: REWIS RS 2022, 3010
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
Nachbarklage gegen Baugenehmigung wegen unklarer Bauvorlagen in Bezug auf die Wandhöhe
Baugenehmigung für Studentenwohnheim
Begründung eines Baugenehmigungsbescheids, Durchmischung im Mischgebiet, Gebot der Rücksichtnahme, Abstandsflächen, Vorrang des Bauplanungsrechts im Abstandsflächenrecht, …
Antrag des Nachbarn auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen eine Baugenehmigung zur Errichtung …
Befreiung von der Festsetzung einer Baulinie
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