Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.06.2015, Az. 2 StR 186/15

2. Strafsenat | REWIS RS 2015, 9970

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Gegenstand

Räuberische Erpressung: Subjektiver Schadenseinschlag bei aufgenötigtem Weinkauf


Tenor

1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 19. Dezember 2014 mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagten jeweils wegen räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die Rechtsmittel der Angeklagten haben jeweils mit der Sachrüge Erfolg, ohne dass es auf die vom Angeklagten S.      erhobenen Verfahrensrügen noch ankommt.

I.

2

Nach den Feststellungen des [X.]s nötigten die beiden Angeklagten das [X.], den Inhaber eines [X.] Restaurants, durch (konkludente) Drohung mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben dazu, ihnen 20 Kartons Wein zu einem Preis von 450 € abzukaufen, obwohl er dies nicht wollte. Feststellungen zum objektiven Wert des verkauften Weines oder zum etwaigen Erlös aus dessen Verkauf hat die [X.] nicht getroffen. Sie ist davon ausgegangen, dass - unabhängig hiervon - nach den Grundsätzen des persönlichen [X.] ein Vermögensnachteil für das [X.] in Höhe des gesamten Kaufpreises entstanden sei. Ein vom Täter zum Kauf einer Ware genötigtes Erpressungsopfer sei auch dann geschädigt, wenn es für die Ware keine sinnvolle Verwendung habe oder sie auch nur nicht verwenden wolle.

II.

3

Die Annahme eines [X.] begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Zwar kann grundsätzlich - unabhängig davon, welchen objektiven Wert eine dem Opfer zugeflossene Gegenleistung hat und ob dadurch im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtsaldierung die durch die eigenen Aufwendungen bewirkte Minderung des Vermögens ausgeglichen wird - ein Schaden nach den Grundsätzen des subjektiven oder individuellen [X.] angenommen werden (zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit im [X.], 365). Dies kommt nach der Rechtsprechung insbesondere in Betracht, wenn dem Opfer Mittel entzogen werden, die für die ordnungsgemäße Erfüllung seiner sonstigen Verbindlichkeiten sowie für eine angemessene Wirtschafts- und Lebensführung unerlässlich sind, das Opfer zu weiteren vermögensschädigenden Maßnahmen genötigt wird oder das Opfer die Gegenleistung nicht oder nicht in vollem Umfang zu dem vertraglich vorausgesetzten Zweck oder in anderer zumutbarer Weise verwenden kann (st. Rspr.; BGHSt 16, 321, 331; 23, 300, 301). Anhaltspunkte dafür, dass eine dieser Fallgestaltungen anzunehmen sein könnte, lassen sich den Urteilsgründen nicht entnehmen; vielmehr spricht nach der Lebenserfahrung eher Einiges dafür, dass das Opfer den ihm aufgezwungenen Wein im Rahmen seines [X.] weiterveräußert und dadurch Einnahmen erzielt hat, die als Kompensation bei der Nachteilsfeststellung zu berücksichtigen gewesen wären (vgl. [X.], 33).

4

Soweit das [X.] darüber hinaus meint, ein Fall des persönlichen [X.] sei auch gegeben, wenn das Opfer die ihm aufgezwungene Ware nicht verwenden wolle [X.], in [X.]/[X.], StGB, 29. Aufl., § 253 Rn. 9), trägt auch dies die Annahme eines [X.] nicht. Die [X.] hat zwar festgestellt, dass das [X.] den Wein ursprünglich nicht käuflich erwerben wollte und insoweit durch eine (konkludente) Drohung zu einer nicht gewünschten Handlung genötigt worden ist. Sie hat aber nicht - was darüber hinaus für die Annahme eines Nachteils erforderlich gewesen wäre - belegt, dass der Geschädigte diesen Wein nach dem aufgezwungenen Erwerb auch nicht etwa im Rahmen seines Geschäftsbetriebs verwenden oder anderweit veräußern wollte. Insoweit fehlt es schon am Nachweis der tatsächlichen Voraussetzungen für die vom [X.] angenommene Fallgruppe.

5

Im Übrigen stünde der Annahme eines so begründeten [X.] Rechtsprechung des [X.] entgegen, die in Fällen subjektiven [X.] verlangt, bei der Schadensfeststellung den in dem [X.] enthaltenen Gegenwert kompensatorisch zu berücksichtigen, den der Geschädigte mit zumutbarem Einsatz realisieren konnte (vgl. zuletzt mwN [X.], 728). Auf die Vorstellungen, Wünsche oder Absichten des Geschädigten kommt es insoweit nicht an. Betrug schützt wie auch Erpressung nicht die Dispositionsfreiheit, sondern das Vermögen; deshalb ist eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten, die es ausschließt, die Annahme eines Nachteils allein auf den Umstand zu stützen, der Geschädigte wolle die aufgezwungene Ware - obwohl er es in zumutbarer Weise könnte - nicht verwenden oder weiterveräußern.

6

Dies führt zur Aufhebung der landgerichtlichen Entscheidung. Der Senat hebt auch mit Blick auf eine nicht unbedenkliche Beweiswürdigung, insbesondere zur Einbindung des im Auto zurückbleibenden Angeklagten [X.]     und deren Einordnung in das Tatgeschehen ([X.]: Angeklagter als [X.] und Wortführer) die gesamten Feststellungen auf, um dem neuen Tatrichter Gelegenheit zur Feststellung eines neuen, in sich widerspruchsfreien Sachverhalts zu geben. Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass - sollte in der neuen Hauptverhandlung nicht festgestellt werden können, dass dem [X.] durch den abgenötigten Ankauf des Weins ein Vermögensnachteil entstanden wäre - die Annahme einer Nötigung nach § 240 StGB in Betracht kommt.

Fischer                        Krehl                        Eschelbach

                  Zeng                        Bartel

Meta

2 StR 186/15

11.06.2015

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Hanau, 19. Dezember 2014, Az: 4414 Js 12197/12 - 5 KLs

§ 240 StGB, § 255 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.06.2015, Az. 2 StR 186/15 (REWIS RS 2015, 9970)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 9970

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