Bundespatentgericht, Beschluss vom 10.07.2017, Az. 28 W (pat) 35/16

28. Senat | REWIS RS 2017, 8346

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Erdmann & Rossi/Erdmann & Rossi (Unionsmarke)" – zur Verfahrensaussetzung bei Vorgreiflichkeit - Aussetzung des markenrechtlichen Beschwerdeverfahrens bis zur Entscheidung des EuG über den Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit der Widerspruchsmarke wegen bösgläubiger Markenanmeldung


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die eingetragene Marke 30 2011 064 111

hat der 28. Senat ([X.]) des [X.] am 10. Juli 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Prof. Dr. Kortbein sowie der Richter [X.] und Dr. Söchtig

beschlossen:

Das Beschwerdeverfahren wird bis zum rechtskräftigen Abschluss des derzeit vor dem Gericht der [X.] anhängigen Verfahrens wegen Erklärung der Nichtigkeit der Widerspruchsmarke [X.] ([X.]/16) ausgesetzt.

Gründe

I.

1

Von der Markeninhaberin ist am 25. November 2011 die Wortmarke

2

[X.] & [X.]

3

angemeldet worden, die am 25. Januar 2012 für die Waren und Dienstleistungen

4

Klasse 12: Kraftfahrzeuge, insbesondere getunte PKW; Karosserien für Kraftfahrzeuge,

5

Klasse 37: Instandsetzung, [X.]eparatur und Wartung von Kraftfahrzeugen, insbesondere Karosserien für PKW,

6

Klasse 42: Design, Formgebung und technische Entwicklung von Karosserien für Kraftfahrzeuge,

7

unter der Nummer 30 2011 064 111 eingetragen wurde. Gegen die Eintragung hat der Widersprechende als damals eingetragener Inhaber am 3. Mai 2012 Widerspruch aus seiner am 19. September 2011 angemeldeten und am 3. Februar 2012 für die Waren und Dienstleistungen

8

Klasse 12: Kraftfahrzeuge, insbesondere getunte Kraftwagen; Karosserien für Kraftfahrzeuge,

9

Klasse 37: Instandsetzung von Kraftfahrzeugen und Aufbauten zu Kraftfahrzeugen; [X.]eparatur und Wartung von Kraftfahrzeugen,

Klasse 42: Design und Formgebung sowie technische Entwicklung von Karosserien für Kraftfahrzeuge; Planung von Fabrikationseinrichtungen; Konstruktion von Werkzeugen und Anlagen für den Kraftfahrzeugbau,

eingetragenen Wortmarke [X.] 010 310 481

[X.] & [X.]

erhoben.

Das [X.], Markenstelle für Klasse 12, hat das Widerspruchsverfahren zunächst wegen eines zwischen den Beteiligten vor dem [X.] anhängigen [X.]echtsstreits (15 O 478/11) über die Berechtigung an der Widerspruchsmarke durch Beschluss vom 18. Juni 2013 ausgesetzt. Am 26. März 2014 hat die Markeninhaberin beim [X.] ([X.], jetzt: Amt der [X.]   [X.]) Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit der Widerspruchsmarke gemäß Art. 52 Abs. 1 Buchstabe b [X.]V gestellt und geltend gemacht, der Widersprechende sei bei der Anmeldung der Marke [X.] 010 310 481 bösgläubig gewesen. Mit Schreiben vom 4. Februar 2015 hat sie ergänzend beim [X.] Antrag auf Aussetzung des Widerspruchsverfahrens bis zur rechtskräftigen Entscheidung des [X.] beim [X.] gestellt. Am 29. Juni 2015 wurde der Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit von der Löschungsabteilung des [X.] vollumfänglich zurückgewiesen (Löschung Nr. 9175 C   Nichtigkeit), wogegen die Markeninhaberin am 18. August 2015 Beschwerde eingelegt hat. Nach Abschluss des [X.] vor dem [X.] hat die Markenstelle für Klasse 12 des [X.]s durch Beschluss vom 26. November 2015 die Löschung der Eintragung der angegriffenen Marke aufgrund des Widerspruchs angeordnet (Ziffer 1. des Tenors). Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der [X.] nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 [X.] (sog. Doppelidentität) gegeben sei. Ferner hat es in dem Beschluss vom 26. November 2015 bestimmt, dass Kosten weder auferlegt noch erstattet werden (Ziffer 2. des Tenors). Schließlich wurde mit ihm der Antrag der Markeninhaberin, das Widerspruchsverfahren bis zum rechtskräftigen Abschluss des beim [X.] anhängigen [X.] auszusetzen, zurückgewiesen (Ziffer 3. des Tenors). Diese Entscheidung wurde damit begründet, dass in entsprechender Anwendung von § 32 [X.] eine Aussetzung nicht sachdienlich sei. Weder sei eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für die Erklärung der Nichtigkeit der Widerspruchsmarke gegeben, noch sei eine bestandskräftige Entscheidung über die Löschung in absehbarer [X.] zu erwarten.

Die Markeninhaberin hat mit [X.] vom 31. Dezember 2015 beim [X.] Beschwerde eingelegt, die dem [X.] am 3. Juli 2016 vorgelegt worden ist. Darin beantragt sie, den Beschluss des [X.]s vom 26. November 2015 aufzuheben.

Mit Entscheidung vom 18. Juli 2016 ([X.] 1670/2015-4) hat die Vierte [X.] des [X.] auf die Beschwerde der Markeninhaberin die Widerspruchsmarke für nichtig erklärt (vgl. [X.]. Heft 11/2016, 512 bis 516). Der Senat bat daraufhin die Beteiligten mit Schreiben vom 5. August 2016 um Stellungnahme zu dem von ihnen beabsichtigten Vorgehen. Mit Schreiben vom 27. September 2016 hat der Widersprechende mitgeteilt, dass er gegen die Entscheidung vom 18. Juli 2016 Klage zum Gericht der [X.] erhoben habe, die dort unter dem Aktenzeichen [X.]/16 bearbeitet werde. Daraufhin wurden die Beteiligten mit Schreiben vom 7. Oktober 2016 um Stellungnahme zu der Absicht des Senats, das Beschwerdeverfahren bis zur Entscheidung des Gerichts der [X.] über die Klage des Widersprechenden auszusetzen, gebeten.

Die Markeninhaberin hält die Aussetzung des Beschwerdeverfahrens für geboten. Sie führt aus, dass ihr ein irreparabler Schaden entstünde, falls der angegriffene Beschluss in Bestandskraft erwachsen würde. In diesem Fall könne sie allenfalls das Wortzeichen „[X.] & [X.]“ neu anmelden. Mit weiterem [X.] vom 16. November 2016 hat die Markeninhaberin den „Antrag aus der Beschwerdeschrift vom 31.12.2015 dahingehend klargestellt, dass der Beschluss vom 26.11.2015 des [X.] hinsichtlich der Zurückweisung des Antrages auf Aussetzung des Widerspruchsverfahrens aufgehoben wird“.

Der Widersprechende beantragt,

die Beschwerde unverzüglich kostenpflichtig zurückzuweisen.

Er trägt vor, dass für eine Aussetzung des Beschwerdeverfahrens nach Klarstellung des Antrags durch die Markeninhaberin mit [X.] vom 16. November 2016 schon deswegen kein [X.]aum bestehe, weil sie die mit Beschluss des [X.]s vom 26. November 2015 angeordnete Löschung der Eintragung der angegriffenen Marke 30 2011 064 111 nicht mehr angreife. Insofern sei die durch den angegriffenen Beschluss angeordnete Löschung in Bestandskraft erwachsen. Zudem sei eine Aussetzung des Beschwerdeverfahrens unzulässig. Das Widerspruchsverfahren sei ein auf schnelle Erledigung angelegtes [X.]egisterverfahren und dürfe nicht ungebührlich verzögert werden. Die [X.]egisterlage sei vorliegend eindeutig. Auf die angebliche Bösgläubigkeit bei der Anmeldung der Widerspruchsmarke komme es im Widerspruchsverfahren nicht an.

Ferner sei die Entscheidung der [X.] des [X.] ersichtlich unzutreffend. Eine Löschung der Eintragung der Widerspruchsmarke sei daher nicht hinreichend wahrscheinlich. Auch sei ein rechtskräftiger Abschluss des [X.] nicht absehbar, da das [X.] wegen der Möglichkeit eines [X.]echtsmittelverfahrens vor dem [X.] noch Jahre in Anspruch nehmen könne. Dies sei mit Blick auf die schutzwürdigen Interessen am Werterhalt und an der Verwendbarkeit der älteren Marke für den Widersprechenden nicht hinnehmbar, zumal das Widerspruchsverfahren bereits fünf Jahre andauere.

Die Widerspruchsmarke wurde mit Wirkung zum 1. März 2017 auf die Automobile [X.] & [X.] Verwaltungs-GmbH umgeschrieben. Die Beteiligten wurden mit Schreiben des Senats vom 13. Juni 2017 darauf hingewiesen, dass der [X.]echtsübergang das gegenständliche Beschwerdeverfahren nicht berührt, solange die [X.]echtsnachfolgerin dieses nicht übernimmt. Mit Schreiben vom 20. Juni 2017 teilte der Widersprechende mit, dass das Verfahren von ihm fortgeführt werde. Darin hat er die bereits mit [X.] vom 27. September 2016 erhobene Verzögerungsrüge nach § 198 [X.] erneut geltend gemacht und auf eine rasche Zurückweisung der Beschwerde gedrungen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Der Ausgang des vorliegenden Beschwerdeverfahrens hängt von dem Bestand der Widerspruchsmarke ab, so dass es bis zum rechtskräftigen Abschluss des gegenwärtig beim Gericht der [X.] anhängigen Verfahrens wegen Erklärung der Nichtigkeit der Marke [X.] 010 310 481 ([X.]/16) gemäß § 148 ZPO i. V. m. 82 Abs. 1 Satz 1 [X.] ausgesetzt wird.

1. Die Anwendung des § 148 ZPO wird nicht durch die Besonderheiten des Verfahrens vor dem [X.], insbesondere nicht durch die registerrechtliche Natur des Widerspruchsverfahrens, ausgeschlossen (§ 82 Abs. 1 Satz 1, letzter [X.]., [X.]). In § 32 Abs. 2, 2. Alt., [X.] ist ausdrücklich vorgesehen, dass Widerspruchsverfahren vor dem [X.] bei Anhängigkeit eines Verfahrens zur Löschung der Eintragung der Widerspruchsmarke ausgesetzt werden können. Dies betrifft nach allgemeiner Meinung gerade Löschungsverfahren wegen absoluter Schutzhindernisse (vgl. [X.]/Hacker, [X.], 11. Auflage, § 43, [X.]dnr. 103). Für Widerspruchsverfahren, die vor dem Beschwerdegericht anhängig sind, kann nichts Anderes gelten (vgl. auch [X.]/Hacker, [X.], 11. Auflage, § 82, [X.]dnr. 58).

a) Das beschwerdegegenständliche Widerspruchsverfahren ist in der Hauptsache noch anhängig. Der angegriffene Beschluss des [X.]s vom 26. November 2015 ist auch insoweit nicht in Bestandskraft erwachsen, nachdem die Beschwerdeführerin im vorliegenden Verfahren weiterhin die Aufhebung der Anordnung der Löschung der Eintragung der angegriffenen Marke 30 2011 064 111 (Ziffer 1. des Tenors) verfolgt.

Mit [X.] vom 31. Dezember 2015 hat sie ausdrücklich beantragt, „den Beschluss/Beschlüsse des [X.]es aufzuheben“. Die im [X.] vom 16. November 2016 enthaltene weitere Erläuterung des ursprünglich gestellten Antrags („Zunächst wird der Antrag aus der Beschwerdeschrift vom 31.12.2015 dahingehend klargestellt, dass der Beschluss vom 26.11.2015 des [X.] hinsichtlich der Zurückweisung des Antrages auf Aussetzung des Widerspruchsverfahrens aufgehoben wird“) kann jedenfalls im Gesamtzusammenhang der Einlassung nicht eindeutig als Teilrücknahme der Beschwerde in Bezug auf die im angegriffenen Beschluss ausgesprochene Löschungsanordnung entsprechend §§ 133, 157 BGB ausgelegt werden. Denn die Beschwerdeführerin gibt in ihrem [X.] vom 16. November 2016 ausdrücklich zu erkennen, dass sie weiterhin die Aufhebung der Anordnung der Löschung der Eintragung der jüngeren Marke begehrt (vgl. Seite 4, letzter Absatz: „Sollte der Löschungsbeschluss vom 26.11.2015 mit der Folge rechtskräftig werden, dass die [X.] Marke der [X.] gelöscht würde, würde der [X.] für den voraussehbaren Fall der Löschung der Widerspruchsmarke ein nicht reparabler Schaden entstehen.“). Zudem macht der Antrag der Beschwerdeführerin auf Aufhebung der Zurückweisung des Antrags auf Aussetzung des Widerspruchsverfahrens (Ziffer 3. des Tenors des Beschlusses vom 26. November 2015) nur dann Sinn, wenn sie sich mit der Beschwerde auch gegen die Anordnung der Löschung der Eintragung ihrer Marke 30 2011 064 111 wendet. Ansonsten könnte die nicht nachvollziehbare Situation entstehen, dass das Widerspruchsverfahren ausgesetzt bleibt, während die seinen Gegenstand bildende Marke 30 2011 064 111 nicht mehr existiert.

b) Das von der Markeninhaberin mit Antrag vom 26. März 2014 beim [X.] eingeleitete Verfahren zur Erklärung der Nichtigkeit der Widerspruchsmarke gemäß Art. 52 Abs. 1 Buchstabe b [X.]V ist für den vorliegenden [X.]echtsstreit vorgreiflich.

Sofern die Entscheidung der [X.] des [X.] vom 18. Juli  2016 ([X.] 1670/2015-4) nicht aufgehoben werden sollte, wäre die Erklärung der Nichtigkeit der Widerspruchsmarke rechtskräftig. Dies würde dazu führen, dass deren Wirkungen von Anfang an als nicht eingetreten gelten (Art. 55 Abs. 2 [X.]V). Damit wäre der Widerspruch nachträglich unzulässig geworden (vgl. [X.], 90; 20, 235; 24, 112). Infolgedessen müsste dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Aufhebung der Anordnung der Löschung der Eintragung der Marke 30 2011 064 111 in Ziffer 1. des Tenors des Beschlusses vom 26. November 2015 stattgegeben werden.

Falls jedoch die Entscheidung der [X.] des [X.] vom 18. Juli 2016 aufgehoben werden und damit die Erklärung der Nichtigkeit der Widerspruchsmarke nicht in [X.]echtskraft erwachsen sollte, könnte dies zur Zurückweisung der Beschwerde und damit zur Bestätigung der im angegriffenen Beschluss angeordneten Löschung der Eintragung der angegriffenen Marke 30 2011 064 111 gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 [X.] führen.

c) Die für eine Aussetzung sprechenden Umstände überwiegen vorliegend deutlich das Interesse des Widersprechenden, das Beschwerdeverfahren fortzusetzen.

Die Entscheidung über die Aussetzung des Beschwerdeverfahrens liegt, wenn die Voraussetzungen des § 148 ZPO erfüllt sind, im Ermessen des Gerichts (vgl. BGH G[X.]U[X.] 2015, 1201, [X.]dnr. 18; [X.], ZPO, 31. Auflage, § 148, [X.]dnr. 7). Zwar kann die Aussetzung des Beschwerdeverfahrens nach der Aussetzung des Widerspruchsverfahrens vor dem [X.] zu einer weiteren, unter Berücksichtigung der Dauer eines möglichen [X.]echtsmittelverfahrens vor dem [X.] unter Umständen mehrjährigen Verfahrensverlängerung führen. Die Bestandsfähigkeit der Widerspruchsmarke vorausgesetzt, würde dies den Widersprechenden bzw. seine [X.]echtsnachfolgerin beträchtlich belasten. Solange nämlich offen ist, ob die Eintragung der angegriffenen Marke gelöscht wird, kann eine längere Fortdauer des Widerspruchsverfahrens unabhängig vom schwebenden [X.] die Verwendbarkeit und den Wert der Widerspruchsmarke beeinträchtigen. Bei Aussetzung des Beschwerdeverfahrens kann der Widersprechende ferner gehalten sein, die Benutzung der Widerspruchsmarke nach § 43 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 125b Nr. 4 [X.] für einen erheblich späteren [X.]raum glaubhaft zu machen, ohne dass das anhängige [X.] den Inhaber der Widerspruchsmarke zum Unterlassen der Benutzung berechtigt (vgl. [X.]/Hacker, [X.], 11. Auflage, § 26, [X.]dnr. 111).

Dieser deutlichen Beeinträchtigung des Widersprechenden sind jedoch die möglichen Nachteile gegenüber zu stellen, die der Beschwerdeführerin durch die Nichtaussetzung des Beschwerdeverfahrens erwachsen können. In diesem Fall würde sie ihre Marke trotz etwaiger Nichtigkeit der Widerspruchsmarke endgültig verlieren. Sie müsste danach die Marke erneut anmelden, was erhebliche Kosten, zeitliche Verzögerungen, einen schlechteren [X.]rang und [X.]isiken auf Grund zwischenzeitlich neu entstandener [X.]echte zur Folge hätte. Auch wenn diese Beeinträchtigungen jeden Inhaber einer mit Widerspruch angegriffenen Marke treffen können, so kommt doch im vorliegenden Fall ein besonderer Umstand erschwerend hinzu. Die Widerspruchsmarke wurde unter Umständen bösgläubig angemeldet. Es wäre grob unbillig, wenn auf Grund des Widerspruchs die Eintragung der jüngeren Marke endgültig gelöscht werden würde, obwohl die ältere Marke gegebenenfalls zuvor in sittenwidriger oder rechtsmissbräuchlicher Weise dem Besitzstand der Inhaberin der jüngeren Marke entnommen worden ist. Hierbei ist auch in Betracht zu ziehen, dass die Anmeldung der angegriffenen Marke der Kompensation des Eingriffs des Widersprechenden gedient haben könnte. Hinzu kommt, dass der [X.]echtsverlust hier diejenige treffen würde, die bereits durch die etwaige bösgläubige Anmeldung der Widerspruchsmarke belastet worden ist.

Für die Aussetzung des Beschwerdeverfahrens spricht des Weiteren, dass die Löschung der Eintragung der angegriffenen Marke nicht durch eine Eintragungsbewilligungsklage nach § 44 [X.], die grundsätzlich als Korrektiv der sachlich beschränkten Prüfung im Widerspruchsverfahren zur Verfügung steht, rückgängig gemacht werden könnte. Nach ganz überwiegender Meinung kann eine Eintragungsbewilligungsklage nämlich nicht darauf gestützt werden, dass die Eintragung der Widerspruchsmarke wegen absoluter Schutzhindernisse, wozu auch die Bösgläubigkeit nach § 8 Abs. 2 Nr. 10 [X.] gehört, zu löschen sei (vgl. BPatG G[X.]U[X.] 1998, 406, 407   Humana/[X.]; [X.]/Hacker, [X.], 11. Auflage, § 44, [X.]dnr. 34; [X.]/[X.]ohnke, [X.], 3. Auflage, § 44, [X.]dnr. 7; a. [X.], [X.], G[X.]U[X.] 1995, 12, 15). Bei einer Unionsmarke, aus der Widerspruch eingelegt worden ist, gilt nichts anderes, da ihre Nichtigkeit aufgrund absoluter Schutzhindernisse nach Art. 52 Abs. 1 [X.]V nur beim [X.] oder auf Widerklage im Verletzungsverfahren vor den [X.] geltend gemacht werden kann (vgl. BPatG G[X.]U[X.] 2007, 596   La Martina).

Im Streitfall besteht zudem nach summarischer Prüfung eine beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Erklärung der Nichtigkeit der Widerspruchsmarke Bestand haben wird. Die Entscheidung der [X.] des [X.] vom 18. Juli 2016, die die in [X.]ede stehende Nichtigkeitssache in den Entscheidungsgründen „als den klarsten Fall einer Bösgläubigkeit seit Bestehen der erkennenden Kammer“ wertet (vgl. [X.]. Heft 11/2016, 512, 514, [X.]dnr. [10]) und die das Vorliegen einer bösgläubigen Anmeldung aus mehreren Gründen bejaht (vgl. [X.]. Heft 11/2016, 514, [X.]dnr. [13], 515, [X.]dnr. [24] und [28]), lässt keine offensichtlichen [X.]echtsfehler oder andere Mängel erkennen (vgl. [X.]/ [X.]ohnke, [X.], 3. Auflage, § 43, [X.]dnr. 51). Insbesondere dürfte die Auffassung der [X.] zutreffen, dass das [X.] und das [X.] im [X.]ahmen des zwischen den Beteiligten geführten [X.] nicht über eine Löschung der Eintragung der Widerspruchsmarke gemäß Art. 52 Abs. 1 [X.]V entschieden haben.

Gegen eine Aussetzung des Beschwerdeverfahrens spricht außerdem nicht, dass erst am 26. März 2014 die Markeninhaberin beim [X.] die Erklärung der Nichtigkeit der Widerspruchsmarke wegen Bösgläubigkeit beantragt hat, obwohl das Schutzrecht bereits seit dem 3. Februar 2012 eingetragen war. Eine unangemessene Verzögerung der Einleitung des [X.] kann der Beschwerdeführerin hierbei nicht entgegen gehalten werden. Sie hat den Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit nämlich bald nach Abschluss des auf Übertragung der Widerspruchsmarke gerichteten [X.], das mit Verkündung des Berufungsurteils des [X.]s am 20. Dezember 2013 beendet war, gestellt.

Damit besteht ein beachtliches Interesse der Beschwerdeführerin an der Klärung des Bestands der Widerspruchsmarke, welche angesichts des im [X.]aum stehenden Vorwurfs der Bösgläubigkeit derzeit nicht zur Löschung der Eintragung der jüngeren Marke führen kann. Demgegenüber kommt der ebenfalls im [X.]ahmen des Ermessens vorzunehmenden Prognose, ob eine rechtskräftige Entscheidung über den Bestand der Widerspruchsmarke in absehbarer [X.] zu erwarten ist (vgl. BPatGE 17, 154, 157; BPatG G[X.]U[X.] 1998, 59, 60   Coveri), auch unter Zugrundelegung des allgemeinen verfahrensrechtlichen Beschleunigungsgebots nicht die maßgebliche Bedeutung zu.

2. Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung ergehen.

Auch wenn § 248 Abs. 2 ZPO nur im [X.]ahmen der [X.] der §§ 246, 247 ZPO und nicht im [X.]ahmen der [X.] nach § 148 ZPO gelten sollte, so spricht nichts gegen eine entsprechende Anwendung von § 248 Abs. 2 ZPO (vgl. [X.]/Hacker, [X.], 11. Auflage, § 82, [X.]dnr. 60). Zudem hat lediglich die Beschwerdeführerin Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt (§ 69 Nr. 1 [X.]). Ihrem Aussetzungsantrag wurde jedoch entsprochen.

Meta

28 W (pat) 35/16

10.07.2017

Bundespatentgericht 28. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 148 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 10.07.2017, Az. 28 W (pat) 35/16 (REWIS RS 2017, 8346)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 8346

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