Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.11.2013, Az. III ZR 376/12

III. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 1107

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BUN[X.]ESGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]ES VOLKES

URTEIL
III ZR 376/12

Verkündet am:

14. November 2013

K i e f e r

Justizangestellter

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
ja
[X.]R:
ja

Unangemessene Verfahrensdauer

[X.] § 198 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 6 Nr. 1, § 201 Abs. 4

a)
Ob die [X.]auer eines Gerichtsverfahrens unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 [X.] ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles.

b)
Unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 [X.] ist die Verfahrensdauer dann, wenn eine insbesondere an den Merkmalen des § 198 Abs. 1 Satz 2 [X.] ausgerichtete und den Gestaltungsspielraum der Gerichte bei der [X.] beachtende Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalles ergibt, dass die aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 19 Abs. 4 GG sowie Art. 6 Abs. 1 [X.] folgende Verpflichtung des Staates, Gerichts-verfahren in angemessener [X.] zum Abschluss zu bringen, verletzt ist.

c)
Bei der Beurteilung des Verhaltens des Gerichts darf der verfassungsrechtliche Grundsatz richterlicher Unabhängigkeit (Art. 97 Abs. 1 GG) nicht unberücksichtigt bleiben. [X.]em Gericht muss in jedem Fall eine angemessene Vorbereitungs-
und Bearbeitungszeit zur Verfügung stehen. Es benötigt einen Gestaltungsspielraum, der es ihm ermöglicht, dem Umfang und der Schwierigkeit der einzelnen [X.] ausgewogen Rechnung zu tragen und darüber zu entscheiden, wann es wel-ches Verfahren mit welchem Aufwand sinnvollerweise fördern kann und welche Ver-fahrenshandlungen dazu erforderlich sind.

[X.], Urteil vom 14. November 2013 -
III ZR 376/12 -
[X.] Celle
-

2

-

[X.]er III.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom
14. November 2013
durch den Vizepräsidenten [X.] und die [X.] [X.], [X.], [X.]r. Remmert
und Reiter

für Recht erkannt:

[X.]ie Revision des [X.] gegen das Urteil des 23. Zivilsenats des [X.] vom 24. Oktober 2012 wird [X.].

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

[X.]er Kläger macht gegen das beklagte Land einen Anspruch auf
[X.]
für immaterielle Nachteile
wegen überlanger [X.]auer eines gegen ihn gerichteten Strafverfahrens geltend.

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In einem gegen andere Beschuldigte geführten Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft H.

wurde der Kläger am 4.
Juli 2007 als Zeuge staatsanwaltschaftlich zu der Frage vernommen, wann er ein bestimmtes [X.] über altersgerechtes Wohnen erstellt habe. [X.]er ermittelnde Staatsan-walt äußerte
in einem Vermerk vom 24. Oktober
2007 den "dringenden Ver-dacht", dass der Kläger die Unwahrheit gesagt habe,
und
forderte für diesen einen [X.] an. [X.]arüber hinaus
veranlasste
er, dass der Kläger
am 28. November 2007 richterlich als Zeuge vernommen und vereidigt wurde. Ob ihm
bei dieser Gelegenheit von Seiten des ermittelnden Staatsan-walts mitgeteilt worden ist, dass gegen ihn wegen [X.] ermittelt werde, ist zwischen den Parteien streitig.

Am 4. November 2009 wurde der Kläger
als Beschuldigter eines [X.] wegen des Verdachts der versuchten Strafvereitelung und des Meineids förmlich eingetragen und zu den Tatvorwürfen angehört. Am 5. [X.] 2010 erhob die Staatsanwaltschaft Anklage zum Amtsgericht H.

. Nachdem der Kläger mit Schreiben vom 9. April 2010 eine umfassende [X.]as-sung abgegeben und die Staatsanwaltschaft hierzu am 29. April 2010
Stellung genommen hatte, beantragte der Verteidiger mit Schriftsatz vom 12. Mai 2010 die Gewährung einer (weiteren) [X.]assungsfrist bis Ende Juni 2010. [X.]ie ange-kündigte
Erklärung des Verteidigers erfolgte nicht.
Mit Beschluss vom 23. Juni 2011, rechtskräftig seit 1. Juli 2011, lehnte das Amtsgericht die Eröffnung des Hauptverfahrens ab. In einem dem Kläger am 1. September 2011 zugegange-nen gerichtlichen Schreiben wurde er über den Eintritt der Rechtskraft des Nichteröffnungsbeschlusses informiert.

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-

[X.]as [X.] hat das beklagte Land unter Klageabweisung im Übrigen verurteilt, an den Kläger eine immaterielle Entschädigung wegen über-langer Verfahrensdauer in Höhe von
3.000

nebst Zinsen zu zahlen.
[X.] hat es die Revision zugelassen "wegen der grundsätzlichen Bedeutung im Hinblick auf die Anforderungen an die [X.]arlegungslast des [X.] in Strafver-fahren und die Frage, ob und inwieweit sich Fehler der [X.] auf die Höhe der Entschädigung auswirken können".

Gegen dieses Urteil richten sich die Rechtsmittel beider Parteien. [X.]er Kläger verfolgt mit der Revision seinen auf Zahlung einer angemessenen [X.] von mindestens 4.000

lageantrag weiter. [X.]er [X.] erstrebt mit Revision und (inhaltlich identischer) [X.] die vollständige Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe

[X.]ie Revision des [X.] ist unbegründet. [X.]ie Revision des Beklagten führt
dagegen zur teilweisen Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur [X.] an das [X.].

I.

[X.]ie Revisionen
sind zulässig.

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5

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Im Tenor des angefochtenen Urteils wurde die Revisionszulassung un-eingeschränkt ausgesprochen. [X.]en Entscheidungsgründen
lässt sich nicht mit der notwendigen Klarheit und Eindeutigkeit entnehmen,
dass das [X.] die Revision nur eingeschränkt zulassen, insbesondere nur dem Kläger Gelegenheit zur Überprüfung des Urteils geben wollte (vgl. [X.], Urteile vom 8.
Mai 2012 -
XI [X.], NJW 2012, 2446 Rn. 6; vom 26. September 2012
-
IV ZR 108/12, [X.], 120
Rn. 7
und
vom 19. April 2013 -
V [X.], NJW 2013, 1948 Rn. 10). Im Übrigen
wäre angesichts der (zusätzlich) eingeleg-ten [X.] das angefochtene Urteil auch dann auf Rechtsfehler zum Nachteil des Beklagten zu überprüfen, wenn man den Gründen eine Beschrän-kung der Revisionszulassung für eine einzelne Prozesspartei entnehmen wollte.

II.

[X.]as [X.] hat zur Begründung seiner
Entscheidung im [X.] ausgeführt:

[X.]er maßgebliche [X.]raum für die Beurteilung, ob das gegen den Kläger geführte Strafverfahren übermäßig lang gewesen sei, erstrecke sich von No-vember 2007
bis zum 1.
September 2011
(Mitteilung über den Eintritt der Rechtskraft
des Beschlusses vom 23. Juni 2011). [X.]ie Einschätzung des ermit-telnden Staatsanwalts in dem Vermerk vom 24. Oktober 2007, es liege der "dringende Verdacht"
einer unwahren Aussage vor, und der Umstand, dass die Strafverfolgungsbehörde einen
Auszug aus dem Bundeszentralregister [X.] habe, hätten dazu geführt, dass der Kläger von da an der Sache nach als Beschuldigter behandelt worden sei. Spätestens seit der richterlichen Zeu-genvernehmung vom 28. November 2007, in der ihm vermeintliche
Unwahrhei-8
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ten in seiner Aussage vorgehalten worden seien
und nach der
er auf Antrag des anwesenden Staatsanwalts vereidigt worden sei, habe er
davon ausgehen müssen, dass er als Beschuldigter in einem
Ermittlungsverfahren behandelt
werde. Ermittlungshandlungen
seien
von November 2007 bis zur förmlichen Eintragung als Beschuldigter im November 2009 nicht erfolgt. [X.]as Verfahren sei mehr als zwei Jahre überhaupt nicht
betrieben worden, so dass dem Kläger für mindestens 24 Monate eine Entschädigung gemäß § 198 Abs. 1 i.V.m. §
199 [X.] zustehe. Nach Anklageerhebung habe ab Juni 2010 keine nen-nenswerte Verfahrensförderung mehr stattgefunden. Es sei weder dargelegt noch erkennbar, warum das -
allerdings recht umfangreiche -
Verfahren nahezu ein Jahr lang nicht mit dem Ziel einer Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens bearbeitet worden sei.
[X.]avon sei ein [X.]raum von sechs [X.] als unangemessen verzögerte Verfahrensdauer anzusehen. Nach allem ergebe sich im Rahmen der abschließend vorzunehmenden Gesamtwürdigung eine
von den Behörden des beklagten [X.] zu verantwortende
Verzögerung von zwei Jahren und sechs Monaten. Bei Zugrundelegung des Regelsatzes der Entschädigung für immaterielle Nachteile von 1.200

(§ 198 Abs. 2 Satz 3 [X.])
stehe dem Kläger ein Entschädigungsanspruch in Höhe von 3.000

nicht als unbillig anzusehen (§ 198 Abs. 2 Satz 4 [X.]). Schuldhafte Verstöße der Strafverfolgungsbehörden gegen die Vorgaben der Strafprozessordnung
-
der Kläger sei trotz bestehenden Anfangsverdachts und entgegen § 62 [X.] zur Erlangung einer wahrheitsgemäßen Aussage vereidigt worden
-
rechtfertig-ten jedenfalls im Regelfall keine Abweichung von der in § 198 Abs. 2 Satz 3 [X.] vorgesehenen Pauschale.

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III.
[X.]ie Revision des Beklagten

[X.]ie Revision des Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des [X.] und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.], soweit zum Nachteil des beklagten [X.] entschieden worden ist.

1.
Zutreffend und von der Revision nicht beanstandet
geht das Oberlan-desgericht davon aus, dass die verfahrensrechtlichen und materiell-rechtlichen Regelungen der §§
198-201 [X.] nach der Übergangsvorschrift des Art.
23 Satz 1 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren ([X.]) vom 24.
November 2011 ([X.]) auf den Streitfall Anwendung finden. [X.]anach gilt dieses [X.] auch für Verfahren, die bei seinem Inkrafttreten am 3. [X.]ezember 2011 (gemäß Art. 24 [X.]) bereits anhängig waren, sowie für abgeschlossene Ver-fahren, deren [X.]auer bei seinem Inkrafttreten Gegenstand von anhängigen Be-schwerden beim
Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (im Folgenden: [X.]) ist oder noch werden kann. [X.]iese Voraussetzungen sind erfüllt. [X.]as vom Kläger als unangemessen lang angesehene Strafverfahren wurde durch den Beschluss des Amtsgerichts
vom 23. Juni 2011, rechtskräftig seit 1. Juli 2011, beendet und war damit bei Inkrafttreten des [X.] abgeschlossen. [X.]ie sechsmonatige, mit der Bekanntmachung der endgültigen innerstaatlichen Ent-scheidung beginnende Frist für eine Individualbeschwerde zum
[X.]
nach Art. 35 Abs. 1 [X.] war zum [X.]punkt des Inkrafttretens des neuen [X.] noch nicht abgelaufen. [X.]ie [X.]auer des Verfahrens hätte somit noch Gegenstand einer Beschwerde beim [X.] werden können. Einer Anru-fung des [X.] bedurfte es nicht ([X.]/[X.], [X.], 7. Aufl., § 198 Rn. 57).

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[X.]urch die am 17. Februar 2012 eingereichte und am 3. April 2012 zuge-stellte Klageschrift wurde die Ausschlussfrist des Art. 23 Satz 6 [X.] (3. Juni 2012) gewahrt.

2.
[X.]ie Auffassung des [X.]s, dass in die Beurteilung der Un-angemessenheit der Verfahrensdauer im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 199 [X.] auch der [X.]raum von November 2007 bis November 2009 einzu-beziehen sei, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

a) Mit rechtsfehlerhafter Begründung hat das Gericht angenommen, dass der Kläger bereits seit
dem 24. Oktober 2007,
dem Tag der Anfertigung des Vermerks des zuständigen Staatsanwalts, "als Beschuldigter behandelt [X.]"
sei.

aa) Nach § 198 Abs. 1 Satz 1 [X.] wird angemessen
entschädigt, wer infolge unangemessener
[X.]auer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbetei-ligter einen Nachteil erleidet.
In zeitlicher Hinsicht erfasst der Begriff des Ge-richtsverfahrens nach der Legaldefinition in § 198 Abs. 6 Nr. 1 [X.] alle Verfah-rensstadien von der [X.]eitung bis zum rechtskräftigen Abschluss. [X.]er Begriff "[X.]eitung"
meint alle Formen, mit denen ein Verfahren in Gang gesetzt wird, unabhängig davon, ob dies durch Antrag oder Klageerhebung oder, wie im Strafverfahren, von Amts wegen geschieht (BT-[X.]rucks. 17/3802 S. 22; [X.] in
[X.]/[X.], Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, §
198 [X.] Rn. 51, 53 und § 199 [X.] Rn. 6; [X.]/[X.] aaO § 198 Rn. 7). §
199 Abs. 1 [X.] erstreckt den Rechtsschutz bei überlanger Verfahrensdauer auf das strafrechtliche Ermittlungsverfahren. [X.]ieses
ist eingeleitet, sobald die Staatsanwaltschaft (§ 160 Abs. 1 [X.]) oder eine Behörde oder ein Beamter des [X.] (§ 163 [X.]) eine Maßnahme trifft, die erkennbar darauf 13
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abzielt, gegen jemanden strafrechtlich vorzugehen ([X.], [X.], 56.
Aufl., [X.]. Rn. 60). [X.]abei ist Beschuldigter derjenige, gegen den polizeiliche oder staatsanwaltschaftliche Ermittlungen wegen des Verdachts einer strafba-ren Handlung geführt werden. [X.]ie Beschuldigteneigenschaft kann nur durch einen Willensakt der zuständigen Strafverfolgungsbehörde begründet werden, der regelmäßig in der förmlichen [X.]eitung eines Ermittlungsverfahrens liegt. Ausreichend ist es aber auch, wenn gegen den Betroffenen
faktische
Maßnah-men ergriffen werden, die erkennbar zum Ziel haben, ihn als Täter einer Straftat
zu überführen
(HK-[X.]-Zöller, 5. Aufl., § 157 Rn. 1 und § 160 Rn. 6;
KK-Griesbaum, [X.],
7. Aufl., §
160 Rn. 14;
[X.] aaO Rn. 76).

bb) Nach diesem Maßstab ist nach Aktenlage gegen den Kläger erstmals mit Verfügung
der Staatsanwaltschaft
vom 4. November 2009
ein
Ermittlungs-verfahren wegen des Verdachts der versuchten Strafvereitelung und des [X.] eingeleitet worden. Zu diesem [X.]punkt wurde er als Beschuldigter förm-lich eingetragen und anschließend zu den Tatvorwürfen angehört. [X.] kann der (bloße) Vermerk des den Kläger als Zeugen vernehmenden Staatsanwalts vom 24. Oktober 2007, es bestehe der "dringende Verdacht"
un-wahrer Angaben, noch nicht als förmliche [X.]eitung eines Ermittlungsverfahren angesehen werden, zumal in der Folgezeit keine Maßnahmen ergriffen wurden, die erkennbar darauf abzielten, den Kläger
einer Straftat zu überführen. [X.]ie bloße Anforderung eines
[X.]s kann ebenso
wenig als eine solche Maßnahme
angesehen werden wie der Antrag, den Kläger
ermitt-lungsrichterlich als
Zeugen
zu vernehmen.

b) [X.]ie Entscheidung des [X.]s erweist sich aber auch un-ter einem weiteren Gesichtspunkt als rechtsfehlerhaft.

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aa) In Strafsachen beginnt der nach § 198 Abs. 1
[X.] zu beurteilende [X.]raum
für den Beschuldigten nicht bereits mit der
[X.]eitung eines [X.], sondern -
der förmlichen [X.]eitung
regelmäßig nachfolgend -
erst mit der Eröffnung der Beschuldigung oder mit einer die Person ernsthaft beeinträchtigenden Ermittlungsmaßnahme (BT-[X.]rucks. 17/3802 S. 24; [X.]/
[X.] aaO § 198 Rn. 13; [X.] aaO § 199 [X.] Rn.
6;
vgl. auch [X.], NJW 1993, 3254, 3256; [X.], [X.], 3. Aufl., Art. 6 Rn. 196 jeweils zu Art. 6 Abs. 1 Satz 1 [X.]).

bb) Entgegen der Auffassung des [X.]s musste der Kläger deshalb, weil
ihm im Rahmen seiner Zeugenvernehmung vermeintliche Un-wahrheiten seiner Aussage vorgehalten wurden und er auf Antrag der [X.] vereidigt wurde, nicht davon
ausgehen, dass er nunmehr als Be-schuldigter in einem Ermittlungsverfahren behandelt werde; erst recht kann hierin nicht die "offizielle Mitteilung"
der [X.]eitung eines Ermittlungsverfahrens gesehen werden.

Bei Vorhalten handelt es sich um übliche Vernehmungsbehelfe, die allein für die Prüfung der Glaubwürdigkeit und die Auffrischung des Gedächtnisses des Zeugen von Bedeutung sind
([X.] aaO § 69 Rn. 7). Nach § 59 Abs. 1 [X.] kann die Vereidigung erfolgen, wenn dies vom Gericht nach [X.] Ermessen auf Grund der ausschlaggebenden Bedeutung der Aussage oder zur Herbeiführung einer wahren Aussage für erforderlich gehalten wird. [X.] enthalten weder der Antrag auf Vereidigung noch die Vereidigung selbst die (konkludente) Mitteilung
oder auch nur einen Hinweis darauf,
dass gegen den Zeugen wegen des konkreten Verdachts einer strafbaren Handlung ermit-telt wird.
[X.]ies ist nicht deshalb anders zu beurteilen, weil außerhalb der [X.] im vorbereitenden Verfahren die Vereidigung eines Zeugen nur bei 19
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-

Vorliegen weiterer -
vorliegend nicht gegebener -
Voraussetzungen (Gefahr im
Verzug; voraussichtliche Verhinderung am Erscheinen in der Hauptverhand-lung, vgl. § 62 [X.]) zulässig ist. [X.]er Umstand, dass die Vernehmung eines Zeugen unter Verletzung strafprozessualer Vorschriften erfolgt, kann nicht zu einer Änderung der Zielrichtung dieses Vorgangs dergestalt führen, dass die Vernehmung nunmehr als Maßnahme gegen einen Beschuldigten zu bewerten ist.

[X.]ass der Kläger durch eine
sonstige konkrete
Maßnahme
der Strafver-folgung, die wegen eines Verdachts gegen ihn getroffen wurden, ernsthaft be-einträchtigt wurde (z.B. Haftbefehl, Festnahme, [X.]urchsuchungs-
oder Be-schlagnahmeanordnung), hat das [X.] nicht festgestellt.

c) [X.]er Beklagte hat den Vortrag des
[X.],
im Zusammenhang mit der richterlichen Vernehmung vom 28. November 2007 sei ihm durch den ermit-telnden
Staatsanwalt mitgeteilt worden, gegen ihn werde ein Ermittlungsverfah-ren wegen des Verdachts des Meineids geführt, bestritten. [X.]a das [X.] die Richtigkeit dieses Vorbringens
-
das sowohl für die [X.]eitung eines Ermittlungsverfahrens als auch für die Kundgabe der Verfahrenseinleitung von Bedeutung sein könnte -
ausdrücklich offen gelassen
hat, ist bei der revisions-gerichtlichen Nachprüfung zugunsten der Revision des Beklagten zu unterstel-len, dass der Staatsanwalt eine derartige Äußerung nicht getan hat.

3.
Soweit das [X.] angenommen hat, dass die Entscheidung des Amtsgerichts über die Eröffnung des Hauptverfahrens (§§
199 ff [X.]) um sechs Monate verzögert ergangen sei, hält dies rechtlicher Überprüfung
eben-falls
nicht stand, da für die diesbezügliche Beurteilung wesentliche Umstände unberücksichtigt geblieben sind.
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a) Ob die [X.]auer eines Gerichtsverfahrens unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 [X.] ist, richtet sich
nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und [X.]ritter. § 198 Abs. 1 Satz 2 [X.] benennt die Umstände, die für die Beurteilung der Angemessenheit besonders bedeutsam sind, nur beispielhaft ("insbesondere") und ohne abschließenden Charakter (BT-[X.]rucks. 17/3702 S. 18). Ein weiteres bedeutsames Kriterium zur Beurteilung der angemessenen Verfahrensdauer ist
die Verfahrensführung durch das Gericht, die unter Berücksichtigung des den Gerichten zukommen-den Gestaltungsspielraums zu den in § 198 Abs. 1 Satz 2 [X.] benannten
Kriterien in Bezug zu setzen ist (vgl. [X.], Urteile jeweils
vom 11. Juli 2013
-
5 C 23.12 [X.], BeckRS 2013, 55758
Rn. 40 f
und 5 C 27.12 [X.], BeckRS 2013, 56027
Rn. 32 f; [X.] aaO § 198
[X.]
Rn. 128).

Eine generelle Festlegung, wann ein Verfahren unverhältnismäßig lange dauert,
ist nicht möglich und würde im Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit bereits an der Vielgestaltigkeit der Verfahren und prozessualen Situationen scheitern. Mit der Entscheidung des Gesetzgebers, dass sich die Angemessen-heit der Verfahrensdauer nach den Umständen des Einzelfalles richtet (§ 198 Abs. 1 Satz 2 [X.]),
wurde bewusst von der Einführung bestimmter Grenzwerte für die [X.]auer unterschiedlicher Verfahrenstypen abgesehen. [X.]ie Ausrichtung auf den Einzelfall ergibt sich eindeutig aus dem Wortlaut des Gesetzes, wird durch dessen Entstehungsgeschichte bestätigt
(dazu [X.] aaO Einführung Rn.
236 ff)
und entspricht dem in den Gesetzesmaterialien klar zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers
(BT-[X.]rucks. 17/3802 S.
18). [X.]er
Verzicht auf allgemeingültige [X.]vorgaben schließt es regelmäßig
aus, die Angemessenheit der Verfahrensdauer allein anhand statistischer 25
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[X.]urchschnittswerte zu ermitteln (vgl.
[X.] aaO
5 C 23.12 [X.]
Rn. 28 ff und 5
C 27/12 [X.]
Rn. 20 ff; siehe auch [X.], Urteil vom 21. Februar 2013 -
B 10 ÜG 1/[X.], juris Rn. 25 ff zu dem Sonderfall des Verfahrens der Nichtzulassungs-beschwerde nach dem [X.]: statistische Zahlen als "hilfreicher Maßstab").
Ebenso wenig kommt ein Evidenzkriterium in dem Sinne in Betracht, dass eine bestimmte Verfahrensdauer schon für sich genommen ohne Einzelfallprüfung
als unangemessen eingestuft werden müsste
(vgl. [X.] aaO §
198
[X.]
Rn. 88).

Feste [X.]vorgaben können auch der Rechtsprechung des [X.] zu Art.
6
Abs. 1 Satz 1
[X.] nicht entnommen werden (siehe dazu die Übersicht bei [X.] aaO Art. 6 Rn. 199 ff, insbesondere Rn. 207 f). Auch das [X.] hat keine festen [X.]grenzen aufgestellt und beurteilt die Frage, ab wann ein Verfahren unverhältnismäßig lange dauert, stets nach den besonderen Umständen des einzelnen Falles (vgl. [X.], NJW 1997, 2811, 2812; Beschluss vom 22. August 2013 -
1 BvR 1067/12, juris Rn. 30, 32 mwN).

b)
Unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 [X.] ist die [X.] dann, wenn eine insbesondere an den Merkmalen des § 198 Abs. 1 Satz 2 [X.] ausgerichtete und den Gestaltungsspielraum der Gerichte
bei der Verfahrensführung beachtende Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalles ergibt, dass die aus Art. 2
Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs.
3
GG und Art. 19 Abs. 4 GG sowie Art. 6 Abs. 1 [X.] folgende Verpflich-tung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener [X.] zum Abschluss zu bringen, verletzt ist (vgl. [X.] aaO 5 C 23.12 [X.] Rn. 37 und 5 C 27.12 [X.]
Rn.
29).

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[X.]er unbestimmte Rechtsbegriff der "unangemessenen [X.]auer eines Ge-richtsverfahrens"
(§ 198 Abs. 1 Satz 1 [X.]) und die ihn ausfüllenden Merkmale im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 2 [X.] müssen unter Rückgriff auf die Grund-sätze näher bestimmt werden, die der [X.] zu Art. 6 Abs. 1 Satz 1
[X.] und das [X.] zum Recht auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) und zum Justizgewährleistungsanspruch (Art. 2 Abs. 1 i.V.m.
Art.
20 Abs. 3 GG) entwickelt haben, zumal diese gefestigte Rechtsprechung dem Gesetzgeber bei der Textfassung des § 198 Abs. 1 [X.] zum Vorbild [X.] (vgl. BT-[X.]rucks. 17/3802 S. 18; [X.] aaO 5 C 23.12 [X.] Rn. 38 und 5 C 27.12 [X.] Rn. 30).

Bezugspunkt für die Beurteilung der
Angemessenheit ist als maßgebli-cher [X.]raum die [X.], wie sie §
198 Abs. 6 Nr. 1 [X.] de-finiert (vgl. [X.] aaO § 198 [X.] Rn. 78). [X.]ies hat zur Konsequenz, dass Verzö-gerungen, die in einem Stadium des Verfahrens oder bei einzelnen Verfahrens-abschnitten eingetreten
sind, nicht zwingend die Unangemessenheit der Ver-fahrensdauer bewirken. Es ist vielmehr im Rahmen einer abschließenden Ge-samtabwägung zu überprüfen, ob Verzögerungen innerhalb einer späteren Phase des Verfahrens kompensiert wurden (vgl. [X.] aaO 5 C 23.12 [X.] Rn.
44; [X.] aaO § 198 [X.] Rn. 79, 100 f). Hierbei muss auch in den Blick ge-nommen werden, dass die Pflicht des Gerichts, sich nachhaltig um eine Förde-rung und Beendigung des Verfahrens zu bemühen, mit zunehmender [X.] sich verdichtet (vgl. nur [X.]urteil vom 4. November 2010 -
III ZR 32/10, [X.]Z 187, 286
Rn. 11 mwN).

[X.]urch die Anknüpfung des gesetzlichen Entschädigungsanspruchs
ge-mäß § 198 [X.]
an die Verletzung konventions-
und verfassungsrechtlicher Normen (Art. 6 Abs. 1 [X.], Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20
Abs. 3 GG und Art. 19 29
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Abs. 4 GG) wird deutlich gemacht, dass die durch die lange Verfahrensdauer verursachte Belastung einen gewissen Schweregrad erreichen muss. Es reicht nicht jede Abweichung von einer optimalen Verfahrensführung aus. Vielmehr muss die Verfahrensdauer eine Grenze überschreiten, die sich auch unter Be-rücksichtigung gegenläufiger rechtlicher Interessen für den Betroffenen als sachlich nicht mehr gerechtfertigt oder unverhältnismäßig darstellt (vgl. [X.], [X.], 789, 791 f; [X.] aaO 5 C
23.12 [X.] Rn. 39 und 5 C 27.12 [X.] Rn.
31; siehe
auch
[X.] aaO Rn. 26: "deutliche Überschreitung der äußersten Grenze des Angemessenen").

c) Wie bereits dargelegt, ist ein bedeutsames Kriterium zur Beurteilung der Angemessenheit der [X.]auer eines Gerichtsverfahrens auch die Verfahrens-führung durch das Gericht. Zu prüfen ist, ob Verzögerungen, die mit der Verfah-rensführung im Zusammenhang stehen, bei Berücksichtigung des dem Gericht zukommenden Gestaltungsspielraums sachlich gerechtfertigt sind. [X.]abei kann die Verfahrensführung nicht isoliert für sich betrachtet werden. Sie muss viel-mehr zu den in § 198 Abs. 1 Satz 2 [X.] benannten Kriterien in Bezug gesetzt werden. Maßgebend ist, ob das Gericht gerade in Relation zu jenen [X.] den Anforderungen an eine angemessene Verfahrensdauer in [X.] vertretbarer Weise gerecht geworden ist, wobei das Ausgangsgericht die Sach-
und Rechtslage aus seiner Sicht ex
ante einschätzen durfte
(vgl. [X.] aaO 5 C 23.12 [X.] Rn. 41 und 5 C 27.12 [X.] Rn. 33).

Bei der Beurteilung des Verhaltens des Gerichts darf der verfassungs-rechtliche Grundsatz richterlicher Unabhängigkeit (Art. 97 Abs. 1 GG) nicht un-berücksichtigt bleiben. [X.]a die zügige Erledigung eines Rechtsstreits kein Selbstzweck ist und das Rechtsstaatsprinzip die grundsätzlich umfassende tat-sächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstands durch das dazu beru-32
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fene Gericht verlangt ([X.]urteil vom 4. November 2010 aaO Rn. 14), muss dem Gericht in jedem Fall eine angemessene Vorbereitungs-
und Bearbei-tungszeit zur Verfügung stehen. Es benötigt einen Gestaltungsspielraum, der es ihm ermöglicht, dem Umfang und der Schwierigkeit der einzelnen [X.] ausgewogen Rechnung zu tragen und darüber zu entscheiden, wann es welches Verfahren mit welchem Aufwand sinnvollerweise fördern kann
und welche Verfahrenshandlungen dazu erforderlich sind.
Erst wenn
die Verfah-renslaufzeit
in Abwägung mit den weiteren Kriterien im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 2 [X.] auch bei Berücksichtigung dieses Gestaltungsspielraums
sachlich nicht mehr zu rechtfertigen
ist,
liegt eine unangemessene
Verfahrensdauer
vor
(vgl.
[X.]urteil vom 4. November 2010 aaO
Rn. 14;
[X.] aaO
Rn. 27; [X.] aaO 5 C 23.12 [X.] Rn. 42 und 5
C 27.12 [X.] Rn. 34; [X.] aaO §
198 [X.] Rn. 81, 127 f;
[X.], Entschädigung bei überlangen Gerichtsverfahren, Rn. 97).

d) [X.]ie Überprüfung der Verfahrensführung im Ausgangsprozess obliegt grundsätzlich dem Tatrichter, der über die [X.] entscheidet. Bei der Subsumtion des festgestellten Sachverhalts unter den unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit der Verfahrensdauer hat das Revisionsge-richt den tatrichterlichen Beurteilungsspielraum zu respektieren und ist in seiner Prüfung darauf beschränkt, ob der rechtliche Rahmen verkannt, [X.]enkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob alle für die Beurteilung [X.] Umstände berücksichtigt und angemessen abgewogen worden sind (vgl. [X.]urteil vom 4. November 2010 aaO Rn. 18; Musielak/Ball, ZPO, 10. Aufl., § 546 Rn. 12).

34
-

17

-

Unter Berücksichtigung dieses [X.] und der zuvor erörter-ten
Grundsätze erweist sich die Auffassung des [X.]s, das ge-richtliche Verfahren sei seit Juni 2010 um sechs Monate unangemessen verzö-gert worden, als rechtsfehlerhaft, da das Gericht, wie die Revision zu Recht be-anstandet, nicht alle für die [X.] nach § 198 Abs. 1 [X.] maßgeblichen Umstände gewürdigt hat.

[X.]as [X.] beschränkt sich auf die Feststellung, dass seit Juni 2010 eine nennenswerte Verfahrensförderung nicht mehr stattgefunden habe und der Verfahrensinhalt im Wesentlichen aus zwei Anfragen des [X.] vom 27. September und 31. Oktober 2010 sowie einem (richterlichen) Vermerk aus dem Februar 2011 bestehe, der nahelege, dass eine [X.]assung des [X.] nicht mehr erfolgen werde. In die
an den Merkmalen des § 198 Abs. 1 Satz
2 [X.] ausgerichtete Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Um-stände des Einzelfalls
hätte das [X.]
jedoch
-
unter Berücksichti-gung des gerichtlichen Gestaltungsspielraums
-
noch weitere Gesichtspunkte einbeziehen müssen.

aa) Es fehlt eine nähere Auseinandersetzung mit der Schwierigkeit des Verfahrens, die sich insbesondere daraus ergab, dass es für ein amtsgerichtli-ches Verfahren einen überdurchschnittlichen Umfang hatte (fünf Aktenbände und vier zum Teil sehr umfangreiche Sonderhefte), ein ebenso umfangreiches Parallelverfahren gegen [X.]ritte ([X.].: 5524 [X.]) auszuwerten war und die Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens eine komplexe Be-weiswürdigung zahlreicher Indizien erforderlich machte.

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-

18

-

bb) Was
das Verhalten des [X.] betrifft, hätte das Gericht in seine Abwägung
einbeziehen
müssen, dass dieser mit Schreiben vom 2.
Februar 2011 den (unzutreffenden) Eindruck erweckte, sein Verteidiger verfüge über zusätzliche
Informationen, die in einer
(weiteren)
schriftlichen Stellungnahme aufbereitet würden.
[X.]ass das Strafverfahren den Kläger insbesondere in per-sönlicher und beruflicher Hinsicht unverhältnismäßig belastet hat, ist nicht er-sichtlich. Wie das Amtsgericht in dem die Eröffnung ablehnenden Beschluss ausgeführt hat, bestand der Anfangsverdacht einer strafbaren Handlung zu Recht; das Gericht hatte lediglich Zweifel hinsichtlich der [X.] im Sinne von § 203 [X.]. Soweit der Kläger unter Hinweis auf die Berufsordnung für Ärzte
den drohenden Verlust der ärztlichen [X.] geltend machte, beschränkten sich seine Ausführungen auf formelhafte und nichtssagende Wendungen.

cc) Schließlich bleibt unerörtert, dass das Amtsgericht ausweislich des vom [X.] zitierten
Vermerks den Ausgang des vorerwähnten [X.] 5524 [X.] in nicht zu beanstandender Weise abgewar-tet hat, um die schriftlichen Gründe des Urteils des [X.] Hi.

vom 15. Februar 2011, aus denen sich wesentliche Gesichtspunkte zu Gunsten des Kläger ergaben, in die eigene Beweiswürdigung einbeziehen zu können.

4.
[X.]ie Revision des Beklagten führt
demnach zur Aufhebung des angefoch-tenen Urteils, soweit zum Nachteil des Beklagten entschieden worden ist. Im Umfang der Aufhebung ist die Sache an das [X.] zur neuen [X.] und Entscheidung zurückzuverweisen. Mangels Entscheidungsreife ist eine eigene Entscheidung des [X.] nicht möglich
(§ 563 Abs. 1
Satz 1, Abs. 3, §
562 Abs. 1
ZPO).

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39
40
-

19

-

Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin: Im [X.]sprozess
gilt -
wie auch sonst im Zivilprozess -
der [X.]. [X.]er Entschädigungskläger muss die Tatsachen vortragen und [X.] beweisen, die nach seiner Auffassung eine unangemessene [X.]auer des Ausgangsverfahrens begründen. Unerheblich ist, ob es sich bei dem [X.] um einen Zivilprozess oder ein Strafverfahren handelt. Nicht anders als im Amtshaftungsprozess hat der Kläger die konkreten gerichtlichen Maßnahmen beziehungsweise Unterlassungen zu benennen, die aus seiner Sicht eine vermeidbare Verzögerung des Rechtsstreits zur Folge hatten. Eine bloße Bezugnahme auf die Akten des Ausgangsverfahrens reicht für einen schlüssigen Klagevortrag nicht aus. Bei gerichtsorganisatorischen Mängeln und [X.]efiziten sowie sonstigen Umständen, die im Bereich der Justiz liegen und dem Einblick des [X.] entzogen sind, wird demgegenüber seitens der Gerichts-verwaltung
Erklärungsbedarf bestehen
(vgl. BT-
[X.]rucks. 17/3802 S. 25; [X.]/
[X.]
aaO § 198 Rn. 39; [X.] aaO § 198 [X.] Rn. 244; siehe auch [X.]urteil vom 11. Januar 2007 -
III ZR 302/05, [X.]Z 170, 260 Rn. 22).

IV. [X.]ie Revision des [X.]

[X.]as Rechtsmittel ist nicht begründet. [X.]as angefochtene Urteil hält den Angriffen der Revision stand.

1.
Soweit der Kläger rügt, das [X.] hätte bei der Bewertung
der unangemessenen Verfahrensdauer den [X.]raum von Ende April 2010 bis zum 1. September 2011 zugrunde legen müssen, zeigt die Revision keine Um-stände auf, die zum Nachteil des beklagten [X.] in die abschließende
Ge-samtabwägung zusätzlich einzustellen gewesen wären
mit der Folge, dass das 41

42
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-

20

-

[X.] über die bereits festgestellten
sechs Monate hinaus
zu einer Verfahrensverzögerung von weiteren zehn Monaten hätte gelangen müssen. Unabhängig davon, wie die [X.]auer des Ermittlungsverfahrens einzuschätzen ist, enthält die Würdigung des [X.]s nach Maßgabe der unter
III. 3 d
dargestellten Gesichtspunkte keine Rechtsfehler zum Nachteil des [X.].

[X.]a der Beschluss des Amtsgerichts
vom 23. Juni 2011
am 1. Juli 2011 formell rechtskräftig wurde, war der
nachfolgende
[X.]raum bis zum [X.] 2011 (Benachrichtigung des [X.]
über den Eintritt der Rechtskraft) für die Entschädigungsfrage
ohnehin
bedeutungslos
(§ 198 Abs. 6 Nr. 1 [X.]).

2.
Ohne Erfolg bleibt auch der Einwand des [X.], das [X.] hätte den Regelsatz für die Bemessung der
Entschädigung
für immaterielle Nachteile

198 Abs. 2 Satz 3 [X.]) gemäß § 198 Abs. 2 Satz 4 [X.] um 50
% erhöhen müssen.

§ 198 Abs. 2 Satz 3 [X.] sieht zur Bemessung der Höhe der [X.] der Verzögerung vor.
Ist dieser Betrag nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder
niedrigeren Betrag festsetzen (§ 198 Abs. 2 Satz 4 [X.]).
Mit der Pauschalierung unter Verzicht auf einen einzelfallbezogenen Nachweis sollen Streitigkeiten über die Höhe der Entschädigung, die eine zusätzliche Belastung der Gerichte bedeuten würden, vermieden werden. Zugleich ermöglicht dies eine zügige Erledigung der [X.]sansprüche im Interesse der Betroffenen ([X.] aaO
Rn. 146; vgl. auch BT-[X.]rucks. 17/3802 S. 20). Im Hinblick auf den eine Verfahrensver-

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-

21

-

einfachung anstrebenden [X.] ist der Tatrichter nur bei Vorliegen besonderer Umstände gehalten, von dem normierten [X.] aus Billig-keitserwägungen (§ 198 Abs. 2 Satz 4 [X.])
abzuweichen. [X.]abei ist insbeson-dere an Fälle zu denken, in denen die Verzögerung zur Fortdauer einer Frei-heitsentziehung oder einer schwerwiegenden Persönlichkeitsverletzung geführt hat (vgl. Schenke, NVwZ 2012, 257, 262; [X.] aaO Rn. 148; siehe auch [X.] aaO § 198 [X.] Rn.
227 [X.]). [X.]erartige Umstände macht die Revision nicht geltend. Sie
sind auch sonst nicht ersichtlich.
[X.]er drohende Verlust der ärztli-chen [X.] wird vom Kläger ohne hinreichenden tatsächlichen Hinter-grund in den Raum gestellt.

Soweit der Kläger meint, schuldhafte Verfahrensverstöße der Strafverfol-gungsbehörden (hier: im Zusammenhang mit seiner Vereidigung) würden
eine Erhöhung des [X.] rechtfertigen, vermag er einen Rechtsfehler nicht aufzuzeigen. [X.]er Gesetzgeber ist davon ausgegangen, dass § 198 [X.] einen "staatshaftungsrechtlichen Anspruch sui generis"
normiert, der einen Ausgleich für die Nachteile gewährt, die "durch die Verfahrensdauer"
im [X.] des in Anspruch genommenen Rechtsträgers verursacht werden (BT-[X.]rucks. 17/3802 S. 19). [X.] für den Entschädigungsanspruch we-gen unangemessener
Verfahrensdauer ist allein die Verletzung des Rechts ei-nes Verfahrensbeteiligten auf Entscheidung eines gerichtlichen Verfahrens in angemessener [X.] (vgl. [X.] aaO Rn. 25). Auf die Frage, ob der [X.] oder ein sonstiger Angehöriger der Justizverwaltung pflichtwidrig oder schuldhaft gehandelt hat, kommt es -
anders als bei der Amtshaftung -
nicht an (vgl. BT-[X.]rucks. 17/3802 S. 19; [X.] aaO § 198 [X.] Rn.
3, 95, 126). [X.]ementsprechend

47
-

22

-

ist
im Rahmen der Billigkeitsentscheidung nach § 198 Abs.
2 Satz 4 [X.] nicht schon deshalb ein Abweichen vom Regelsatz zugunsten des Betroffenen gebo-ten, weil den zuständigen Behörden und
Gerichten neben der [X.] weitere Verfahrensfehler unterlaufen sind.

Nach alledem ist die Entscheidung des [X.]s, von dem Regelbetrag des § 198 Abs. 2 Satz 3 [X.] nicht abzuweichen, rechtsfehlerfrei ergangen.

3.
Entgegen der Auffassung des [X.] ist es von Rechts wegen nicht zu beanstanden, dass das [X.] dem Kläger einen Teil der Kosten entsprechend seiner Unterliegensquote nach § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO auferlegt hat.

[X.]ie Kostenentscheidung ergeht im Entschädigungsprozess
grundsätzlich nach § 201 Abs. 2 Satz 1 [X.] i.V.m.
§§ 91 ff ZPO. Wenn ein Entschädigungs-anspruch allerdings nicht oder nicht in der geltend gemachten Höhe besteht, gleichwohl aber nach § 198 Abs. 4 [X.] im Tenor des Urteils eine unangemes-sene Verfahrensdauer festgestellt wird, entscheidet das Entschädigungsgericht nach billigem Ermessen über die Kosten (vgl. [X.]/[X.], NJW 2012, 1, 6; [X.] aaO
§ 201 [X.] Rn. 26 f; [X.] aaO Rn.
180). Eine derartige Sonderkonstellation liegt hier nicht vor, da das [X.] dem Kläger zwar eine geringere Entschädigung als beantragt
zugesprochen, jedoch keine Feststellung nach § 198 Abs. 4 [X.] ausgesprochen hat. [X.] gemäß
§ 201 Abs. 4 [X.], wie sie die Revision anstellt, waren somit nicht ver-anlasst.

48
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50
-

23

-

[X.]ie Revision des [X.] ist nach allem zurückzuweisen.

[X.]

[X.]

[X.]

Remmert
Reiter
Vorinstanz:
[X.], Entscheidung vom 24.10.2012 -
23 [X.] 3/12 -

51

Meta

III ZR 376/12

14.11.2013

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.11.2013, Az. III ZR 376/12 (REWIS RS 2013, 1107)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 1107

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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III ZR 73/13 (Bundesgerichtshof)


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III ZR 376/12

XI ZR 261/10

IV ZR 108/12

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1 BvR 1067/12

III ZR 32/10

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