Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.09.2016, Az. IV ZR 370/13

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 5835

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:070916BIVZR370.13.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR 370/13
vom

7. September 2016

in dem Rechtsstreit

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Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die Vorsitzende Richterin [X.], [X.], die Richterin [X.], [X.] und die Richterin Dr. Bußmann

am 7. September 2016

beschlossen:

Der Senat beabsichtigt, die Revision gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 15. Oktober 2013 (in der Fassung des Berichtigungs-beschlusses vom 16. Oktober 2013) durch Beschluss nach § 552a ZPO auf Kosten der [X.] zurückzuweisen.

Die Parteien erhalten Gelegenheit, hierzu binnen

eines Monats

Stellung zu nehmen.

Gründe:

[X.] Die Klägerin, die bis Dezember 2004 bei der A.

T.

beschäftigt war, ist bei der [X.], einer Zusatzversorgungskasse für Angestellte des öffentlichen Dienstes, 1
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versichert. Sie fordert die Nachzahlung monatlicher Zusatzrente wegen Erwerbsminderung für die [X.] von Mai 2004 bis einschließlich Juni 2009 in Höhe e-richtlicher Rechtsverfolgungskosten.

§ 31 Satz 1 der Satzung der [X.] (im [X.]) bestimmt
unter anderem, dass der Versicherungsfall

und damit auch der Anspruch auf eine Zusatzrente wegen Erwerbsminderung (vgl. § 30 Buchst. [X.]) -
grundsätzlich am [X.] eintritt, von dem an der Anspruch einer versicherten Person auf gesetzliche Rente wegen teilweiser oder vollständiger Erwerbsminderung besteht.

Rentenleistungen erbringt die Beklagte nach § 45 Abs. 1 Satz 1 [X.] allerdings nur auf Antrag. Dazu bestimmt § 52 [X.] ("Aus-schlussfristen"):

"(1) Der Anspruch auf Betriebsrente für einen [X.]raum, der mehr als zwei Jahre vor dem [X.]
liegt, in dem der Antrag bei der Kasse eingegangen ist, kann nicht mehr geltend gemacht werden (Ausschlussfrist). Dem [X.] steht eine Mitteilung des Berechtigten gleich, die zu

(4) Diese Vorschrift gilt nicht für die freiwillige Versiche-rung."

Die Klägerin ist voll erwerbsunfähig und bezieht deswegen seit dem 1. Mai 2004 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung aus der gesetzlichen Rentenversicherung.
Im Dezember 2004 endete ihr [X.] bei der

. Aus diesem Anlass kam es im [X.] Monat zu mehreren Telefongesprächen der Klägerin mit Mitarbeitern der [X.], die den Fortgang des Versicherungsverhältnisses zum 2
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Gegenstand hatten. Unstreitig wies die Klägerin bei dieser Gelegenheit darauf hin, dass sie bereits eine gesetzliche Erwerbsminderungsrente beziehe. Die Klägerin wurde nicht darauf hingewiesen, dass sie deshalb auch eine Zusatzrente wegen Erwerbsminderung beantragen könne. Ihr wurde vielmehr geraten, die Zusatzversicherung als freiwillige Versiche-rung fortzuführen. Unter dem 20. Dezember 2004 übermittelte die Kläge-rin der [X.] einen "[X.]", in dem es auszugsweise heißt:

"r-schriebenen Antrag auf freiwillige Weiterversicherung zu. Aufgrund der Änderung der persönlichen Verhältnisse (Rente wegen Erwerbsunfähigkeit) möchte ich zunächst mtl.

d evtl.

Erst in einem Schreiben an die Beklagte vom 25. Juli 2011 bat die Klägerin unter Hinweis auf die ihr
gewährte gesetzliche Rente um "Prü-fung des Versicherungsfalles". Dieses Schreiben behandelte die [X.] als Antrag auf Rentenleistungen und stellte mit Schreiben vom 18.
August 2011 fest, die Anspruchsvoraussetzungen für eine Zusatzren-te wegen Erwerbsminderung seien seit dem 1. Mai 2004 erfüllt. [X.] bewilligte die Beklagte diese Rente unter Hinweis auf die in § 52 [X.] geregelte zweijährige Ausschlussfrist aber erst für die [X.] ab dem 1. Juli 2009.

Die Klägerin meint, schon ihr oben zitierter [X.] vom 20. [X.] habe konkludent den Antrag auf rückwirkende Rentenbewil-ligung ab dem
1. Mai 2004 enthalten, weshalb die Beklagte die [X.] auch für die [X.] von Mai 2004 bis Juni 2009 schulde.

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das [X.] der Klage stattgegeben.
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I[X.]
Seiner Auffassung nach enthielt der [X.] der Klägerin vom 20. Dezember 2004 zwar keinen fristwahrenden Antrag auf Rentenbewil-ligung im Sinne von § 52 Abs. 1 Satz 1 [X.], weil ein Rentenbegeh-ren darin nicht zum Ausdruck komme, der [X.] enthalte mit seinem Verweis auf die durch "Rente wegen Erwerbsunfähigkeit"
geänderten persönlichen Verhältnisse aber eine dem Rentenantrag gleichgestellte Mitteilung, die zu einem höheren Anspruch führe
(§ 52 Abs. 1 Satz 2 [X.]). Sowohl die teleologische als auch die
an den Interessen der Vertragsparteien orientierte Auslegung der Ausschlussfristklausel [X.], dass § 52 Abs. 1 Satz 2 [X.] auch auf Mitteilungen
über Um-stände anzuwenden sei, die nicht lediglich zur Erhöhung eines bereits bestehenden
Rentenanspruches führten, sondern einen solchen [X.] erst begründeten.
Wolle man dem nicht folgen, könne sich die Versicherte jedenfalls auf die Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB berufen.

Wegen dieser Auslegung hat das Berufungsgericht die Revision zugelassen.

II[X.]
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision sind [X.] nicht gegeben, und die Revision der [X.] hat auch keine Aus-sicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO).

1. Die vom Berufungsgericht als entscheidungserheblich und höchstrichterlich ungeklärt angesehene Frage der Auslegung von § 52 Abs. 1 [X.] stellt sich im Streitfall deshalb nicht, weil die Beklagte sich auf die dort geregelte zweijährige Ausschlussfrist schon infolge un-zureichender Beratung der Klägerin nicht berufen kann.
Denn die Kläge-8
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rin hat, wie sie in den Vorinstanzen zutreffend geltend gemacht hat, ge-gen die Beklagte infolge falscher Beratung einen Schadensersatzan-spruch, kraft dessen sie so zu stellen ist, als sei sie im Dezember 2004 auf die Möglichkeit hingewiesen worden, einen Antrag auf eine Zusatz-rente wegen Erwerbsminderung zu stellen und habe sich beratungskon-form verhalten.

a) Auch wenn im Dezember 2004, als sich die Klägerin infolge der Beendigung ihrer Tätigkeit bei der

unstreitig mit dem Wunsch an die Beklagte wandte, sich hinsichtlich der Fortführung ihrer Zusatzversor-gung beraten zu lassen, § 6 [X.] in der Fassung vom 23. November 2007 ([X.] n.F.) noch nicht in [X.] getreten war und die Frage einer Hinweis-
und Beratungspflicht der [X.] deshalb
nach der früheren Rechtslage zu beurteilen ist, ist der [X.] die Verletzung einer aus §
280 Abs. 1 BGB abzuleitenden Hinweis-
und Beratungspflicht vorzu-werfen.

Es bestand schon vor Inkrafttreten des neuen [X.] in Literatur und Rechtsprechung Einigkeit darüber, dass den Versicherer solche Pflichten treffen, wenn für ihn erkennbar wird, dass der Versicherungsnehmer einer Belehrung bedarf, weil er über ei-nen für ihn wesentlichen Vertragspunkt

etwa die Reichweite des beste-henden Versicherungsschutzes

irrige Vorstellungen hat. Einem sich [X.] ergebenden Aufklärungsbedürfnis durfte sich der Versicherer auch nach der früheren Rechtslage nicht verschließen
(Senatsurteil vom 13.
April 2005

[X.], [X.], 455 unter II 3 m.w.N.).

Folge einer Verletzung von
Hinweis-
und Beratungspflichten wäh-rend des laufenden Versicherungsvertrages kann ein Schadensersatzan-12
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spruch des falsch beratenen Versicherungsnehmers oder

bei Versiche-rung für fremde Rechnung

auch des Versicherten aus positiver [X.] sein (vgl. dazu [X.], Urteil vom 4. Juli 1989

[X.], [X.]Z 108, 200 unter II 2 b, [X.] [juris Rn. 17]), der darauf gerich-tet ist, den Versicherungsnehmer so zu stellen, wie er stünde, wenn er ordnungsgemäß
beraten worden wäre, wobei in diesem Fall für den Ver-sicherungsnehmer im Weiteren die Vermutung beratungsgerechten [X.] streitet
(vgl. dazu [X.], Urteil vom 10. Mai 2012

[X.]/10,
[X.]Z 193, 193 Rn. 36 m.w.N.).

b) Hier hat die Klägerin unstreitig sowohl während der [X.] mit Mitarbeitern der [X.]
im Dezember 2004 als auch in ih-rem
danach
an
diese Mitarbeiter gerichteten "[X.]"
vom [X.] 2004 darauf hingewiesen, dass sie bereits eine gesetzliche Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bezog. Wegen des von der Klägerin geäußer-ten Wunsches, die Zusatzversicherung als freiwillige Versicherung mit eiverringerten Monatsprämie fortzuführen, musste sich den mit den [X.] der Zusatzversicherung vertrauten Mitarbeitern der [X.] aufdrängen, dass die Klägerin nicht im Blick
hatte, dass infol-ge der Bewilligung der gesetzlichen Rente auch in der [X.] eingetreten war und sie deshalb

anstatt wei-terhin Versicherungsprämien zu zahlen -
einen Rentenantrag hätte [X.] können. Soweit die Klägerin geltend gemacht hat, sie sei seinerzeit irrig von der Annahme ausgegangen, Versicherungsfall in der [X.] sei allein das Erreichen
der Altersgrenze und die deswegen be-willigte gesetzliche Rente, hat sich die Beklagte diesen Vortrag zu eigen gemacht. Soweit die Klägerin weiter
vorbringt, ihr sei erklärt worden, [X.] sei vom Versicherungsschutz nicht erfasst, hat die [X.]
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klagte auch dem nicht widersprochen, sondern ihre Verteidigung darauf beschränkt, unter Hinweis auf die Entscheidung des [X.]s Karls-ruhe vom 25. August 2008 (6 [X.], juris Rn. 12) ihre Hinweispflicht aus Rechtsgründen in Abrede zu stellen.

c) Diese auch vom [X.] zur Verneinung einer Hinweispflicht herangezogene Entscheidung befasst sich allerdings nur mit der Frage, ob es Zusatzversorgungsträgern allgemein zugemutet werden kann, [X.] einzelnen Versicherten über seine Leistungsansprüche zu belehren. Insoweit hat das [X.] Karlsruhe (aaO) angenommen, eine so weitgehende Hinweispflicht überschreite in Anbetracht der großen Zahl von Versicherten das Maß des Zumutbaren, weil einem unverhältnismä-ßigem Verwaltungsaufwand die Möglichkeit der Versicherten gegenüber stünde, sich mit ausdrücklichen Fragen an den Versicherer zu wenden.

Im Streitfall geht es nicht darum, den Versicherer zur regelmäßi-gen Überprüfung seiner Leistungspflicht
mittels wiederholter Sichtung al-ler Bestandsdaten
und entsprechender Belehrung der jeweiligen Versi-cherten ohne Anlass anzuhalten, sondern lediglich um die Hinweispflicht aus Anlass einer von der Versicherten nachgesuchten Beratung. Mithin wird der [X.] nicht abverlangt, ihren gesamten Bestand an Versi-cherten regelmäßig darauf zu überprüfen, inwieweit bereits Versiche-rungsfälle eingetreten sind. Vielmehr leitet sich ihre Pflicht, die Klägerin auf die Möglichkeit eines Antrages auf Erwerbsunfähigkeitsrente hinzu-weisen, allein aus der ihr von der Klägerin im Rahmen ihres Beratungs-ersuchens gegebenen Information über den
bereits laufenden
Bezug der gesetzlichen Erwerbsunfähigkeitsrente und der ersichtlichen
Unkenntnis der Klägerin über den
daraus folgenden
Eintritt des Versicherungsfalles "Rente wegen Erwerbsminderung"
ab. Ein erhöhter Verwaltungsaufwand 16
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ist mit der Forderung nach einer solchen anlassbezogenen
Beratung nicht verbunden.
Vielmehr hätten die
Mitarbeiter der [X.] allein aufgrund ihrer Vertrautheit mit
den Satzungsbestimmungen die Klägerin darauf hinweisen
können und müssen, dass sie infolge des Bezuges der gesetzlichen Rente wegen Erwerbsminderung anstelle der Fortführung des Versicherungsverhältnisses als freiwillige Versicherung bereits im Dezember 2004 einen Antrag auf Zusatzrente hätte stellen können und sich eine rechtzeitige Antragstellung gerade auch wegen der in § 52
Abs.
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[X.] geregelten Ausschlussfrist empfahl.
Ein vernünftiger Versicherter in der Situation der Klägerin hätte nach einer solchen Be-lehrung zeitnah einen entsprechenden Rentenantrag gestellt.

d) Hat die Beklagte die Klägerin nach allem so zu stellen, als hätte sie bereits
im Dezember 2004 ihre dargelegte Hinweispflicht erfüllt und als hätte sich die Klägerin danach beratungsgerecht verhalten
und zeit-nah einen Rentenantrag gestellt, so erweist sich

worauf die Klägerin in ihrem im Berufungsverfahren gestellten Prozesskostenhilfegesuch zu Recht hingewiesen hat
-
ihre Berufung auf
die Ausschlussfrist des § 52 Abs. 1 [X.] als treuwidrig, denn sie berühmt sich einer Rechtsstel-lung, an der sie aus den dargelegten Gründen des Schadensersatzes nicht festhalten darf.

2. Inwieweit auch die Regelung des § 52 Abs. 4 [X.] der Beru-fung der [X.] auf § 52 Abs. 1 [X.] entgegensteht, weil die Klä-gerin ihre Zusatzversorgung jedenfalls mit Wirkung ab Dezember 2004 als freiwillige Versicherung fortgeführt hat, bedarf
keiner Entscheidung.

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3. Die Revision der [X.] hat aus den vorgenannten Gründen keine Aussicht auf Erfolg.

[X.] [X.] [X.]

Dr.
Karczewski Dr. Bußmann

Hinweis:
Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme

erledigt worden.
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 06.03.2013 -
3 O 526/12 -

OLG [X.], Entscheidung vom 15.10.2013 -
4 [X.] -

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Meta

IV ZR 370/13

07.09.2016

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.09.2016, Az. IV ZR 370/13 (REWIS RS 2016, 5835)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 5835

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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