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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"
Auf die Revision des [X.]wird das Urteil des 7. Zivilsenats des [X.]vom 10. November 2022 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf bis 65.000 € festgesetzt.
Von Rechts wegen
Der Kläger nimmt die Beklagte zu 3 (im Folgenden: Beklagte) wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen auf Schadensersatz in Anspruch.
Er erwarb im August 2017 von einem Dritten ein neues Wohnmobil. Das von der [X.]hergestellte Basisfahrzeug [X.]ist mit einem 2,3 l-Dieselmotor (Schadstoffklasse Euro 6) ausgerüstet. Für den Typ des [X.]hatte eine Behörde der Italienischen Republik, das [X.](MIT), eine EG-Typgenehmigung erteilt. Die [X.]erfolgt nach dem Vorbringen des [X.]insbesondere unter Verwendung eines "Thermofensters" sowie unter Abschaltung der Abgasreinigung nach einem Zeitfenster ("Timer").
Der Kläger verlangt von der [X.]die Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs, die Feststellung des Annahmeverzugs der [X.]sowie die Zahlung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen. Das [X.]hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des [X.]ist erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Berufungsanträge weiter.
Die Revision des [X.]hat Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
Ein Anspruch aus § 826 BGB bestehe nicht. Selbst wenn es sich bei dem "Thermofenster" um eine objektiv unzulässige Abschalteinrichtung handeln sollte, folge eine solche Haftung der Beklagten daraus noch nicht. Hierfür bedürfe es vielmehr weiterer Umstände, an denen es vorliegend ebenso fehle wie an dem erforderlichen Schädigungsvorsatz der Beklagten. Die Verwendung weiterer unzulässiger Abschalteinrichtungen im klägerischen Fahrzeug sei nicht genügend dargetan.
Auch scheide ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV aus, weil die [X.]kein [X.]treffe, nachdem dem [X.]die von dem Kläger beanstandeten Funktionen seit Jahren bekannt gewesen seien, es diese nach Überprüfung, die zureichend gewesen sei, nicht als unzulässig angesehen und keine Maßnahmen getroffen, insbesondere keinen Rückruf veranlasst habe. Zudem halte der Berufungssenat an seiner bisherigen Rechtsauffassung fest, dass das Interesse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, nicht im Aufgabenbereich der §§ 6, 27 [X.]liege.
Selbst wenn die Voraussetzungen der hier allein in Betracht kommenden deliktischen Anspruchsgrundlagen angenommen würden, scheitere ein Schadensersatzanspruch des [X.]schließlich an einem fehlenden Schaden im Sinne des § 249 Abs. 1 BGB. Denn dem vom Kläger erworbenen Fahrzeug drohe weder eine Stilllegung noch eine sonstige Betriebsbeschränkung, nachdem die zuständige Behörde nach Überprüfung keinen Rückruf des Fahrzeugs veranlasst habe.
II.
Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.
1. Allerdings begegnet es keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die Revision erhebt insoweit auch keine Einwände.
2. Doch kann mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung im Hinblick auf das "Thermofenster" ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV nicht verneint werden.
a) Wie der [X.]nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des [X.]gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der [X.]zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.]335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 29 bis 32). Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung kommt den Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV der Charakter von Schutzgesetzen zu, ohne dass es einer über die Umsetzung der unionsrechtlichen Vorgaben hinausgehenden Kompetenz des Verordnungsgebers zur Schaffung einer deliktischen Haftungsgrundlage bedurfte (vgl. BGH, Urteil vom 27. November 2024 - VIa ZR 1425/22, VersR 2024, 1306 Rn. 18 mwN; Urteil vom 23. Dezember 2024 - [X.]598/23, juris Rn. 17; Urteil vom 12. März 2025 - [X.]1608/22, juris Rn. 9).
Das Berufungsgericht hat daher zwar im Ergebnis zu Recht einen Anspruch des [X.]auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.]335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch nicht berücksichtigt, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen [X.]zustehen kann (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso BGH, Urteile vom 20. Juli 2023 - III ZR 267/20, WM 2023, 1839 Rn. 21 ff.; - III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom 12. Oktober 2023 - VII ZR 412/21, juris Rn. 20).
b) Mit den von dem Berufungsgericht angestellten Erwägungen zur Frage eines die [X.]treffenden Fahrlässigkeitsvorwurfs kann ein Anspruch des [X.]auf Ersatz des [X.]gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV nicht verneint werden. Dem steht - wie der [X.]nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat - schon entgegen, dass der Fahrzeughersteller, will er sich zur Widerlegung der Verschuldensvermutung (BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.]335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 59 f.) auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum berufen, einen Irrtum konkret darlegen und beweisen muss (BGH, Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 63), und zwar in Bezug auf die nach § 31 BGB Verantwortlichen (vgl. BGH, Urteil vom 25. September 2023 - [X.]1/23, NJW 2023, 3796 Rn. 14). Feststellungen hierzu sind dem Berufungsurteil nicht zu entnehmen. Die von der Revisionserwiderung gegen die Annahme einer gegen den Hersteller streitenden Verschuldensvermutung erhobenen Einwände geben dem [X.]keinen Anlass, von seiner insoweit gefestigten Rechtsprechung abzuweichen (vgl. BGH, Urteil vom 23. Dezember 2024 - [X.]598/23, juris Rn. 20).
c) Ebenso wenig kann die Haftung der Beklagten aus § 823 Abs. 2 BGB mit der Begründung abgelehnt werden, es fehle an einem Schaden, weil dem von dem Kläger erworbenen Fahrzeug weder eine Stilllegung noch eine sonstige Betriebsbeschränkung drohe, nachdem die zuständige Behörde nach Überprüfung keinen Rückruf des Fahrzeugs veranlasst habe. Vielmehr hat der [X.]nach Erlass des Berufungsurteils sowohl entschieden, dass eine Verringerung des objektiven Werts des Fahrzeugs infolge seiner Ausrüstung mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Vergleich zu einem Fahrzeug der betreffenden Baureihe und Motorisierung ohne unzulässige Abschalteinrichtung nicht ohne Verstoß gegen § 287 ZPO verneint werden kann, als auch die für die Schätzung des Schadens geltenden Maßstäbe geklärt (BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.]335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 41 und 71 ff.; zu Wohnmobilen BGH, Urteil vom 27. November 2023 - [X.]1425/22, VersR 2024, 1306 Rn. 25 ff.). Daran hält der [X.]ungeachtet der in der Revisionserwiderung vorgebrachten Einwände fest (vgl. bereits BGH, Urteil vom 20. Juli 2023 - III ZR 267/20, [X.]2023, 1839 Rn. 32).
III.
1. Die angefochtene Entscheidung ist gemäß § 562 ZPO aufzuheben, weil sie sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO). Eine Tatbestands- oder Legalisierungswirkung der vom [X.]erteilten EG-Typgenehmigung für den Typ des [X.]kann der Annahme einer darin verbauten unzulässigen Abschalteinrichtung nicht entgegengehalten werden (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn . 34; Urteil vom 20. Juli 2023 - III ZR 267/20, WM 2023, 1839 Rn. 26 ff.; Urteil vom 27. November 2023 - VIa ZR 1425/22, VersR 2024, 1306 Rn . 22; Urteil vom 23. Dezember 2024 - [X.]598/23, juris Rn. 24; Urteil vom 12. März 2025 - [X.]1608/22, juris Rn. 11). Die von der Revisionserwiderung insoweit erhobenen Einwendungen geben dem [X.]keinen Anlass zu einem an den Gerichtshof der Europäischen Union gerichteten Vorabentscheidungsersuchen.
Der [X.]kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil diese nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Sie ist daher insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
2. Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird das Berufungsgericht erneut darüber zu befinden haben, ob dem Kläger ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV auf Ersatz des [X.]zusteht.
a) Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung ist die Anwendung [X.]Sachrechts auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen (vgl. BGH, Urteil vom 23. Dezember 2024 - [X.]598/23, juris Rn. 28 am Ende) nicht von vornherein ausgeschlossen. Zu den insofern maßgebenden rechtlichen Grundsätzen hat der [X.]bereits in seinem Urteil vom 23. Dezember 2024 (VIa ZR 598/23, juris Rn. 26 bis 28) ausgeführt. Die dagegen von der Revisionserwiderung erhobenen Einwände geben dem [X.]keinen Anlass, von seiner dort zum Ausdruck gebrachten Sicht abzuweichen oder ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union zu richten (vgl. BGH, Urteil vom 12. März 2025 - [X.]1608/22, juris Rn. 13).
b) Sofern auf dieser rechtlichen Grundlage im Streitfall [X.]Sachrecht anwendbar ist, wird der Kläger Gelegenheit haben, einen [X.]darzulegen und einen entsprechenden [X.]zu stellen. Das Berufungsgericht wird sodann nach den näheren Maßgaben des Urteils des Senats vom 26. Juni 2023 ( VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245) die erforderlichen Feststellungen zu der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung sowie gegebenenfalls zu den weiteren Voraussetzungen und zum Umfang einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV zu treffen haben. Dabei wird es von einem objektiven Verstoß gegen die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV auszugehen haben, falls die [X.]das von ihr hergestellte und nach Vervollständigung vom Kläger in [X.]erworbene Basisfahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgerüstet und daher dem Basisfahrzeug eine unzutreffende Übereinstimmungsbescheinigung beigefügt hat (vgl. BGH, Urteil vom 23. Dezember 2024 - [X.]598/23, juris Rn. 30; Urteil vom 12. März 2025 - [X.]1608/22, juris Rn. 14).
C. Fischer Brenneisen Messing
Katzenstein F. Schmidt
Meta
30.04.2025
Bundesgerichtshof 6a. Zivilsenat
Urteil
Sachgebiet: ZR
vorgehend OLG Koblenz, 10. November 2022, Az: 7 U 887/22
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 30.04.2025, Az. VIa ZR 1653/22 (REWIS RS 2025, 2781)
Papierfundstellen: REWIS RS 2025, 2781
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.