Bundesfinanzhof, Beschluss vom 26.06.2013, Az. III B 5/13

3. Senat | REWIS RS 2013, 4749

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Gegenstand

Kindergeld bei Auslandsstudium - Rüge der Verletzung der Sachaufklärungspflicht


Leitsatz

1. NV: Es ist nicht klärungsbedürftig, dass ein inländischer Wohnsitz eines im Ausland studierenden Kindes nicht allein deshalb verneint werden kann, weil das Kind nach Abschluss des Studiums möglicherweise eine berufliche Karriere im Ausland beginnen wird.

2. NV: Ein rechtskundig vertretener Beteiligter kann eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht in der Regel dann nicht rügen, wenn er keine auf eine weitere Sachaufklärung gerichteten Anträge gestellt hat und sich dem FG eine weitere Sachaufklärung auch ohne Antrag nicht aufdrängen musste.

Gründe

1

Die Beschwerde ist unbegründet und wird durch Beschluss zurückgewiesen (§ 116 Abs. 5 [X.]atz 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Die von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor, sofern sie überhaupt in der durch § 116 Abs. 3 [X.]atz 3 [X.]O geforderten Weise dargelegt wurden.

2

1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O).

3

a) Eine Rechtsfrage ist grundsätzlich bedeutsam, wenn ihre Beantwortung durch den [X.] ([X.]) aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Dabei muss es sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame Frage handeln, die klärungsbedürftig und im zu erwartenden Revisionsverfahren klärungsfähig ist (ständige Rechtsprechung, z.B. [X.]-Beschluss vom 21. April 2010 IV B 32/09, [X.]/NV 2010, 1469). Eine Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig, wenn sie sich ohne Weiteres aus dem Gesetz beantworten lässt oder wenn sie bereits durch die höchstrichterliche Rechtsprechung hinreichend geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung durch den [X.] erforderlich machen (z.B. [X.]enatsbeschluss vom 1. Februar 2013 III B 222/11, [X.]/NV 2013, 727).

4

b) Die Klägerin hat folgende Rechtsfrage herausgestellt: "Ist die Anerkennung eines inländischen Wohnsitzes gem. § 8 AO eines im Ausland für begrenzte [X.] von 4 Jahren studierenden Kindes allein deshalb auszuschließen, weil das Kind während der gesamten [X.]tudienzeit zwar objektiv über eine eigene Wohnung in der inländischen Wohnung seiner Mutter und seine(s) [X.]tiefvaters verfügt und diese auch während der [X.]emesterferien nutzt, aber die ungewisse und vorwiegend nur in der Disposition von Dritten stehende Aussicht besteht, dass das Kind nach Abschluss seines [X.]tudiums im Falle eines entsprechenden Angebotes seine berufliche Karriere im Ausland fortsetzen wird?"

5

c) Die so formulierte Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig. Allein deshalb, weil ein im Ausland studierendes Kind nach dem Ende des [X.]tudiums dort möglicherweise eine berufliche Karriere beginnen wird, kann ein inländischer Wohnsitz i.[X.]. des § 8 der Abgabenordnung während des Auslandsaufenthalts nicht verneint werden. Der [X.] hat bereits mehrfach die Rechtsgrundsätze dargelegt, nach denen zu entscheiden ist, ob ein Kind, das sich aus [X.]chul- oder [X.]tudiengründen mehrere Jahre im Ausland aufhält, seinen inländischen Wohnsitz beibehält (z.B. [X.]-Urteile vom 22. April 1994 III R 22/92, [X.]E 174, 523, [X.] 1994, 887; vom 27. April 1995 III R 57/93, [X.]/NV 1995, 967; vom 23. November 2000 VI R 165/99, [X.]E 193, 569, [X.] 2001, 279, und VI R 107/99, [X.]E 193, 558, [X.] 2001, 294; [X.]enatsbeschluss vom 31. Mai 2007 III B 50/07, [X.]/NV 2007, 1907). Die Frage, ob im Einzelfall bei Anwendung dieser Grundsätze davon auszugehen ist, dass ein Kind seinen Wohnsitz im Inland hat, es dort einen weiteren Wohnsitz hat oder seine Aufenthalte lediglich Besuchscharakter haben, hat das Finanzgericht ([X.]) unter Berücksichtigung der Umstände des Falles im Wege der Tatsachenwürdigung zu beurteilen (vgl. z.B. [X.]enatsbeschluss in [X.]/NV 2007, 1907).

6

d) Aus den Gründen des angefochtenen Urteils ergibt sich nicht, dass das [X.] einen inländischen Wohnsitz des [X.] ([X.]) der Klägerin bereits deshalb verneint hat, weil dieser nach dem [X.]tudium möglicherweise in [X.] eine Karriere als … beginnen werde. Es war der Ansicht, es liege bereits kein von vornherein auf die Dauer des [X.]tudiums beschränkter Auslandsaufenthalt vor. Darüber hinaus hat es in Übereinstimmung mit der zitierten [X.]-Rechtsprechung darauf abgehoben, ob die zwischenzeitlichen Aufenthalte des [X.] in [X.] lediglich Besuchscharakter hatten und hat dies bejaht. In einem Revisionsverfahren, wie es von der Klägerin angestrebt wird, bestünde somit kein Anlass, die von ihr formulierte Rechtsfrage zu klären.

7

2. Die von der Klägerin geltend gemachten Verfahrensmängel führen ebenso wenig zur Revisionszulassung.

8

a) [X.]oweit die Klägerin rügt, das [X.] hätte aufklären müssen, ob [X.] den [X.]chwerpunkt der Lebensverhältnisse in die U[X.]A verlegt habe, ob die Bindung zum Elternhaus fortbestanden habe, welche weiteren Anhaltspunkte für oder gegen die Beibehaltung der Lebensinteressen im Inland gesprochen hätten und ob die telefonischen Kontakte mit dem in [X.] lebenden Vater der Annahme eines inländischen Wohnsitzes entgegenstehen könnten, macht sie eine Verletzung der Pflicht zur [X.]achaufklärung geltend (§ 76 Abs. 1 [X.]atz 1 [X.]O). Allerdings kann ein rechtskundig vertretener Beteiligter eine Verletzung der [X.]achaufklärungspflicht in der Regel dann nicht rügen, wenn er keine auf eine weitere [X.]achaufklärung gerichteten Anträge gestellt hat und sich dem [X.] eine weitere [X.]achaufklärung auch ohne Antrag nicht aufdrängen musste (z.B. [X.]-Beschluss vom 10. Januar 2007 [X.]113/06, [X.]/NV 2007, 935).

9

Für die ordnungsgemäße Rüge fehlender [X.]achaufklärung sind u.a. Ausführungen dazu notwendig, aus welchen Gründen sich die Notwendigkeit einer Aufklärung auch ohne Beweisantrag hätte aufdrängen müssen (z.B. [X.]enatsbeschluss vom 13. August 2007 III B 159/06, [X.]/NV 2007, 2284). Bereits hieran fehlt es im [X.]treitfall.

b) Ebenso wenig hat das [X.] das rechtliche Gehör der Klägerin durch Erlass einer Überraschungsentscheidung verletzt (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 [X.]O).

aa) Eine Überraschungsentscheidung kann vorliegen, wenn das [X.] sein Urteil auf einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt stützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger [X.] selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen nach dem bisherigen Verlauf der Verhandlung nicht rechnen musste (z.B. [X.]-Beschluss vom 13. Juli 2012 I[X.]3/12, [X.]/NV 2012, 1635). Einer umfassenden Erörterung der für die Entscheidung maßgeblichen Gesichtspunkte bedarf es dabei nicht ([X.]-Beschluss vom 25. Mai 2000 VI B 100/00, [X.]/NV 2000, 1235). Auch obliegt dem [X.] keine allgemeine Hinweispflicht in dem [X.]inne, dass es seine mögliche Beurteilung andeuten müsste ([X.]enatsbeschluss vom 17. Oktober 2012 III B 68/12, [X.]/NV 2013, 362).

bb) Im [X.]treitfall konnte die Klägerin schon im Hinblick auf die einschlägige [X.]-Rechtsprechung nicht davon überrascht sein, dass das [X.] bei der Beurteilung der Frage, ob ein im Ausland studierendes Kind seinen inländischen Wohnsitz der Wohnung der Eltern oder eines Elternteils beibehält, die Dauer von Inlandsaufenthalten von Bedeutung sein würde.

c) [X.]oweit die Klägerin einen Verstoß gegen Erfahrungssätze rügt, weil das [X.] allein aus der Dauer der Aufenthalte im Inland abgeleitet habe, dass diese Besuchscharakter hätten, macht sie keinen Verfahrensfehler geltend. Vielmehr stellen Verstöße gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze in der Regel materiell-rechtliche Fehler dar, auch dann, wenn sich diese Fehler auf die Würdigung von Tatsachen erstrecken. [X.]ie können damit nicht als Verfahrensmangel gerügt werden (Beschluss des [X.] vom 22. März 2011 [X.]151/10, [X.]/NV 2011, 1165).

3. Von einer Wiedergabe des [X.]achverhalts und von einer weiteren Begründung sieht der [X.]enat ab (§ 116 Abs. 5 [X.]atz 2 Halbsatz 2 [X.]O).

Meta

III B 5/13

26.06.2013

Bundesfinanzhof 3. Senat

Beschluss

vorgehend FG München, 20. November 2012, Az: 12 K 414/11, Urteil

§ 8 AO, § 76 Abs 1 S 1 FGO, § 96 Abs 2 FGO, § 116 Abs 3 S 3 FGO, Art 103 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 26.06.2013, Az. III B 5/13 (REWIS RS 2013, 4749)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 4749

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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