Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.04.2015, Az. IX ZB 76/12

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 12160

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB
76/12
vom

23. April 2015

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

ZPO § 511 Abs. 2 Nr. 1; [X.] §§ 187, 200 Abs. 1
Zu den Auswirkungen der Aufhebung des Insolvenzverfahrens auf den Wert des Be-schwerdegegenstands eines Berufungsverfahrens, dem die Feststellung einer Forde-rung zur Insolvenztabelle zugrunde lag.
[X.], Beschluss vom 23. April 2015 -
IX [X.]/12 -
OLG Dresden

[X.]

-
2
-
Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat durch den Vorsitzenden [X.] Prof. Dr.
Kayser, die [X.] Prof. Dr. [X.], [X.], die [X.]in [X.] und den [X.] Dr. Fischer

am
23. April 2015
beschlossen:

Auf die
Rechtsbeschwerde des Klägers
wird der
Beschluss des 13. Zivilsenats des [X.] vom 20.
Juni
2012
aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zu-rückverwiesen.

Der Streitwert des Rechtsbeschwerdeverfahrens
wird auf
10.061,28

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt Schadensersatz wegen eines Fahrradunfalls. Seine ursprünglich gegen den angeblichen Schädiger persönlich erhobene Klage
auf Leistung und Feststellung der Ersatzpflicht für künftige Schäden
hat das Land-gericht abgewiesen

. Während der laufenden Berufungsfrist ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen des 1
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Schädigers eröffnet und der Beklagte zum Verwalter bestellt worden. Sodann hat
der Kläger Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil eingelegt. Nachdem der Beklagte die zur Insolvenztabelle angemeldeten Schadensersatzforderun-gen bestritten hatte, hat der Kläger das Berufungsverfahren aufgenommen und seine Klage nunmehr gegen den Beklagten auf Feststellung des Bestehens einer Insolvenzforderung
gerichtet. Am 10.
Januar 2012 ist das Insolvenzver-fahren über das Vermögen des Schädigers aufgehoben worden. Mit Beschluss vom 20. Juni 2012 hat das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig
ver-worfen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Rechtsbeschwerde.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft
(§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO) und auch im Übrigen zulässig, weil die Sicherung einer [X.] Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Sie ist begründet und
führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Das Berufungsgericht
hat ausgeführt: Der nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erforderliche Wert des Beschwerdegegenstandr-de
nicht
erreicht. Der Streitwert einer gegen den Verwalter gerichteten Insol-venzfeststellungsklage bestimme sich gemäß § 182 [X.] nach dem Betrag, der bei der
Verteilung der Insolvenzmasse für die streitige Forderung zu erwarten sei. Ob die Forderung durch sonstige Rechte gesichert sei oder ein Absonde-rungsrecht bestehe, bleibe außer Betracht. Könne mit einer Insolvenzquote nicht gerechnet werden, sei der Streitwert auf den Wert der niedrigsten Gebüh-2
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renstufe festzusetzen. Für den Wert des [X.], der sich nach dem Interesse des Berufungsklägers an der Abänderung des angefochte-nen Urteils bestimme, gelte Entsprechendes. Der Kläger habe schon zum maß-geblichen Zeitpunkt der Berufungseinlegung die Auszahlung einer Quote nicht erwarten können.

2. Dies hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
Das Berufungsgericht hat nicht hinreichend berücksichtigt, dass es durch die
Aufhebung des [X.] zu einem gesetzlichen [X.]wechsel vom Beklagten auf den [X.] gekommen ist.

a) Mit der rechtskräftigen Beendigung des Insolvenzverfahrens, gleich ob sie auf einer Aufhebung (§§ 200, 258 [X.]) oder Einstellung (§ 215 [X.])
be-ruht, geht die Verwaltungs-
und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters grundsätzlich unter ([X.], Urteil vom 10. Februar 1982 -
VIII ZR 158/80, [X.]Z 83, 102;
vom 10. Dezember 2009 -
IX ZR
206/08, [X.], 99 Rn. 7). Neben der Verwaltungs-
und Verfügungsbefugnis entfällt auch
die
Prozessführungsbe-fugnis
([X.], Urteil vom 15. Juni 1992 -
II ZR 88/91, [X.], 1152 f; vom 10.
Dezember 2009, aaO).

Mit Blick auf
einzelne Bestandteile
des Schuldnervermögens können
Verwaltungs-
und Verfügungsbefugnis und demzufolge auch die
Prozessfüh-rungsbefugnis des Verwalters die Verfahrensbeendigung
ausnahmsweise überdauern. Geht es wie hier um eine streitige Insolvenzforderung, kommt der Fortbestand des
[X.]s
in Betracht für
einen
nach § 189 Abs. 2
[X.]
zurückbehaltenen
und schließlich gemäß § 198 [X.] hinterlegten Betrag. Der Grund dafür ist, dass der hinterlegte Betrag grundsätzlich einer
Nachtrags-verteilung nach
§ 203 Abs. 1 Nr. 1 [X.] zuzuführen ist, wenn feststeht, dass er 4
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nicht zur Befriedigung des
Insolvenzgläubigers benötigt wird
(vgl. [X.], Urteil vom 22. Februar 1973 -
VI [X.], NJW 1973, 1198, 1199; vom 10. Februar 1982, aaO S. 103; vom 15. Juni 1992, aaO S. 1153).
Ob der [X.] ohne weiteres fortbesteht (so [X.], [X.], 13. Aufl., § 200 Rn. 14; Hmb-Komm-[X.]/[X.], 5. Aufl., § 200 Rn. 13; [X.]/[X.], [X.], 18. Aufl., §
200 Rn. 5), die [X.] vorzubehalten (so [X.], [X.], 2077, 2081; vgl. auch MünchKomm-[X.]/[X.], 3. Aufl., § 200 Rn. 40) oder beson-ders
anzuordnen
ist
(so Jaeger/[X.],
[X.], § 200 Rn. 16), muss
nicht entschieden werden. Eine
Hinterlegung gemäß § 198 [X.] ist
im Streitfall man-gels Masse nicht erfolgt.

b) Endet mit der rechtskräftigen
Verfahrensbeendigung der [X.],
erlangt der Schuldner sowohl Verwaltungs-
und Verfügungsbefugnis als auch
die
Prozessführungsbefugnis zurück. In einem zu
diesem Zeitpunkt an-hängigen
Rechtsstreit,
an dem der Insolvenzverwalter als [X.] kraft Amtes mit Wirkung für und gegen die Masse beteiligt ist, kommt es zu einem gesetzlichen [X.]wechsel von dem Insolvenzverwalter auf den Schuldner
([X.], Urteil vom 19. Dezember 1966 -
VIII ZR 110/64, [X.]Z
46, 249, 250; Beschluss vom 7.
April 2011 -
V [X.], [X.], 989 Rn. 6; [X.], aaO Rn. 17; MünchKomm-[X.]/[X.], aaO Rn. 37; [X.]/[X.], 4. Aufl., §
239 Rn. 14), wenn
nicht ein untrennbar mit dem Amt des Verwalters verbun-denes Recht [X.] ist (vgl. [X.], Urteil vom 10. Februar 1982, aaO [X.] ff). Der Insolvenzverwalter kann den Rechtsstreit nur noch in gewill-kürter Prozessstandschaft führen (vgl. [X.], Urteil vom 7. Juli 2008 -
II ZR 26/07, [X.], 1615).

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Nicht einheitlich wird beantwortet, ob der gesetzliche [X.]wechsel den Rechtsstreit unterbricht
und gegebenenfalls nach welcher Vorschrift (vgl. [X.], Beschluss vom 7. April 2011, aaO Rn. 7
mwN). Eine Unterbrechung wird teils auf eine
analoge Anwendung des § 239 ZPO gestützt, teils wird eine Anwen-dung von
§ 241 ZPO
für richtig gehalten
(vgl. [X.]/[X.], aaO
mwN).
Der Senat braucht diese Frage nicht zu entscheiden. § 246 Abs. 1 ZPO gilt sowohl für § 239 ZPO als auch für § 241 ZPO. Zu einer Unterbrechung
des Rechtsstreits kann es im Streitfall schon deshalb nicht gekommen sein, weil der Beklagte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten war; ein Aussetzungs-antrag ist nicht gestellt.
Ist kein Aussetzungsantrag gestellt, wird der [X.] wie bisher fortgesetzt. [X.] ist der Schuldner persönlich, auch wenn der Prozess noch auf den Namen
des Insolvenzverwalters geführt wird (vgl. [X.], Urteil vom 8. Februar 1993 -
II ZR 62/92, [X.]Z 121, 263, 265 f; [X.]/[X.], ZPO, 30. Aufl., § 246 Rn. 2b; [X.]/[X.]/[X.], ZPO, 12. Aufl., § 246 Rn.
5).

c) Prozesspartei ist
demnach seit der Aufhebung des Insolvenzverfah-rens nicht mehr der Beklagte, sondern der angebliche Schädiger. In diesem
Prozessrechtsverhältnis
gelangt § 182 [X.]
nicht zur Anwendung.
Der Wert des [X.]
ist nach
den allgemeinen Vorschriften zu bestimmen (§ 2 iVm §§ 3 ff ZPO). Unter Berücksichtigung des gesetzlichen [X.]wechsels ist der Antrag
des Klägers nicht mehr als Tabellenfeststellungsklage
gemäß §§ 179, 180 [X.] zu verstehen, sondern als allgemeines Feststellungsbegehren. Seine abweichende Formulierung ist als unschädliche Falschbezeichnung an-zusehen. Der Wert des [X.] ist daher mit dem üblichen Abschlag in Höhe von 20 v.H. zu bemessen und liegt mit

oberhalb der Wertgrenze des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

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III.

Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht wird zunächst auf eine Berichtigung des Rubrums hinsichtlich des Beklagten hinzuwirken und dem Kläger
Gelegenheit zu geben haben, sei-nen
Berufungsantrag unter dem Gesichtspunkt des Vorrangs der Leistungs-klage zu überprüfen.

Kayser
[X.]
[X.]

[X.]
Fischer
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 20.07.2010 -
7 O 1262/09 -

OLG Dresden, Entscheidung vom 20.06.2012 -
13 U 1302/10 -

10

Meta

IX ZB 76/12

23.04.2015

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.04.2015, Az. IX ZB 76/12 (REWIS RS 2015, 12160)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 12160

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