Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.01.2012, Az. 1 StR 373/11

1. Strafsenat | REWIS RS 2012, 10162

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1
[X.]R 373/11

vom
12. Januar
2012
in der [X.]rafsache
gegen

wegen Betruges u.a.

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Der 1. [X.]rafsenat des [X.] hat am 12. Januar 2012
beschlos-sen:

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 24. September 2010 wird als unbegründet verwor-fen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der [X.] keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklag-ten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 [X.]PO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tra-gen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten, einen Rechtsanwalt, wegen [X.] in zwei Fällen, Subventionsbetruges und versuchter [X.]euerhinterziehung -
unter Einbeziehung einer zur Bewährung ausgesetzten rechtskräftigen Frei-heitsstrafe von zehn Monaten wegen Veruntreuung von [X.] -
zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Zur Kompensation einer konventionswidrigen Verfahrensverzögerung hat es hiervon sechs Monate für vollstreckt erklärt.

Die auf mehrere Verfahrensrügen und die ausgeführte Sachrüge ge-stützte Revision des Angeklagten ist aus den in der Antragsschrift des [X.] vom 30. August 2011 dargelegten Gründen unbegründet im Sinne von §
349 Abs.
2 [X.]PO. Ergänzend bemerkt der
Senat zu den nachfol-gend näher bezeichneten Verfahrensrügen Folgendes:

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1. Rüge eines Verstoßes gegen § 229 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 [X.]PO ([X.])

a) Die Revision macht einen Verstoß gegen § 229 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 [X.]PO geltend, der darin liege, s-e-chung der Hauptverhandlung wegen einer vom Angeklagten behaupteten [X.] im Bereich der Lendenwirbelsäule. Die Revision stützt den
von ihr angenommenen Verstoß auf einen Alternativsachverhalt. Entweder sei der An-geklagte zum Zeitpunkt der Fortsetzung der Hauptverhandlung noch nicht [X.] oder aber sei er gar nicht krank gewesen, und habe seine Krankheit nur vorgetäuscht (RB S.
267).

b) [X.] entspricht nicht den Voraussetzungen des §
344 Abs.
2 Satz
2 [X.]PO und ist deshalb bereits unzulässig, denn mit ihr wird kein [X.] behauptet. Wie der [X.] zutreffend ausgeführt hat, schließen sich beide Sachverhaltsvarianten gegenseitig aus. Letztlich wird das Revisionsgericht lediglich aufgefordert zu prüfen, ob in [X.] Richtung ein Verstoß gegen die Vorschrift des §
229 [X.]PO vorliege. Damit lässt das [X.] eine bestimmte Angriffsrichtung nicht er-kennen.

Der Angeklagte war auch in der Lage, klar anzugeben, ob er seine Krankheit lediglich vorgetäuscht hatte oder nicht. Er wusste selbst am besten, welche Krankheitssymptome er verspürte, als er -
wie im [X.] und im daraufhin gegen ihn ergangenen Haftbefehl festgestellt -
Müllsäcke mit einem Gewicht von 25 kg eine Treppe hinuntertrug, [X.], Schul-
und 3
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Sporttaschen zwischen Auto und Haus hin-
und herschleppte, täglich mit einem [X.] am [X.]raßenverkehr teilnahm und über drei [X.]unden in gebück-ter Haltung den Garagenvorplatz reinigte.

2. Rüge der Verletzung des §
244 Abs.
3 [X.]PO im Hinblick auf die Zu-rückweisung eines Beweisantrages wegen Prozessverschleppung (RB
Ziffer II 3)

Die Beanstandung der Revision, das [X.] habe den Antrag auf Einholung eines Gutachtens eines Schriftsachverständigen, mit dem bewiesen werden sollte, der Zeuge C.

habe bestimmte Schriftstücke eigenhändig unterschrieben, zu Unrecht wegen Prozessverschleppungsabsicht
gemäß §
244 Abs.
3 [X.]PO abgelehnt, dringt nicht durch. Ergänzend zu den Ausführun-gen des [X.]s zum Vorliegen eines [X.], zur Reichweite der Aufklärungspflicht und zum jedenfalls fehlenden Be-ruhen bemerkt der Senat Folgendes:

Die Erwägungen der [X.] tragen auch die von ihr gezogenen Schlüsse, der Antrag auf Einholung eines Schriftsachverständigengutachtens sei allein zum Zweck der Prozessverschleppung im Sinne von §
244 Abs.
3
Satz
2 Var.
6 [X.]PO gestellt worden und die beantragte Beweiserhebung habe nichts Sachdienliches zu Gunsten des Angeklagten erbringen können. Die [X.] konnte hierbei dem Umstand, dass der Angeklagte zunächst [X.] hatte, das Erscheinen des Zeugen C.

-
als sachnäheres Beweismit-tel -
und dessen Aussage vor Gericht zu verhindern, und den Zeugen dazu so-gar persönlich in [X.] aufgesucht hatte, maßgebliche Bedeutung beimessen. Nachdem dieser Verdunkelungsversuch gescheitert war und als nach einer Hauptverhandlung mit einer Dauer von über einem Jahr eine insgesamt erdrü-7
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ckende Beweislage gegen den Angeklagten bestand, durfte die [X.] den Antrag auf Einholung eines Gutachtens eines Schriftsachverständigen als allein zum Zwecke der Verfahrensverzögerung gestellt ansehen. Dabei konnte sie in ihre Bewertung einbeziehen, dass keiner der hierzu bisher vernommenen Zeugen -
danach angefallene abweichende Erkenntnisse sind weder von der Revision behauptet worden noch aus den Urteilsgründen ersichtlich -
Angaben im Sinne der Beweisbehauptung gemacht hatte und sowohl der Zeuge C.

als auch der Zeuge V.

vehement bestritten hatten, dass die Firma T.

Vertragsverhältnisse mit [X.] Firmen bezüglich des Vorhabens der P.

GmbH eingegangen waren. Hinzu kommt, dass der vom Beweisantrag umfasste [X.] zwischen der Firma T.

und der Firma

Z.

in der Ausfertigung des Zeugen Z.

gerade keinen Firmenstempel der Firma T.

und keine Unterschrift des Zeugen C.

aufwies.

Nicht zu beanstanden ist auch die Überzeugung der [X.], die Wahlverteidigerin -
auf die es bei dem von
ihr gestellten Antrag ankommt -
ha-be die Nutzlosigkeit der beantragten Beweiserhebung sowie die damit verbun-dene Verfahrensverzögerung erkannt und sie habe mit ihrem Antrag auch aus-schließlich die Verzögerung des Verfahrensabschlusses bezweckt (vgl. dazu [X.], Beschluss vom 9.
Mai 2007 -
1 [X.]R 32/07 Rn. 16, [X.][X.] 51, 333, 336). Die [X.] durfte bei ihrer
Würdigung den bisherigen [X.] berücksichtigen ([X.] aaO Rn. 16).

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3.
Rüge eines Verstoßes gegen § 258 Abs. 1 [X.]PO ([X.])

a) [X.], der Wahlverteidigerin sei keine Gelegenheit gegeben [X.], einen Schlussvortrag zu halten (§
258 Abs. 1 [X.]PO), greift nicht durch.

Wie die Revision selbst vorträgt, war die Wahlverteidigerin, Rechtsan-wältin R.

, an dem [X.], für den die Plädoyers der [X.] geplant waren, erkrankt. Damit scheidet ein Verstoß gegen § 258 Abs.
1 [X.]PO aus; denn einem in der Hauptverhandlung nicht anwesenden Verteidiger kann keine Gelegenheit zum Schlussvortrag gegeben werden (vgl. auch BayObLG -
Urteil vom 20.
März 1981 -
RReg. 1 [X.] 13/81, [X.], 128; Gollwit-zer in Löwe/[X.], [X.]PO,
26. Aufl.,
§ 258 Rn. 12).

b) [X.] bleibt auch dann ohne Erfolg, wenn mit ihr zugleich ein Verstoß gegen §
338 Nr. 8 [X.]PO geltend gemacht werden soll-te, der darin liegen soll, dass der im Hinblick auf die Erkrankung der Wahlver-teidigerin
gestellte Antrag der Pflichtverteidigerin auf Unterbrechung der [X.] durch Gerichtsbeschluss zurückgewiesen wurde.

aa) [X.] wäre mit dieser Angriffsrichtung bereits unzulässig, weil sie dann den Anforderungen des §
344 Abs.
2 Satz
2 [X.]PO nicht entspräche.

Es fehlen jegliche Angaben zu Art, Umfang und tatsächlicher Dauer der Erkrankung der Wahlverteidigerin sowie dazu,
ob innerhalb der Unterbre-chungsfrist des §
229 Abs.
1 [X.]PO eine Fortsetzung der Hauptverhandlung noch möglich
gewesen wäre. Auch wird nicht mitgeteilt, aus welchem Grund der weitere Wahlverteidiger des Angeklagten, Rechtsanwalt Dr. E.

, nicht 11
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an der [X.]elle der erkrankten Wahlverteidigerin R.

an der Hauptverhandlung hätte teilnehmen und einen Schlussvortrag halten können.

bb) [X.] wäre jedenfalls unbegründet, denn der Beschluss der [X.], die Hauptverhandlung trotz der Erkrankung der Wahlverteidigerin nicht zu unterbrechen, hält rechtlicher Nachprüfung stand. Ein Zuwarten mit dem Abschluss der Hauptverhandlung, bis eine Sitzung mit der [X.] hätte durchgeführt werden können, war nicht geboten.

Der Angeklagte war durch die anwesende Pflichtverteidigerin, die auch einen Schlussvortrag gehalten hat, ordnungsgemäß verteidigt. Die Pflichtvertei-digerin hatte, von wenigen Ausnahmen abgesehen, den Angeklagten an sämt-lichen [X.]en verteidigt, was für die Wahlverteidigerin gerade nicht zutrifft, denn sie war bereits vorher an mehr als der Hälfte der [X.] nicht anwesend gewesen. Entgegen der Auffassung der [X.] lässt sich weder aus der Länge des von der Pflichtverteidigerin gehaltenen [X.] noch aus dem von ihr gestellten Unterbrechungsantrag schlie-ßen, die Pflichtverteidigerin sei zu einem
ordnungsgemäßen Schlussvortrag nicht in der Lage gewesen. Auch werden keine Gründe vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich, die einer Wahrnehmung dieses Sitzungstages und einem Schlussvortrag durch den weiteren Wahlverteidiger des Angeklagten, Rechtsanwalt Dr. E.

, entgegengestanden hätten. Dieser Verteidiger ge-noss, wie dem [X.] zu entnehmen ist, ebenfalls das umfassende Vertrauen des Angeklagten.

Auch sonst lässt
die vom [X.] vorgenommene
Abwägung zwi-schen dem Interesse
des Angeklagten
an einem Zuwarten
und dem Beschleu-nigungsgrundsatz (vgl. Artikel 6 Abs.
1 Satz 1 MRK) bei der Ablehnung einer 17
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Unterbrechung der Hauptverhandlung bis zur Genesung der Wahlverteidigerin Rechtsfehler nicht erkennen. Das [X.] weist in dem Ablehnungsbe-schluss ausdrücklich darauf hin, dass es bereits die Unterbrechung bis zu dem Tag, an dem die Wahlverteidigerin wegen einer Erkrankung nicht teilnehmen konnte, mit Rücksicht auf deren Verhinderung am vorherigen Verhandlungstag vorgenommen hatte. Ein weiteres Zuwarten war dem [X.] angesichts der ordnungsgemäßen Verteidigung durch die Pflichtverteidigerin auch schon deshalb nicht zumutbar, weil nicht absehbar war, wann ein neuer [X.] mit der Wahlverteidigerin durchführbar sein würde (vgl. auch [X.], Beschluss vom 9.
November 2006 -
1 [X.]R 474/06, [X.], 228).

4. Rüge eines Verstoßes gegen §§ 338 Nr. 8 i.V.m.
§
141 [X.]PO
([X.])

[X.], das [X.] habe dem Angeklagten zu Unrecht entgegen seinem ausdrücklichen Willen nicht seine beiden Wahlverteidiger, Rechtsan-wältin R.

und Rechtsanwalt Dr. E.

, sondern Rechtsanwältin Dr. S.

als Pflichtverteidigerin beigeordnet, versagt ebenfalls.

a) Die Verfahrensrüge genügt aus den
zutreffenden Erwägungen in der Antragsschrift des [X.]s bereits nicht den Anforderungen des §
344 Abs.
2 Satz
2 [X.]PO und ist deshalb unzulässig.

b) [X.] könnte auch in der Sache keinen Erfolg haben. Denn die Beiordnung von Rechtsanwältin Dr. S.

als Pflichtverteidigerin hatte nicht zur Folge, dass die Wahlverteidiger ihr Mandat niederlegten. Vielmehr wurde der Angeklagte nunmehr sogar durch drei Verteidiger, nämlich zwei Wahlver-20
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teidiger und eine Pflichtverteidigerin,
verteidigt. Es ist nicht ersichtlich, dass die Verteidigung des Angeklagten durch drei statt einen
Verteidiger für den Ange-klagten von Nachteil gewesen sein könnte. Vielmehr bestätigen bereits die [X.] Abwesenheitszeiten der beiden Wahlverteidiger, die während der von Juli 2009 bis September 2010 dauernden Hauptverhandlung jeweils von [X.] nach [X.] zu den [X.] reisen mussten, dass die Beiordnung von Rechtsanwältin Dr. S.

neben diesen beiden Wahlverteidigern sachgerecht war.

5. Rüge eines Verstoßes gegen § 222b [X.]PO i.V.m. § 338 Nr. 1 Buchst.
b [X.]PO
([X.])

Die Revision rügt, es liege ein Verstoß gegen § 222b [X.]PO i.V.m. § 338 Nr. 1 Buchst. [X.] liege bereits deswegen vor, weil der Einwand der vorschriftsmäßigen Besetzung im Sinne des § 338 Nr. 1
Buchst. b
1. Alt. [X.]PO übergangen worden sei.

Mit dieser Angriffsrichtung versagt die Rüge, worauf der [X.] in seiner Antragsschrift zutreffend hinweist, bereits im Ansatz. Denn das Übergehen eines [X.]es stellt lediglich eine Zulässigkeitsvo-raussetzung der Besetzungsrüge nach §
338 Nr.
1 [X.]PO dar. Eine solche Rüge kann aber nur dann Erfolg haben, wenn die Besetzung tatsächlich vorschrifts-widrig war. Dies wird hier indes gerade nicht behauptet. Vielmehr macht die Revision
allein geltend, ein absoluter Revisionsgrund liege deshalb vor, weil über den erhobenen [X.] nicht entschieden worden sei.

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Etwaige Zweifel an der Angriffsrichtung dieser Rüge hat die Revision spätestens in ihrer Gegenerklärung zur Antragsschrift des [X.] ausgeräumt. Dort stellt die Revision nochmals klar, dass es in dem vorlie-genden Fall, in dem das Gericht einen [X.] übergangen habe (§ 338 Nr. 1 Buchst. b

Überprüfung der [X.] übergangen worden sei. Die Revision vertritt dabei die (unzutref-sei dem Revisionsgericht hier verwehrt, weil eine solche nur erfolgen könne, wenn die erkennende [X.] eine Entscheidung getroffen habe.

Herr Ri[X.] Hebenstreit

befindet sich auf Dienst-

reise und ist deshalb an

der Unterschrift gehindert.

[X.]

Wahl Nack

Jäger Sander
27

Meta

1 StR 373/11

12.01.2012

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.01.2012, Az. 1 StR 373/11 (REWIS RS 2012, 10162)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 10162

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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