Bundesgerichtshof, Beschluss vom 04.06.2019, Az. 3 StR 183/19

3. Strafsenat | REWIS RS 2019, 6637

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Gegenstand

Wiedereinsetzung im Strafverfahren: Irrtum über den Lauf der Revisionsbegründungsfrist bei übersetzter Rechtsmittelbelehrung


Tenor

1. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des [X.] vom 20. Dezember 2018 wird verworfen.

2. Der Antrag des Angeklagten auf Entscheidung des [X.] gegen den Beschluss des [X.] vom 5. März 2019, mit dem die Revision des Angeklagten gegen das vorbenannte Urteil als unzulässig verworfen worden ist, wird auf seine Kosten verworfen.

Gründe

1

I. Das [X.] hat den Angeklagten wegen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt.

2

Nachdem sein Verteidiger für ihn fristgerecht Revision eingelegt hatte, ist jenem das Urteil am 1. Februar 2019 zugestellt worden. Als bis zum 5. März 2019 eine Revisionsbegründung nicht eingegangen war, hat das [X.] mit Beschluss von diesem Tag die Revision nach § 346 Abs. 1 [X.] als unzulässig verworfen. Der Beschluss ist dem Verteidiger am 8. März 2019 zugestellt und an den Angeklagten formlos übersandt worden.

3

Mit beim [X.] am 13. März 2019 eingegangenem persönlichen Schreiben vom 11. März 2019 hat der Angeklagte unter Bezugnahme auf die dem Beschluss angefügte Belehrung über das Rechtsmittel des § 346 Abs. 2 [X.] darum gebeten, ihm eine Übersetzung des Urteils in die [X.] zukommen und "die Frist ... (zur Revisionsbegründung erneut) starten zu lassen", wenn ihm diese Übersetzung vorliege.

4

Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 15. März 2019, eingegangen beim [X.] Hildesheim am selben Tag, hat der Angeklagte die Entscheidung des [X.] gegen den Beschluss beantragt, "vorsorglich" um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ersucht und die Revision "kurz zusammenfassend" begründet. Zum Wiedereinsetzungsantrag ist dort ausgeführt, der Angeklagte habe keine Übersetzung des Urteils in die [X.] erhalten, sodass nach dessen Auffassung die [X.] noch nicht zu laufen begonnen habe. Aufgrund eines "sprachlichen Missverständnisses am Telefon" sei der Verteidiger davon ausgegangen, dass der Angeklagte keine Durchführung des Revisionsverfahrens gewollt habe.

5

Mit weiterem, beim [X.] am 19. März 2019 eingegangenem persönlichen Schreiben vom 14. März 2019 hat der Angeklagte erneut "die Übersetzung auf [X.]" erbeten und behauptet, sein Verteidiger habe ihn "angelogen", indem er wahrheitswidrig erklärt habe, er habe Revision eingelegt.

6

II. Die Anträge auf Entscheidung des [X.] (§ 346 Abs. 2 [X.]) sowie auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§§ 44, 45 [X.]) bleiben erfolglos. Hierzu hat der [X.] in seiner Antragsschrift ausgeführt:

"1) Der rechtzeitig eingegangene Antrag auf Entscheidung des [X.] ist unbegründet, weil das [X.] mit Beschluss vom 5. März 2019 zu Recht gemäß § 346 Abs. 1 [X.] das Rechtsmittel als unzulässig verworfen hat; die Revision hätte bis spätestens 1. März 2019 begründet werden müssen. Entgegen der Auffassung des Verurteilten war die [X.] nicht bis zur Zustellung einer Übersetzung des Urteils in die [X.] gehemmt. Denn gemäß § 345 Abs. 2 [X.] beginnt die einmonatige Frist zur Begründung der Revision spätestens mit der Zustellung der schriftlichen Urteilsgründe. Auf den Eingang einer etwaigen Übersetzung käme es dabei selbst dann nicht an, wenn der Verurteilte einen Anspruch auf Fertigung einer solchen Übersetzung hätte. Dies ist indessen vorliegend schon nicht der Fall, weil der Verurteilte verteidigt ist (vgl. [X.], Beschluss vom 22. Januar 2018 - 4 StR 506/17 -, juris). In diesem Fall wird die effektive Verteidigung des sprachunkundigen Angeklagten dadurch ausreichend gewährleistet, dass der von Gesetzes wegen für die Revisionsbegründung verantwortliche Rechtsanwalt das schriftliche Urteil kennt und der Angeklagte die Möglichkeit hat, das Urteil mit ihm - gegebenenfalls unter Hinzuziehung eines Dolmetschers - zu besprechen ([X.], aaO mwN; [X.], [X.], 8. Aufl., § 187 [X.], Rn 4).

2) Der [X.] betreffend die Versäumung der Frist zur Begründung der Revision ist unzulässig.

a) Aus dem Schreiben des Verteidigers vom 15. März 2019 ergibt sich nicht, dass den Verurteilten kein Verschulden an der Fristversäumnis trifft. Insoweit fehlt es an der Glaubhaftmachung der zugrundeliegenden Tatsachen; die Behauptung eines „sprachlichen Missverständnisses am Telefon“ vermag den Vortrag der maßgeblichen Geschehensabläufe nicht zu ersetzen. Es hätte näherer Darlegung bedurft, worin dieses Missverständnis bestand, insbesondere wäre mitzuteilen und glaubhaft zu machen gewesen, was der Verurteilte im Einzelnen mit seinem Verteidiger besprochen, was dieser wiederum verstanden hatte und wann und wie sich das „Missverständnis“ aufgeklärt hat.

Aufgrund der Umstände liegt ein dahingehendes Missverständnis auf Seiten des Verteidigers, er hätte das Rechtsmittel weiterverfolgen und die Revision auch innerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 [X.] begründen sollen, auch nicht derart nahe, dass Vortrag hierzu entbehrlich gewesen wäre. Denn nach der im Schreiben vom 15. März 2019 dargelegten Auffassung des Verurteilten konnte die Frist zur Begründung der Revision noch gar nicht beginnen, sodass aus seiner Sicht auch nicht die Notwendigkeit bestand, seinen Verteidiger mit der binnen eines Monats zu fertigenden Begründung des Rechtsmittels zu beauftragen. Ein Irrtum des Verurteilten über den Lauf der Rechtsmittelbegründungsfrist wäre ihm aber als Verschulden anzulasten, da ihm nach der Urteilsverkündung, übersetzt in die [X.], eine Rechtsmittelbelehrung erteilt worden war (vgl. Band [X.], [X.]). Das Schreiben des Verurteilten vom 11. März 2019 (Band [X.], [X.]) deutet ebenfalls nicht auf ein Missverständnis bei der Beauftragung, sondern auf einen Irrtum über den Lauf der [X.] hin. Anderes ergibt sich auch nicht aus der Darstellung des Verurteilten im weiteren Schreiben vom 14. März 2019 (Band [X.], [X.]), wonach der Verteidiger ihm gesagt habe, die Revision eingelegt zu haben, obwohl dies nicht der Wahrheit entspreche. Dies belegt allenfalls, dass der Verurteilte seinen Verteidiger mit der - später tatsächlich erfolgten - Einlegung des Rechtsmittels beauftragt hat, nicht jedoch, dass er ihn schon zum damaligen Zeitpunkt oder später mit der Begründung der Revision beauftragt hat.

b) Ob der Wiedereinsetzungsantrag auch deshalb unzulässig wäre, weil der Antragsteller nicht ausreichend Angaben über den Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses gemacht hat (vgl. § 45 Abs. 1 Satz 1 [X.]), kann daher dahingestellt bleiben (vgl. zum Erfordernis entsprechenden Vortrags: Senat, Beschlüsse vom 18. September 2018 - 3 [X.] -, juris; vom 7. Februar 2019 - 3 [X.] -, juris). Insoweit könnten die Abläufe und das Schreiben des Verurteilten vom 11. März 2019 den Schluss darauf zulassen, dass er erst mit Zugang des Beschlusses vom 5. März 2019 von der Nichtweiterverfolgung seines Rechtsmittels Kenntnis erlangt hat."

7

Dem schließt sich der Senat an.

Schäfer     

        

Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. [X.] befindet sich im
Urlaub und ist deshalb gehindert
zu unterschreiben.

        

[X.]

                 

Schäfer

                 
        

Berg     

        

     Anstötz     

        

Meta

3 StR 183/19

04.06.2019

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Hildesheim, 20. Dezember 2018, Az: 27 Js 25853/18 - 20 KLs

§ 44 StPO, § 45 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 04.06.2019, Az. 3 StR 183/19 (REWIS RS 2019, 6637)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 6637

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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