Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.12.2016, Az. 1 StR 358/16

1. Strafsenat | REWIS RS 2016, 1254

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:071216B1STR358.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1
StR 358/16
vom
7. Dezember 2016
in der Strafsache
gegen

wegen erpresserischen Menschenraubs
u.a.

-
2 -

Der 1. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des [X.]

zu
2. auf dessen Antrag

am 7.
Dezember 2016 gemäß §
349 Abs.
2 und 4 [X.] beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 7.
März 2016 aufgehoben, soweit von der Bildung einer Gesamtfreiheitsstrafe abgesehen worden ist.
2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels,
an eine andere Strafkammer des [X.].

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen erpresserischen [X.] in Tateinheit mit besonders schwerem Raub und mit besonders schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren ver-urteilt. Zudem hat es seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung ange-ordnet. Von der Bildung einer nachträglichen Gesamtfreiheitsstrafe unter Ein-beziehung der Geldstrafen aus einem Urteil und einem Strafbefehl
des Amtsge-richts Stuttgart-Bad
Cannstatt hat es gemäß §
55 Abs.
1 StGB
i.[X.]. §
53 Abs.
2 Satz
2 StGB
abgesehen. Mit seiner Revision beanstandet der [X.] formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat ledig-lich in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übri-gen ist es unbegründet im Sinne des §
349 Abs.
2 [X.].

1
-
3
-
1. Die erhobenen Verfahrensbeanstandungen dringen aus den in der Antragsschrift des [X.] genannten Gründen nicht durch.

2. Zum Schuldspruch, zum Ausspruch über die für die verfahrensgegen-ständliche Tat
verhängte [X.] und zur Anordnung der Siche-rungsverwahrung hat die Nachprüfung des Urteils auf die Sachrüge keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

Soweit das [X.] hinsichtlich der Geldstrafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts
Stuttgart-Bad
Cannstatt vom 12. März 2015 von der Bildung einer nachträglichen Gesamtfreiheitsstrafe abgesehen hat, ist das Urteil eben-falls rechtsfehlerfrei. Denn die Voraussetzungen für die Bildung einer nachträg-lichen Gesamtstrafe sind für diese Strafe nicht gegeben. Ihr liegt eine am 2.
Januar 2015 begangene [X.] zugrunde, die mit der Frei-heitsstrafe für die am 10.
April 2013 verübte verfahrensgegenständliche Tat nicht gesamtstrafenfähig ist, weil ein Berufungsurteil des [X.]s Stuttgart vom 22.
Januar 2014 Zäsurwirkung entfaltet. Die Zäsurwirkung einer auf [X.] lautenden unerledigten Vorverurteilung entfällt nicht, wenn in der neuen oder einer früheren Gesamtstrafenentscheidung gemäß §
53 Abs.
2 Satz 2 StGB von der Einbeziehung abgesehen wurde
(st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 12.
August 1998

3 StR 537/97, [X.]St 44, 179, 184; [X.], StGB, 64.
Aufl., §
55 Rn.
9a).

3. Soweit das [X.] die Bildung einer nachträglichen [X.] gemäß §
55 Abs.
1 StGB mit den [X.], die der [X.] aus dem Urteil des Amtsgerichts Stuttgart-Bad
Cannstatt vom 12.
August 2013 zugrunde lagen, nach §
53 Abs.
2 Satz
2 StGB abgelehnt hat, hält das Urteil rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Sache ist daher zu neu-2
3
4
5
-
4
-
er rechtsfehlerfreier Ermessensausübung an das [X.] zurückzuverwei-sen.

a) Ob beim Zusammentreffen einer [X.] mit Einzelgeld-strafen eine Gesamtfreiheitsstrafe gebildet wird oder eine Geldstrafe oder [X.] selbstständig neben der Freiheitsstrafe ausgesprochen wird, liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts (vgl. [X.], Urteil vom 17.
Januar 1989

1 StR 730/88, [X.]R StGB § 53 Abs.
2 Einbeziehung
1; [X.] vom 3.
Dezember 2007

5 [X.], [X.], 27). Dabei hat das Gericht unter Berücksichtigung der allgemeinen Strafzumessungserwägungen zu prüfen, ob eher eine längere Gesamtfreiheitsstrafe oder eine kürzere Frei-heitsstrafe neben einer Geldstrafe den [X.] entspricht (vgl. [X.], [X.] vom 17.
Dezember 2014

4 [X.], [X.], 334 und vom 11.
Juni 2002

1 [X.], [X.], 264; [X.], StGB, 3.
Aufl., § 53 Rn.
14). Aus Wortlaut und Systematik des §
53 Abs.
2 StGB ergibt sich, dass die selbstständige Verhängung einer Geldstrafe neben einer Freiheitsstrafe die Ausnahme bildet (vgl. [X.] [X.]O Rn.
13); sie bedarf daher

anders als der Regelfall der Gesamtstrafenbildung (vgl. [X.], Beschluss vom 7.
Oktober 2010

1
StR 484/10, [X.], 19)

regelmäßig besonderer Begründung (vgl. [X.], StGB, 64.
Aufl., §
53 Rn.
5 mwN).

b) Die Erwägungen des [X.]s im Rahmen der [X.] zu §§ 55, 53 Abs.
2 Satz
2 StGB halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Das [X.] geht bereits von einem falschen rechtlichen Ausgangs-punkt aus, indem es die im Strafbefehl des [X.] vom 12.
März 2015 verhängte Geldstrafe für einbeziehungsfähig hält, ob-wohl insoweit im Hinblick auf eine Zäsur die Voraussetzungen
des §
55 Abs. 1 6
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8
-
5
-
StGB für eine Gesamtstrafenbildung nicht gegeben sind. Im Hinblick auf alle rechtskräftigen Geldstrafen aus früheren Verurteilungen hält es zudem für [X.], deshalb eine (Gesamt-)Geldstrafe neben der Freiheitsstrafe von acht Jahren gesondert zu belassen, weil in den mit Geldstrafe geahndeten Ver-fehlungen, die jeweils während der Strafhaft begangen wurden, die fehlende Bereitschaft des Angeklagten zum Ausdruck komme, sich an Regeln zu halten oder die Ehre anderer Personen zu respektieren (UA S.
45 f.). Hierbei übersieht das [X.], dass auch die verfahrensgegenständliche Tat während der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§
64 StGB) und damit ebenfalls während einer Verwahrung des Angeklagten in einer Anstalt aufgrund strafge-richtlicher Anordnung begangen worden ist. Das Ziel, den Angeklagten

gegen den es neben der Verhängung einer Freiheitsstrafe von acht Jahren auch noch die Sicherungsverwahrung angeordnet hat

auch am Vermögen zu strafen, verfolgt das [X.] im Rahmen seiner Ermessensausübung ersichtlich nicht. Vielmehr führt es an, dass für die nicht einbezogenen Geldstrafen die Vollstreckung von [X.] (§
43 StGB) geplant sei (UA S.
22). Im Ergebnis geht das [X.], indem es die Bildung einer nachträglichen Ge-samtfreiheitsstrafe (§
55 StGB) ablehnt, davon aus, dass sich durch die Nicht-einbeziehung der Geldstrafen in eine nachträgliche Gesamtfreiheitsstrafe ge-mäß §
53 Abs.
2 Satz
2 StGB die [X.] gegenüber einer nachträglich gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe erhöht, weil die Geldstrafen nicht eingebracht werden können. Eine nachvollziehbare, unter Berücksichtigung der allgemeinen Strafzumessungserwägungen an den [X.] ausgerichtete Begründung der Ermessensentscheidung, unter Anwendung von §
53 Abs.
2 Satz
2 StGB von der Bildung einer nachträglichen Gesamtfreiheitsstrafe abzu-sehen, liegt darin nicht. Der [X.] kann angesichts der besonderen Umstände des konkreten Einzelfalls nicht ausschließen, dass der Angeklagte hierdurch ausnahmsweise beschwert ist (vgl.
auch
[X.], Beschluss vom 17.
Dezember -
6
-
2014

4 [X.], [X.], 187). Die Sache ist daher zu neuer [X.], ob gemäß §§ 55,
53 Abs.
2 Satz
2 StGB von einer nachträgli-chen Gesamtstrafenbildung unter Einbeziehung der bereits rechtskräftigen [X.] abgesehen wird, an das [X.] zurückzuverweisen.

c) Das Verschlechterungsverbot steht dem hier nicht entgegen.

[X.]) Allerdings kann im Hinblick auf das Verschlechterungsverbot des §
358 Abs.
2 [X.] die Entscheidung des Tatrichters, gemäß §
53 Abs.
2 Satz
2 StGB eine Geldstrafe neben einer Freiheitsstrafe gesondert zu belassen, grundsätzlich nicht mehr korrigiert werden, wenn

wie hier

nur der Angeklag-te Rechtsmittel eingelegt hat. Denn die Freiheitsstrafe ist im Verhältnis zur Geldstrafe als das schwerere Übel anzusehen. Durch die mit einer Erhöhung der Freiheitsstrafe verbundene Einbeziehung einer Geldstrafe erleidet ein An-geklagter regelmäßig gegenüber dem Rechtszustand im Zeitpunkt des ersten
Urteils eine Verschlechterung ([X.], Beschluss vom 11. Februar 1988

4 [X.], [X.]St 35, 208, 212; vgl. auch [X.], Beschlüsse vom 22.
März 1995

2 StR 700/94;
vom 6.
Dezember 1989

3
StR 310/89, [X.]R StGB §
55 Abs.
1 Satz
1 Geldstrafe
3 und vom 4.
August 1976

2
StR 420/76 bei [X.] 1977, 109; KG, Beschluss vom 22.
August 2002, [X.], 207).

[X.]) Unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles, in denen bereits zum Urteilszeitpunkt die Vollstreckung der nicht einbezogenen Geldstra-fen als [X.] (§ 43 StGB) geplant ist (zu den Möglichkeiten, im Rahmen der Strafvollstreckung von der Vollstreckung einer Geldstrafe oder Ersatzfreiheitsstrafe abzusehen, vgl. §§
459d, 459f [X.]), verstieße indes die nachträgliche Bildung einer Gesamtfreiheitsstrafe unter Einbeziehung der [X.] gemäß §
55 Abs.
1 StGB ausnahmsweise nicht gegen das Ver-9
10
11
-
7
-
schlechterungsverbot des §
358 Abs.
2 [X.]. Der [X.] ist daher nicht gehin-dert, das Urteil aufzuheben, soweit das [X.] gemäß §
53 Abs.
2 Satz
2 StGB von der Bildung einer Gesamtfreiheitsstrafe abgesehen hat, und die Sa-che zu neuer rechtsfehlerfreier Ausübung des Ermessens an das [X.] zurückzuverweisen.

cc) Die Feststellungen haben Bestand; sie sind von dem hier allein vor-liegenden Rechtsfehler bei der Ermessensausübung nicht betroffen. Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, die mit den bisherigen nicht in
Widerspruch stehen.

Raum Graf

Jäger

Radtke [X.]
12

Meta

1 StR 358/16

07.12.2016

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.12.2016, Az. 1 StR 358/16 (REWIS RS 2016, 1254)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 1254

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4 StR 486/14

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