12. Kammer | REWIS RS 2010, 8648
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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 29.09.2009 – 14 Ca 3663/09 – wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Parteien streiten über die Erfüllung eines abgetretenen Urlaubsabgeltungsanspruchs.
Die Beklagte beschäftigte aufgrund Arbeitsvertrags Herrn O T ab dem 19.12.2006 zu einer monatlichen Bruttovergütung in Höhe von 2.000,00 € bei einem jährlichen Urlaubsanspruch von 26 Tagen mit Hausmeistertätigkeiten. Das Arbeitsverhältnis endete mit Ablauf des 30.08.2008. Mit Erklärung vom 31.10.2008 (Bl. 7 d. A.) trat Herr T "seine Forderungen" gegen die Beklagte an die Firma S GmbH ab, die die Abtretung annahm. Auf den Inhalt der Vereinbarung wird Bezug genommen. Mit Schreiben vom 23.12.2008 forderte die S GmbH die Beklagte zur Zahlung von 933,33 € brutto auf (Bl. 9 d. A.). Am 05.03.2009 trat sie dann ihrerseits die Urlaubsabgeltungsansprüche "des O Tu " an die Klägerin ab, die die Abtretung annahm. Beide Gesellschaften wurden hierbei durch ihren Geschäftsführer, Herrn M S vertreten, der ausweislich eines von der Klägerin eingereichten Handelsregisterauszuges von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit ist.
Mit ihrer am 16.04.2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage macht die Klägerin den Urlaubsabgeltungsanspruch nunmehr klageweise geltend.
Sie hat behauptet, da Herr T nur 12 Urlaubstage von der Beklagten gewährt worden seien, bestehe ein Restanspruch in Höhe von 14 Tagen, die wie sie meint, mit einem Dreißigstel des Monatsgehaltes abzugelten seien. Den sich daraus ergebenden Betrag habe die S GmbH an Herrn T gezahlt, insbesondere den sich aus dem Bruttobetrag ergebenden Nettobetrag in Höhe von 474,16 €, der am 23.12.2008 gezahlt worden sei.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 933,33 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2009 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, der Anspruch sei nach dem für allgemeinverbindlich erklärten Rahmentarifvertrag für das Gebäudereinigerhandwerk NRW verfallen. Zudem seien der Urlaubsabgeltungsanspruch nicht abtretbar und die Pfändungsfreigrenzen nicht eingehalten. Schließlich habe Herr T nicht nur 12 Urlaubstage genommen und seinen Restanspruch auch noch während des Arbeitsverhältnisses bei ihr nehmen können.
Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 29.09.2009 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch als Surrogat des Urlaubsanspruchs ebenso wie dieser nur befristet bis zum Ablauf des Urlaubsjahres sei. Im Zeitpunkt der Geltendmachung seien allenfalls noch vier Urlaubstage bis zum Jahresende erfüllbar gewesen, weshalb der Anspruch nur noch in diesem Umfang bestanden habe. Zudem sei die Abtretung, soweit sie sich auf Sozialversicherung und Steuern erstrecke, mangels Pfändbarkeit dieser Lohnbestandteile unwirksam. Dass nur die Nettoforderung Gegenstand der Abtretungsvereinbarung gewesen sei, sei der Vereinbarung nicht zu entnehmen. Auch hinsichtlich des Nettobetrages, der auf die vier abzugeltenden Urlaubstage entfalle, könne der Klage nicht entsprochen werden, da ihr nicht zu entnehmen sei, inwieweit dieser unter Berücksichtigung der Pfändungsschutzregeln für Arbeitseinkommen überhaupt pfändbar und damit abtretbar gewesen sei. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf das erstinstanzliche Urteil (Bl. 54 ff. d. A.) Bezug genommen.
Gegen das ihr am 03.11.2009 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 02.11.2009 Berufung eingelegt und diese am gleichen Tag begründet.
Die Klägerin ist der Ansicht, die die Pfändbarkeit betreffenden Vorschriften stünden der Abtretung nicht entgegen, da § 400 BGB nach seiner Zweckrichtung unanwendbar sei, wenn der Zedent vom Zessionar eine wirtschaftlich gleichwertige Leistung erhalte. Insoweit behauptet sie, die S GmbH habe auch die auf den geltend gemachten Bruttobetrag gezahlten Steuern und Sozialabgaben abgeführt. Sie meint, bei der Beurteilung, ob der Urlaubsanspruch noch erfüllbar gewesen sei, sei nicht auf die Geltendmachung sondern auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzustellen. Zudem sei aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs abzuleiten, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch nicht verfalle.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Köln – 14 Ca 3663/09 – vom 29.09.2009 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie 933,00 € (brutto) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2009 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
II. Das Rechtsmittel hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Die Klägerin kann nicht mit Erfolg den Urlaubsabgeltungsanspruch des Herrn T gegen die Beklagte geltend machen, da sich ihrem Vortrag nicht entnehmen lässt, ob und inwieweit der Anspruch durch die Abtretungsvereinbarung auf sie übergegangen ist.
1. Nach § 7 Abs. 4 BUrlG ist Urlaub abzugelten, wenn er wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr genommen werden kann. Durch diese Bestimmung wird der noch nicht erfüllte Urlaubsanspruch, ohne dass es dafür weiterer Handlungen des Arbeitgebers oder des Arbeitnehmers bedarf, in einen Abgeltungsanspruch umgewandelt. Der gesetzliche Urlaubsabgeltungsanspruch entsteht als Ersatz für die wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr mögliche Befreiung von der Arbeitspflicht und ist deshalb nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts – abgesehen von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses – an die gleichen Voraussetzungen gebunden, wie der Urlaubsanspruch (BAG, Urteil vom 21.06.2005 – 9 AZR 200/04; a.A. ArbG Regensburg 04.02.2010, 8 Ca 1022/09; insbesondere gegen eine Befristung des Urlaubsanspruch: LAG Düsseldorf, Urteil vom 02.02.2009 – 12 Sa 486/06). Ein Abgeltungsanspruch kann nach bisheriger Rechtsprechung nicht vor Feststellung der Erfüllbarkeit abgetreten werden. Hat aber ein Arbeitnehmer den Urlaubsanspruch hingegen geltend gemacht und der Arbeitgeber festgestellt, dass der Anspruch auf Befreiung von der Arbeitspflicht bei unterstelltem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses erfüllbar wäre, so besteht im Hinblick auf die Pfändbarkeit kein Grund, die Urlaubsabgeltung anders als das Urlaubsentgelt zu behandeln (BAG, Beschluss vom 28.08.2001 – 9 AZR 611/99 – zitiert nach juris, dort Rn. 14).
Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung war der Urlaubsabgeltungsanspruch zum Zeitpunkt der Abtretung am 31.10.2008 noch gar nicht abtretbar, da er zu diesem Zeitpunkt noch nicht geltend gemacht und somit seine Erfüllbarkeit noch nicht feststellbar war.
2. Nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 20.01.2009 (- C 350/06 – und C 520/06 - [Schultz - Hoff] EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/88 Nr. 1) ist das Bundesarbeitsgericht von dieser Rechtsprechung insoweit abgerückt als eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des Urlaubsjahres und/oder des Übertragungszeitraums, welche nach bisheriger Rechtsprechung mangels Erfüllbarkeit des hypothetischen Urlaubsanspruches zum Verfall des Urlaubsabgeltungsanspruches geführt hätte, nicht mehr zum Untergang des Urlaubsabgeltungsanspruches führt, wobei es davon ausgegangen ist, dass der EuGH die Aufrechterhaltung des Urlaubsanspruches in den Ausnahmefällen, in denen vom Willen des Arbeitnehmers unabhängige Gründe der Urlaubsgewährung entgegenstehen, an enge Voraussetzungen bindet (vgl. hierzu BAG, Urteil vom 24.03.2009 – 9 AZR 983/07 – zitiert nach juris, dort Rn. 46 ff.). Aus dieser teilweisen Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung kann nicht zwingend abgeleitet werden, einer Feststellung der Erfüllbarkeit bedürfe es nicht mehr. An der Erfüllbarkeit des Urlaubsanspruchs kann es nämlich nicht nur bei einer Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers sondern bspw. auch bei Bestehen eines Arbeitsverbots mangeln (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 06.01.1999 – 8 Sa 677/98 – juris).
3. Letztlich kann jedoch dahingestellt bleiben, ob der Urlaubsabgeltungsanspruch vor der Geltendmachung durch den Arbeitnehmer überhaupt abtretbar war. Das Arbeitsgericht hat nämlich zu Recht angenommen, dass der Abtretung, soweit sie sich auf zu entrichtende Steuern und Sozialversicherungsbeiträge erstreckt § 400 BGB i. V. m. § 850 e Nr. 1 ZPO entgegensteht. Gemäß § 400 BGB kann eine Forderung, soweit sie der Pfändung nicht unterworfen ist, nicht abgetreten werden. Die vorgenannten Abgaben bzw. Beiträge unterliegen jedoch nach § 850 e Nr. 1 ZPO nicht der Pfändung. Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich durch eine teleologische Reduktion des § 400 BGB nichts anderes. Zwar ist diese Vorschrift nach ihrem Sinn und Zweck dann nicht anzuwenden, wenn der Zedent vom Zessionar eine wirtschaftlich gleichwertige Leistung (tatsächlich) erhält (BGH, Beschluss des Großen Senates für Zivilsachen vom 10.12.1951 – GSZ 3/51 – zitiert nach juris, dort Rn. 4). Vorliegend hat die Klägerin jedoch nicht vorgetragen, dass Sozialabgaben und Steuern im Zeitpunkt der Abtretung bereits abgeführt waren. Die Nettozahlung an Herrn T erfolgte erst im Dezember 2008. Dass die darauf entfallenden Sozialabgaben und Steuern zu einem vorherigen Zeitpunkt abgeführt worden sind, hat die insoweit darlegungspflichtige Klägerin nicht behauptet. Mithin lässt sich nicht feststellen, dass Herr T im Zeitpunkt des Abschlusses der Abtretungsvereinbarung eine wirtschaftlich gleichwertige Leistung erhalten hatte. Auch der Abtretungsvereinbarung selbst lässt sich hierzu nichts entnehmen. Diese enthält noch nicht einmal eine Verpflichtung der S GmbH, an den Kläger 939,00 € brutto zu zahlen. Eine spätere Leistung zugunsten des Herrn T ist hingegen ohne Belang. Bei der Überprüfung der Wirksamkeit der Abtretung ist auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts abzustellen (vgl. BGH, Urteil vom 15.04.1987 – VIII ZR 97/86; BGH NJW 1989, 1277 zu § 138 BGB; vgl. auch BAG, Urteil vom 26.04.2006 - 5 AZR 529/05 – einschränkend in Bezug auf die Vergütungshöhe, BGHZ 54, 56, 63 zur nicht rückwirkenden Heilung bei Formmängeln; BAG, Urteil v. 06.07.2000, 2 AZR 513/99, NZA 2001, 718 zu nachträglich eingeführtem Formerfordernis). Für die Annahme einer schwebenden Unwirksamkeit, wie sie bei Minderjährigen in § 108 BGB sowie im Rahmen des Vertretungsrechts (§ 177 BGB, § 180 BGB) gesetzlich vorgesehen ist, fehlt es hier an einer gesetzlichen Grundlage. Gleiches gilt für die Möglichkeit einer Heilung, die nicht im Gesetz vorgesehen ist. Schließlich können Abtretungsvereinbarungen zwar auch darauf angelegt sein, Wirkungen erst in der Zukunft zu entfalten, etwa bei der Abtretung künftiger Forderungen. Für einen entsprechenden Willen finden sich in der vorliegenden Vereinbarung jedoch keine Anhaltspunkte.
4. Auch hinsichtlich der geltend gemachten Forderungen im Übrigen steht der Feststellung der Wirksamkeit der Abtretung § 400 BGB entgegen. Arbeitseinkommen sind nämlich nur im Rahmen der Pfändungsschutzvorschriften der §§ 850, 850 c ZPO pfändbar und damit abtretbar. Gemäß § 850 c Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ZPO sind Arbeitseinkommen bis zu 989,99 € netto monatlich unpfändbar. Diese Größenordnung erreicht noch nicht einmal der Bruttoanspruch als Ganzes. Die Klägerin hätte mithin im Einzelnen darlegen müssen, warum der Urlaubsabgeltungsanspruch gleichwohl pfändbar und damit abtretbar gewesen sein soll. Zwar mögen die in § 850 c ZPO der Pfändbarkeit gesetzten Grenzen unter Berücksichtigung von anderweitigem Arbeitseinkommen überschritten werden können. Für eine Zusammenrechnung des Arbeitseinkommens des Herrn U bei der Beklagten mit anderen Arbeitseinkommen hätte es aber einer entsprechenden Vereinbarung, wenn nicht gar eines Gerichtsbeschlusses bedurft (vgl. BAG, Urteil vom 24.04.2002 – 10 AZR 241/01 – im Gegensatz zu BGH, Beschluss vom 31.10.2003 – IX a ZB 194/03). Hierzu hat die Klägerin jedoch nicht vorgetragen. Der Abtretungsvereinbarung lässt sich hierzu nichts entnehmen. Zudem enthält der Vortrag der Klägern auch keinerlei Angaben zur die Anzahl der Unterhaltspflichten des Herrn T . Zu einer in Betracht zu ziehenden teleologischen Reduktion des § 400 BGB kann auf die unter II. 3. gemachten Ausführungen verwiesen werden, da der Zedent, Herr U, auch den Nettobetrag erst nach dem Abschluss der Abtretungsvereinbarung erlangt hat. Die Abtretung ist mithin insgesamt unwirksam.
III. Nach allem bleibt es somit im Ergebnis bei der erstinstanzlichen Entscheidung. Als unterlegende Partei hat die Klägerin gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG nicht zuzulassen. Insbesondere ging es nicht um Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung, da die Entscheidung weder von allgemeiner Bedeutung für die Rechtsordnung ist noch wegen ihrer tatsächlichen Auswirkungen die Interessen der Allgemeinheit oder eines größeren Teils der Allgemeinheit berührt, sondern vielmehr auf den Umständen des Einzelfalls beruht.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g :
Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 72 a ArbGG wird hingewiesen.
Dr. Rech Kanitz Klein
Meta
09.03.2010
Landesarbeitsgericht Köln 12. Kammer
Urteil
Sachgebiet: Sa
Zitiervorschlag: Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 09.03.2010, Az. 12 Sa 1387/09 (REWIS RS 2010, 8648)
Papierfundstellen: REWIS RS 2010, 8648
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
IX ZR 37/06 (Bundesgerichtshof)
16 Sa 1502/09 (Landesarbeitsgericht Hamm)
16 Sa 1511/12 (Landesarbeitsgericht Hamm)
VII ZB 9/15 (Bundesgerichtshof)
Zwangsvollstreckungsverfahren: Pfändbarkeit des Anspruchs eines Betriebsrats gegen den Arbeitgeber auf Übernahme der durch die Tätigkeit …
12 Sa 1448/09 (Landesarbeitsgericht Köln)