Bundessozialgericht, Beschluss vom 02.12.2014, Az. B 14 AS 241/14 B

14. Senat | REWIS RS 2014, 804

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Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde - Darlegung der grundsätzliche Bedeutung - Grundsicherung für Arbeitsuchende - Überprüfungsantrag zu einem Zeitpunkt ohne Leistungsbezug


Tenor

Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 17. April 2014 wird als unzulässig verworfen.

Der Beklagte hat der Beschwerdegegnerin die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

Gründe

1

I. Mit Urteil vom [X.] hat das [X.] ([X.]) das beklagte Jobcenter verurteilt, der Klägerin, die nach Vortrag des Beklagten bis Juli 2010 im Leistungsbezug nach dem [X.] ([X.]) stand, auf einen im Februar 2010 gestellten Überprüfungsantrag nach § 44 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch ([X.]) für Dezember 2008 zusätzliches [X.] ([X.]) in Höhe von 1 Euro zu gewähren. In dieser Höhe seien der Klägerin, die im streitbefangenen Zeitraum mit Mutter, Stiefvater sowie drei Geschwistern in Bedarfsgemeinschaft gelebt habe, Leistungen für Unterkunft und Heizung zu Unrecht nicht gewährt worden; die Heizkostenabrechnung sei fehlerhaft und Kindergeld zu Unrecht nach dem Durchschnittskindergeld angerechnet worden. Keine Bedeutung habe, ob die Klägerin noch im Leistungsbezug stehe; § 44 [X.] sei auch anwendbar, wenn der Leistungsbezug bei Stellung des [X.] beendet gewesen sei.

2

Mit seiner Beschwerde wendet sich der Beklagte gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.].

3

II. Die Beschwerde ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 Sozialgerichtsgesetz <[X.]>), weil die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]) sowie der Divergenz der Entscheidung des [X.] von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ([X.]), des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes ([X.]) oder des [X.] ([X.]) (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]) nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 [X.] gebotenen Weise dargetan sind.

4

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Nach den aus § 160a Abs 2 Satz 3 [X.] sich ergebenden Anforderungen muss ein Beschwerdeführer dazu anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Frage sich stellt, dass diese Rechtsfrage noch nicht geklärt ist, weshalb deren Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung dieser Rechtsfrage erwarten lässt (vgl [X.]/[X.], Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, [X.], [X.] ff).

5

Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Als grundsätzlich klärungsbedürftig erachtet sie es zunächst, "ob ein Wegfall bzw. Nichtbestehen der Hilfebedürftigkeit im Zeitpunkt der Beantragung nach § 44 [X.] oder gar zum Zeitpunkt der Entscheidung der letzten Tatsacheninstanz die Anwendbarkeit des § 44 [X.] dergestalt einschränkt, dass weitere Ansprüche nach dem [X.] bei nicht mehr bestehender Hilfebedürftigkeit nicht gewährt werden können". Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung dessen hätte es besonderer Ausführungen im Hinblick auf die zwischenzeitliche Rechtsänderung durch das Gesetz zur Ermittlung von [X.] und zur Änderung des [X.] und [X.] ([X.] 453; im Folgenden [X.]) bedurft, wonach die rückwirkende Korrektur nach § 44 Abs 1 Satz 1 [X.] im Geltungsbereich des [X.] seit dem 1.4.2011 abweichend von § 44 Abs 4 Satz 1 [X.] auf ein Jahr begrenzt ist (§ 40 Abs 1 Satz 2 SGB II idF des [X.]). Mit dieser Änderung ist ein den Besonderheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende Rechnung tragender Ausgleich zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an Rechtssicherheit und dem Interesse des Leistungsberechtigten an materieller Gerechtigkeit für den Fall bezweckt, dass eine Verwaltungsentscheidung zu seinem Nachteil rechtswidrig war; hierfür sei der [X.] nach § 44 Abs 4 Satz 1 [X.] unter Beachtung des [X.] zu lang und eine Dauer von einem Jahr angemessen (vgl BT-Drucks 17/3404 [X.]). Vor diesem Hintergrund hätte es besonderer Ausführungen dazu bedurft, inwiefern der Auslegung von § 44 Abs 1 Satz 1 [X.] in der hier noch maßgeblichen alten Rechtslage Bedeutung zukommen kann für das neue Recht; daran fehlt es aber.

6

Weiterhin als grundsätzlich klärungsbedürftig erachtet der Beklagte die Frage, "wie die Anrechnung des Kindergeldes zu erfolgen hat", wenn in Bedarfsgemeinschaften Kindergeld in unterschiedlicher Höhe gezahlt wird. Dazu hätte zunächst zur Klärungsbedürftigkeit ausgehend vom Gesetzeswortlaut dargetan werden müssen, inwieweit [X.] ernstlich in Frage stehen kann, dass das Kindergeld in jeweiliger Höhe dem Kind als Einkommen zugerechnet wird, für das es gezahlt wird; wenn nach § 11 Abs 1 Satz 4 iVm § 11 Abs 1 Satz 3 [X.] als Einkommen "dem jeweiligen Kind zuzurechnen" ist ua "das Kindergeld für zur Bedarfsgemeinschaft gehörende Kinder, soweit es bei dem jeweiligen Kind zur Sicherung des Lebensunterhalts, mit Ausnahme der Bedarfe nach § 28, benötigt wird", dann liegt es jedenfalls nicht unmittelbar nahe, das Kindergeld - wie der Beklagte geltend macht - [X.] einem "familiären Zweck" entsprechend der gesamten Bedarfsgemeinschaft zuzuordnen (ebenso im Ergebnis [X.] vom 14.3.2012 - B 14 AS 17/11 R - [X.], 204 = [X.] 4-4200 § 9 [X.]0 Rd[X.]5 mit [X.], 15). Das kann indes dahinstehen, weil es jedenfalls an Ausführungen dazu fehlt, inwieweit es auf die bezeichnete Frage in dem angestrebten Revisionsverfahren rechtlich überhaupt ankommt und inwiefern dies demzufolge Einfluss auf die Rechtsstellung des Beklagten hatte. Damit mangelt es an jeder näheren Angabe zu den entscheidungserheblichen tatsächlichen Umständen, die dem Senat allein anhand der Beschwerdebegründung eine Beurteilung von Entscheidungserheblichkeit und Grundsätzlichkeit der aufgeworfenen Frage erlaubt (zu dieser Darlegungsanforderung [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 11. Aufl 2014, § 160a Rd[X.]3e mwN).

7

Auch eine Abweichung ([X.] nach § 160 Abs 2 [X.] [X.]) ist nicht formgerecht bezeichnet. Dazu hat die Beschwerdebegründung einen Widerspruch im Grundsätzlichen oder ein Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze in der Entscheidung des [X.] einerseits und in einer Entscheidung des [X.], des [X.] oder des [X.] andererseits aufzuzeigen und die in Bezug genommene Entscheidung so zu kennzeichnen, dass sie ohne Weiteres aufzufinden ist ([X.] [X.] 1500 § 160a [X.]4, 67; [X.] 4-1500 § 160 [X.]3). Dabei muss die Beschwerdebegründung deutlich machen, dass in der angefochtenen Entscheidung eine sie tragende Rechtsansicht entwickelt und nicht etwa nur ungenaue oder unzutreffende Rechtsausführungen oder ein Rechtsirrtum im Einzelfall die Entscheidung bestimmen ([X.] [X.] 1500 § 160a [X.]). Ferner muss aufgezeigt werden, dass auch das Revisionsgericht die obergerichtliche Rechtsprechung im Revisionsverfahren seiner Entscheidung zugrunde zu legen haben wird ([X.] [X.] 1500 § 160a [X.]4, 21, 29, 54 und 67).

8

Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Zwar benennt der Beklagte Entscheidungen des [X.], von denen das [X.] im dargelegten Sinne abgewichen sein soll. Jedoch sind keine Rechtssätze herausgearbeitet, auf die das [X.] seine Entscheidung tragend gestützt hat und die in Widerspruch zu ebenfalls ausdrücklich bezeichneten tragenden Rechtssätzen des [X.] stehen. Vielmehr leitet der Beklagte jeweils aus Entscheidungen des [X.] Aussagen ab, die seiner Ansicht nach für die hier im Streit stehende Frage ebenfalls Geltung beanspruchen ("das Urteil [des [X.]] setzt sich vordergründig mit der hier streitgegenständlichen Frage für den Bereich des Asylbewerberleistungsrechts auseinander"; "diese Grundsätze haben auch im [X.] Anwendung zu finden"). Dem Vorbringen ist jedoch nicht zu entnehmen, inwieweit sich das [X.] in Widerspruch zu einem tragenden Rechtssatz des [X.] gestellt hätte, der für die hier zu beurteilende Konstellation - Antrag auf Überprüfung einer Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.] während des Bezugs von [X.] - eine rückwirkende Fehlerkorrektur schlechterdings ausgeschlossen hätte. Dazu hätte auf der Grundlage des Beklagtenvorbringens besonderer Anlass allerdings schon deshalb bestanden, weil die von ihm zitierten Entscheidungen des [X.] entweder zum Sozialhilferecht bzw zum Asylbewerberleistungsrecht oder zu allgemeinen Fragen der Hilfebedürftigkeit nach dem [X.] ergangen sind und deshalb zumindest auf den ersten Anschein nicht erwartet werden kann, dass ihnen Ausführungen zu möglichen Grenzen der Geltung von § 44 Abs 1 Satz 1 [X.] in der Grundsicherung für Arbeitsuchende zu entnehmen sein könnten. Erst recht hätte es solcher Ausführungen deshalb bedurft, als in den angeführten Entscheidungen ausdrücklich darauf verwiesen ist, dass bei dieser Frage den Besonderheiten des jeweiligen Leistungsrechts Rechnung zu tragen ist. Inwieweit unter Berücksichtigung dessen vom [X.], dem [X.] oder dem [X.] zur hier entscheidenden Frage für das Grundsicherungsrecht ein vom [X.] im Grundsätzlichen verkannter Rechtssatz aufgestellt worden ist, kann dem Vorbringen nicht entnommen werden.

9

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 [X.].

Meta

B 14 AS 241/14 B

02.12.2014

Bundessozialgericht 14. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Nordhausen, 15. Mai 2013, Az: S 12 AS 4701/10, Urteil

§ 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 44 Abs 1 S 1 SGB 10, § 40 Abs 1 S 2 SGB 2 vom 24.03.2011

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 02.12.2014, Az. B 14 AS 241/14 B (REWIS RS 2014, 804)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 804

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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