Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.11.2020, Az. IX ZB 21/20

9. Zivilsenat | REWIS RS 2020, 1157

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Gegenstand

Insolvenzverwaltervergütung: Berücksichtigung der Erstattung von der Masse verauslagter Prozesskosten bei der Berechnungsgrundlage


Leitsatz

Vom Prozessgegner erstattete Prozesskosten und von der Gerichtskasse erstattete, nicht verbrauchte Gerichtskosten sind gegen die von der Masse verauslagten Kosten zu verrechnen; sie erhöhen die Berechnungsgrundlage der Vergütung des Insolvenzverwalters nicht.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des [X.] (Oder) vom 20. April 2020 wird auf Kosten der Rechtsbeschwerdeführerin zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 1.600,21 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Das Amtsgericht eröffnete mit Beschluss vom 1. Oktober 2015 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des      D.     (fortan: Schuldner) und bestellte die weitere Beteiligte zur Insolvenzverwalterin. Die weitere Beteiligte machte einen Anfechtungsanspruch gerichtlich geltend. Es erging ein Anerkenntnisurteil zugunsten der weiteren Beteiligten. Daraufhin erstattete die Gerichtskasse nicht verbrauchte Gerichtskosten in Höhe von 882 €. Der unterlegene [X.] erstattete aufgrund eines zugunsten der Insolvenzmasse ergangenen [X.] weitere 441 € an [X.]en Gerichtskosten sowie 2.814,35 € an außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten.

2

Die weitere Beteiligte beantragte, ihre Vergütung festzusetzen. Mit ihrer Schlussrechnung machte sie geltend, dass auch die aufgrund des [X.] ihr erstatteten Prozesskosten von insgesamt 4.137,35 € in die Berechnungsgrundlage einzubeziehen seien.

3

Das Insolvenzgericht hat angenommen, die erstatteten Prozesskosten seien nicht in die Berechnungsgrundlage einzubeziehen und hat die Vergütung auf der Grundlage einer entsprechend geringeren Berechnungsgrundlage, im Übrigen aber antragsgemäß festgesetzt. Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde der weiteren Beteiligten hat das [X.] nach Übertragung auf die Kammer zurückgewiesen. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die weitere Beteiligte ihren Vergütungsantrag weiter.

II.

4

Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

5

1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, die erstatteten Gerichts- und Anwaltskosten seien von der Teilungsmasse abzuziehen. Zwar seien die Kosten des Insolvenzverfahrens und die sonstigen Masseverbindlichkeiten gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 [X.] grundsätzlich nicht abzusetzen. Zuflüsse, die der Masse durch die Erstattung zuvor durch sie [X.]er Prozess-, Vollstreckungs- und Anwaltskosten zukommen, seien jedoch nicht als Einnahmen zu buchen. Der Gesetzeswortlaut sehe eine solche Ausnahme zwar nicht vor. Jedoch sei der sich aus § 1 Abs. 2 Nr. 5 [X.] ergebende Rechtsgedanke übertragbar. Die Erstattung der Prozesskosten diene nicht der Anreicherung der Insolvenzmasse; es handele sich im Ergebnis um die Minderung von Ausgaben. Die Berechnungsgrundlage erhöhe sich bereits durch den Erlös aus dem erfolgreichen [X.]. Es sei nicht sachgerecht, die lediglich durchlaufenden Prozesskosten zusätzlich erhöhend zu berücksichtigen. Andernfalls bestehe die Gefahr, dass die Berechnungsgrundlage durch Verauslagung und anschließende Erstattung von Kosten in nicht mehr zu kontrollierender Weise erhöht werden könne.

6

2. Dies hält rechtlicher Überprüfung stand.

7

a) Berechnungsgrundlage für die Vergütung des Insolvenzverwalters ist die am Ende des Insolvenzverfahrens vorhandene Masse. § 63 Abs. 1 Satz 2 [X.] bestimmt, dass der Regelsatz der Vergütung nach dem Wert der Insolvenzmasse zur [X.] der Beendigung des Insolvenzverfahrens berechnet wird. Dabei richtet sich die Berechnungsgrundlage nicht nach dem am Verfahrensende stehenden [X.], sondern dem Wert der Insolvenzmasse, welcher der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Verwalters unterliegt oder während des Verfahrens unterlag ([X.], Urteil vom 5. März 2015 - [X.], [X.], 733 Rn. 20; Beschluss vom 10. Januar 2019 - [X.], [X.], 278 Rn. 7).

8

Zur Berechnungsgrundlage für die Vergütung zählen alle Vermögenswerte, die zum [X.]punkt der Beendigung der zu vergütenden Tätigkeit zu dem gesicherten und verwalteten Vermögen gehört haben (vgl. [X.], Beschluss vom 24. Mai 2005 - [X.], [X.], 1663, 1664 mwN). Maßgeblich für die Berechnungsgrundlage ist daher die gesamte Teilungsmasse, die für eine Verteilung unter den Gläubigern zur Verfügung steht ([X.], Beschluss vom 20. Juli 2017 - [X.]/16, [X.], 1620 Rn. 11). Zur Berechnungsgrundlage zählen sämtliche Massezuflüsse, die auch tatsächlich an die Masse ausbezahlt werden und daher die Masse erhöhen (vgl. [X.], Beschluss vom 26. Februar 2015 - [X.], [X.], 617 Rn. 8 mwN). Im Hinblick auf den Tätigkeitsumfang des Insolvenzverwalters ist eine Beschränkung auf solche Massezuflüsse, die tatsächlich zur Verteilung unter die Insolvenzgläubiger kommen, nicht geboten. Zum einen hat der Gesetzgeber davon abgesehen, dass Masseverbindlichkeiten die Berechnungsgrundlage mindern. Gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 [X.] werden die Kosten des Insolvenzverfahrens und die sonstigen Masseverbindlichkeiten nicht abgesetzt. Zum anderen hat der Gesetzgeber ausdrücklich bestimmt, dass eine Begrenzung der Berechnungsgrundlage auf die Höhe der Schulden ausscheidet (BT-Drucks. 12/2443 [X.]). Daraus ergibt sich, dass die tatsächliche Höhe der am Ende des Insolvenzverfahrens erzielten Masse für die Berechnungsgrundlage ausschlaggebend ist; für welche Zwecke die vorhandene Insolvenzmasse einzusetzen ist, ist für die Berechnungsgrundlage regelmäßig unerheblich ([X.], Beschluss vom 10. Januar 2019 - [X.], [X.], 278 Rn. 8).

9

b) Allerdings ist streitig, ob nach diesen Maßstäben Zahlungen Dritter, mit denen Kosten erstattet werden, die zuvor als Masseverbindlichkeiten aus der Insolvenzmasse beglichen worden sind, die Berechnungsgrundlage stets erhöhen oder als durchlaufende Posten unberücksichtigt bleiben dürfen (vgl. zum [X.] etwa MünchKomm-[X.]/[X.], 4. Aufl., § 1 [X.] Rn. 41 ff; [X.], [X.], 6. Aufl., § 1 Rn. 86 ff, 98; [X.], [X.], § 1 Rn. 45 ff). Dies muss im Streitfall nicht abschließend geklärt werden. Jedenfalls stellen Erstattungen von Prozesskosten, welche die Insolvenzmasse [X.] hat, keine die Berechnungsgrundlage erhöhenden Einnahmen dar.

aa) Gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 [X.] werden die Kosten des Insolvenzverfahrens und die sonstigen Masseverbindlichkeiten nicht abgesetzt. Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht ausnahmslos. Wird das Unternehmen des Schuldners fortgeführt, ist gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. b [X.] nur der Überschuss zu berücksichtigen, der sich nach Abzug der Ausgaben von den Einnahmen ergibt. Ferner werden Beträge, die der Verwalter nach § 5 [X.] als Vergütung für den Einsatz besonderer Sachkunde erhält, abgezogen (§ 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. a [X.]). Aus § 1 Abs. 2 Nr. 5 [X.] ergibt sich schließlich, dass Vorschüsse zur Durchführung des Insolvenzverfahrens sowie Zuschüsse Dritter zur Erfüllung eines Insolvenzplans außer Betracht bleiben. Das gilt erst recht für Darlehen, die zur Erfüllung des Insolvenzplans zur Verfügung gestellt werden ([X.], Beschluss vom 17. März 2011 - [X.], [X.], 445 Rn. 11).

bb) Der [X.] hat bislang offen gelassen, ob vor diesem Hintergrund von der Masse [X.]e Prozess-, Vollstreckungs- und Anwaltskosten, die der Gegner später erstattet, sowie rechtsgrundlose Leistungen des Insolvenzverwalters, die der [X.] an die Masse zurückerstattet, eine weitere Ausnahme darstellen und die Zuflüsse bei der Berechnungsgrundlage nicht zu berücksichtigen sind (vgl. [X.], Urteil vom 5. März 2015 - [X.], [X.], 733 Rn. 23 f; Beschluss vom 10. Januar 2019 - [X.], [X.], 278 Rn. 10). Die überwiegende Meinung spricht sich dafür aus, dass bei von der Masse [X.]en Prozesskosten die an die Masse aufgrund einer Erstattung durch die Gerichtskasse oder den Prozessgegner zurückfließenden Beträge die Berechnungsgrundlage nicht erhöhen ([X.]/[X.], [X.], § 1 Rn. 56 f; MünchKomm-[X.]/[X.], 4. Aufl., § 1 [X.] Rn. 41 ff; [X.], Vergütung und Kosten im Insolvenzverfahren, 4. Aufl., § 3 Rn. 118; [X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., § 1 Rn. 12; Reck, Z[X.] 2011, 567, 568; [X.], [X.], 6. Aufl., § 1 Rn. 98 für Rückerstattungen von zuvor beglichenen Masseverbindlichkeiten; Nerlich/[X.]/[X.], [X.], 2017, § 1 [X.] Rn. 37 für durchlaufende Gelder). Die Gegenauffassung will die Erstattung von Prozesskosten als Einnahme ansehen, welche die Berechnungsgrundlage erhöht ([X.], [X.], § 1 Rn. 54; allgemein gegen eine Verrechnung bei durchlaufenden Posten [X.], Z[X.] 2000, 553).

cc) Zuflüsse aus der Erstattung von Prozesskosten, welche die Masse zuvor [X.] hat, stellen keine Einnahmen dar, welche die Berechnungsgrundlage erhöhen.

(1) Gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 [X.] sind die Kosten des Insolvenzverfahrens und die sonstigen Masseverbindlichkeiten nicht abzusetzen. Diese Bestimmung führt mithin dazu, dass auch solche [X.]teile, welche nicht für eine Verteilung unter die Gläubiger zur Verfügung stehen, weil sie zur Befriedigung von Massegläubigern benötigt werden, in die Berechnungsgrundlage einfließen. [X.] der Insolvenzverwalter Prozesskosten als Masseverbindlichkeit, hat diese Ausgabe daher auf die Berechnungsgrundlage keinen Einfluss.

(2) Hat der Gegner die [X.]en Prozesskosten zu erstatten oder erstattet die Gerichtskasse nicht verbrauchte Gerichtskosten, handelt es sich jedoch nicht um Einnahmen, welche die Masse zusätzlich erhöhen. So macht bereits § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. b [X.] vom Grundsatz des § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 [X.] eine Ausnahme für den Fall, dass das Unternehmen des Schuldners fortgeführt wird. Hier ist nur der Überschuss zu berücksichtigen, der sich nach Abzug der Ausgaben von den Einnahmen ergibt. Der Fall einer Prozessführung durch den Insolvenzverwalter liegt hinsichtlich der Erstattung von Prozesskosten ähnlich. Zwar sind die vom Insolvenzverwalter [X.]en Prozesskosten nicht abzusetzen. Ist die Prozessführung des Insolvenzverwalters erfolgreich, ist es jedoch nicht gerechtfertigt, den Zufluss aus der Prozesskostenerstattung als einen erhöhenden Faktor zu berücksichtigen. Ähnlich wie bei der Unternehmensfortführung ist auch bei der Prozessführung maßgeblich, dass [X.]e und erstattete Kosten zu verrechnen sind und damit allenfalls dann berücksichtigt werden könnten, wenn sich ein Überschuss ergäbe.

Demgemäß bestimmte bereits § 2 Nr. 3 Abs. 2 der Verordnung über die Vergütung des Konkursverwalters, des Vergleichsverwalters, der Mitglieder des Gläubigerausschusses und der Mitglieder des [X.] ([X.]) vom 25. Mai 1960 ([X.]), dass wieder eingehende [X.]e Prozess- oder Vollstreckungskosten gegen die [X.]en Kosten verrechnet werden. Der Verordnungsgeber wollte die Rechtslage insoweit nicht ändern. Er hat § 2 Nr. 3 Abs. 2 [X.] lediglich deshalb nicht übernommen, weil er es als selbstverständlich angesehen hat, dass von der Masse [X.]e Kosten, die später wieder eingehen, die Berechnungsgrundlage nicht vergrößern können (vgl. Begründung zu § 1 [X.], abgedruckt bei [X.], [X.], [X.]. II [X.]).

Vor diesem Hintergrund ist es nicht gerechtfertigt, die Erstattung von [X.]en Prozesskosten masseerhöhend zu berücksichtigen. Die der Verwaltung unterliegende Masse wird durch die Erstattung der Prozesskosten nicht erhöht; vielmehr führt die Erstattung durch den Prozessgegner nur dazu, dass der [X.] wieder hergestellt wird, welcher vor der Prozessführung bestand, mithin der Aufwand gemindert wird. Zudem führt nur diese Betrachtung dazu, dass die durch die Prozessführung entstehenden Kosten bei einem vollständig obsiegenden Urteil sich nicht zum Nachteil der Insolvenzgläubiger auswirken. Wenn die Erstattung der Prozesskosten durch den unterlegenen Gegner die Berechnungsgrundlage erhöhte, hätten die Insolvenzgläubiger allein aufgrund der erfolgreichen Prozessführung einen Nachteil, weil die höhere Berechnungsgrundlage zu einer höheren Vergütung des Insolvenzverwalters führt, welche der unterlegene Prozessgegner nicht zu erstatten hat. Dies beträfe nicht nur [X.], sondern auch Passivprozesse, in denen der Insolvenzverwalter gegen die Masse gerichtete Ansprüche erfolgreich abwehrt. Daher sind die Beträge, welche der Masse für von ihr [X.]e Prozesskosten erstattet werden, bei der Berechnungsgrundlage nicht zu berücksichtigen. Die Interessen des Insolvenzverwalters, dass die von ihm verwaltete Masse vollständig in die Berechnungsgrundlage einfließt, sind bei Prozesskosten schon dadurch ausreichend geschützt, dass sie als Masseverbindlichkeiten gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 [X.] nicht abzusetzen sind.

[X.]     

      

[X.]     

      

Schoppmeyer

      

Röhl     

      

Selbmann     

      

Meta

IX ZB 21/20

19.11.2020

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Frankfurt (Oder), 20. April 2020, Az: 13 T 10/20

§ 63 InsO, § 1 Abs 2 Nr 4 InsVV

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.11.2020, Az. IX ZB 21/20 (REWIS RS 2020, 1157)

Papier­fundstellen: MDR 2021, 261-262 WM2021,73 REWIS RS 2020, 1157

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