Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.01.2020, Az. XII ZR 46/19

12. Zivilsenat | REWIS RS 2020, 875

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Formnichtigkeit eines konkludent abgeschlossenen Mietvertrags ohne unterzeichnete Mietvertragsurkunde


Leitsatz

Zur Wahrung der Schriftform nach § 550 Satz 1 BGB bei einem Stellplatzmietvertrag (Abgrenzung zu Senatsurteil vom 17. Juni 2015 - XII ZR 98/13, NJW 2015, 2648).

Tenor

Die Revision gegen das Urteil der 83. Zivilkammer des [X.] vom 1. April 2019 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin verlangt von der [X.], es bei Meidung eines Ordnungsgelds zu unterlassen, die Nutzung des Pkw-Stellplatzes der Klägerin zu stören, insbesondere durch Abstellen eines Kraftfahrzeugs.

2

Die Klägerin erwarb im September 2016 eine Eigentumswohnung, die mit einem Sondernutzungsrecht an dem in der Teilungserklärung mit der Nummer 4 bezeichneten oberirdischen PKW-Stellplatz verbunden ist.

3

Der inzwischen verstorbene Ehemann der [X.] war Mieter einer anderen Wohnung im gleichen Anwesen. Er hatte im November 1990 zusätzlich einen "Einstellplatz" gemietet, der im schriftlichen Mietvertrag mit "1" bezeichnet wurde. In die Mietwohnung zog die Beklagte nach der Heirat im Jahr 1993 mit ein. Der Ehemann der [X.] verstarb im Jahr 2005. Seitdem nutzt die Beklagte die Mietwohnung und den in der Teilungserklärung mit der Nummer 4 bezeichneten oberirdischen PKW-Stellplatz. Ob dieser Stellplatz mit dem im schriftlichen Mietvertrag aus dem [X.] mit "1" bezeichneten Stellplatz identisch ist, ist zwischen den Parteien streitig.

4

Im August und im Oktober 2017 kündigte die Klägerin einen etwa bestehenden Stellplatzmietvertrag vorsorglich fristlos wegen Zahlungsverzugs. Darüber hinaus erklärte sie mit Schriftsatz vom 31. Januar 2018 die ordentliche Kündigung.

5

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das [X.] die Beklagte verurteilt, es zu unterlassen, die Nutzung des Pkw-Stellplatzes Nummer 4 durch die Klägerin zu stören, insbesondere durch Abstellen eines Kraftfahrzeugs; ferner hat es die Beklagte verurteilt, die Klägerin von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 147,56 € freizustellen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klagabweisungsantrag in vollem Umfang weiter.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision hat keinen Erfolg.

7

1. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Klägerin habe das Sondernutzungsrecht an dem in der Teilungserklärung mit der Nummer 4 bezeichneten Stellplatz erworben. Selbst wenn der verstorbene Ehemann der [X.]n Mieter dieses Stellplatzes gewesen sei, könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Wohnungsmietvertrag des Ehemanns der [X.]n und der [X.] eine rechtliche Einheit bildeten. Daher sei nur der Wohnungsmietvertrag nach § 563 BGB auf die [X.] übergegangen, nicht aber der [X.]. Allerdings sei von einem konkludenten Abschluss eines [X.]es zu den mit dem Ehemann der [X.]n vereinbarten Bedingungen auszugehen, da die [X.] weiterhin den Stellplatz genutzt, die Miete gezahlt und auch als Mieterin angeschrieben worden sei. Der [X.] sei entsprechend §§ 578, 567 BGB auf die Klägerin als Sondernutzungsberechtigte übergegangen und von ihr ordentlich gekündigt worden. Die ordentliche Kündigung sei weder dadurch ausgeschlossen gewesen, dass die Parteien die Möglichkeit einer außerordentlichen Kündigung mit verkürzter Frist geregelt hätten, ohne die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung zu erwähnen, noch dadurch, dass die Dauer des Stellplatzmietverhältnisses an die Dauer des zwischen denselben Vertragsparteien geschlossenen Wohnungsmietvertrags gekoppelt worden sei und der [X.] ohne besondere Kündigung zum gleichen Termin wie der Wohnungsmietvertrag enden sollte.

8

2. Dies hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand.

9

a) Die Anforderungen an ein Berufungsurteil nach § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO sind noch erfüllt. Danach muss ein Berufungsurteil zwar keinen Tatbestand enthalten, grundsätzlich ist aber eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen in dem erstinstanzlichen Urteil mit einer Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen erforderlich, wozu zumindest auch die sinngemäße Wiedergabe der [X.] gehört (vgl. etwa [X.] Urteile vom 14. Januar 2005 - [X.]/04 - FamRZ 2005, 701; [X.]Z 156, 216, 218 = [X.], 265 und [X.]Z 154, 99, 100 f. = FamRZ 2003, 747). Obwohl das Berufungsgericht hier lediglich auf die tatbestandlichen Feststellungen des amtsgerichtlichen Urteils Bezug genommen hat, lässt sich dem angefochtenen Urteil eine sinngemäße Wiedergabe der [X.] noch entnehmen. Denn das Berufungsgericht hat das klagabweisende Urteil des Amtsgerichts dahingehend abgeändert, dass der Klage vollumfänglich stattgegeben wird. Daraus ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit, dass die Klägerin ihr ursprüngliches Begehren im Berufungsverfahren weiterverfolgt hat (vgl. Senatsurteil vom 11. August 2010 - [X.]/09 - FamRZ 2010, 1637 Rn. 20 ff.).

b) Zu Recht haben weder das Amts- noch das Berufungsgericht die Prozessführungsbefugnis der Klägerin in Frage gestellt, da die Klägerin hinsichtlich des in der Teilungserklärung mit der Nummer 4 bezeichneten oberirdischen PKW-Stellplatzes in der Hauptsache ausschließlich Unterlassungsansprüche nach § 1004 BGB geltend macht (vgl. [X.] Urteil vom 13. Oktober 2017 - [X.]/17 - NJW-RR 2018, 333 Rn. 5 ff. mwN).

c) Ob der in der Teilungserklärung mit der Nummer 4 bezeichnete oberirdische PKW-Stellplatz mit dem im schriftlichen Mietvertrag aus dem [X.] mit "1" bezeichneten Stellplatz identisch ist, hat das Berufungsgericht offen gelassen. Diese Identität im Revisionsverfahren zu Gunsten der [X.]n unterstellt, ist die Klägerin als Sondernutzungsberechtigte an dem in der Teilungserklärung mit der Nummer 4 bezeichneten Stellplatz nach §§ 578, 567 BGB als Vermieterin in den mit der [X.]n bestehenden [X.] eingetreten. Denn für den Fall, dass der Eigentümer, der zugleich Vermieter einer Wohnung und eines Stellplatzes im Rahmen eines einheitlichen Mietvertrags ist, einen Teil des Mietobjekts abtrennt und veräußert, hat der [X.] bereits entschieden, dass der Erwerber des Stellplatzes gemäß §§ 580, 571 Abs. 1 BGB a.F. (jetzt: §§ 578, 566 Abs. 1 BGB) in den Mietvertrag eintritt ([X.] Urteil vom 28. September 2005 - [X.], 3781 Rn. 8 f. mwN). Dasselbe gilt, wenn der Mieter - wie hier - seine Wohnung und seinen Stellplatz von vornherein durch getrennte Verträge von einem Vermieter angemietet hat und die Wohnung und der Stellplatz dann vom Vermieter getrennt veräußert werden.

Dabei kann dahinstehen, ob das Sondernutzungsrecht im Ergebnis genauso wie Sondereigentum zu behandeln ist (so im Ergebnis [X.] Urteil vom 28. September 2005 - [X.], 3781 Rn. 8 f. mwN) oder dem umstrittenen Rechtscharakter des Sondernutzungsrechts als dingliches oder bloß schuldrechtliches Rechtsinstitut (zu den in der Literatur vertretenen Auffassungen vgl. Schmidt-Futterer/[X.] Mietrecht 14. Aufl. § 566 BGB Rn. 83 mwN) Rechnung getragen werden muss. Denn nach allen Auffassungen tritt der Erwerber des Sondernutzungsrechts (nach §§ 566, 567 BGB direkt oder analog iVm § 578 BGB) als Vermieter in den Vertrag hinsichtlich des Stellplatzes ein.

d) Nach den vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Feststellungen des Amtsgerichts ist der isolierte [X.] nicht kraft Gesetzes auf die [X.] übergegangen. Vielmehr ist von einem konkludenten Abschluss eines (neuen) [X.]s zu den in dem mit dem verstorbenen Ehemann der [X.]n im November 1990 geschlossenen Mietvertrag niedergelegten Bedingungen auszugehen.

e) Entgegen der von der [X.]n erstmalig in der mündlichen Verhandlung im Revisionsverfahren vorgetragenen Behauptung hat das Berufungsgericht nicht festgestellt, dass die [X.] als Erbin ihres verstorbenen Ehemanns in den [X.] eingetreten ist. Zur Erbfolge nach dem Ehemann der [X.]n hat die [X.] in den Vorinstanzen nichts vorgetragen. Dass das Berufungsgericht die Unterzeichner des [X.]s aus dem [X.] als "die jeweiligen Rechtsvorgänger der derzeitigen Mietparteien" bezeichnet hat, kann nicht die Schlussfolgerung rechtfertigen, die [X.] sei als Alleinerbin ihres verstorbenen Ehemanns in den Mietvertrag eingetreten.

f) Damit ist das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass der [X.] jedenfalls durch die ordentliche Kündigung der Klägerin vom 31. Januar 2018 wirksam beendet worden ist. Denn der konkludent geschlossene neue Mietvertrag wahrte nicht die nach §§ 578, 550 BGB erforderliche Schriftform und war daher gemäß § 580 a BGB ordentlich kündbar.

Dass der schriftliche Mietvertrag aus dem [X.] über einen längeren Zeitraum als ein Jahr geschlossen worden ist, hat das Berufungsgericht aus der Staffelung der Miete über acht Jahre in § 5 des Vertrags geschlossen. Dies wird von der Revision nicht in Frage gestellt.

Anders als die Revision meint, wahrte der mit der [X.]n neu geschlossene Mietvertrag auch nicht etwa deswegen die Schriftform der §§ 578, 550 BGB, weil er inhaltsgleich mit den in der äußeren Form niedergelegten Vertragsbedingungen konkludent abgeschlossen worden ist (vgl. dazu Senatsurteil vom 17. Juni 2015 - [X.]/13 - NJW 2015, 2648 Rn. 33). Denn im Gegensatz zu dem von der Revision in Bezug genommenen Senatsurteil liegt hier schon keine von beiden Parteien unterzeichnete [X.] vor.

g) Im Übrigen wäre die ordentliche Kündigung der Klägerin auch dann wirksam, wenn man davon ausgehen wollte, dass der mit der [X.]n auf der Grundlage des formularmäßigen Mietvertrags aus dem [X.] konkludent geschlossene Mietvertrag die Schriftform der §§ 578, 550 BGB wahrt. Denn die vertragliche Regelung betrifft in deren § 2 Nr. 3 ausdrücklich nur den Fall, dass Wohnungs- und [X.] von denselben Vertragsparteien abgeschlossen wurden. Es widerspräche offensichtlich den redlicherweise zu berücksichtigenden beiderseitigen Interessen, die Beendigung des [X.]es auch dann noch untrennbar an die Beendigung des [X.] zu binden, wenn - wie hier - Wohnungseigentum und Sondernutzungsberechtigung auseinanderfallen und damit auf der Vermieterseite keine personelle Identität besteht.

h) Soweit das Berufungsgericht die [X.] schließlich verurteilt hat, die Klägerin von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 147,56 € freizustellen, wird dies von der Revision nicht angegriffen.

[X.]     

      

Günter     

      

Nedden-Boeger

      

Botur     

      

Krüger     

      

Meta

XII ZR 46/19

15.01.2020

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Berlin, 1. April 2019, Az: 83 S 13/18

§ 550 S 1 BGB, § 578 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.01.2020, Az. XII ZR 46/19 (REWIS RS 2020, 875)

Papier­fundstellen: MDR 2020, 279-280 REWIS RS 2020, 875

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

XII ZR 46/19 (Bundesgerichtshof)


VIII ZR 94/20 (Bundesgerichtshof)

Rechtliche Selbstständigkeit von Wohnraum- und Stellplatzmietvertrag


VIII ZR 95/20 (Bundesgerichtshof)

Kündigung eines Mietvertrags über einen Kraftfahrzeugstellplatz: Tatsächliche Vermutung für die rechtliche Selbstständigkeit von einem separaten …


V ZR 232/16 (Bundesgerichtshof)

Nachlasssache: Wirksamkeit des Erwerbs von Eigentum an einer Garage durch die Erben als Gesamthandseigentümer für …


XII ZR 104/19 (Bundesgerichtshof)

Vertrag über die Aufstellung eines Geldautomaten in einem Restaurant: Anwendung von Mietrecht; Einhaltung der Schriftform …


Referenzen
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.