Bundesgerichtshof, Urteil vom 25.07.2017, Az. VI ZR 222/16

6. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 7478

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Gegenstand

Allgemeiner Auskunftsanspruch: Verjährung vor dem Hauptanspruch


Leitsatz

Der Auskunftsanspruch aus § 242 BGB kann grundsätzlich nicht vor dem Hauptanspruch, dem er dient, verjähren.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 6. Zivilkammer des [X.] vom 12. Mai 2016 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um Auskunftsansprüche im Zusammenhang mit einem Hinterlegungsverfahren.

2

[X.] wurden in einem vor dem [X.] geführten Strafverfahren H. und S. (im Folgenden "Angeklagte"), die unter zahlreichen Firmenbezeichnungen Pensionsversicherungen und andere Kapitalanlagen vertrieben hatten, unter anderem wegen Betrugs und Untreue verurteilt. Die Angeklagten verzichteten auf die Rückzahlung von im Rahmen des vorangegangenen Ermittlungsverfahrens aufgefundenen Geldern und überließen sie der Staatsanwaltschaft zur Auskehrung an die Geschädigten. Die Staatsanwaltschaft hinterlegte daraufhin noch im [X.] insgesamt 1.266.854,64 € bei der Hinterlegungsstelle des [X.], die die Annahme des zu hinterlegenden Betrags zwar zunächst abgelehnt hatte, auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft dann aber vom Präsidenten des [X.] unter Verweis auf § 372 Satz 2 Alt. 2 BGB zur Annahme angewiesen worden war. Beigefügt wurde der Hinterlegung eine von der Staatsanwaltschaft erstellte Liste (im Folgenden "[X.]") mit mehr als 900 Personen und Firmen, die die Staatsanwaltschaft auf der Grundlage der im Strafverfahren gewonnenen Erkenntnisse als mögliche Geschädigte ansah. Ob und in welcher Höhe den dort Genannten tatsächlich Ansprüche gegen die Angeklagten zustehen, hat die Staatsanwaltschaft nicht geprüft. Auf der [X.] befinden sich auch die Namen der Parteien, der Name des Beklagten sogar zweimal, einmal mit der Ortsangabe "[X.]", einmal mit der Ortsangabe "[X.]". Der Beklagte meldete mit Schreiben vom 20. August 2005 einen Auszahlungsanspruch von 27.147,05 € bei der Hinterlegungsstelle an.

3

Die Klägerin, die über einen rechtskräftigen Titel gegen die Angeklagten über 14.333,98 DM zuzüglich Zinsen verfügt, begehrt mit ihrer Klage vom Beklagten in der Hauptsache noch, ihr darüber Auskunft zu geben, "welche Forderung seiner Eintragung als Beteiligter im Sinne der [X.] […] in der [X.]]/[X.]] zugrunde liegt, insbesondere mitzuteilen und Auskunft darüber zu geben, ob ihm eine durch rechtskräftiges Urteil festgestellte Forderung gegen die [X.]] und/oder [X.]] zusteht". Darüber hinaus verlangt sie den Ersatz außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten.

4

Das Amtsgericht hat die Klage wegen Verjährung abgewiesen. Das [X.] hat die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Entscheidungsgründe

I.

5

Das Berufungsgericht, dessen Urteil in [X.] sowie unter BeckRS 2016, 09816 veröffentlicht ist, hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, der von der Klägerin geltend gemachte [X.]sanspruch sei verjährt und infolge der vom [X.]n erhobenen Einrede der Verjährung daher nicht mehr durchsetzbar. Es teile die Auffassung des Amtsgerichts, wonach der streitgegenständliche Anspruch gemäß § 195 [X.] der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren unterliege. Diese Frist sei für den [X.]sanspruch selbständig zu berechnen und richte sich nicht nach dem Lauf der Verjährung des [X.]s, im Streitfall also nicht nach der Verjährung eines Anspruchs aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 [X.] auf Erklärung der Freigabe des hinterlegten Betrages. Die Annahme des Amtsgerichts, der streitgegenständliche [X.]sanspruch sei verjährt, weil er im Jahre 2010 erstmals geltend gemacht, erst im [X.] eingeklagt worden und in den Jahren 2010 bis 2014 nicht gehemmt worden sei, treffe zu.

II.

6

Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.

7

1. Mit der Begründung des Berufungsgerichts kann nicht davon ausgegangen werden, der streitgegenständliche [X.]sanspruch sei verjährt.

8

a) Nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung unterliegt der im Streitfall alleine in Betracht kommende [X.]sanspruch aus § 242 [X.] grundsätzlich selbständig und unabhängig vom [X.] der allgemeinen Verjährungsfrist (vgl. [X.], Urteile vom 10. Mai 2012 - [X.], [X.], 571 Rn. 22 - Fluch der [X.]; vom 26. Mai 1994 - [X.], NJW 1994, 3102, 3106, nicht abgedruckt in [X.]Z 126, 138 ff.; vom 12. Juni 1991 - [X.], NJW 1991, 3031, 3032; vom 4. Oktober 1989 - [X.], [X.]Z 108, 393, 399 [zu einem [X.]sanspruch aus § 2314 [X.]], vom 10. Dezember 1987 - [X.], juris Rn. 34; vom 3. Oktober 1984 - [X.], NJW 1985, 384 f.; ferner [X.], Urteile vom 3. April 1996 - [X.], NJW 1996, 2100, 2101 mwN [zu Ansprüchen aus § 87c HGB]; [X.]/Grüneberg, [X.] Aufl., § 259 Rn. 11; aA allerdings [X.], Urteile vom 28. April 1992 - [X.], juris Rn. 30; vom 18. Februar 1972 - [X.], [X.], 558, 560 - Teerspritzmaschinen; [X.]/[X.], [X.] 2014, Anhang zu § 217 Rn. 8). Hieraus wurde geschlossen, dass ein solcher [X.]sanspruch nicht schon deshalb verjährt ist, weil der [X.] verjährt ist, mag er nach der Verjährung des [X.]s auch regelmäßig, allerdings nicht zwingend (vgl. [X.], Urteile vom 4. Oktober 1989, aaO; vom 3. Oktober 1984 - [X.]; aaO; jeweils zu § 2314 [X.]), am fehlenden Informationsbedürfnis des die [X.] [X.] scheitern (vgl. [X.], Urteile vom 12. Juni 1991 - [X.], aaO; vom 4. Oktober 1989, aaO [zu § 2314 [X.]]; vom 3. Oktober 1984 - [X.], aaO; ferner Urteile vom 17. Juli 2008 - [X.], [X.]Z 177, 319 Rn. 42 - Sammlung Ahlers; vom 24. April 2002 - [X.], juris Rn. 8; vom 26. Mai 1994 - [X.], aaO; anders noch [X.], Urteil vom 2. November 1960 - [X.], [X.]Z 33, 373, 379 [zu § 2314 [X.]]). Hingegen wurde aus dem Prinzip der vom [X.] unabhängigen, selbständigen Verjährung des [X.]sanspruchs in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bislang nicht der Schluss gezogen, dies könne dazu führen, dass der [X.]sanspruch vor dem [X.] verjährt. Im Gegenteil hat der X. Zivilsenat (Urteil vom 28. April 1992 - [X.], juris Rn. 30), wenn auch in der Meinung, die Verjährung des [X.]sanspruchs richte sich schon grundsätzlich nach derjenigen des [X.]s, zum Ausdruck gebracht, der [X.]sanspruch könne nicht vor dem Anspruch, dem er diene, verjähren. Im Ergebnis trifft dies zu.

9

b) Die Verjährung beruht auf den Gedanken des Schuldnerschutzes, des [X.] ([X.], Urteil vom 23. November 1994 - [X.], [X.]Z 128, 74, 82 f.; ferner Urteil vom 20. April 1993 - [X.], [X.]Z 122, 241, 244 f.; jeweils mwN) und der Rechtssicherheit ([X.]/[X.], 7. Aufl., [X.] vor § 194 Rn. 7; zum Aspekt der Rechtssicherheit vgl. ferner [X.]/[X.], [X.], 2014, Vorbemerkungen zu §§ 194-225). Diese Zwecke stehen der Annahme entgegen, der [X.] auf [X.] könne vor dem [X.] verjähren, zu dessen Geltendmachung die [X.] benötigt wird.

Für die Aspekte des [X.] und der Rechtssicherheit liegt dies auf der Hand. Zwar führte die Verjährung nur des [X.]sanspruchs dazu, dass der Streit über das Bestehen dieses Anspruchs nicht mehr (fort)geführt zu werden braucht. [X.] des zwischen den Beteiligten bestehenden Streits ist in solchen Fällen aber regelmäßig nicht der Hilfs-, sondern der [X.]. Der Streit über ihn würde durch die Verjährung nur des [X.]s nicht gelöst. Im Gegenteil würde die Lösung des eigentlichen Streits über Bestehen und/oder Umfang des [X.]s mit der Annahme der Verjährung nur des [X.]s erschwert, weil dem Gläubiger mit dem [X.]sanspruch ein Mittel aus der Hand genommen würde, mit dessen Hilfe er zur Klärung des [X.]s hätte beitragen können. Dass ein Ausschluss des [X.]s den Streit um das Bestehen des noch nicht verjährten [X.]s im Einzelfall deshalb beenden kann, weil dessen Geltendmachung ohne die vom verjährten [X.] umfasste [X.] tatsächlich unmöglich ist, führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn der Wegfall der Durchsetzbarkeit des [X.]s allein infolge Zeitablaufs ist nach dem Willen des Gesetzgebers erst nach Eintritt der für ihn bestimmten Verjährung und nicht bereits nach Eintritt der für den [X.]sanspruch bestimmten Verjährung gerechtfertigt.

Entsprechendes gilt für den Gedanken des Schuldnerschutzes. Das vom [X.] geschützte Interesse des Schuldners, nicht wegen länger zurückliegender Vorgänge, die er nicht mehr aufklären kann, weil ihm die Beweismittel für etwa begründete Einwendungen abhandengekommen oder Zeugen nicht mehr auffindbar sind, in Anspruch genommen zu werden (vgl. [X.], Urteil vom 20. April 1993 - [X.], [X.]Z 122, 241, 244), bezieht sich erkennbar auf den [X.] und nicht auf bloße [X.], die allein den Zweck haben, dem Gläubiger die Durchsetzung des - noch nicht verjährten - [X.]s zu ermöglichen. Denn auch insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Annahme einer Verjährung des [X.]s die Durchsetzung des [X.]s allein wegen Zeitablaufs erschwerte oder sogar ganz unmöglich machte, obwohl die für den [X.] bestimmte Verjährungsfrist gerade noch nicht eingetreten ist. Nach dem Willen des Gesetzgebers überwiegt das dargestellte Interesse des Schuldners dasjenige des Gläubigers an der Durchsetzung seines (Haupt-)Anspruchs aber erst nach Eintritt der für diesen Anspruch bestimmten Verjährung.

2. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Auf der Grundlage des für die rechtliche Prüfung maßgeblichen Sachverhalts kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Klägerin der geltend gemachte [X.]sanspruch aus § 242 [X.] durchsetzbar zusteht.

a) Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben besteht eine [X.]spflicht bei jedem Rechtsverhältnis, dessen Wesen es mit sich bringt, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen oder Umfang seines Rechts im Ungewissen ist, er sich die zur Vorbereitung und Durchsetzung seines Anspruchs notwendigen Auskünfte nicht in zumutbarer Weise selbst beschaffen kann und der Verpflichtete unschwer, das heißt ohne unbillig belastet zu sein, die zur Beseitigung dieser Ungewissheit erforderlichen Auskünfte zu geben vermag. Unter diesen Voraussetzungen ist ein Anspruch auf [X.]serteilung auch dann gegeben, wenn nicht der Inanspruchgenommene, sondern ein Dritter Schuldner des [X.]s ist, dessen Durchsetzung der [X.] auf [X.]serteilung ermöglichen soll. Allerdings begründet allein die Tatsache noch keine [X.]spflicht, dass jemand über Sachverhalte informiert ist oder sein könnte, die für einen anderen von Bedeutung sind (st. Rspr., z.B. Senatsurteil vom 20. Januar 2015 - [X.], NJW 2015, 1525 Rn. 7 f.). Voraussetzung ist vielmehr, dass zwischen dem Berechtigten und dem Verpflichteten eine besondere rechtliche Beziehung besteht, wobei ein gesetzliches Schuldverhältnis, beispielsweise aus unerlaubter Handlung, genügt (st. Rspr., [X.], Urteile vom 13. Juni 1985 - [X.], [X.]Z 95, 285, 288; vom 14. Juli 1987 - [X.], NJW-RR 1987, 1296; [X.]/[X.], [X.], 76. Aufl., § 260 Rn. 5).

b) Ein solcher [X.]sanspruch könnte im Streitfall bestehen. Die Klägerin macht geltend, sie benötige die von ihr verlangte [X.], weil sie über das Bestehen und den Umfang ihres sich aus ungerechtfertigter Bereicherung (§§ 812 ff. [X.]) ergebenden Rechts, die anderen Hinterlegungsbeteiligten, mithin auch den [X.]n, auf Bewilligung der Herausgabe des zu ihren Gunsten titulierten Betrags in Anspruch nehmen zu können, im Unklaren sei.

aa) Nach § 22 Abs. 1 des [X.] Hinterlegungsgesetzes ([X.]) ergeht auf Antrag eine Herausgabeanordnung, wenn die Berechtigung des Empfängers nachgewiesen ist. Nach § 22 Abs. 3 [X.] ist der Nachweis namentlich dann als geführt anzusehen, wenn die Beteiligten entweder die Herausgabe an den Empfänger schriftlich oder zur Niederschrift der Hinterlegungsstelle, eines Gerichts oder eines Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bewilligt oder seine Empfangsberechtigung in gleicher Weise anerkannt haben oder die Berechtigung des Empfängers durch rechtskräftige Entscheidung mit Wirkung gegen die Beteiligten oder gegen das Land festgestellt ist. Verweigert ein Prätendent - wie hier der [X.] - mithin die Abgabe der Herausgabebewilligung, kann derjenige, der die Herausgabe des hinterlegten Gegenstands an sich verlangt, seine Berechtigung diesem Prätendenten gegenüber rechtskräftig feststellen lassen. Dies geschieht dadurch, dass er den Prätendenten im Klageweg auf Bewilligung der Herausgabe in Anspruch nimmt (vgl. nur [X.], Urteile vom 30. Januar 2015 - [X.], NJW 2015, 1678 Rn. 8; [X.]/[X.], [X.], 4. Aufl., § 13 Rn. 30). Anspruchsgrundlage dafür ist regelmäßig § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 [X.] (vgl. nur [X.], Urteil vom 30. Januar 2015 - [X.], NJW 2015, 1678 Rn. 8).

bb) Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn - wie hier - die Hinterlegungsvoraussetzungen nicht vorgelegen haben, die Hinterlegung von der Hinterlegungsstelle mithin nicht hätte angenommen werden dürfen.

(1) Der Präsident des [X.] hat die Anweisung der Hinterlegungsstelle, die betreffenden Gelder zur Hinterlegung anzunehmen, auf den Hinterlegungsgrund des § 372 Satz 2 Alt. 2 [X.] gestützt. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, die Staatsanwaltschaft [X.] sei über die Person der Gläubiger im Ungewissen, ohne dass dies auf Fahrlässigkeit beruhen würde. Er hat dabei verkannt, dass eine Hinterlegung nach § 372 Satz 2 Alt. 2 [X.] nur dann in Betracht kommt, wenn sich der von der Vorschrift verlangte Zweifel ausschließlich auf die Person des Gläubigers bezieht. § 372 Satz 2 Alt. 2 [X.] ist hingegen nicht einschlägig, wenn mehrere Verbindlichkeiten in Frage stehen, deren Erfüllung mehrere Gläubiger aus verschiedenen Rechtsgründen vom Schuldner verlangen ([X.], Urteile vom 1. Februar 2012 - [X.], NJW 2012, 1718 Rn. 44; vom 17. Januar 2007 - [X.], [X.]Z 170, 311 Rn. 15; vom 22. Oktober 1980 - [X.], [X.], 1383, 1384; [X.]/[X.], 7. Aufl., [X.] § 372 Rn. 11; jeweils mwN). Letzteres ist vorliegend aber der Fall; Gegenstand der Ungewissheit ist nicht, welchem der Hinterlegungsbeteiligten ein einziger konkreter Anspruch zusteht, sondern vielmehr die Frage, welchen Hinterlegungsbeteiligten infolge ihnen gegenüber begangener Schädigungshandlungen Schadensersatzansprüche in welcher Höhe zustehen.

(2) Trotzdem gelten für die Hinterlegung und die Geltendmachung der Herausgabe durch einen Hinterlegungsbeteiligten die oben dargestellten Grundsätze. Insbesondere kann der besser Berechtigte die Abgabe der Bewilligungserklärung gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 [X.] von den übrigen Prätendenten auch dann verlangen, wenn die Voraussetzungen für eine Hinterlegung nicht vorlagen, die Hinterlegung von der Hinterlegungsstelle aber dennoch angenommen wurde ([X.], Urteile vom 30. Januar 2015 - [X.], NJW 2015, 1678 Rn. 8; vom 22. Oktober 1980 - [X.], [X.], 1383, 1384; jeweils mwN). Denn die anderen Hinterlegungsbeteiligten haben durch die auch zu ihren Gunsten erfolgte Hinterlegung schon deshalb eine günstige Rechtsposition auf Kosten des besser Berechtigten erlangt, weil es zur Auszahlung des hinterlegten Betrages an den besser Berechtigten ihrer Einwilligung bedarf ([X.], Urteil vom 22. Oktober 1980 - [X.], aaO).

cc) Sofern - was im weiteren Verfahren aufzuklären sein wird - der Klägerin gegen den [X.]n ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 [X.] dem Grunde nach zusteht und sie über den Umfang ihrer gegenüber dem [X.]n und den anderen Beteiligten bestehenden Berechtigung in entschuldbarer Weise im Unklaren ist, kann sie den [X.]n auf die von ihr benötigte [X.] in Anspruch nehmen. Das Bestehen eines [X.] dem Grunde nach erscheint schon deshalb nicht von vornherein ausgeschlossen, weil der von dem [X.]n für sich beanspruchte Betrag in Höhe von 27.147,05 € zusammen mit dem zugunsten der Klägerin titulierten die hinterlegte Summe bei weitem nicht erreicht.

Dabei ist der Inhalt des zuzubilligenden [X.]sanspruchs, wie stets bei der Anwendung des § 242 [X.], unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalles und unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit des verlangten Mittels zu dem angestrebten Erfolg und unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen der Parteien zu bestimmen (vgl. [X.], Urteil vom 24. März 1994 - [X.], [X.]Z 125, 322, 331).

In Anwendung dieser Grundsätze stünde einem [X.]sanspruch unter den besonderen Umständen des [X.] auch nicht entgegen, dass die Klägerin den [X.]n unmittelbar auf Abgabe der Erklärung in Anspruch nehmen könnte, in die Herausgabe des hinterlegten Betrages einzuwilligen, soweit der zu ihren Gunsten titulierte Betrag betroffen ist. Denn vorliegend ist zu Unrecht zugunsten von mehr als 900 Hinterlegungsprätendenten hinterlegt worden. Eine Auszahlung des hinterlegten Betrages kann von der über einen Titel verfügenden Klägerin nach den obigen Ausführungen nur dann erreicht werden, wenn sie sämtliche Hinterlegungsbeteiligten auf Abgabe der Erklärung, in die - teilweise - Herausgabe des hinterlegten Betrages einzuwilligen, in Anspruch nimmt, widrigenfalls der hinterlegte Betrag absehbar nach § 30 [X.] an das Land verfällt. Eine solche unmittelbare Inanspruchnahme aller Hinterlegungsbeteiligten ist der Klägerin indes schon allein aufgrund des damit verbundenen [X.] nicht zuzumuten. Dagegen kann der [X.] die verlangte [X.] unschwer geben. Erhält die Klägerin die begehrten Auskünfte von [X.] oder zumindest von einer größeren Anzahl der Hinterlegungsbeteiligten, kann sie auf dieser Grundlage entscheiden, ob und in welcher Höhe sie die Hinterlegungsbeteiligten auf Abgabe einer Bewilligungserklärung in Anspruch nehmen will.

III.

Das Berufungsurteil kann daher keinen Bestand haben, sondern ist aufzuheben und mangels Entscheidungsreife zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Für das weitere Verfahren wird darauf hingewiesen, dass der [X.]sanspruch der Klägerin gegen den [X.]n jedenfalls dann nicht (mehr) besteht, wenn die Klägerin im vorliegenden Verfahren an die von ihr benötigten Informationen gelangt wäre oder der [X.] die entsprechende [X.] - wie von ihm behauptet - der Hinterlegungsstelle gegenüber erteilt hätte und es der Klägerin dadurch möglich geworden wäre, über eine ihr nach § 4 [X.] zustehende Einsicht in die [X.] an die Informationen zu gelangen.

[X.]     

      

Offenloch     

      

[X.]

      

[X.]     

      

Klein     

      

Meta

VI ZR 222/16

25.07.2017

Bundesgerichtshof 6. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Köln, 12. Mai 2016, Az: 6 S 146/15, Urteil

§ 195 BGB, § 242 BGB, § 372 BGB, § 4 HintG NW, § 22 Abs 3 HintG NW

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 25.07.2017, Az. VI ZR 222/16 (REWIS RS 2017, 7478)

Papier­fundstellen: NJW 2017, 2755 WM2017,2158 REWIS RS 2017, 7478

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