Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.10.2013, Az. 4 StR 368/13

4. Strafsenat | REWIS RS 2013, 1784

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Gegenstand

Adhäsionsverfahren: Anbringungszeitpunkt des Antrags; Bezugnahme auf Anklage


Tenor

1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 9. April 2013 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass für die Tat II. 6 der Urteilsgründe eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren verhängt wird.

2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels, die insoweit durch das Adhäsionsverfahren entstandenen besonderen Kosten und die dem Neben- und Adhäsionskläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen „6-fachen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen sowie des 2-fachen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen“ zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt und eine Adhäsionsentscheidung getroffen; von weiteren Tatvorwürfen hat es ihn freigesprochen. Die hiergegen gerichtete, auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision hat mit der Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 [X.].

2

1. Im Fall [X.] 6 der Urteilsgründe begegnet die Zumessung der Einzelfreiheitsstrafe durchgreifenden rechtlichen Bedenken. In diesem Fall hat das [X.] den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern gemäß § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen gemäß § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt; einen minder schweren Fall nach § 176a Abs. 4 Halbs. 2 StGB hat es in diesem wie auch in allen anderen Fällen des § 176a Abs. 2 StGB verneint.

3

Der [X.] hat insoweit ausgeführt:

„Die Verhängung der Einzelstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten bei der Tat [X.] 6. der Urteilsgründe kann allerdings keinen Bestand haben. Die ergänzend zu dieser Tat aufgeführten Strafzumessungskriterien (Durchführung von Oral- und Analverkehr, erhebliche Schmerzen des [X.], Weinen des [X.] veranlasste den Angeklagten nicht zur Beendigung des Verkehrs), die dieser Tat ein überdurchschnittliches Gewicht zukommen lassen soll ([X.], [X.]), sind nicht durch die Feststellungen gedeckt. Die [X.] hat hier die Feststellungen zu verschiedenen [X.] vermengt. Der Angeklagte hat zwar bei der Tat [X.] 6. - wie aber auch bei der Tat [X.] 5. - am Nebenkläger Oral- und Analverkehr verübt, jedoch hat die Kammer bei dieser Tat nicht die erheblichen Schmerzen, die auch nachfolgend beim Stuhlgang anhielten, und ein Weinen des [X.] bei der Tatausübung festgestellt. Diese Feststellungen betreffen die Tat [X.] 4., bei der es aber nur zu Anal- und nicht zu Oralverkehr kam.“

4

In Übereinstimmung mit dem Antrag des [X.]s reduziert der Senat die Einzelfreiheitsstrafe im Fall [X.] 6 der Urteilsgründe auf zwei Jahre. Dies entspricht den – rechtsfehlerfrei zugemessenen – Einzelstrafen, die das [X.] in dem in jeder Hinsicht parallel liegenden Fall [X.] 5 der Urteilsgründe sowie auch in dem wegen der festgestellten Umstände und Folgen der Tat (Weinen und länger andauernde Schmerzen) schwerer wiegenden Tat unter [X.] 4 der Urteilsgründe verhängt hat.

5

2. Entgegen der Auffassung des [X.]s ist die Adhäsionsentscheidung rechtsfehlerfrei ergangen. Das [X.] hat den Angeklagten zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 6.000 € verurteilt.

6

a) Der Adhäsionskläger hat den hierauf gerichteten [X.] nicht verspätet angebracht (§ 404 Abs. 1 Satz 1 [X.]). Der Vertreter des Adhäsionsklägers hatte den Leistungsantrag, der zuvor nicht außerhalb der Hauptverhandlung zugestellt oder in ihr bereits verlesen worden war, im Termin vom 9. April 2013 zunächst erst nach dem Schlussvortrag der Vertreterin der Staatsanwaltschaft gestellt. Nach den weiteren Schlussvorträgen und dem letzten Wort des Angeklagten wurde „nochmals in die Beweisaufnahme eingetreten“ und diese sodann wieder geschlossen. Anschließend wiederholten die Verfahrensbeteiligten ihre zuvor gestellten Anträge. Gemäß § 404 Abs. 1 Satz 1 [X.] kann der [X.] nach Beginn der Schlussvorträge, die dem den Rechtszug abschließenden Urteil vorausgehen, nicht mehr gestellt werden; diese Präklusion greift jedoch nicht ein, wenn das Gericht erneut in die Beweisaufnahme eingetreten ist ([X.], [X.], 56. Aufl., § 404 Rn. 4); es ist stets auf den Beginn der letzten Schlussvorträge abzustellen ([X.] in [X.], [X.], 26. Aufl., § 404 Rn. 4). Danach ist der [X.] hier noch rechtzeitig angebracht worden; der Zweck der Regelung in § 404 Abs. 1 Satz 1 [X.], dass der Staatsanwalt Gelegenheit haben muss, zu dem geltend gemachten vermögensrechtlichen Anspruch des Verletzten Stellung zu beziehen ([X.], Beschlüsse vom 9. August 1988 – 4 [X.], [X.]R [X.] § 404 Abs. 1 Antragstellung 1, und 9. September 2008 – 1 [X.], [X.], 566, 567), ist auch in der hier gegebenen Fallgestaltung erfüllt.

7

b) Der Senat teilt auch nicht die Auffassung des [X.]s, dass der [X.] nicht den Anforderungen des § 404 Abs. 1 Satz 2 [X.] genügt. Nach dieser Vorschrift muss der [X.] unter anderem den Gegenstand und den Grund des geltend gemachten Anspruchs bestimmt bezeichnen (vgl. dazu [X.] in [X.], [X.], 26. Aufl., § 404 Rn. 1 mwN). Unter den hier gegebenen Umständen reichte dazu jedoch die im Antrag vom 12. Februar 2013 erfolgte Bezugnahme auf die in der Anklageschrift erhobenen Tatvorwürfe aus (vgl. auch [X.], Beschluss vom 13. August 2013 – 4 [X.]). Der der Anklage zugrunde liegende Sachverhalt ist einfach und überschaubar. In allen Fällen richteten sich die Vorwürfe ausschließlich gegen den Angeklagten; Tatopfer war in allen Fällen der Adhäsionskläger.

8

c) Der Senat kann über die Revision des Angeklagten durch Beschluss nach § 349 Abs. 2 und 4 [X.] befinden, obwohl der [X.] die Aufhebung des angefochtenen Urteils im Adhäsionsausspruch beantragt hat. Kann das Revisionsgericht über den strafrechtlichen Teil des Urteils im Beschlussverfahren entscheiden, so kann es hierbei auch über das Rechtsmittel gegen die Zubilligung einer Entschädigung des Verletzten ohne Bindung an den Antrag des [X.]s mitbefinden (vgl. [X.], Beschlüsse vom 8. Juli 2009 – 2 StR 239/09, [X.], 382, und 18. November 2011 – 1 [X.]/11).

9

3. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils auf Grund der [X.] keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

Die Herabsetzung der Einzelstrafe im Fall [X.] 6 der Urteilsgründe auf zwei Jahre nötigt nicht zur Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe. In Übereinstimmung mit dem [X.] schließt der Senat – auch im Blick auf die weiter verhängten Einzelstrafen (fünfmal zwei Jahre und zweimal sechs Monate Freiheitsstrafe) – aus, dass das [X.], hätte es auch im Fall [X.] 6 eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren verhängt, eine noch mildere Gesamtstrafe festgesetzt hätte.

[X.][X.]

                         Mutzbauer                         [X.]

Meta

4 StR 368/13

22.10.2013

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Magdeburg, 9. April 2013, Az: 22 KLs 526 Js 20478/08 (8/12)

§ 404 Abs 1 S 1 StPO, § 404 Abs 1 S 2 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.10.2013, Az. 4 StR 368/13 (REWIS RS 2013, 1784)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 1784

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