Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.03.2021, Az. 4 StR 20/21

4. Strafsenat | REWIS RS 2021, 7537

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Gegenstand

Körperverletzung mit Todesfolge: Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot durch isolierte strafschärfende Berücksichtigung direkten Vorsatzes


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 30. September 2020 im Strafausspruch aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

2

Der Strafausspruch hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

3

Das [X.] hat bei der [X.] und der Strafzumessung im engeren Sinne isoliert strafschärfend gewertet, dass der Angeklagte „mit direktem Vorsatz“ handelte. Der Tatbestand der Körperverletzung mit Todesfolge (§§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1, 227 StGB) setzt vorsätzliches Handeln im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundtatbestandes der Körperverletzung voraus. Die isolierte strafschärfende Wertung von dolus directus (Wissentlichkeit) verstößt ungeachtet der Frage, ob direkt vorsätzliches Handeln als (normativer) Regelfall (vgl. [X.], Beschlüsse vom 14. Oktober 2015 - 5 StR 355/15, [X.], 8; vom 1. Dezember 1989 - 2 [X.], [X.]R StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 3; jeweils für § 212 StGB; ablehnend [X.], Beschluss vom 7. Juni 2017 - 4 ARs 22/16, [X.], 238) oder als typischer Fall der Tatbestandsverwirklichung (vgl. [X.], Beschlüsse vom 10. April 1987 - [X.], [X.]St 34, 345, 351; vom 25. Februar 1997 - 4 StR 409/96 Rn. 8; vom 23. Oktober 1992 - 2 StR 483/92, [X.] 1993, 72 und vom 8. Februar 1978 - 3 [X.] Rn. 3) anzusehen ist, gegen § 46 Abs. 3 StGB (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Beschluss vom 14. Oktober 2015 - 5 StR 355/15, [X.], 8; Urteil vom 14. August 2008 - 4 [X.], [X.], 624 und Beschluss vom 17. September 1990 - 3 StR 313/90, [X.]R StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 4).

4

Auch unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der Urteilsgründe vermag der Senat die im Rahmen der Strafzumessung im engeren Sinne isoliert hervorgehobene strafschärfende Erwägung, dass der Angeklagte die Körperverletzungshandlung - das heftige Schütteln des Säuglings - mit direktem Vorsatz beging, nicht dahin zu verstehen, dass das Tatgericht mit dieser Wendung lediglich die konkrete Tatausführung näher umschrieben hat.

5

Der Senat vermag ein Beruhen des Strafausspruchs auf diesem Rechtsfehler nicht auszuschließen.

6

Die getroffenen Feststellungen werden durch den [X.] nicht berührt und können deshalb bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Im Rahmen der neuen Strafzumessung sind ergänzende Feststellungen möglich, sofern sie den bisherigen nicht widersprechen.

7

Die Sache bedarf im Umfang der Aufhebung neuer Verhandlung und Entscheidung.

8

Der Schriftsatz des Verteidigers vom 17. März 2021 hat dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

Sost-Scheible     

        

Quentin     

        

Bartel

        

Rommel     

        

Maatsch     

        

Meta

4 StR 20/21

24.03.2021

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Detmold, 30. September 2020, Az: 21 KLs - 31 Js 145/20

§ 46 Abs 3 StGB, § 223 Abs 1 StGB, § 224 Abs 1 StGB, § 227 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.03.2021, Az. 4 StR 20/21 (REWIS RS 2021, 7537)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 7537

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Referenzen
Wird zitiert von

4 StR 506/20

Zitiert

5 StR 355/15

4 ARs 22/16

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