Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.
Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"
Einleitung eines Vergabenachprüfungsverfahrens
Eine Vergabestelle kann zur Beurteilung der Eignung eines Bieters die in §§ 122 GWB; § 42 ff. VgV vorgesehenen Maßnahmen ergreifen. Gemäß § 46 Abs. 3 VgV kann zur Prüfung der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit ausschließlich die Vorlage der dort genannten Unterlagen von den Bietern verlangt werden, unter anderem gemäß § 46 Abs. 3 Nr. 1 VgV die Angabe von geeigneten Referenzen in Form einer Liste.
2.Nicht hingegen ist es der Vergabestelle gestattet, die Vorlage von Referenzbescheinigungen, ausgestellt durch die jeweiligen Auftraggeber, zu verlangen, da derartige Unterlagen nicht im Katalog des § 46 Abs. 3 VgV genannt sind.
3.Die in § 63 Abs. 1 VgV geschriebenen Aufhebungsgründe schränken das Recht des Auftraggebers, ein Vergabeverfahren ohne Zuschlag zu beenden, nicht ein. Sie haben vielmehr Bedeutung für die Abgrenzung einer rechtmäßigen Aufhebung von einer zwar wirksamen, aber rechtswidrigen Beendigung des Vergabeverfahrens. Notwendige Voraussetzung für eine wirksame Aufhebung ist lediglich, dass der öffentliche Auftraggeber für seine Aufhebungsentscheidung einen sachlichen Grund hat, so dass eine Diskriminierung ausgeschlossen und seine Entscheidung nicht willkürlich ist oder bloß zum Schein erfolgt.
1. Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin durch die Aufforderung zur fristgerechten Vorlage von Referenzbescheinigungen verbunden mit der Androhung des Angebotsausschlusses sowie durch die Zurückversetzung des Vergabeverfahrens in den Stand der Auftragsbekanntmachung in ihren Rechten verletzt ist.
2. Im Übrigen wird der Nachprüfungsantrag, sofern er sich nicht durch die Teilrücknahme erledigt hat, abgelehnt.
3. Die Vergabestelle trägt 5/8 der Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin.
Die Antragstellerin trägt 3/8 der Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Vergabestelle.
4. Die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin wird für notwendig erklärt.
Die Gebühr für dieses Verfahren beträgt …,- €. Auslagen sind nicht angefallen. Die Vergabestelle ist von der Zahlung der Gebühr befreit.
1. Die Vergabestelle schrieb in 14 Losen die Lieferung von 3-Achs-Lastkraftwagen im Amtsblatt der EU im Offenen Verfahren …… aus.
Unter III.1.3 (Technische und berufliche Leistungsfähigkeit) der Auftragsbekanntmachung setze die Vergabestelle einen Link, der den interessierten Wirtschaftsteilnehmer auf das Formblatt L 124 EU (Eigenerklärung zur Eignung) weiterleitete. Die Vergabestelle verlinkte an dieser Stelle ein von ihr nicht bearbeitetes Formblatt L 124 EU, d.h. sie machte nicht mit einem Kreuz am entsprechenden Platzhalter, z.B. unter IV. (Technische und berufliche Leistungsfähigkeit) deutlich, dass der Bieter unter IV. des Formblattes L 124 EU drei vergleichbare Referenzleistungen zu benennen hatte. In den herunterzuladenden Vergabeunterlagen befand sich ein Formblatt L 124 des VHL Bayern. In diesem Formblatt war unter IV. (Technische und berufliche Leistungsfähigkeit) der entsprechende Platzhalter angekreuzt, d.h. der Bieter musste gem. den Vergabeunterlagen drei geeignete Referenzen benennen. In dem Formblatt L 124 VHL Bayern befindet sich unter IV. folgender Passus:
„Falls mein(e)/unser(e) Bewerbung/Angebot in die engere Wahl kommt, werde(n) ich/wir für die oben genannten Leistungen Bescheinigungen über die ordnungsgemäße Ausführung und das Ergebnis auf gesondertes Verlangen vorlegen.“
Die Antragstellerin gab hierzu ein Angebot ab. Unter IV. des Formblattes L 124 benannte sie drei Referenzen.
2. Mit Schreiben vom 09.08.2019 wurde die Antragstellerin aufgefordert, Unterlagen zum Angebot bis spätestens 16.08.1029 nachzureichen.
Daraufhin ließ die Antragstellerin durch ihren Bevollmächtigten mit Schreiben vom 09.08.2019 rügen, dass diese Frist zur Nachreichung der Unterlagen zu kurz sei.
Mit Schreiben vom 12.08.2019 teilte die Vergabestelle mit, dass die Frist angemessen sei und der Rüge deshalb nicht abgeholfen werde.
Daraufhin ließ die Antragstellerin durch ihren Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 23.08.2019 Nachprüfungsantrag erheben. Nach Übermittlung des Nachprüfungsantrages teilte die Vergabestelle mit Schriftsatz vom 28.08.2019 mit, dass sie das Vergabeverfahren in den Stand vor Aufforderung zur Vorlage der Unterlagen zurückversetze und die Antragstellerin erneut zur Nachreichung der Unterlagen innerhalb einer angemessenen Frist aufgefordert werde. Den geltend gemachten Vergaberechtsverstößen werde abgeholfen. Die Vergabekammer stellte mit Beschluss vom 25.09.2019 unter dem Az. RMF - SG 21-3194-4-44 diesen Antrag auf Nachprüfung ein.
3. Mit Schreiben vom 27.08.2019 forderte die Vergabestelle die Antragstellerin auf, sich bis zum 09.09.2019 dazu zu äußern, dass der Geschäftsführer der Antragstellerin mit Urteil des … vom … wegen … in Tateinheit mit… zu einer Geldstrafe … verurteilt worden sei und somit die Ausschlusstatbestände des § 124 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 7 GWB erfüllt seien. Die Vergabestelle wolle sämtliche Gesichtspunkte zur Erforschung des vollständigen Sachverhalts einbeziehen und gebe deshalb der Antragstellerin Gelegenheit zur Stellungnahme bis 09.09.2019.
4. Am 28.08.2019 forderte die Vergabestelle die Antragstellerin erneut auf, Referenzbescheinigungen über die ordnungsgemäße Ausführung und das Ergebnis gemäß Formblatt L 124 Eigenerklärung zur Eignung vorzulegen.
5. Mit Schreiben vom 05.09.2019 rügte die Antragstellerin, dass eine Referenzbescheinigung nicht unbedingt gefordert werden dürfe, weil eine Referenzbescheinigung nicht in jedem Fall beigebracht werden könne und zwar aus Gründen, die nicht der Bieter zu vertreten habe.
6. Zudem fragte die Antragstellerin am 05.09.2019 nach, aufgrund welchen Sachverhalts die Vergabestelle einen Ausschluss nach § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB für begründet erachtet. Eine erhebliche oder fortlaufend mangelhafte Erfüllung vertraglicher Pflichten werde der Antragstellerin augenscheinlich nicht vorgeworfen. In Ansehung dieser Aufklärungsnotwendigkeit werde eine Verlängerung der Äußerungsfrist bis zum 16.09.2019 beantragt.
7. Bezüglich der Nachfrage der Antragstellerin vom 05.09.2019 zu § 124 Abs. 1 Nummer 7 GWB teilte die Vergabestelle der Antragstellerin am 06.09.2019 mit, dass insoweit auf die Kündigung der … vom … verwiesen werde. Eine Fristverlängerung könne nicht gewährt werden.
8. Daraufhin ließ die Antragstellerin ihre Verfahrensbevollmächtigte mit Schreiben vom 06.09.2019 die Anhörungsfrist zum Ausschluss nach § 124 GWB als zu kurz rügen. Die Vergabestelle habe Anlass zur Nachfrage gegeben.
9. Mit Schreiben vom 06.09.2019 wies die Vergabestelle die Rüge bezüglich der Vorlage der Referenzbescheinigungen zurück. Gemäß § 46 Abs. 3 Nummer 1 VgV könnten als Beleg der erforderlichen technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit Referenzen von den Bietern verlangt werden. In der Auftragsbekanntmachung sei von der Vergabestelle festgelegt worden, dass entsprechend dem Formblatt L 124 drei Referenzen mit Bescheinigungen über die ordnungsgemäße Ausführung und das Ergebnis auf gesondertes Verlangen vorzulegen seien. Diese Kriterien seien mittels einer abrufbaren direkten Verlinkung wirksam bekannt gemacht worden.
Zudem sei die Rüge vom 05.09.2019 gemäß § 160 Abs. 3 Nummer 1 GWB unzulässig. Mit Rüge vom 09.08.2019 habe die Antragstellerin lediglich die zur Vorlage der Referenzen gesetzte Frist gerügt, nicht aber die Vorlage der Referenzen an sich.
10. Unter dem 08.09.2019 ließ die Antragstellerin ergänzend ausführen, dass die Verweigerung einer Fristverlängerung in Bezug auf die Anhörung zum Ausschluss nicht hinzunehmen sei. Die Vergabestelle habe zunächst gar nicht mitgeteilt, zu welchem relevanten Hintergrund Stellung genommen werden soll: Die notwendige Konkretisierung sei erst am 06.09.2019 erfolgt. Die Frist bis zum 09.09.2019 sei daher erst recht zu kurz bemessen und völlig unangemessen. Der alleinige Sachbearbeiter der verfahrensbevollmächtigten Anwaltskanzlei der Antragstellerin sei bis zum 08.09.2019 in Urlaub. Weitere Nachfragen bei der Mandantschaft und Rücksprachen seien erforderlich. Dies könne in der gesetzten Frist nicht geschehen.
Ferner ließ die Antragstellerin unter dem 08.09.2019 ergänzend ausführen, dass nicht mitgeteilt worden sei, ob ein Ausschluss beabsichtigt sei und welche tatsächlichen Anhaltspunkte für die Annahme des Tatbestands eines Ausschlussgrundes vorlägen. Somit sei nicht die Möglichkeit eröffnet worden, zum entscheidungserheblichen Sachverhalt und den zugrundeliegenden Tatsachen Äußerungen zu tätigen.
11. Daraufhin ließ die Antragstellerin am 11.09.2019 gesondert zwei Nachprüfungsanträge erheben jeweils beantragen:
a. Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens
b. Gewährung von Akteneinsicht
c. Feststellung von Vergabeverstößen
d. Anordnung von geeigneten Maßnahmen zur Beseitigung der festgestellten Vergabeverstöße
Zur Begründung in dem einen Nachprüfungsantrag trug die Antragstellerin vor, dass eine Referenzbescheinigung nicht unbedingt gefordert werden dürfe. Ein Ausschluss, weil ein Referenzgeber keine Bescheinigungen ausstelle, dürfe nicht zum Ausschluss des Angebotes führen. Die Vergabekammer hat diesen Nachprüfungsantrag unter dem Az.: RMF - SG 21-31944-47 am 11.09.2019 an die Vergabestelle übermittelt, ihr Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben und um Vorlage der Vergabeakten gebeten.
Den zweiten Nachprüfungsantrag begründete die Antragstellerin mit der Art und Weise der Anhörung im Hinblick auf einen möglicherweise zu treffenden Ausschluss der Antragstellerin gem. § 124 GWB. Die Vergabekammer hat auch diesen Nachprüfungsantrag unter dem Az.: RMF - SG 21-3194-4-48 am 11.09.2019 an die Vergabestelle übermittelt, ihr Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben und um Vorlage der Vergabeakten gebeten.
12. Mit zwei gesonderten Schriftsätzen vom 18.09.2019 beantragt die Vergabestelle:
1 Der Vergabenachprüfungsantrag der Antragstellerin vom 11.09.2019 wird als unzulässig verworfen, hilfsweise als unbegründet zurückgewiesen.
2 Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Nachprüfungsantrag bezüglich Az. RMF - SG 21-3194-4-47 (Vorlage der Referenzbescheinigungen) sei gemäß § 160 Abs. 3 Nummer 1 GWB unzulässig, weil die Antragstellerin den vorliegend geltend gemachten (angeblichen) Verstoß gegen Vergabevorschriften zwar erkannt, aber gegenüber der Vergabestelle nicht innerhalb einer Frist von zehn Kalendertagen gerügt habe. Die Vergabestelle habe mit Schreiben vom 09.08.2019 von der Antragstellerin die Vorlage der streitgegenständlichen Referenzbescheinigungen erstmalig gefordert. Mit dem Rügeschreiben, ebenfalls vom 09.08.2019, habe die Antragstellerin nur die gesetzte Frist als unangemessen kurz beanstandet, aber im Übrigen vorgetragen, dass sie die genannten Unterlagen einreichen werde. Die Vorlage der Referenzbescheinigungen an sich habe die Antragstellerin zu diesem Zeitpunkt (noch) nicht gerügt. Nachdem die Antragstellerin auch nach der Forderung der Vergabestelle bezüglich der Vorlage der Referenzbescheinigungen am 09.08.2019 die Verpflichtung zur Beibringung der Referenzbescheinigungen nicht gerügt habe, sei der Antrag auf Nachprüfung unzulässig.
Zur Begründung zum Az. RMF - SG 21-3194-4-48 (Anhörung) führt sie aus, dass der Nachprüfungsantrag unbegründet sei, weil kein Verstoß gegen Vorschriften des Vergaberechts vorliege. Der Antragstellerin sei eine angemessene Frist zur Äußerung eingeräumt worden und sie sei ohnehin nicht beschwert, da sie innerhalb der gesetzten Frist ihre Stellungnahme abgegeben habe und nicht aufgrund des aufzuklärenden Sachverhalts aus dem Vergabeverfahren ausgeschlossen worden sei.
Ein Verstoß gegen Vergabevorschriften liege bereits deshalb nicht vor, weil die Vergabestelle den vollständigen Sachverhalt aufgeklärt und die Antragstellerin zu diesem angehört habe. Die Antragstellerin habe die Gelegenheit zur Stellungnahme genutzt und sich zum Sachverhalt geäußert.
Der Vergabestelle sei bekannt geworden, dass der Antragstellerin ein Auftrag von der … mit Schreiben vom … gekündigt worden sei. Da es sich dabei um einen vergleichbaren Beschaffungsgegenstand gehandelt habe, habe die Vergabestelle der Sachverhalt aufgeklärt und hierzu der Antragstellerin eine angemessene Äußerungsfrist gesetzt.
Mit Schreiben vom 27.08.2019 habe die Vergabestelle die Aufklärung des Sachverhalts verlangt und in ihrem Schreiben auf den fakultativen Ausschlussgrund des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB verwiesen. Dazu habe sie der Antragstellerin eine Frist von 13 Kalendertagen bis zum 09.09.2019 gesetzt. Diese Frist sei ausreichend und angemessen gewesen.
Erst mit E-Mail vom 05.09.2019 habe die Antragstellerin durch ihren Anwalt nachfragen lassen, auf welchen Sachverhalt sich das Aufklärungsersuchen beziehen würde. Am 06.09.2019 habe die Vergabestelle eine entsprechende Antwort gegeben und auf die Kündigung der … vom xx.xx…. verwiesen. Soweit bei der Antragstellerin Unklarheiten über den aufzuklärenden Sachverhalt und den Bezugspunkt bestanden haben sollten, hätte diese bereits zu einem früheren Zeitpunkt nachfragen können und müssen. Das Argument aus der E-Mail vom 08.09.2019, der Vertreter der Antragstellerin sei alleiniger Sachbearbeiter und bis einschließlich 08.09.2019 im Urlaub, könne nicht überzeugen, da dieser bereits am 05.09.2019, 07.09.2019 und 08.09.2019 umfangreiche Nachrichten an die Vergabestelle zu versenden vermocht habe.
Darüber hinaus hätte die Antragstellerin den zur Aufklärung gestellten Sachverhalt erkennen können und müssen. Ihr sei aufgrund der Kündigung vom 01.03.2019 bekannt gewesen, dass der Auftrag der … nicht zu deren Zufriedenheit ausgeführt worden sei.
Die Antragstellerin sei zudem nicht beschwert, weil sie innerhalb der gesetzten Frist ihre Stellungnahme zum aufzuklärenden Sachverhalt abgegeben habe und nicht aufgrund des aufzuklärenden Sachverhalts aus dem Vergabeverfahren ausgeschlossen worden sei. Eine Verlängerung der Äußerungsfrist, wie sie mit dem Nachprüfungsantrag gefordert werde, sei daher nicht nötig.
13. Am 06.10.2019 entgegnete die Antragstellerin zum Verfahren Az. RMF - SG 21-3194-4-47, dass sie davon ausgegangen sei, dass sie Referenzbescheinigungen von den Referenzgebern erlangen könne. Trotz intensiver Bemühungen sei es der Antragstellerin aber nicht gelungen, von allen in der Eigenerklärung benannten Referenzgebern Bescheinigungen zu erlangen. Aus diesem Grund habe sie am 05.09.2019 gerügt, dass eine Referenzbescheinigung nicht in jedem Fall vom Bieter beigebracht werden müsse.
Zudem habe die Vergabestelle gar keine Referenzen als Eigenerklärungen mit der Auftragsbekanntmachung wirksam gefordert. Das unter III.1.3 (Technische und berufliche Leistungsfähigkeit) der Auftragsbekanntmachung verlinkte Formblatt L 124 sei unter IV (Technische und berufliche Leistungsfähigkeit) gar nicht angekreuzt. Rechtsfolge dieser fehlerhaften Bekanntmachung der Eignungskriterien sei, dass der Ausschluss eines Angebotes, welches die Eignungskriterien nicht erfülle, rechtswidrig sei.
14. Mit Schriftsatz vom 07.10.2019 führt die Antragstellerin zum Verfahren Az. RMF - SG 21-31944-48 aus, dass die Vergabestelle den Sachverhalt unzutreffend dargestellt habe. In ihrem Schreiben vom 27.08.2019 habe sie an keiner Stelle die Aufklärung des Sachverhalts um die Kündigung der … vom xx.xx…. erwähnt. Erst auf Nachfrage habe die Vergabestelle mitgeteilt, dass sie sich auf die Kündigung beziehe. Die ursprünglich gesetzte Frist habe sich deshalb nicht auf den Sachverhalt um die Kündigung beziehen können und somit nie zu laufen begonnen.
Soweit die Vergabestelle sich auf einen Sachverhalt beziehe, müsse sie diesen der Antragstellerin unterbreiten, diese könne nicht anhand einer genannten Norm auf einen Sachverhalt rückschließen.
Die Vergabestelle agiere nicht mehr unvoreingenommen.
Die Antragstellerin habe eine schnelle einfache Stellungnahme abgegeben, die von der Vergabestelle scheinbar für ausreichend gehalten werde. Die Antragstellerin erfahre nunmehr im laufenden Nachprüfungsverfahren erstmals, dass die Vergabestelle einen Ausschluss aufgrund des Sachverhalts um die Kündigung vom xx.xx…. nicht vorgenommen habe und eine solche auch nicht beabsichtigt sei. Sofern dies der Fall sei, möge die Vergabestelle dies ordnungsgemäß mitteilen. Es sei beabsichtigt, dann insofern einen entsprechenden Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit von Rechtsverstößen zu erheben. Dieser wäre zulässig und begründet.
Hinsichtlich der Frage des Ausschlusses wegen der … Verurteilung sei vorzutragen, dass das einmalige Fehlverhalten des Geschäftsführers der Antragstellerin nicht dazu herangezogen werden dürfe, um annehmen zu können, dass die Vergabestelle das Vertrauen in die ordnungsgemäße Leistungserbringung durch die Antragstellerin verloren haben könnte. Eine schwere Verfehlung nach § 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB liege nicht vor.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Antragstellerin verwiesen.
15. Am 09.10.2019 verlängerte der Vorsitzende der Vergabekammer die Fünf-Wochen-Frist des § 167 Abs. ein Satz eins GWB wegen besonderer tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten bis einschließlich 29.11.2019.
16. Mit Schriftsatz vom 16.10.2019 erklärte die Vergabestelle, dass sie das Vergabeverfahren in den Stand der Bekanntmachung zurückversetze, da Änderungen der Vergabeunterlagen zwingend erforderlich seien. Das der Bekanntmachung beigefügte Formblatt enthalte nicht die notwendigen Angaben und werde erneut bekannt gemacht. Es sei notwendig, dass die Antragstellerin ihr Angebot zurückziehe.
Das Vergabeverfahren werde deshalb in den Stand der Bekanntmachung zurückversetzt.
17. Die Antragstellerin nahm in Bezug auf die Zurückversetzung mit Schriftsätzen vom 20.10.2019 und 21.10.2019 Stellung.
Sie habe unter dem 16.10.2019 die Rückversetzung gerügt. Weder Berichtigungen noch ergänzende Angaben in den Angebotsunterlagen seien notwendig. Die Rückversetzung erfolge zum Schein und sei unwirksam. Daher komme die Weiterführung des Verfahrens in Betracht. Eine Vergabestelle könne zur Beurteilung der Eignung von Bietern nicht die nicht rechtmäßig geforderten Unterlagen heranziehen, jedoch sei im Einklang mit der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf (Beschluss vom 28.11.2012 - VII-Verg 8/12) ein verringertes Eignungsniveau zugunsten der Bieter vergaberechtlich irrelevant.
Hilfsweise sei die Rückversetzung als rechtswidrig anzuerkennen, da kein anerkannter Rückversetzungsgrund vorliege.
Ein Zurückziehen des Angebots sei nicht notwendig.
Eine Notwendigkeit von Änderungen oder Berichtigungen habe es nicht gegeben. Gehe man doch davon aus, sei die Ausschreibung jedenfalls fehlerhaft erstellt worden.
Die Antragstellerin wende sich mit ihrem Nachprüfungsantrag gegen die unwirksame und rechtswidrige Rückversetzung/Aufhebung.
Sie beanspruche die Rücknahme der unwirksamen Rückversetzung/Aufhebung.
Hilfsweise beanspruche sie die Feststellung der Rechtswidrigkeit der rechtswidrigen Rückversetzung/Aufhebung.
Sie stellt deshalb folgende Anträge:
Es wird beantragt festzustellen, dass (geht man davon aus) die aufgehobene Ausschreibung vergaberechtsfehlerhaft erstellt worden ist. Die vergaberechtsfehlerhafte Erstellung soll nun Anlass für Änderungen und Berichtigungen sein. Um welche Notwendigkeit zu Änderungen und Berichtigungen es geht hat die Antragsgegnerin bisher verabsäumt mitzuteilen. Schon insoweit ist die Aufhebung/Rückversetzung unwirksam und rechtswidrig. Solche sind nicht ersichtlich.
Ggf. wäre das Nachprüfungsverfahren insoweit erledigt.
Dann wäre festzustellen, dass es sich bei den Änderungen und Berichtigungen um Vergabeverstöße handelt.
Ein Feststellungsinteresse sei unkompliziert anzunehmen. Die hier ggf. in Form der Änderungen und Berichtigungen geltend gemachten Vergabeverstöße begründeten schon per se eine Wiederholungsgefahr.
Es wird beantragt die Anordnung, die Rückversetzung rückgängig zu machen.
Hilfsweise wird beantragt die Feststellung: Die Rückversetzung ist rechtswidrig, da kein anerkannter Rückversetzungsgrund einschlägig ist.
Die Antragsgegnerin habe vorliegend gegen eine den Schutz von Unternehmen bezweckende Vorschrift verstoßen.
Die Antragstellerin hätte ohne diesen Verstoß bei der Wertung der Angebote eine echte Chance gehabt, den Zuschlag zu erhalten.
Die Chance sei durch den Rechtsverstoß beeinträchtigt worden.
Die Antragstellerin beanspruche dann Schadensersatz für die Kosten der Vorbereitung des Angebots bzw. Teilnahme an dem Vergabeverfahren.
Die Antragsgegnerin habe vorliegend einen sachlichen Grund für die Zurückversetzung des Vergabeverfahrens nicht angegeben. Die angegebene Begründung für die Zurückversetzung stelle sich insoweit als unsachlicher, willkürlicher Grund dar. Ermessen sei erkennbar nicht ausgeübt worden. Die am Verfahren beteiligten Unternehmen beteiligten sich regelmäßig an Verfahren der Antragsgegnerin. Die Bieter seien bekannt. Die Eignung sei bekannt. Der Auftrag sei richtigerweise auf das Angebot der Antragstellerin zu erteilen.
18. Mit Schriftsatz vom 24.10.2019 teilte die Vergabestelle mit, dass die Bekanntmachung der Eignungskriterien mit dem Formblatt L 124 nicht ordnungsgemäß erfolgt und dadurch eine entsprechende Änderung der Vergabeunterlagen zwingend erforderlich sei. Das Vergabeverfahren sei daher in den Stand der Bekanntmachung zurückversetzt worden. Durch die Zurückversetzung des Vergabeverfahrens habe sich der gegenständliche Antrag auf Nachprüfung erledigt. Für den Fall, dass die Antragstellerin einen Feststellungsantrag habe stellen wollen, wird beantragt:
„Der Feststellungsantrag wird als unbegründet abgewiesen“
Gegenstand eines Feststellungsverfahrens sei allein die Feststellung, ob und inwieweit eine Verletzung subjektiver Rechte der Antragstellerin durch ein Handeln der Vergabestelle vorliege. Die Antragstellerin sei durch das Handeln der Vergabestelle nicht in ihren Rechten verletzt. Insbesondere sei die Antragstellerin in den bisherigen Vergabeverfahren nicht gemäß § 124 Abs. 1 Nummer 7 GWB vom Vergabeverfahren ausgeschlossen worden.
19. Mit Beschluss vom 24.10.2019 hat die Vergabekammer die beiden Nachprüfungsanträge mit den Aktenzeichen RMF - SG 21-3194-4-47 und RMF - SG 21-3194-4-48 zur gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Das Verfahren wird einheitlich unter dem Aktenzeichen RMF - SG 21-3194-4-48 fortgeführt.
20. Mit Schriftsatz vom 25.10.2019 führt die Antragstellerin aus, dass eine Überarbeitung der Vergabeunterlagen tatsächlich nicht stattgefunden habe. Lediglich das ursprünglich verwendete Formblatt L 124 sei ausgetauscht worden. Diese Änderungen würden eine wirksame und rechtmäßige Zurückversetzung/Aufhebung nicht rechtfertigen. Deshalb ergebe sich ein durchsetzbarer Anspruch auf Fortführung des Vergabeverfahrens (sogenannte „Aufhebung der Aufhebung“). Sollte sich die Unwirksamkeit wider Erwarten nicht ergeben, sei die Rechtswidrigkeit der Aufhebung als Grundlage für einen Schadensersatzanspruch festzustellen.
21. Mit Schreiben vom 29.10.2019 trägt die Vergabestelle vor, dass der Schriftsatz der Antragstellerin vom 20.10.2019 einen völlig neuen Antragsgegenstand beinhalte. Soweit die Vergabekammer beabsichtige, das neue Vorbringen der Antragstellerin mit den zusammengefassten Vergabenachprüfungsverfahren fortzuführen, stellt die Vergabestelle nunmehr folgenden Antrag:
Der Antrag der Antragstellerin vom 20.10.2019 wird vollumfänglich als unbegründet abgewiesen.
Die Zurückversetzung des Vergabeverfahrens in den Stand der Bekanntmachung sei wirksam und rechtmäßig erfolgt. Die Antragstellerin sei durch die Zurückversetzung des Vergabeverfahrens nicht in ihren Rechten verletzt worden, da sie den Zuschlag auf keines der im Vergabeverfahren ausgeschriebenen Lose erhalten hätte.
Die Zurückversetzung sei wirksam, weil die Vergabestelle einen sachlichen Grund für die Zurückversetzung hatte und ihr Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt habe. Die Zurückversetzung des Vergabeverfahrens sei weder willkürlich, noch zum Schein erfolgt. Die ursprüngliche Bekanntmachung des Vergabeverfahrens sei in dem Formblatt L 124 fehlerhaft gewesen, denn sie habe in der Verlinkung nicht die zur Eignungsprüfung erforderlichen Angaben über die von den Bietern beizubringenden Referenzen enthalten. Den Vergabeunterlagen habe dagegen ein ausgefülltes Formblatt L 124 beigelegen, sodass die Vergabeunterlagen widersprüchlich seien.
Die Vergabestelle habe ihr Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt und eine umfassende Interessenabwägung angestellt.
Entgegen dem Vortrag der Antragstellerin sei die Zurückversetzung nicht aus willkürlichen Aspekten, zum Schein oder zum Nachteil der Antragstellerin erfolgt. Vielmehr sei durch die fehlende Bekanntmachung der Eignungskriterien keine Eignungsprüfung der am Verfahren beteiligten Bieter möglich gewesen.
Die Zurückversetzung sei auch von § 63 Abs. 1 Nummer 4 VgV gedeckt und somit rechtmäßig, weil „schwerwiegende Gründe“ vorgelegen hätten, die streng von einer verschuldensabhängigen Haftung der Vergabestelle zu trennen seien.
Der Antragstellerin sei durch die Zurückversetzung des Vergabeverfahrens auch nicht in ihren Rechten verletzt worden, weil sie den Zuschlag auf keines der im Rahmen des Vergabeverfahrens ausgeschriebenen Lose erhalten hätte. Gegenüber der Antragstellerin wäre ein Ausschlussgrund nach § 124 Abs. 1 Nummer 9 c GWB vorgelegen, weil die eidesstattliche Versicherung des … vom 14.08.2019 unwahre Tatsachenbehauptungen enthalten habe, um die Vergabestelle von der Eignung der Antragstellerin zu überzeugen. Der Vergabestelle würden Nachweise vorliegen, dass die durchgeführten Aufträge nicht beanstandungsfrei von der Antragstellerin durchgeführt worden seien.
22. Mit Schriftsatz vom 04.11.2019 trägt die Antragstellerin vor, dass die Aufhebung bzw. die Einstellung des Vergabeverfahrens nicht zwingend auch zur Erledigung des anhängigen Nachprüfungsverfahren führen würde, sondern anhand der Umstände des Einzelfalls zu prüfen sei, ob sich das anhängige Nachprüfungsverfahren erledigt habe. Die Vergabekammer könne in Fortführung des anhängigen Nachprüfungsverfahrens die Rechtmäßigkeit der Aufhebung überprüfen und geeignete Maßnahmen treffen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen.
Einer Entscheidung durch die Vergabekammer bedürfe es nach wie vor, weil die Antragstellerin geltend mache, dass die Rückversetzung unwirksam sei. Mit einer unwirksamen Rückversetzung könne keine Erledigung herbeigeführt werden. Sollte die Rückversetzung wirksam sein, wäre zumindest die Rechtswidrigkeit durch die Vergabekammer festzustellen.
Die Zurückversetzung des Vergabeverfahrens in den Stand der Bekanntmachung sei vorliegend unwirksam, weil die Vergabestelle keinen sachlichen Grund für die Zurückversetzung und habe ihr Ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt habe. Die Zurückversetzung sei willkürlich zum Schein erfolgt.
Die ursprüngliche Bekanntmachung sei nicht mit dem Formblatt L 124 fehlerhaft erfolgt. Die Vergabeunterlagen seien auch nicht insoweit widersprüchlich gewesen. Der Grund für die Zurückversetzung des Vergabeverfahrens sei demzufolge nicht das angebliche Bedürfnis für die ordnungsgemäße Bekanntmachung der Eignungskriterien gewesen, sondern um die unliebsame Antragstellerin loszuwerden. Selbst im Falle eines Widerspruchs zwischen Bekanntmachung und Vergabeunterlagen hätte die Eignung überprüft und festgestellt werden können. Eine solche Vorgehensweise habe die Antragstellerin nicht in Erwägung gezogen. Das Vergabeverfahren hätte ohne weiteres ordnungsgemäß zu Ende geführt werden können. Nach wie vor werde bestritten, dass alle Bieter, die sich an dem Vergabeverfahren beteiligt haben, über die Zurückversetzung des Verfahrens unter Bezugnahme auf das Schreiben vom 16.10.2019 über die Vergabeplattform informiert worden seien. Die Vergabestelle habe nicht mitgeteilt, weshalb eine Änderung und Berichtigung notwendig sei.
Die Vergabestelle habe ihr Ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt und eine keine umfassende Interessenabwägung vorgenommen.
Ein Aufhebungsgrund gemäß § 63 Abs. 1 Nummer 4 VgV sei nicht gegeben. Wie der BGH bereits mit Beschluss vom 20.03.2014 (Aktenzeichen X ZB 18/13) festgestellt habe, dürfe ein Fehlverhalten eines öffentlichen Auftraggebers grundsätzlich nicht als Aufhebungsgrund herangezogen werden.
Die Vergabestelle hätte auch die Möglichkeit gehabt, die Referenzen in einem Aufklärungsgespräch zu überprüfen.
23. In der mündlichen Verhandlung am 7.11.2019 hatten die Beteiligten Gelegenheit, sich zur Sach- und Rechtslage zu äußern.
Auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung wird verwiesen.
Der Nachprüfungsantrag hat sich teilweise durch Rücknahme in der mündlichen Verhandlung erledigt, soweit die Antragstellerin die Rechtswidrigkeit der Anhörung in Bezug auf einen beabsichtigten Ausschluss nach § 124 GWB nicht länger beanstandet. Der ansonsten zulässige Nachprüfungsantrag, ist nur teilweise begründet. Es war festzustellen, dass die Antragstellerin durch die Aufforderung zur Vorlage der Referenzbescheinigungen und durch die nicht von § 63 Abs. 1 Nr. 4 VgV gedeckte Zurückversetzung in ihren Rechten verletzt ist.
Unbegründet und daher abzulehnen war der Antrag, die Aufhebung der Zurückversetzung anzuordnen.
1. a) Die Vergabekammer Nordbayern ist für das Nachprüfungsverfahren nach § 1 Abs. 2 und § 2 Abs. 2 Satz 2 BayNpV sachlich und örtlich zuständig.
b) Die Vergabestelle ist öffentlicher Auftraggeber nach § 99 Nr. 1 GWB.
c) Bei dem ausgeschriebenen Auftrag handelt es sich um einen öffentlichen Auftrag im Sinne von § 103 Abs. 2 GWB.
d) Die Kosten übersteigen den Schwellenwert nach Art. 4 der Richtlinie 2014/24/EU (§ 106 Abs. 2 Nr. 1 GWB).
fe) Die Antragstellerin hat die Aufforderung zur Vorlage der Referenzbescheinigungen mit Schreiben vom 05.09.2019 rechtzeitig gerügt. Auch die Zurückversetzung hat die Antragstellerin am 16.10.2019 fristgerecht gerügt.
f) Bezüglich der Feststellungsanträge betreffend die Verpflichtung zur Vorlage der Referenzbescheinigungen und der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Zurückversetzung ist ein Feststellungsantrag gem. § 168 Abs. 2 Satz1 GWB statthaft.
Das notwendige Feststellungsinteresse wurde glaubhaft gemacht.
Im Hinblick auf die Frage, ob die Antragstellerin Referenzbescheinigungen vorlegen muss, ist eine konkrete Wiederholungsgefahr zu befürchten, denn die Vergabestelle verlangt mit Formblatt L 124 erneut die Angabe von drei vergleichbaren Referenzleistungen mit dem Zusatz „Falls mein(e)/unser(e) Bewerbung/Angebot in die engere Wahl kommt, werde(n) ich/wir für die oben genannten Leistungen Bescheinigungen über die ordnungsgemäße Ausführung und das Ergebnis auf gesondertes Verlangen vorlegen“.
In Bezug auf den Antrag der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Zurückversetzung besitzt insoweit die Antragstellerin das erforderliche Feststellungsinteresse wegen möglicher Schadensersatzansprüche gegen die Vergabestelle.
g) Nicht präkludiert im Sinne des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 3 GWB ist die Antragstellerin mit ihrem Vorbringen, dass sie nicht zwingend verpflichtet sei, Referenzbescheinigungen vorzulegen. Diese Rechtslage ergab sich als eine Änderung im Zuge der Umsetzung der RL 24/2014 EU mit der Vergaberechtsreform 2016. Weder wurde von der Antragstellerin diese Problematik vorher erkannt (§ 160 Abs. 3 Nr. 1 GWB), noch war dies für einen durchschnittlichen Bieter erkennbar (§ 160 Abs. 3 Nr. 3 GWB). Für die Antragstellerin bestand zunächst kein Anlass, die „eingegangenen“ Verpflichtungen, die sich aus dem Formblatt L 124 ergaben, in Frage zu stellen. Erst als die Antragstellerin erkannte, dass sie weiterhin Probleme hat, rechtzeitig die Referenzbescheinigungen beibringen zu können, bestand für den anwaltlichen Bevollmächtigten die Notwendigkeit, sich mit dieser Rechtsfrage auseinanderzusetzen, ob Referenzbescheinigungen zwingend vorzulegen sind.
2. Der Nachprüfungsantrag ist begründet, soweit die Antragstellerin die Feststellung beantragt, dass die Vergabestelle die Vorlage von Referenzbescheinigungen nicht zwingend verlangen kann bzw. die Vergabestelle die Nichtvorlage der Bescheinigungen als Ausschlussgrund heranziehen darf (siehe dazu nachfolgend a).
Der Nachprüfungsantrag ist zudem begründet, soweit sie die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Vergabeverfahrens angreift (siehe dazu nachfolgend b).
Der Nachprüfungsantrag ist dagegen unbegründet, soweit die ASt die Aufhebung der Zurückversetzung verlangt. Die Zurückversetzung der Ausschreibung ist wirksam erfolgt und daher nicht aufzuheben (siehe dazu nachfolgend unter c).
a) Eine Vergabestelle kann zur Beurteilung der Eignung eines Bieters die in §§ 122 GWB, 42 ff. VgV vorgesehenen Maßnahmen ergreifen. Gemäß § 46 Abs. 3 VgV kann zur Prüfung der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit ausschließlich die Vorlage der dort genannten Unterlagen von den Bietern verlangt werden, unter anderem gemäß § 46 Abs. 3 Nr. 1 VgV die Angabe von geeigneten Referenzen in Form einer Liste.
Nicht hingegen ist es der Vergabestelle gestattet, die Vorlage von Referenzbescheinigungen, ausgestellt durch die jeweiligen Auftraggeber, zu verlangen, da derartige Unterlagen nicht im Katalog des § 46 Abs. 3 VgV genannt sind (vgl. ausdrücklich: Summa, in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-VergR, 5. Aufl. 2016, § 46 VgV Rn. 19; Mager, in: Burgi/Dreher, Beck'scher Vergaberechtskommentar, Bd. 2, 3. Auflage 2019, § 46 VgV Rn. 23). Die Vergabekammer sieht deshalb die Verpflichtung zur Vorlage von Referenzbescheinigungen Dritter bei der Vergabe von Liefer- oder Dienstleistungsaufträgen durch die Bieter an sich bereits als vergaberechtswidrig an, so dass das Fehlen einer Vorlage der Referenzbescheinigungen auf Nachforderung hin nicht als Ausschlussgrund gem. § 57 Abs1 Nr. 2 VgV tauglich ist. Belegt wird diese Auffassung durch Anhang XII; Teil 2 a ii) RL 2014/24 EU. Hier wird nur von „Verzeichnissen“ ausgegangen, die der Bieter als Nachweis der technischen Leistungsfähigkeit vorlegen muss. Bei Bauleistungen gem. Anhang XII Teil 2 a i) RL 2014/24 EU können hingegen für die „wichtigsten Bauleistungen Bescheinigungen über die ordnungsgemäße Ausführung und das Ergebnis“ verlangt werden. Bei Bauaufträgen kann der Auftraggeber die Vorlage einer Referenzbescheinigung verlangen, bei Liefer- und Dienstleistungsaufträgen ist dagegen die verpflichtende Vorlage von Referenzbescheinigungen nicht zulässig, zumindest darf die Vergabestelle nicht ein Angebot gem. § 57 Abs1 Nr. 2 VgV ausschließen, wenn die angeforderten Referenzbescheinigungen nicht (fristgerecht) vorgelegt werden.
Unberührt davon verbleibt einer Vergabestelle die Möglichkeit, die Eignung des jeweiligen Bieters aufgrund der in der Eigenerklärung gemachten Angaben durch eigene Recherche weiter zu überprüfen. Gegebenenfalls kann sie sich auch Ansprechpartner zur Prüfung der Referenzen nennen lassen (vgl. Burgi/Dreher, a.a.O., Rn. 22).
Der Vergabestelle ist es erlaubt, im Rahmen der materiellen Eignungsprüfung mittels einer Prognoseentscheidung ein Angebot wegen fehlender technischer und beruflicher Leistungsfähigkeit auszuschließen, wenn sich im Rahmen der Aufklärung herausstellt, dass die vorgelegten Referenzen nicht zur Zufriedenheit des damaligen Auftraggebers ausgeführt wurden und die Vergabestelle eine Prognose aufstellt, dass deshalb die technische und berufliche Leistungsfähigkeit nicht gegeben ist. So auch Summa in Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPKVergaberecht, 5. Aufl. 2016, § 122 GWB, Rn. 78f): “Bei der materiellen Eignungsprüfung muss der Auftraggeber alle bekanntgemachten Eignungskriterien (aber auch nur diese) und die vorgelegten Unterlagen berücksichtigen. Sie endet mit einer positiven oder negativen Eignungsprognose („Der kann’s“ oder „Der kann’s nicht“), die der Auftraggeber in eigener Verantwortung treffen muss.“.
b) Die ASt wird durch die Zurückversetzung der Ausschreibung in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB verletzt. Die Zurückversetzung erfolgt hier in vergaberechtswidriger Weise, weil die von der VSt für die Aufhebung des Vergabeverfahrens aufgeführten Gründe des § 63 Abs. 1 Nr. 4 VgV nicht durchgreifen.
Nach § 63 Abs. 1 VgV kann eine Ausschreibung nur dann rechtmäßig aufgehoben (bzw. hier als milderes Mittel zurückversetzt) werden, wenn die Umstände der Zurückversetzung nicht schuldhaft vom Auftraggeber herbeigeführt wurden (Lischka in Müller-Wrede, VgV/UVgO, § 63 VgV Rn. 36).
Die Vergabestelle hat unter III. der Auftragsbekanntmachung fehlerhaft ein unbearbeitetes Formblatt L 124 EU verlinkt. Somit hat die Vergabestelle die Eignungsanforderungen nicht wirksam bekannt gemacht (siehe dazu auch OLG München, Beschluss vom 25.02.2019, Verg 11/18)
Nachdem die Vergabestelle aber weiterhin im Rahmen der Eignungsprüfung insbesondere Referenzangaben für erforderlich erachtet, was sie gem. § 46 Abs. 3 Nr. 1 VgV auch darf, war sie berechtigt, die Bekanntmachung insoweit zu korrigieren. Die vermeidbare Ursache der Zurückversetzung des Vergabeverfahrens lag daher ausschließlich im Verantwortungsbereich der Vergabestelle, so dass schon deshalb kein von § 63 Abs. 1 VgV gedeckter Aufhebungsgrund vorliegt.
Auf die Ermessenserwägungen der Vergabestelle kommt es somit nicht mehr an.
c) Dem Antrag, die Zurückversetzung rückgängig zu machen, kann nicht entsprochen werden. Wenn die Aufhebung bzw. die Zurückversetzung nicht aus rechtlich zu missbilligendem Gründen erfolgt (BGH v. 20.03.2014 - X ZB 18/13), ist die Zurückversetzung wirksam. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen Bieter die Aufhebung des Vergabeverfahrens nicht nur dann hinnehmen, wenn sie von einem der in § 63 Abs. 1 VgV aufgeführten Gründe gedeckt und deshalb von vornherein rechtmäßig ist. Ein öffentlicher Auftraggeber ist nicht gezwungen, ein Vergabeverfahren mit der Zuschlagserteilung abzuschließen, wenn keiner der zur Aufhebung berechtigenden Tatbestände erfüllt ist (BGH v. 05.11.2002 - X ZR 232/00).
Die in § 63 Abs. 1 VgV geschriebenen Aufhebungsgründe schränken das Recht des Auftraggebers, ein Vergabeverfahren ohne Zuschlag zu beenden, nicht ein. Sie haben vielmehr Bedeutung für die Abgrenzung einer rechtmäßigen Aufhebung von einer zwar wirksamen, aber rechtswidrigen Beendigung des Vergabeverfahrens (Summa in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 5. Aufl. 2016, § 63 VgV, Rdnr. 18).
Notwendige Voraussetzung für eine wirksame Aufhebung ist lediglich, dass der öffentliche Auftraggeber für seine Aufhebungsentscheidung einen sachlichen Grund hat, sodass eine Diskriminierung ausgeschlossen und seine Entscheidung nicht willkürlich ist oder bloß zum Schein erfolgt (VK Brandenburg, Beschluss vom 11.10.2017-VK 8/17).
Ansatzpunkte für eine diskriminierende Scheinaufhebung sind vorliegend nicht zu erkennen.
Der Vortrag der Antragstellerin unter Bezugnahme auf von ihr vorgetragene Rechtsprechung, dass die Vergabestelle auf der Basis eines geringeren Niveaus der Eignungsprüfung den Zuschlag erteilen könne, betrifft einen anderen Sachverhalt, nämlich wenn die Vergabestelle den Zuschlag an einen Bieter erteilen möchte. Im verfahrensgegenständlichen Vergabeverfahren hält die Vergabestelle aber an ihrer Absicht fest, dass im Rahmen der Eignungsprüfung als Beleg für die technische und berufliche Leistungsfähigkeit mindestens drei geeignete Referenzen gem. § 46 Abs. 3 Nr.1 VgV vom Bieter benannt werden müssen. Wie die Vergabestelle zutreffend vorgetragen hat, bestand zwischen dem verlinkten Formblatt L 124 der Auftragsbekanntmachung und dem Formblatt L 124, das den Vergabeunterlagen beilag, ein Widerspruch. In ihrem Schriftsatz vom 07.10.2019 hat die Antragstellerin selbst auf die unzureichende Bekanntmachung der Eignungskriterien hingewiesen. Nachdem die Vergabestelle durch die Zurückversetzung ihren Fehler korrigieren möchte, damit sie in vergaberechtlich nicht zu beanstandender Weise die Referenzen der Bieter überprüfen kann, liegt somit ein nachvollziehbarer Sachgrund für die Zurückversetzung vor. Nicht beizupflichten ist der Argumentation der Antragstellerin, dass unklar sei, ob die Vergabestelle überhaupt entsprechende Referenzen habe fordern wollen. Die Vergabestelle hat in dem mit der Auftragsbekanntmachung verlinkten Formblatt L 124 an keiner Stelle einen entsprechenden Platzhalter angekreuzt. Dagegen war das mit den Vergabeunterlagen herunterladbare Formblatt L 124 unter IV. gekennzeichnet. Damit ist offensichtlich, dass die Vergabestelle ein unbearbeitetes Formblatt L 124 in der Auftragsbekanntmachung mit dem Link zur Verfügung gestellt hat. Somit kann im Rahmen einer Gesamtschau unter Berücksichtigung der Vergabeunterlagen der eindeutige Wille der Vergabestelle festgestellt werden, dass sie geeignete Referenzen als Beleg der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit fordern wollte. Diesen Nachweis kann die Vergabestelle gemäß § 46 Abs. 3 Nr. 1 VgV auch verlangen. Lediglich Referenzbescheinigungen darf sie nicht erzwingen, wenn sie damit gleichzeitig bei Nichtvorlage der Bescheinigungen den Ausschluss des Angebotes androht (siehe dazu oben unter a).
Der Antrag der Antragstellerin, die Anordnung der Zurückversetzung rückgängig zu machen, war daher abzulehnen, denn die Zurückversetzung beruhte auf einem nachvollziehbaren Grund. Die Vergabestelle wollte mit der Zurückversetzung einen Bekanntmachungsfehler korrigieren und das Vergabeverfahren so durchführen, wie sie es von Anfang an geplant hat.
a) Die ASt hat 3/8 der Kosten des Verfahrens zu tragen, die VSt 5/8. Nachdem beide Parteien teilweise unterlegen sind (§ 182 Abs. 3 Satz 1 GWB) bzw. die Antragstellerin ihren Antrag in Bezug auf die behauptete fehlerhafte Anhörung in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen hat, entsprach die verfügte Kostenverteilung unter Berücksichtigung von § 182 Abs. 3 Satz 4 GWB der Billigkeit. Der Antrag in Bezug auf die Anhörung wäre unzulässig gewesen, wurde aber in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen. Der Antrag betreffend die Anordnung zur Vorlage der Referenzbescheinigungen war auch nach der Erledigung als Feststellungsantrag erfolgreich.
Der Antrag der Antragstellerin, die Rechtswidrigkeit der Zurückversetzung festzustellen, war ebenfalls erfolgreich, dagegen war der Antrag abzulehnen, soweit die Antragstellerin die Aufhebung der Zurückversetzung verfolgte. In der Summe erachtet die Vergabekammer deshalb die verfügte Kostentragung für angemessen.
b) Die angeordnete Kostenerstattungspflicht gegenüber der ASt und der VSt ergibt sich aus § 182 Abs. 4 Satz 1 GWB.
c) Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes war für die ASt notwendig (§ 182 Abs. 4 Satz 4 GWB i.V.m. Art. 80 Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG entspr.). Es handelt sich um einen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nicht einfach gelagerten Fall, so dass es der ASt nicht zuzumuten war, das Verfahren vor der Vergabekammer selbst zu führen.
d) Die Gebühr war nach § 182 Abs. 2 und 3 GWB festzusetzen. Die Antragstellerin hat zwar zwei Nachprüfungsanträge gestellt, die aber das gleiche Vergabeverfahren und die identischen Beteiligten betrafen. Diese wurden von der erkennenden Kammer zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung durch Beschluss verbunden. Deshalb bemisst die Vergabekammer die Verfahrensgebühr nach der Angebotssumme der ASt. Im Hinblick auf die Angebotssumme der ASt und unter Zugrundelegung eines durchschnittlichen personellen und sachlichen Aufwands der Vergabekammer errechnet sich entsprechend der Tabelle des Bundeskartellamtes eine Gebühr in Höhe von ...,.. €. Da keine Beiladung erforderlich war, wird die Gebühr um ...,.. € auf ...,.. € reduziert. Die ASt hat somit 3/8 der Verfahrensgebühr, d.h. ...,.. € zu entrichten.
Die Kostenbefreiung der Vergabestelle beruht auf § 182 Abs. 1 Satz 2 GWB i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 2 des Verwaltungskostengesetzes (VwKostG) in der am 14.08.2013 geltenden Fassung.
Der von der ASt geleistete Kostenvorschuss von ...,.. € (für die zwei gestellten Nachprüfungsanträge) wird mit der zu zahlenden Gebühr verrechnet.
Der Betrag von ...,.. € wird der Antragstellerin nach Bestandskraft zurückerstattet.
Datenquelle d. amtl. Textes: Bayern.Recht
Meta
07.11.2019
Vergabekammer Ansbach
Entscheidung
Zitiervorschlag: Vergabekammer Ansbach, Entscheidung vom 07.11.2019, Az. RMF - SG 21-3194-4/48 (REWIS RS 2019, 1806)
Papierfundstellen: REWIS RS 2019, 1806
Auf Mobilgerät öffnen.
Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
Z3-3-3194-1-32-09/19 (Vergabekammer München)
Leistungen, Auswahlentscheidung, Aufhebung, Vergabeverfahren, Vergabekammer, Bieter, Dienstleistungen, Ausschreibung, Asylbewerber, Bewerber, Zuschlag, Antragsgegner, Verfahren, Vergabe, Kosten …
Z3-3-3194-1-59-12/17 (Vergabekammer München)
Fehler der unzureichenden Bekanntmachung der Eignungsanforderungen im Vergabeverfahren
RMF-SG21-3194-3-1 (Vergabekammer Ansbach)
Festlegung der Eignungskriterien in Bekanntmachung
Z3-3-3194-1-24-07/18 (Vergabekammer München)
Vergabeverfahren: Vergleichbarkeit von Referenzleistungen und Anforderungen an eine Eignungsleihe
RMF - SG 21-3194-4-8 (Vergabekammer Ansbach)
Bindefristverlängerung