30. Senat | REWIS RS 2012, 6520
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Markenbeschwerdeverfahren – "GerontoCare Ambulante geronto-psychiatrische Pflege Südbrookmerland" – keine Unterscheidungskraft
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2009 030 214.6
hat der 30. Senat ([X.]) des [X.] in der Sitzung vom 10. Mai 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Prof. Dr. Hacker, der Richterin Winter und des [X.] am Amtsgericht Backes
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I.
Die Wortfolge
[X.] Ambulante geronto-psychiatrische Pflege Südbrookmerland
ist als Marke für die Dienstleistungen
„[X.]: Dienstleistungen zur Verpflegung von Gästen in Seniorenheimen, Pflegeheimen und Tagespflegeeinrichtungen; Catering;
Klasse 44: Ambulante Pflegedienstleistungen; Betrieb von Pflegeheimen; ärztliche, psychiatrische, pflegerische und psychologische Versorgung, insbesondere von Senioren“
zur Eintragung in das Register angemeldet.
Die Markenstelle für Klasse 44 des [X.] hat die Anmeldung mit zwei Beschlüssen vom 29. April 2010 und vom 19. August 2010 - letzterer ist im Erinnerungsverfahren ergangen - zurückgewiesen, weil die beanspruchte Marke jeder Unterscheidungskraft entbehre und als beschreibende Angabe einem Freihaltebedürfnis unterliege. Die Wortfolge „[X.] Ambulante geronto-psychiatrische Pflege [X.]“ erschöpfe sich in einer Zusammenstellung gängiger und auch im [X.] geläufiger [X.] und [X.] Begriffe, die die beanspruchten Dienstleistungen im Sinne einer ambulanten Betreuung für ältere Menschen beschrieben. Diese Leistung könne auch in der [X.] [X.] grundsätzlich von jedem erbracht werden. Die Marke sei deshalb auch mit der geographischen Herkunftsangabe nicht schutzfähig.
Gegen diese Beurteilung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Der Bedeutungsgehalt der Marke sei unscharf und interpretationsbedürftig. Im Übrigen rügt sie - wie schon im Verfahren vor der Markenstelle - die Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes im Hinblick auf mehrere ihrer Ansicht nach vergleichbare Marken, die zur Eintragung gelangt seien. Insoweit hätte es der Einbeziehung und argumentativen Auswertung aller genannten vergleichbaren Voreintragungen bedurft.
Die Anmelderin beantragt sinngemäß,
die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde des Anmelders ist gemäß § 66 [X.] zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg. Die Markenstelle hat die Anmeldung im Ergebnis zu Recht wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen (§ 37 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.]).
Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet ([X.] GRUR 2008, 608, 611 Nr. 66 f. - [X.]; [X.], 825, 826 Nr. 13 - [X.]; [X.], 935 Nr. 8 - Die Vision; [X.], 850, 854 Nr. 18 - [X.]). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren bzw. Dienstleistungen zu gewährleisten ([X.] [X.], 233, 235 Nr. 45 - Standbeutel; [X.], 229, 230 Nr. 27 - BioID; [X.] a. a. O. Nr. 66 - [X.]; [X.] 2008, 710 Nr. 12 - [X.]; [X.], 949 Nr. 10 - [X.]; a. a. O. - [X.]; [X.], 417, 418 - [X.]). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des [X.] ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden ([X.] - [X.]; [X.], 411 Nr. 8 - [X.]; [X.], 778, 779 Nr. 11 - [X.]; [X.], 949 f. Nr. 10 - [X.]; a. a. O. - [X.]).
Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist ([X.] [X.], 411, 412 Nr. 24 - Matratzen Concord/[X.]; [X.], 943, 944 Nr. 24 - SAT 2; [X.] - Die Vision; [X.], 825, 826 Nr. 13 - [X.]; a. a. O. - [X.]).
Hiervon ausgehend besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen ([X.] [X.], 674, 678 Nr. 86 - Postkantoor; [X.] 2012, 270, 271 Nr. 11 - Link economy; [X.], 952, 953 Nr. 10 - [X.]; a. a. O. Nr. 19 - [X.]; [X.], 417, 418 - [X.]; a. a. O. - marktfrisch; [X.], 1153 - anti [X.]) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der [X.] oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. [X.] - [X.]; GRUR 2003, 1050, 1051 - [X.]; [X.], 1043, 1044 - [X.]). Darüber hinaus besitzen auch solche Zeichen keine Unterscheidungskraft, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird ([X.], 1100, 1102 Nr. 23 - [X.]!; a. a. O. Nr. 28 f. - [X.]).
Nach diesen Grundsätzen kann der angemeldeten Marke nicht die erforderliche Unterscheidungskraft beigemessen werden. Der [X.] „Ambulante geronto-psychiatrische Pflege“ beschreibt unmittelbar den Inhalt und die [X.] der beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 44. Zu den Dienstleistungen der [X.] besteht zumindest ein enger beschreibender Bezug. Der weitere [X.] „[X.]“ beschreibt das Gebiet, in dem diese Dienstleistungen erbracht werden.
Aber auch der vorangestellte [X.] „[X.]“ vermag die Schutzfähigkeit der angemeldeten Marke nicht zu begründen. Er ist, wie auch durch die Binnengroßschreibung ersichtlich, aus den Bestandteilen „[X.]“ und „Care“ gebildet. „[X.]“ ist, wie von der Markenstelle zutreffend dargelegt und mit Beispielen untermauert, ein in [X.] üblicher und sprachregelgerechter Hinweis auf das Fachgebiet der [X.]logie, also die Alternsforschung und die medizinische Lehre von den je nach Alter unterschiedlichen Krankheitsverläufen, und insoweit Bestandteil der [X.] (vgl. [X.], [X.], 2006, [X.]). „Care“ ist das dem Verkehr bekannte [X.] Wort für „Pflege“. Demzufolge gibt auch „[X.]“ insgesamt lediglich einen beschreibenden Hinweis auf den Gegenstand der beanspruchten Dienstleistungen, nämlich die Altenpflege.
Allerdings ist anerkannt, dass auch dann, wenn der Verkehr den beschreibenden Sinngehalt eines Zeichens erkennt, die besondere Art der Wortbildung im Einzelfall die erforderliche Unterscheidungskraft begründen kann (vgl. z. B. [X.] GRUR 1997, 639, 640 - [X.]; [X.], 24 W (pat) 97/07 - [X.]; 24 W (pat) 124/06 - derma fit; [X.]. v. 10. Mai 2012, 30 W (pat) 79/10 - lipoweg). Ob dies auch auf die Wortbildung „[X.]“ zutrifft, kann im vorliegenden Fall jedoch dahingestellt bleiben. Nach ständiger Rechtsprechung ist es zwar zulässig, im Rahmen der Schutzfähigkeitsprüfung zunächst die einzelnen Bestandteile eines Zeichens gesondert zu betrachten; die abschließende Beurteilung hat sich jedoch stets an dem Zeichen in seiner Gesamtheit zu orientieren. Insoweit ist es möglich, dass ein einzelner Bestandteil die Schutzfähigkeit des [X.] begründet (vgl. [X.]/Hacker, [X.], 10. Aufl., § 8 Rn. 24 m. w. N.). Wie jedoch der [X.] klargestellt hat, kann aber auch umgekehrt ein für sich gesehen schutzfähiger [X.], z. B. ein als solches nicht verständliches Akronym, diese Bedeutung verlieren, wenn das Zeichen dazuhin den beschreibenden Sinngehalt des isoliert gesehen schutzfähigen Bestandteils verdeutlicht ([X.] [X.] 2012, 147, 149 [Nr. 29 ff.] - [X.]/NAI).
Hiervon ausgehend kann der angemeldeten Marke auch und gerade in ihrer Gesamtheit die erforderliche Unterscheidungskraft nicht zuerkannt werden. Denn selbst wenn der Verkehr in „[X.]“ in Alleinstellung eine Marke erkennen könnte, wird dieser Eindruck durch die nachfolgende Erläuterung „Ambulante geronto-psychiatrische Pflege“ wieder beseitigt.
Schließlich liegt auch der gerügte Verfahrensfehler nicht vor. Die Markenstelle war nicht gehalten, sich mit den beigebrachten Voreintragungen im Einzelnen auseinanderzusetzen (vgl. [X.] 2012, 276, 277 [Nr. 18] - Institut der Norddeutschen Wirtschaft e.V. m. w. N.).
Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.
Meta
10.05.2012
Beschluss
Sachgebiet: W (pat)
Zitiervorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 10.05.2012, Az. 30 W (pat) 88/10 (REWIS RS 2012, 6520)
Papierfundstellen: REWIS RS 2012, 6520
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