26. Senat | REWIS RS 2011, 5337
Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.
Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"
Markenbeschwerdeverfahren – "Salva" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis – keine Täuschungsgefahr
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2009 029 482.8
hat der 26. Senat ([X.]) des [X.] in der Sitzung vom 29. Juni 2011 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] [X.] sowie des [X.] [X.] und der Richterin Dr. Schnurr
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der angefochtene Beschluss der Markenstelle für Klasse 33 des [X.] vom 9. Februar 2010 aufgehoben.
I.
Mit Beschluss vom 9. Februar 2010 hat die Markenstelle für Klasse 33 des [X.] die zur Eintragung für die Waren und Dienstleistungen
„Klasse 32: Biere, Biermischgetränke; Mineralwässer, kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; [X.] und [X.], [X.], [X.] und Limonaden, Gemüsesäfte und andere unter Verwendung von Gemüse hergestellte Getränke; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken;
Klasse 33: alkoholische Getränke (ausgenommen Biere), insbesondere Spirituosen und Liköre;
Klasse 35: Werbung; Geschäftsführung, Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten; Einzelhandels- und Großhandelsdienstleistungen in Bezug auf alkoholische und nicht alkoholische Getränke; Vermittlung von Handelsgeschäften und von [X.] in Bezug auf den Bierhandel
Klasse 43: Dienstleistungen zur Verpflegung und Beherbergung von Gästen“
angemeldete Wortmarke 30 2009 029 482.8
[X.]
mit der Begründung zurückgewiesen, dass es sich bei dem Markenwort um eine waren- und dienstleistungsbeschreibende, freihaltebedürftige Angabe handele, welcher zusätzlich jegliche Unterscheidungskraft fehle, §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 [X.]. Als für den Verkehr ohne weiteres erkennbaren geographischen Herkunftshinweis auf den in [X.] gelegenen Ort [X.] sei das angemeldete Zeichen freihaltebedürftig, denn es liege nicht außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit, dass sich dort in Zukunft Produktionsstätten für alkoholische und alkoholfreie Getränke ansiedeln würden und Verpflegungs- und Übernachtungsbetriebe sowie Verwaltungs-, Werbe-, Einzel- und Großhandelsbetriebe Dienstleistungen der angemeldeten Art dort anböten oder künftig anbieten würden.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Anmelderin mit ihrer Beschwerde, die sie bislang nicht begründet hat.
Sie beantragt,
den angefochtenen Beschluss der Markenstelle für Klasse 33 des [X.] vom 9. Februar 2010 aufzuheben.
II.
Die gem. § 66 Abs. 1, 2 [X.] zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Zwar handelt es sich bei „[X.]“, wie die Markenstelle zutreffend festgestellt hat, um den Namen einer in [X.] gelegenen Ortschaft. Für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen ist das Zeichen gleichwohl weder freihaltebedürftig noch fehlt ihm das zu seiner Eintragung erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft, § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 [X.]. Zugleich ist es nicht [X.] § 8 Abs. 2 Nr. 4 [X.] zur Täuschung des Publikums geeignet. Denn weder die Ortschaft [X.], noch die Bedeutung „gesund, heil, wohlbehalten, unversehrt“, die dem angemeldeten Markenwort im [X.] zukommt, lässt sich bei einem wesentlichen Teil der angesprochenen Verkehrskreisen als bekannt voraussetzen.
1.
Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] sind von der Eintragung ausgeschlossen Marken, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr u. a. zur Bezeichnung der geographischen Herkunft der Waren oder der Erbringung der Dienstleistungen oder zur Erbringung sonstiger Merkmale von Waren und Dienstleistungen dienen können.
a)
Für die Frage der Schutzfähigkeit geographischer Herkunftsangaben ist maßgeblich, ob angesichts der objektiven Gesamtumstände, insbesondere der wirtschaftlichen Bedeutung des Ortes und der Infrastruktur der umliegenden Region, die Möglichkeit der Eröffnung von Betrieben zur Produktion der beanspruchten Waren bzw. zur Erbringung der beanspruchten Dienstleistungen vernünftigerweise zu erwarten ist (vgl. [X.], [X.], 723, 726, Nr. 31-34 – [X.]). Das Eintragungsverbot des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] ist nur überwunden, wenn auszuschließen ist, dass die betroffenen Waren und Dienstleistungen mit dem als solchen erkennbaren Ort vernünftigerweise in Verbindung gebracht werden können (vgl. [X.], [X.], 723, 726, Nr. 31-34 – [X.]; [X.] GRUR 2010, 534, 536 – [X.]; [X.], 509, 510 – [X.]; [X.], [X.], 666, 672; [X.]/[X.], [X.], 9. Aufl., Rn. 280 zu § 8). Nach der Rechtsprechung des [X.] (vgl. [X.] GRUR 2010, 534, 536, Rz. 26 ff. – [X.]) müssen die angesprochenen Verkehrskreise sofort und ohne weiteres Nachdenken in der Lage sein, einen konkreten und direkten Bezug zwischen dem fraglichen Zeichen und den betreffenden Waren und Dienstleistungen herzustellen.
Die Regelung des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.], die in Umsetzung von Art. 3 Abs. 1 Buchst. c Markenrichtlinie ergangen ist, verfolgt das im Allgemeininteresse liegende Ziel, dass unmittelbar warenbeschreibende Angaben, einschließlich solcher über die geographische Herkunft, von [X.] frei verwendet werden können ([X.] [X.], 723, 725, Nr. 25 - [X.]). Im Vordergrund stehen dabei die Interessen der Mitbewerber auf dem Markt. Einer Registrierung von geographischen Bezeichnungen steht aber auch das Allgemeininteresse entgegen, welches insbesondere darauf beruht, dass diese nicht nur die Qualität und andere Eigenschaften der betreffenden Warengruppen anzeigen, sondern auch die Vorlieben der Verbraucher in anderer Weise beeinflussen können, etwa dadurch, dass diese eine Verbindung zwischen den Waren und einem Ort herstellen, mit dem sie positiv besetzte Vorstellungen verbinden ([X.] [X.], 723, 725, Nr. 26 - [X.]). Insoweit kommt bei der Prüfung, ob ein geographischer Begriff als Produktmerkmalsbezeichnung in Betracht kommt, auch dem Verständnis und den Vorstellungen der Endverbraucher Bedeutung zu. Erkennt der inländische Verkehr die geographische Herkunftsangabe nicht als solche, wird er die konkret beanspruchten Waren und Dienstleistungen mit dem betreffenden Ort vernünftigerweise weder gegenwärtig noch in absehbarer Zukunft in Verbindung bringen. In diesem Fall liegen die Voraussetzungen für ein Eintragungsverbot gem. § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] nicht vor.
Wie die Markenstelle zutreffend ausgeführt hat, ist „[X.]“ der Name einer im Norden des EU-Mitgliedstaates [X.], in [X.], dort im [X.] gelegenen Ortschaft in einer Größenordnung von zwischen 2000 und 5000 Einwohnern (Quelle: http://www.collinsmaps.com/maps/Romania/Bistri-ta-Nasaud/[X.]/P655601.00.aspx). Ein Teil dieses [X.], das ehemalige [X.], war ab 1206 und bis 1944 überwiegend von [X.] bewohnt (vgl. Liste Orte Im [X.] AN S [X.], [X.], [X.], [X.], [X.] Ei, [X.], [X.], [X.] , Taschenbuch, [X.], Hrg. LLC Fotokopie Edition).
Allerdings ist der Umstand, dass es sich bei „[X.]“ um eine Ortschaft in [X.] handelt, in [X.]land weitgehend unbekannt. Nicht einmal bei der überwiegenden Anzahl der ab 1944 aus [X.] in die [X.] ausgewanderten [X.] lässt sich die Ortschaft angesichts ihrer geringen Größe als bekannt voraussetzen. Die Siedlungsgebiete der vor 1944 auf dem damaligen Territorium [X.]s lebenden [X.] waren dort so weit verteilt, dass ihnen - abgesehen von dem im [X.] siedelnden Teil der Siebenbürger Sachsen - überwiegend ein historischer, geographischer, politischer oder wirtschaftlicher Bezug zur [X.] fehlte. Die vor 1944 auf dem Territorium [X.]s lebenden [X.] verteilten sich auf zwölf Siedlergruppen (Siebenbürger Sachsen, Banater und Sathmarer Schwaben, [X.], Buchenlanddeutsche, Dobrudschadeutsche, Landler, [X.], [X.]böhmen, [X.], [X.], [X.]), die sich hinsichtlich ihrer Herkunftsgebiete, dem Zeitpunkt ihrer Einwanderung, ihrer Siedlungsgebiete und ihrer historischen Entwicklung unterschieden (vgl. http://www.siebenbuerger.de/portal/land-und-leute/siebenbuerger-sachsen/). Die Siebenbürger Sachsen siedelten in den drei nicht zusammenhängenden Gebieten [X.], [X.] und [X.], von denen nur eines, das [X.], in räumlicher Nähe zur Ortschaft [X.] liegt. In dem rund 5.000 km² großen [X.], zu dem [X.] gehört, lebten im Jahre 1941 21521 [X.]stämmige; im Jahre 2002 waren es noch einige Hundert, von denen [X.]eils nur eine Person als Einwohner der Stadt [X.] geführt wurde (Quelle: [X.], Untersuchung in [X.] über die ethnische Zusammensetzung der Einwohnerschaft von [X.] 1850 - 2002, veröffentlicht im [X.] unter http://www.kia.hu/konyvtar/erdely/erd2002/bnetn02.pdf).
Anderweitige, beispielsweise historische, wirtschaftliche, politische oder verkehrstechnische Bezüge, die dazu führen konnten, dass [X.] von wesentlichen Teilen des inländischen Verkehrs als geographische Herkunftsangabe erkannt wird, sind dem Senat im Rahmen seiner Recherchen nicht bekannt geworden. Der Umstand, dass sich in [X.] zwei Eisenbahnlinien und zwei Nationalstraßen [X.]s kreuzen, reicht hierzu nicht aus.Auch die angesprochenen [X.] für den Handel mit alkoholischen und nichtalkoholischen Getränken verfügen nicht über Spezialkenntnisse zur Ortschaft [X.]. Die Feststellung, dass die durch die angemeldeten Waren und Dienstleistungen der Klassen 32, 33, 35 und 41 angesprochenen Verkehrskreise „[X.]“ als geographische Herkunftsangabe erkennen werden, lässt sich auf dieser Grundlage gerade nicht treffen.
Der Verneinung eines Freihaltebedürfnisses mit der Begründung, dass das Markenwort von den angesprochenen Verkehrskreisen nicht als geographische Herkunftsangabe erkannt werde, steht nicht in Widerspruch zur Entscheidung des Europäischen Gerichts vom 11. Mai 2010 – [X.] ([X.]. [X.]/08, veröffentlicht in juris), welche sich mit einer Weinmarke befasst, die eine geographische Herkunftsangabe enthält. Denn die dort unter Rn. 130 f. geäußerte Auffassung, es komme nicht darauf an, ob eine geschützte Herkunftsbezeichnung der breiten Öffentlichkeit bzw. den beteiligten Verkehrskreisen unbekannt sei, wird allein damit begründet, dass die dort angemeldete Marke schon aus anderen Gründen, nämlich gem. Art. 7 Abs. 1 Buchstabe j der [X.], von der Eintragung ausgeschlossen sei, weil der von der Anmeldung erfasste Wein nicht seinen Ursprung in der mit „[X.]“ als geografischer Herkunftsangabe gekennzeichneten Region habe.
b)
Das angemeldete Markenwort ist auch nicht deshalb für die unter anderem beanspruchten „Mineralwässer, [X.]“ und „Gemüsesäfte“ freihaltebedürftig, weil sich die Bedeutung des [X.] Adjektivs „salvus“ in seiner femininen Form „salva“, nämlich „gesund, heil, wohlbehalten, unversehrt“ (vgl. [X.]; [X.], Wörterbuch [X.]-[X.], [X.]. 2003, [X.]. [X.]. „salvus“), zum Hinweis darauf eignete, dass der Genuss der genannten nichtalkoholischen Getränke der Gesundheit förderlich sein kann, § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] (Abgrenzung zu [X.], [X.], 26 W (pat) 86/10 - SANAFORUM).
Kommt einem fremdsprachigen Markenwort beschreibende Bedeutung zu, ist ein Markenwort von einer Eintragung auszuschließen, sofern die am Handel beteiligten Fachkreise seine Bedeutung als beschreibend erkennen (vgl. [X.] GRUR 2006, 411, 413 (Nr. 32) - Matratzen Concord/[X.]; [X.], [X.]/[X.], [X.], 9. Aufl., Rn. 334 zu § 8). Wörtern toter Sprachen wie [X.] fehlt die Schutzfähigkeit allerdings nur, sofern es sich um Begriffe handelt, die entweder als Ganzes oder in ihren Wortstämmen in den allgemeinen deutschen Sprachschatz übergegangen sind ([X.]E 5, 152, [X.]; 16, 82 - [X.]; [X.]. 1983, 150 [X.]; [X.]. 1983, 14 - Literate; [X.] GRUR 1998, 58 Juris Vibri) oder die auf Gebieten eingesetzt werden, in denen eine ansonsten tote Sprache als Fachsprache oder einzelne ihrer Begriffe als Fachtermini verwendet werden (vgl. [X.] GRUR 2002, 263, 264, - Arena; [X.] 10, 97 Solo - Paraxin; [X.] GRUR 2010, 534 - 536- [X.], vorgehend [X.]. 2008, 1040, 1042 (Nr. 31) ([X.] als Begriff für Leben, Lebenskraft usw., beschreibende Angabe im Bereich der Alternativmedizin); [X.], [X.]/[X.], [X.], 9. Aufl., Rn. 334 zu § 8). An diesen Voraussetzungen fehlt es jedoch im vorliegenden Fall. Denn weder bei den hier angesprochenen [X.], noch beim durchschnittlichen allgemeinen Endverbraucher können [X.]kenntnisse vorausgesetzt werden, die zum Verständnis der Bedeutung von „[X.]“ erforderlich sind.
Ein Freihaltebedürfnis gem. § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] steht einer Eintragung des [X.] daher nicht entgegen.
2.
Zugleich fehlt dem Markenwort nicht das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft, weil für dieses Schutzhindernis ebenfalls das Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise maßgeblich ist, § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] (vgl. [X.], [X.]/[X.], 9. Aufl., Rn. 108 u. Verweis auf Rn. 272 - 299 zu § 8; Rn. 109 unter Verweis auf Rn. 321 - 334 zu § 8).
3.
Vorstehende Ausführungen zur Schutzfähigkeit von „[X.]“ für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen sind, darauf sei abschließend hingewiesen, zugleich von wesentlicher Bedeutung für den Schutzumfang des angemeldeten Zeichens. Insbesondere eine beschreibende Verwendung von „salva“ im Sinne von „gesund, heil, wohlbehalten, unversehrt“ kann durch die Eintragung nicht behindert werden.
Aus diesen Gründen war der Beschwerde stattzugeben.
Meta
29.06.2011
Beschluss
Sachgebiet: W (pat)
Zitiervorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 29.06.2011, Az. 26 W (pat) 520/10 (REWIS RS 2011, 5337)
Papierfundstellen: REWIS RS 2011, 5337
Auf Mobilgerät öffnen.
Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
26 W (pat) 19/11 (Bundespatentgericht)
Markenbeschwerdeverfahren - "Grönwohlder (Wort-Bild-Marke)" – geographische Herkunftsangabe – kein Freihaltungsbedürfnis - Unterscheidungskraft
29 W (pat) 546/20 (Bundespatentgericht)
Markenbeschwerdeverfahren – „ALZETTE (Wortzeichen)“ – Fantasiewort – Unterscheidungskraft – keine freihaltebedürftige geographische Herkunftsangabe
26 W (pat) 546/10 (Bundespatentgericht)
Markenbeschwerdeverfahren – "Cayenne" – Unterscheidungskraft - Freihaltungsbedürfnis
26 W (pat) 31/19 (Bundespatentgericht)
Markenbeschwerdeverfahren – "IZON" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis
27 W (pat) 5/14 (Bundespatentgericht)
Markenbeschwerdeverfahren – Löschungsverfahren - „Lönneberga“ – kein Freihaltungsbedürfnis