Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.02.2017, Az. V ZR 147/16

V. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 15423

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:170217UVZR147.16.0

BUN[X.]SGERI[X.]HTSHOF
IM
NAMEN
[X.]S
VOLKES
URTEIL
V [X.]
Verkündet am:
17. Februar 2017
Rinke
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 542, § 552, § 780 Abs. 2
Greift der Kläger allein den Ausspruch des Vorbehalts der beschränkten Erben-haftung an, ist die Revision mangels Beschwer jedenfalls dann unzulässig, wenn der Vorbehalt nach § 780 Abs. 2 ZPO entbehrlich war.
[X.], Urteil vom 17. Februar 2017 -
V [X.] -
LG [X.]

[X.]

-
2 -

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 17. Februar 2017 durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Stresemann, die Richterinnen Dr.
[X.] und [X.] und
die Richter Dr.
Kazele und Dr.
Hamdorf

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des [X.] vom 18. Mai 2016 wird auf Kosten der Klägerin als unzulässig verworfen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin ist eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Das beklagte Land wurde im [X.] nach § 1936 Satz 1 BGB Erbe eines verstorbenen Wohnungseigentümers. Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung von Wohngeld für die [X.] und 2014 in Anspruch.
Der Beklagte hat die [X.] erhoben.
Das Amtsgericht hat der Klage uneingeschränkt stattgegeben. Das [X.] hat die Klage teilweise abgewiesen und dem Beklagten die be-schränkte Erbenhaftung vorbehalten. Mit der von dem [X.] zugelasse-nen Revision wendet sich die Klägerin gegen diesen Vorbehalt.
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Entscheidungsgründe:
I.
Nach Ansicht des Berufungsgerichts war die beschränkte
Erbenhaftung dem Beklagten trotz § 780 Abs. 2
ZPO vorzubehalten. Nach der Rechtspre-chung des Bundesgerichtshofs
hafte der Erbe nur dann persönlich, wenn ihm das Halten der Wohnung als ein Handeln bei der Verwaltung des Nachlasses zugerechnet werden könne. Der Beklagte habe keine Handlungen vorgenom-men, die diese Zurechnung rechtfertigten. Dass er es unterlasse, Erträge aus der Vermietung der Wohnung zu erzielen, führe zu keinem anderen Ergebnis.
II.
Die Revision ist unzulässig und deswegen nach §
552 Abs. 1 Satz 2 ZPO zu verwerfen.
1. a) Nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs setzt ein zulässiges Rechtsmittel voraus, dass der Rechtsmittelführer damit die Beseiti-gung einer in dem angefochtenen Urteil liegenden Beschwer erstrebt (siehe etwa [X.], Urteil vom 11. Oktober 2000 -
VIII ZR 321/99, NJW 2001, 226 mwN; [X.], Urteil vom 2. Februar 1999 -
VI ZR 25/98, [X.]Z 140, 335, 338).
Dies gilt auch für die durch
das Berufungsgericht zugelassene Revision ([X.], Urteil vom 14. März 2012 -
XII ZR 164/09, NJW-RR 2012, 516, 517; [X.]/[X.], 5. Aufl., § 542 Rn. 18; PG/[X.], ZPO, 8. Aufl., § 542 Rn. 4; [X.]/[X.], ZPO, 31. Aufl., § 543 Rn. 6).
b) Die klagende Partei ist durch eine gerichtliche Entscheidung nur dann beschwert, wenn diese von dem in der unteren Instanz gestellten Antrag zu ih-rem Nachteil abweicht, ihrem Begehren also nicht voll entsprochen worden ist (sog. formelle Beschwer; vgl. nur [X.], Beschluss vom 18. Januar 2007
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IX [X.], NJW-RR 2007, 765 Rn. 6 mwN). So verhält es sich in der [X.], wenn der [X.] hinter dem gestellten Antrag zurückbleibt, wie es hier aufgrund des Vorbehalts der beschränkten Erbenhaftung der Fall ist. Zwingend ist das aber nicht. Entscheidend ist vielmehr, ob der rechtskraftfähige Inhalt der angefochtenen Entscheidung hinter dem [X.] der klagenden Partei zurückbleibt (vgl. [X.], Urteil vom 10. März 1993 -
VIII ZR 85/92, NJW 1993,
2052, 2053).
2. Daran fehlt es.
a) Die Klägerin wendet sich mit der Revision ausdrücklich allein dage-gen, dass dem beklagten Land in dem angefochtenen Urteil der Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung zugebilligt wurde. Diese Beschränkung der [X.] ist zulässig (vgl. [X.], Urteil vom 2.
Februar 2010 -
VI [X.], NJW-RR
2010, 664 Rn. 5).
b) Die Aufnahme des Vorbehalts in den [X.] führt nicht dazu, dass der Klägerin weniger zugesprochen worden ist als beantragt. Denn der Vorbehalt hatte keine über den Hinweis auf die gesetzlichen Rechte des [X.] hinausgehende Wirkung. Der Fiskus kann sich stets, also unabhängig davon, ob ein Vorbehalt in das Urteil aufgenommen wurde, auf die Einrede der beschränkten Erbenhaftung berufen (§
780 Abs. 2
ZPO). Wird er -
wie hier -
zu einer Zahlung verurteilt, besteht insoweit kein Unterschied zwischen dem rechtskraftfähigen Inhalt einer Entscheidung mit und ohne Vorbehalt der be-schränkten Erbenhaftung. Ob die klagende Partei auch dann nicht formell [X.] ist, wenn die Aufnahme des Vorbehalts Voraussetzung für die be-schränkte Erbenhaftung ist (§
780 Abs. 1 ZPO; so [X.], Urteil vom 13. Juli 1989 -
IX ZR 22/87, NJW-RR 1989, 1226, 1230; offengelassen dagegen in [X.], Urteil vom 2.
Februar 2010 -
VI [X.],
NJW-RR 2010, 664 Rn. 4), [X.] hier keiner Entscheidung. Greift der Kläger allein den Ausspruch des Vor-7
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behalts der beschränkten Erbenhaftung an, ist die Revision mangels Beschwer jedenfalls dann unzulässig, wenn der Vorbehalt nach §
780 Abs. 2 ZPO ent-behrlich war.
c) Die Klägerin ist auch nicht dadurch beschwert, dass das Berufungsge-richt die von dem beklagten Land erhobene Einrede nicht sachlich geprüft und beschieden hat.
[X.]) Zwar hätten die Voraussetzungen für eine gegenständlich be-schränkte Erbenhaftung einschließlich der Frage, inwieweit eine solche bei Wohngeldforderungen gegen den [X.] überhaupt in Betracht kommt, bereits im vorliegenden Verfahren geklärt werden können. Dies ist jedoch nicht geschehen. Das Berufungsgericht hat sich mit der Frage, ob die von dem [X.] erhobene [X.] nach § 1990 BGB berechtigt ist, nicht befasst. Hätte es die Frage entscheiden wollen und die Einrede
zu Lasten der Klägerin
als begründet
angesehen, hätte es den Beklagten zur Zahlung aus dem Nachlass verurteilen müssen (vgl. BayObLG, [X.], 306, 308; MüKoZPO/[X.]/[X.], 5. Aufl., §
780 Rn. 13; PG/Scheuch, ZPO, 8.
Aufl., §
780 Rn. 13; [X.]/Stöber, ZPO, 31.
Aufl., § 780 Rn. 15).
bb)
Das Berufungsgericht war zu
einer Entscheidung über die Einrede aber nicht verpflichtet. Grundsätzlich steht es im Ermessen des Prozessge-richts, ob es die Frage des [X.] im Erkenntnisverfahren sachlich aufklärt und darüber entscheidet oder ob es sich mit dem Ausspruch des Vor-behalts der Haftungsbeschränkung begnügt und die sachliche Klärung insoweit dem besonderen Verfahren gemäß § 785 ZPO
überlässt (vgl. [X.], Urteil vom 2.
Februar 2010 -
VI [X.], NJW-RR
2010, 664 Rn. 8; Urteil vom 13.
Juli 1989 -
IX ZR 227/87, NJW-RR 1989, 1226, 1230; Urteil vom 9.
März 1983
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IVa [X.], NJW 1983, 2378, 2379; BayObLG, [X.], 306, 308; PG/Scheuch, ZPO, 8. Aufl., §
780 Rn. 13; [X.]/Stöber, ZPO, 31. Aufl., § 780 10
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Rn. 15). Ob das Prozessgericht ausnahmsweise verpflichtet ist, über die [X.] sachlich zu entscheiden, wenn der Rechtsstreit insoweit
ebenfalls zur Entscheidung reif ist (so [X.]/[X.]/[X.]/[X.], ZPO, 75.
Aufl., § 780 Rn. 5; [X.], [X.], 3. Aufl., Rn.
629; K. [X.], [X.] 1989, 45, 46; wohl
auch KG, NJW-RR 2003, 941), kann hier dahinstehen. Dass die Frage der Dürftigkeit i.[X.]. § 1990 BGB in der Berufungsinstanz bereits zur Entscheidung reif war, hat die Klägerin nicht dargelegt
und ist auch nicht anzunehmen, da das [X.] den hierzu gehaltenen Vortrag des beklagten [X.] als
streitig darstellt.
d) Schließlich ergibt sich eine Beschwer entgegen der Ansicht der Kläge-rin auch nicht daraus, dass in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils ausgeführt
wird, es handele sich bei den streitgegenständlichen Wohn-geldansprüchen um Nachlassverbindlichkeiten und nicht um Nachlasserben-schulden oder Eigenverbindlichkeiten. Zwar hat die bislang höchstrichterlich nicht geklärte Frage, unter welchen Voraussetzungen nach dem Erbfall fällig werdende oder durch Beschluss der [X.] (jedenfalls auch) als Eigenverbindlichkeiten des Fiskus als Erben
anzusehen sind, wann
ihm also das Halten der Wohnung
als ein Handeln bei der Verwaltung des Nachlasses zugerechnet werden kann, grundsätzliche Bedeutung (vgl. für andere Erben als den Fiskus: Senat, Urteil vom 5.
Juli 2013 -
V [X.], NJW 2013, 3446 Rn. 12 ff.). Durch die Ausfüh-rungen des Berufungsgerichts zu dieser Frage könnte die Klägerin aber nur beschwert sein, wenn die Entscheidungsgründe insoweit Bindungswirkung für die sachliche Klärung des [X.] des Beklagten im Verfahren nach den §§
785, 767 ZPO entfalten würden (vgl. [X.], Urteil vom 22. Juni 1961
-
VII ZR 166/60, [X.]Z 35, 248, 249 für den Vorbehalt der Entscheidung über die Aufrechnung nach § 302 ZPO). Dies ist jedoch nicht der Fall.
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[X.]) Aus § 318 ZPO kann sich eine solche Bindungswirkung schon [X.] nicht ergeben, weil über die
vorbehaltene beschränkte Erbenhaftung nicht durch das Berufungsgericht,
sondern nach den §§ 785, 767 ZPO in einem neuen Rechtsstreit durch das Prozessgericht des ersten [X.] zu ent-scheiden wäre.

bb) Die Bindungswirkung folgt auch nicht aus § 322 Abs. 1 ZPO, denn die materielle Rechtskraft des angefochtenen Urteils erfasst nicht die Ausfüh-rungen des Berufungsgerichts
zur Einordnung der Wohngeldforderungen als Nachlassverbindlichkeiten. [X.] sich das Gericht in zulässiger Weise mit dem Ausspruch des Vorbehalts, kommt es im Erkenntnisverfahren nicht darauf an, ob die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Haftungsbeschränkung erfüllt sind ([X.], Urteil vom 2.
Februar 2010 -
VI [X.], NJW-RR
2010, 664 Rn. 8). Folglich
sind die diesbezüglichen
Ausführungen in dem angefochtenen Urteil nicht tragend. Dass sie von dessen
materieller
Rechtskraft nicht erfasst werden,
folgt hier überdies daraus, dass der Vorbehalt nach § 780 Abs. 2 ZPO entbehrlich war und lediglich klarstellend ausgesprochen wurde.
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III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Stresemann
[X.]
[X.]

Kazele
Hamdorf
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 27.08.2015 -
152 [X.] 1410/15 -

LG [X.], Entscheidung vom 18.05.2016 -
2 S 479/15 -

16

Meta

V ZR 147/16

17.02.2017

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.02.2017, Az. V ZR 147/16 (REWIS RS 2017, 15423)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 15423

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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