Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.07.2015, Az. III ZR 329/14

III. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 8426

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BUN[X.]ESGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]ES VOLKES

URTEIL
III ZR 329/14
Verkündet am:

9. Juli 2015

F r e i t a g

Justizamtsinspektor

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
ja
[X.]R:
ja

[X.] § 242 A, [X.]; StGB §§ 34, 203 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 2; [X.] M-V §
32 Abs.
1, § 35 Abs. 1 Nr. 3

a)
[X.] der Patient eines Krankenhauses vom Träger der (hier in [X.] gelegenen) Klinik die Adresse eines Mitpatienten erfah-ren, damit er gegen diesen einen deliktischen Schadensersatzanspruch wegen einer während des Krankenhausaufenthalts begangenen vorsätzli-chen Körperverletzung geltend machen kann, so ist der Krankenhausträ-ger grundsätzlich zur Auskunft verpflichtet. Insoweit überwiegt bei der im Rahmen des § 35 Abs. 1 Nr. 3 [X.] M-V vorzunehmenden Interessen-abwägung regelmäßig das [X.] des Geschädigten das [X.]a-tenschutzinteresse des Schädigers.

b)
Ist die geforderte Mitteilung der Anschrift des Mitpatienten nach
dieser Vorschrift erlaubt, scheidet eine Strafbarkeit der die Auskunft erteilenden Person nach § 203 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 2 StGB aus.

[X.], Urteil vom 9. Juli 2015 -
III ZR 329/14 -
LG [X.]

AG [X.]

-

2

[X.]er III.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom
9.
Juli
2015
durch den Vizepräsidenten [X.] und die Richter [X.]r.
Herrmann, [X.], [X.] und [X.]r. Remmert

für Recht erkannt:

[X.]ie Revision der Beklagten gegen das Urteil der
1. Zivilkammer
des Landgerichts [X.] vom 1.
Oktober
2014 wird [X.].

[X.]ie Kosten des Revisionsrechtszugs
hat die Beklagte zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

[X.]er
minderjährige
Kläger verlangt
Auskunft über die Anschrift des M.

M.

, mit dem er sich im November 2012 in der von der Beklagten
betrie-benen
Fachklinik für Kinder und Jugendliche, die vor allem auf die
Behandlung von Übergewicht, Stoffwechselerkrankungen, psychischen und physischen
Er-krankungen sowie Atemwegserkrankungen
ausgerichtet ist, [X.] teilte. Am 2. November 2012 zog sich der Kläger in der Klinik einen Armbruch zu. [X.]ieser war nach der Behauptung des [X.] auf eine
körperliche Misshand-lung durch diesen Mitpatienten zurückzuführen.
Um seinen Schadensersatzan-spruch gegen M.

M.

durchsetzen zu können,
sei er auf die Mitteilung
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der Anschrift durch die Beklagte angewiesen;
sämtliche
sonstigen
Anstrengun-gen zur Ermittlung der Adresse seien
fehlgeschlagen.

[X.]ie Beklagte hat die begehrte Auskunft verweigert. Sie befürchtet im Fal-le der Bekanntgabe der Adresse strafrechtliche Konsequenzen, weil
es sich dabei
um personenbezogene [X.]aten
handele, die der ärztlichen Schweigepflicht unterfielen und
deren Offenlegung zudem datenschutzrechtliche
Bestimmungen entgegenstünden.

[X.]ie auf Erteilung der begehrten Auskunft gerichtete Klage hatte in beiden Vorinstanzen
Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision ver-folgt
die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

[X.]ie Revision der Beklagten hat keinen Erfolg.

I.

[X.]as Berufungsgericht hat
im Wesentlichen
ausgeführt:
[X.]em
Kläger stehe ein Anspruch auf
Nennung der Adresse des
minderjährigen Mitpatienten
aus
dem
zwischen den Parteien geschlossenen Behandlungsvertrag
zu. [X.]ie
Be-klagte
habe
dem Kläger
gegenüber eine besondere Fürsorge-
und Obhuts-pflicht
innegehabt. Im Rahmen ihrer vertraglichen Nebenpflicht sei die Beklagte gehalten gewesen, den Kläger
bei der Aufklärung des Vorfalls und bei der Gel-

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tendmachung etwaiger Schadensersatzansprüche nach ihren Möglichkeiten zu unterstützen. Hierzu gehöre grundsätzlich auch die Nennung der Adresse des vermeintlichen Schädigers, die der Beklagten
ohne großen Aufwand möglich
sei. Eine Strafbarkeit nach
§
203 Abs.
1 Nr.
1 StGB habe sie nicht zu befürch-ten, weil die Auskunftserteilung nach
§
34 StGB gerechtfertigt
sei.

II.

[X.]iese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.
[X.]as Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen ihre erstin-stanzliche Verurteilung zur
Auskunftserteilung
über die Anschrift des früheren Mitpatienten des [X.] mit Recht zurückgewiesen.

1.
[X.]er Klage fehlt entgegen der Auffassung der Revision nicht das erforder-liche Rechtsschutzbedürfnis.

a)
[X.]er Kläger
will
die Anschrift seines
Mitpatienten
in Erfahrung bringen, um seine gegen diesen bestehenden Schadensersatz-
und Schmerzensgeld-ansprüche durchzusetzen. [X.]as Ziel, den ihm namentlich bekannten, angebli-chen
Schädiger weiter zu individualisieren, kann der Kläger, der nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts alle sonstigen in Betracht kommenden Informationsmöglichkeiten vollständig [X.] hat, nicht auf andere Weise einfacher oder günstiger erreichen (vgl. [X.], Urteile vom 24. Februar 1994 -
IX
ZR 120/93, WM
1994, 623, 624 und vom 28. März 1996 -
IX
ZR 77/95, [X.], 835, 836).

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5

[X.]em Kläger
kann auch nicht entgegengehalten
werden, dass im Falle einer Klage die Zustellung der Klageschrift an die
oder den gesetzlichen Vertre-ter
seines
minderjährigen Mitpatienten zu erfolgen hat.
[X.]ieser Umstand lässt
das Interesse des [X.] an der begehrten Auskunftserteilung nicht entfallen. Minderjährige Kinder leben üblicherweise bei ihren Eltern oder bei einem [X.] Elternteil. [X.]afür, dass dies vorliegend anders sein könnte, fehlt jeglicher Anhalt. Auch die Beklagte hat dies in den Vorinstanzen ersichtlich nicht anders gesehen;
die Überlegung, dass eine Unterbringung des Mitpatien-ten außerhalb des Wohnsitzes seiner Erziehungsberechtigten nicht ausge-schlossen sei, hat sie erstmals in der Revisionsbegründung angestellt. Im Übri-gen steht, wenn der Kläger die
begehrte
Auskunft erhalten hat, zu erwarten, dass er sich nötigenfalls
weitere Informationen über Namen und Anschrift der gesetzlichen Vertreter seines
Mitpatienten ohne größeren Aufwand (etwa über eine Melderegisterauskunft) beschaffen kann.

b) [X.]as
Rechtsschutzbedürfnis
kann
auch nicht wegen
etwa mangelnden
Vortrags
des [X.] zu den in
§
828
[X.]
enthaltenen Altersgrenzen
oder zur Zurechnungsfähigkeit des Mitpatienten verneint
werden. Zwar kann das Rechtsschutzbedürfnis fehlen, wenn der Kläger mit seinem prozessualen Be-gehren unter keinen Umständen einen schutzwürdigen Vorteil erlangen kann (vgl. [X.], Urteil vom 28. März 1996 aaO S. 837). Eine solche Konstellation liegt hier jedoch ersichtlich nicht vor (siehe nachfolgend unter 2 a, bb).

2.
[X.]as Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, dass jedenfalls nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§
242 [X.]) eine Auskunftspflicht
der Beklagten anzunehmen ist. [X.]iese besteht
bei jedem Rechtsverhältnis, dessen Wesen es mit sich bringt, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen oder Umfang seines Rechts im Unklaren ist, er sich die zur Vorberei-9
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tung oder [X.]urchsetzung seines Anspruchs notwendigen
Auskünfte nicht in zu-mutbarer Weise selbst beschaffen kann und der Verpflichtete unschwer, das heißt ohne unbillig belastet zu sein, die zur Beseitigung dieser Ungewissheit erforderlichen Auskünfte zu geben vermag
(siehe nur [X.], Urteile vom 1. Juli 2014 -
VI [X.], [X.]Z 201, 380, 382
Rn. 6 und vom 20. Januar 2015
-
VI
ZR 137/14, NJW 2015, 1525 Rn. 7, jeweils mwN). Unter diesen Vorausset-zungen
ist ein Anspruch auf Auskunftserteilung auch dann gegeben, wenn nicht der in
Anspruch
Genommene
selbst, sondern ein [X.]ritter Schuldner des Haupt-anspruchs ist, dessen [X.]urchsetzung der [X.] auf Auskunftserteilung ermöglichen soll ([X.],
Urteile vom 1. Juli 2014 aaO Rn. 7 und vom 20. Januar 2015 aaO Rn. 8
jeweils
mwN). So liegt der Fall hier.

a) Zwischen
den Parteien besteht aufgrund des [X.] eine rechtliche Sonderbeziehung. [X.]er Kläger war Patient der Beklagten, er wurde in ihrer Klinik stationär behandelt. Im Rahmen dieses vertraglichen Ver-hältnisses
schuldete die Beklagte ärztliche
Leistungen
sowie
die Unterbringung und Verpflegung; daneben hatte sie, gerade auch
im Hinblick auf die Minderjäh-rigkeit des
[X.],
eine
besondere
Fürsorge-
und Obhutspflicht. [X.]ies stellt auch die Revision nicht in Frage. [X.]ieses Rechtsverhältnis ist
in Verbindung mit § 242 [X.] hinreichende Grundlage eines Auskunftsanspruchs des [X.], dem ein anerkennenswertes Interesse an der begehrten Information zuzubilli-gen ist.

aa)
Vergeblich wendet die Revision hiergegen ein,
es stehe nicht einmal fest, dass der Mitpatient den Armbruch verursacht habe.

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7

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Kläger sich während [X.] Klinikaufenthaltes den rechten
Arm gebrochen hat. [X.]arüber hinaus hatte er
der Beklagten vor diesem Ereignis mitgeteilt, er komme mit dem Mitpatienten M.

M.

"nicht klar".
Unmittelbar nach dem Vorfall hat er der Beklagten hiervon Meldung gemacht. Vor diesem Hintergrund ist
der -
plausible und nach-vollziehbare -
Vortrag des [X.], sein Mitpatient habe
mindestens mit beding-tem Vorsatz
seinen Arm dadurch gebrochen, dass er mit [X.] zweimal eine Tür gegen ihn
geschlagen habe,
für den geltend gemachten [X.] ausreichend. Ob in dem
beabsichtigten
Schadensersatzprozess
ein ent-sprechender Tathergang festgestellt werden kann, hängt ganz wesentlich von dem Prozessverhalten der künftigen Parteien, insbesondere auch des [X.]) Schädigers ab, über das gegenwärtig nur Mutmaßungen angestellt wer-den können.
Angesichts dessen
bedurfte
es
keines
weitergehenden
Vortrags und keiner weiteren
Feststellungen des Berufungsgerichts zu den Behauptun-gen des [X.]. Insbesondere musste sich das Berufungsgericht in diesem nur auf
Erlangung einer Auskunft
gerichteten Rechtsstreit
keine Überzeugung von der Täterschaft des Mitpatienten bilden.

bb) Zu Unrecht macht die Revision weiter
geltend,
der Kläger habe zu den
Voraussetzungen des
§
828 [X.] sowie zur Frage der [X.] des Mitpatienten
nicht ausreichend vorgetragen. Zwar fehlen Feststellun-gen der Vorinstanzen zum Alter des Mitpatienten des [X.]. Jedoch kann nach dem Akteninhalt ausgeschlossen werden, dass dieser zum fraglichen Zeitpunkt das siebente Lebensjahr nicht vollendet hatte. Im Übrigen ist [X.], dass
im Haftungsprozess die fehlende [X.]eliktsfähigkeit vom Schädiger zu beweisen ist (vgl. [X.], Urteil vom 30. Juni 2009 -
VI
ZR 310/08, [X.]Z 181, 368, 371 Rn.
10). Zudem trifft den minderjährigen Schädiger die Beweislast für fehlende Zurechnungsfähigkeit, die Einsichtsfähigkeit (vgl. § 828 Abs. 3 [X.]) 14
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wird widerleglich vermutet (vgl. [X.], Urteil vom 14. Juni 2005 -
VI
ZR 181/04, NJW-RR 2005, 1263 mwN). [X.]a der Kläger im Rahmen der vorliegenden Aus-kunftsklage keinesfalls strengeren Anforderungen hinsichtlich der [X.]arlegungs-
und Beweislast unterliegt als in einem nachfolgenden Haftungsprozess, musste er sich zu beiden Gesichtspunkten nicht verhalten, nachdem die Beklagte
hier-zu nichts vorgetragen
hatte.

b) [X.]ie Beklagte wird mit Erteilung der Auskunft auch nicht unbillig belas-tet, die Mitteilung der fraglichen Adresse ist ihr zumutbar.

aa) [X.]as
Berufungsgericht
hat festgestellt, dass der Kläger die ihm zur Verfügung stehenden Informationsmöglichkeiten ausgeschöpft hat und es ihm gleichwohl nicht möglich war, die Anschrift des Mitpatienten
zu ermitteln.
[X.]iese Adresse
ist für die Beklagte dagegen unproblematisch anhand der im [X.] mit dem Abschluss des [X.]
mit dem Mitpatienten
erfassten [X.]aten festzustellen. [X.]er mit der Auskunftserteilung verbundene [X.] ist im Streitfall in Relation zu dem [X.] des [X.] deshalb zu vernachlässigen.

bb) Im Rahmen der für die Frage der Zumutbarkeit vorzunehmenden Abwägung aller Umstände des Einzelfalls ist zwar auch einzubeziehen, ob der Auskunftspflichtige ein schützenswertes Geheimhaltungsinteresse an den [X.] geltend machen kann
(vgl. [X.], Urteile vom 13. [X.]ezember 2001 -
I
ZR 44/99, [X.], 2475,
2476 und
vom 6. Februar 2007

X ZR 117/04, NJW 2007, 1806, 1808 Rn.
18). Ein derartiges berechtigtes Interesse der Beklagten an
der Verweigerung der Bekanntgabe der Adresse des Mitpatienten ist [X.] nicht anzuerkennen.

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Entgegen der Auffassung der Beklagten entfällt die Zumutbarkeit der Auskunftserteilung insbesondere nicht deswegen, weil
einer Erteilung der be-gehrten Auskunft zwingende datenschutzrechtliche Bestimmungen sowie
die Strafvorschrift des §
203 StGB (Verletzung von Privatgeheimnissen)
entgegen-stünden.

(1) Nach § 32 Abs. 1 des [X.] für das Land [X.] ([X.] M-V)
vom 20. Mai 2011 (GVOBl. M-V [X.]) unter-liegen im Krankenhaus erhobene Patientendaten unabhängig von der Art ihrer Verarbeitung dem [X.]atenschutz. Zu den geschützten [X.]aten zählen [X.] die Angaben
zur Person, zum Beispiel
die Anschrift des Patienten
(vgl.
die Gesetzesbegründung zur Vorgängerregelung des § 14 [X.]
aF LT-[X.]rucks. 1/2195
S. 41).

[X.]ie
Übermittlung von
Patientendaten (auch) an private [X.]ritte ist aller-dings nach §
35
Abs.
1 Nr.
3
[X.] M-V zulässig, soweit dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die persönliche Freiheit des Patienten oder eines [X.]ritten
erforderlich ist, und wenn diese Rechtsgüter das Geheimhaltungsinteresse des Patienten wesentlich überwiegen.

(a) [X.]as Recht des [X.],
einen Schadensersatzanspruch notfalls auch unter Inanspruchnahme der Zivilgerichte gegen seinen Mitpatienten geltend machen zu können, wird
von
§
35 Abs.
1 Nr.
3
[X.] M-V
erfasst. [X.]iese Rege-lung, die sprachlich bewusst an §
34
StGB angelehnt
ist, hebt
die Notwendigkeit einer Abwägung der widerstreitenden Interessen und der betroffenen [X.] hervor
(siehe LT-[X.]rucks. 1/2195 S. 43 zu § 17 [X.] aF). §
34
StGB be-schränkt seinen Anwendungsbereich aber nicht auf einige wenige notstandsfä-19
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-

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hige Rechtsgüter, sondern erstreckt sie auf jedes rechtlich geschützte [X.], gleichgültig, von welchem Teil der Rechtsordnung es diesen Schutz erfährt. [X.]ie Hervorhebung einzelner Rechtsgüter hat nur exemplarischen Charakter (vgl. nur [X.] in Kindhäuser/[X.]/Paeffgen, StGB, 4. Aufl., § 34 Rn. 22). [X.]er Begriff der persönlichen Freiheit im Sinne des
§ 35 Abs. 1 Nr. 3 [X.] M-V ist daher
weit auszulegen. [X.]as Geheimhaltungsinteresse der Patienten wird durch
ein solches
Verständnis nicht beeinträchtigt. [X.]ie vom [X.] vorgesehene und hervorgehobene Notwendigkeit der Güterabwägung sichert einen ausreichenden Interessenausgleich. [X.]er grundgesetzlich garan-tierte [X.] würde dagegen durch die bereichsspezi-fischen Regelungen im [X.] von
Mecklenburg-Vorpom-mern unverhältnismäßig verkürzt, wenn ein in einem Krankenhaus von einem Mitpatienten Geschädigter von vornherein und ohne Abwägung der sich gegen-überstehenden Interessen keine Möglichkeit hätte, Angaben zu der Identität des Schädigers zu erhalten.

(b) Im Rahmen der gemäß §
35
Abs.
1 Nr.
3
[X.] M-V vorzunehmen-den Interessenabwägung überwiegt hier
das Interesse des [X.]. Auch wenn nicht feststeht, ob sein Mitpatient die vom Kläger behauptete Körperverletzung begangen hat, so würde
dem
Kläger ohne Herausgabe der Anschrift von vor-neherein jede
Möglichkeit
genommen,
den nach seiner Behauptung [X.] in Anspruch zu nehmen. [X.]emgegenüber dienen die
[X.]atenschutzbestim-mungen der §§ 32
ff [X.] M-V vor allem dazu,
die besonders sensiblen Ge-sundheitsdaten eines Patienten (Krankheitsverlauf, Vorerkrankungen, [X.]auer-schäden etc.) zu schützen. [X.]arum geht es hier nicht. [X.]em Kläger ist der Name des Patienten ebenso bekannt wie der Umstand, dass dieser sich im fraglichen

23
-

11

Zeitraum zur stationären ärztlichen Behandlung in dem von der Beklagten be-triebenen Krankenhaus befand. Einzelheiten der ärztlichen [X.]iagnose oder der Therapie interessieren ihn nicht. Er möchte
lediglich die Adresse zur Verfolgung eigener deliktischer
Ansprüche erfahren. [X.]ie [X.]atenschutzregelungen haben aber nicht den Zweck,
Patienten, die im Rahmen eines Krankenhausaufenthalts Mitpatienten schädigen, die vollständige Anonymität zu sichern und so den
Ge-schädigten durch Verweigerung der
Auskunft faktisch rechtlos zu stellen. [X.] ist es bei einer Fallkonstellation wie der vorliegenden, bei der eine vor-sätzliche Körperverletzung im Raume steht, regelmäßig angemessen und gebo-ten, das [X.]
des Geschädigten
dem [X.]atenschutzinteresse des Schädigers
vorgehen zu lassen.

(2) Liegen die Voraussetzungen des §
35
Abs.
1 Nr.
3
[X.] M-V vor, so ergeben sich auch unter dem Aspekt der ärztlichen Schweigepflicht keine Hin-derungsgründe gegen eine Herausgabe der betreffenden [X.]aten (vgl. [X.]/
[X.], [X.]atenschutz im Krankenhaus, 4. Aufl., [X.]). [X.]emnach scheidet, wenn die Erteilung einer Auskunft nach §
35
Abs.
1 Nr.
3
[X.] M-V erlaubt ist,
eine Strafbarkeit der Auskunft gebenden Person nach § 203 Abs. 1 Nr. 1, Abs.
3 Satz 2 StGB von vorneherein aus,
da die [X.] gehörenden "Geheimnisses"
nicht unbefugt erfolgt. [X.]aher kann dahinstehen, ob und inwieweit die in der Verwaltung eines Krankenhauses täti-gen Mitarbeiter und insbesondere der Verwaltungsleiter
im Sinne des § 203 Abs. 3 Satz 2 StGB als Gehilfen der behandelnden
Krankenhausärzte angese-hen werden können
(siehe dazu mit einer umfassenden [X.]arstellung des Streit-

24
-

12

stands MüKoStGB/[X.]/Pohlit, 2.
Aufl., §
203 Rn.
122; Narr, Ärztliches Be-rufsrecht, 2. Aufl., 13. Ergänzungslieferung, Rn.
B 242).

[X.]
Herrmann
[X.]

[X.]
Remmert
Vorinstanzen:
AG [X.], Entscheidung vom 28.11.2013 -
1 [X.]/13 -

LG [X.], Entscheidung vom 01.10.2014 -
1 S 6/14 -

Meta

III ZR 329/14

09.07.2015

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.07.2015, Az. III ZR 329/14 (REWIS RS 2015, 8426)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 8426

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Wird zitiert von

7 O 11/20

Zitiert

III ZR 329/14

VI ZR 345/13

Zitieren mit Quelle:
x

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