11. Senat | REWIS RS 2012, 8189
STEUERRECHT STEUERN BUNDESFINANZHOF (BFH) UMSATZSTEUER Hinzufügen
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Elektronische Abgabe von Umsatzsteuer-Voranmeldungen - Gleichmäßigkeit der Besteuerung und des Steuervollzugs - Verpflichtungsklage auf Erlass eines gebundenen Verwaltungsakts - fehlerfreie Ermessensausübung
1. Die Verpflichtung eines Unternehmers, seine Umsatzsteuer-Voranmeldungen dem Finanzamt grundsätzlich durch Datenfernübertragung elektronisch zu übermitteln, ist verfassungsgemäß.
2. Beantragt der Unternehmer, zur Vermeidung von unbilligen Härten die Umsatzsteuer-Voranmeldungen (weiterhin) nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck in Papierform abgeben zu dürfen, muss das Finanzamt diesem Antrag entsprechen, wenn dem Unternehmer die elektronische Datenübermittlung der Umsatzsteuer-Voranmeldungen wirtschaftlich oder persönlich unzumutbar ist.
3. Liegt eine solche wirtschaftliche oder persönliche Unzumutbarkeit nicht vor, verbleibt es bei dem Anspruch des Unternehmers auf ermessensfehlerfreie Entscheidung des Finanzamts über diesen Antrag.
4. Der Unternehmer darf vom Finanzamt hinsichtlich der zur Erfüllung der Erklärungspflicht auf elektronischem Weg erforderlichen Hard- und Software grundsätzlich nicht auf den Internetzugang anderer "Konzerngesellschaften" verwiesen werden.
I. Streitig ist, ob die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) berechtigt ist, ihre Umsatzsteuer-Voranmeldungen weiterhin in Papierform abzugeben.
Die Klägerin ist eine im Jahr 2004 gegründete GmbH & Co. KG. Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin der Klägerin sind die Eheleute [X.]und [X.]sowie deren Kinder [X.]und D. Einziger Kommanditist der Klägerin ist A.
Die Klägerin vermietet [X.]an verbundene Unternehmen und erwirtschaftete in den Jahren 2005 bis 2008 einen Gewinn in einer Höhe von jeweils mehr als ... €. Sie erstellte ihre Buchführung handschriftlich mit einem sog. "[X.]Journal".
Mit Schreiben des A, eines ..., beantragte die Klägerin unter dem 12. Dezember 2004 beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--), ihre Umsatzsteuer-Voranmeldungen weiterhin in Papierform abzugeben und begründete dies wie folgt:
"Umsatzsteuervoranmeldung 2005
für Steuernummer: ...
[X.]und Herren,
ich beantrage hiermit, auch in Zukunft die Meldungen auf amtlichem Formular handschriftlich abgeben zu dürfen, weil ich a) aus technischer Sicht, b) aus persönlichen Gründen nicht in der Lage bin, der Vorschrift zu entsprechen.
Die Buchhaltung ist so klein, dass sie zurzeit ohne elektronische Hilfe erledigt werden kann. Außerdem verfügt die Buchhaltung nicht über die erforderliche Hard- und Software. Zusätzlich ist anzumerken, dass die Sachbearbeitung noch nicht in der Lage ist, mit einem P[X.]umzugehen [...]".
Den Antrag lehnte das F[X.]mit Schreiben vom 21. Dezember 2004 ab.
Der Einspruch vom 25. Dezember 2004, in dem [X.]u.a. auf sein Alter von ... Jahren, auf das Fehlen eines Internetzugangs, auf seine mangelnde Fähigkeit zur Nutzung des Internets, auf den Umstand, dass es sich um ein "neues Unternehmen" handele, welches "noch anlaufen" müsse sowie darauf verwiesen hatte, dass voraussichtlich nur ca. 150 Buchungssätze pro Jahr anfallen würden und dass die Buchführung in Form eines "[X.]Journals" erstellt werde, so dass ein technischer [X.]"völlig überdimensioniert" wäre, blieb ohne Erfolg. In der Einspruchsentscheidung vom 18. März 2005 führt das F[X.]zur Begründung aus:
"[...] Zur Vermeidung unbilliger Härten kann das Finanzamt in Ausnahmefällen weiterhin die Abgabe der [X.]in herkömmlicher Form (Papier) zulassen. Ein Härtefall kann vorliegen, wenn und solange es dem Unternehmer bzw. Arbeitgeber nicht zumutbar ist, die notwendigen technischen Voraussetzungen für die elektronische Übermittlung zu schaffen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Unternehmer
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finanziell nicht in der Lage ist, entsprechende Investitionen zu tätigen oder |
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kurzfristig eine Einstellung seiner betrieblichen Tätigkeit beabsichtigt oder |
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in nächster Zeit eine Umstellung der Software/Hardware beabsichtigt. |
Keines dieser Merkmale trifft jedoch zu. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die Gesellschaft zu einem Konzern gehört. Der Konzern --zu welchem die [X.]unterhält nach den vorliegenden Wirtschaftsprüfungsberichten eine hauseigene EDV-Anlage, in der sowohl die anfallenden Geschäftsvorfälle als auch die Lohn- und Gehaltsbuchführung erfasst werden. Mehrere der Konzerngesellschaften unterhalten zudem eine Internetpräsenz. Finanzielle Investitionen müssten --wenn überhaupt-- nur in sehr geringem Umfang getätigt werden. Dies ist der [X.]finanziell zuzumuten und verstößt gegen keinerlei Übermaßverbot. Die Einwendung, die Übermittlung von Steuerdaten mit der [X.]sei nicht sicher, ist unberechtigt [...]".
Auf die daraufhin erhobene Klage mit dem Antrag, das F[X.]zu verpflichten, ihr zu gestatten, Umsatzsteuer-Voranmeldungen weiterhin in herkömmlicher Form (Papierform) abgeben zu dürfen, verpflichtete das Finanzgericht (FG) das FA, den Antrag der Klägerin vom 12. Dezember 2004 unter Beachtung der Rechtsauffassung des [X.]neu zu bescheiden.
Die Klägerin habe nach der ab 1. Januar 2009 geltenden und im Streitfall maßgebenden Rechtslage keinen Anspruch, von der Verpflichtung befreit zu werden, Umsatzsteuer-Voranmeldungen in elektronischer Form abzugeben. Die grundsätzliche Verpflichtung zur Abgabe von Umsatzsteuer-Voranmeldungen in elektronischer Form nach § 18 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) liege innerhalb des verfassungsrechtlichen Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers. Weder das Fehlen der für eine elektronische Übermittlung erforderlichen Hard- und Software noch das geltend gemachte Alter der Geschäftsführer [X.]und [X.]oder die vorgebrachten generellen Sicherheitsbedenken gegen die Abgabe elektronischer Steueranmeldungen führten zu einem Anspruch auf Befreiung nach § 18 Abs. 1 UStG i.V.m. § 150 Abs. 8 der Abgabenordnung (AO).
Das F[X.]sei aber zur Neubescheidung des Antrags der Klägerin vom 12. Dezember 2004 zu verpflichten, weil es von dem ihm durch § 18 Abs. 1 UStG eingeräumten Ermessen nicht i.S. des § 102 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht habe. Es habe die Ermessensentscheidung nicht aufgrund einer erschöpfenden Ermittlung des Sachverhalts getroffen und die Ermessensentscheidung nicht mit einer hinreichenden Begründung (§ 121 Abs. 1 AO) versehen. Das F[X.]habe in seiner Einspruchsentscheidung pauschal auf eine "Konzernstruktur" verwiesen, in die die Klägerin eingebunden gewesen sei, ohne die "Konzerngesellschaften" zu bezeichnen oder in sonstiger Weise darzulegen, welche Verflechtungen seiner Ermessenserwägung zugrunde lagen. Außerdem fehlten jegliche Erwägungen zu Umsätzen und Gewinnen der Klägerin oder anderer mit der Klägerin verbundener Unternehmen. Zwar habe der Beklagte im Klageverfahren Konkretisierungen vorgenommen, allerdings überschreite dieses Nachholen den Rahmen des § 102 Satz 2 FGO, so dass der Ermessensfehler nicht geheilt werden könne.
Das Urteil ist veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2010, 277.
Mit ihrer durch das [X.]zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Das [X.]gehe unzutreffend von der Verfassungsmäßigkeit des § 18 Abs. 1 UStG, § 150 Abs. 8 AO aus. Der Gesetzgeber könne dem Unternehmer nicht vorschreiben, wie er den notwendigen Schriftwechsel mit den Finanzbehörden zu führen habe. Dies stelle einen nicht gerechtfertigten Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit und die Grundrechte aus Art. 12 und 14 des Grundgesetzes (GG) dar.
Jedenfalls verneine das [X.]unzutreffend eine Ermessensreduzierung auf Null im Rahmen einer ggf. durchzuführenden Härtefallprüfung. [X.]habe das von ihr verwendete [X.]Journal lediglich 30 Buchungen ausgewiesen. Lediglich in vier Fällen habe sich eine Umsatzsteuer ergeben. Aus drei Geschäftsvorfällen habe sich zusammen ein Betrag von ... € Vorsteuer ergeben. [X.]seien fünf Umsatzsteuer-Voranmeldungen eingereicht worden, aus denen sich eine Zahllast ergeben habe. Die übrigen sieben Umsatzsteuer-Voranmeldungen hätten "Null-Meldungen" enthalten. Sie verfüge nicht über die technischen Voraussetzungen zur elektronischen Übermittlung und sei auch nicht verpflichtet, diese zu schaffen. Außerdem bestehe die Gefahr von Virenverseuchung und unberechtigten Zugriffen auf ihre Buchhaltung über das Internet.
Im Übrigen sei der Zwang zur elektronischen Übermittlung der Umsatzsteuer-Voranmeldungen auch dann unverhältnismäßig und unzumutbar, wenn der Steuerpflichtige nicht mit dem elektronischen Datenverkehr vertraut sei und nicht über hinreichende Medienkompetenz verfüge. Dies sei bei den Geschäftsführern [X.]und [X.]der Fall. Auf die weiteren Geschäftsführer [X.]und [X.]könne nicht abgestellt werden. Diese seien "lediglich formal als solche bestellt" und nur wegen des Alters von [X.]und [X.]zu Geschäftsführern berufen worden. Tatsächlich nähmen die Kinder [X.]und [X.]--aus unterschiedlichen [X.]keine Geschäftsführertätigkeit wahr.
Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil des [X.]aufzuheben und das F[X.]unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 21. Dezember 2004 sowie der Einspruchsentscheidung vom 18. März 2005 unbefristet zu verpflichten, ihrem Antrag, die Umsatzsteuer-Voranmeldungen in Papierform abgeben zu dürfen, zu entsprechen.
Das F[X.]beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Es ist der Auffassung, § 18 Abs. 1 UStG und § 150 Abs. 8 AO verstießen nicht gegen das Grundgesetz.
Ein Anspruch nach § 150 Abs. 8 AO auf Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldungen in Papierform scheide aus. Der finanzielle Aufwand für den Erwerb eines Computers sei für die Klägerin unerheblich. Darüber hinaus könne die Klägerin auf die Nutzung des [X.]durch den Unternehmensverbund der [X.]zurückgreifen. Die X-KG, an deren Vermögen [X.]zu 50 % beteiligt sei, unterhalte eine hauseigene EDV-Anlage, in der sowohl die angefallenen Geschäftsvorfälle als auch die Lohn- und Gehaltsbuchführung erfasst würden. Mehrere Gesellschaften des von der [X.]beherrschten [X.]hätten eine Internetpräsenz in Form einer Homepage.
Alter und Hinweis auf mangelnde Computererfahrung einzelner von mehreren Geschäftsführern der Komplementärin der Klägerin führten ebenfalls nicht zu einer Ermessensreduzierung auf Null. Vielmehr seien dies lediglich Aspekte, die im Rahmen der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen seien, wobei auch in Betracht gezogen werden könne, dass gemäß § 34 Abs. 1 AO grundsätzlich jeder Geschäftsführer einer GmbH deren steuerrechtliche Pflichten zu erfüllen habe.
1. Das [X.]hat den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch zu Recht unter Zugrundelegung der im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (ab dem 1. Januar 2009) geltenden Regelungen des § 18 Abs. 1 UStG und des § 150 Abs. 8 AO beurteilt.
a) Die Verpflichtung, die Umsatzsteuer-Voranmeldungen elektronisch zu übermitteln, war zum 1. Januar 2005 durch § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG a.[X.]eingeführt worden. Nach dieser Vorschrift hatte der Unternehmer bis zum 10. Tag nach Ablauf jedes Voranmeldungszeitraums eine [X.]nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck auf elektronischem Weg nach Maßgabe der [X.](StDÜV) zu übermitteln ...; auf Antrag konnte das Finanzamt zur Vermeidung von unbilligen Härten auf eine elektronische Übermittlung verzichten.
b) § 18 Abs. 1 UStG wurde mit Wirkung vom 1. Januar 2009 durch das [X.](Steuerbürokratieabbaugesetz) vom 20. Dezember 2008 (BGBl I 2008, 2850) neu gefasst (Art. 8 Nr. 2 Buchst. a, Art. 17 des Steuerbürokratieabbaugesetzes). Nach § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG hat der Unternehmer bis zum 10. Tag nach Ablauf jedes Voranmeldungszeitraums eine Voranmeldung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung (DFÜ) nach Maßgabe der [X.]zu übermitteln ... Gemäß § 18 Abs. 1 Satz 2 UStG kann das Finanzamt zur Vermeidung von unbilligen Härten auf Antrag auf eine elektronische Übermittlung verzichten; in diesem Fall hat der Unternehmer eine Voranmeldung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck abzugeben.
Hierzu bestimmt der zeitgleich eingeführte § 150 Abs. 8 AO (Art. 10 Nr. 4, Art. 17 des Steuerbürokratieabbaugesetzes): "Ordnen die Steuergesetze an, dass die Finanzbehörde auf Antrag zur Vermeidung unbilliger Härten auf eine Übermittlung der Steuererklärung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung verzichten kann, ist einem solchen Antrag zu entsprechen, wenn eine [X.]nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung für den Steuerpflichtigen wirtschaftlich oder persönlich unzumutbar ist. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Schaffung der technischen Möglichkeiten für eine Datenfernübertragung des amtlich vorgeschriebenen Datensatzes nur mit einem nicht unerheblichen finanziellen Aufwand möglich wäre oder wenn der Steuerpflichtige nach seinen individuellen Kenntnissen und Fähigkeiten nicht oder nur eingeschränkt in der Lage ist, die Möglichkeiten der Datenfernübertragung zu nutzen."
c) Bei [X.]auf Erlass eines gebundenen Verwaltungsakts kommt es grundsätzlich auf die im Zeitpunkt der Entscheidung in der Tatsacheninstanz bestehende Sach- und Rechtslage an (vgl. Urteile des [X.]--BFH-- vom 21. Juli 1992 VII R 28/91, [X.]1993, 440, unter 2.b; vom 2. Juni 2005 III R 66/04, BFHE 210, 265, [X.]2006, 184, unter [X.]aa; Urteil des [X.]--BVerwG-- vom 24. Juni 2004 2 [X.]45/03, BVerwGE 121, 140, unter 1.a, m.w.N.; [X.]in Hübschmann/Hepp/[X.]--HHSp--, § 101 FGO [X.]25 f., m.w.N.; [X.]in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 101 FGO [X.]8; [X.]in Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 113 [X.]102).
Dies gilt auch bei Ermessensentscheidungen, wenn --wie hier-- eine Ermessensreduzierung auf Null geltend gemacht wird (vgl. BVerwG-Urteil vom 21. Januar 1992 1 [X.]49/88, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht 1992, 1211; [X.]in HHSp, § 5 AO [X.]235 ff., 242; [X.]in Tipke/Kruse, a.a.O., § 101 FGO [X.]8, m.w.N.; Wagner, E[X.]2010, 280, 281; [X.]in Sodan/ Ziekow, a.a.O., § 113 [X.]113). Eine solche Verpflichtung kann nur ausgesprochen werden, wenn zu dem Zeitpunkt, in dem die gerichtliche Entscheidung ergeht, ein Anspruch auf die erstrebte Verpflichtung des [X.]besteht (vgl. [X.]in HHSp, § 101 FGO [X.]25, m.w.N.; [X.]in Tipke/Kruse, a.a.O., § 5 AO [X.]77, m.w.N.; Wagner, E[X.]2010, 280, 281).
2. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die Regelung in § 18 Abs. 1 UStG i.V.m. § 150 Abs. 8 AO verfassungsgemäß (vgl. Niedersächsisches FG, Urteil vom 17. März 2009 5 K 303/08, E[X.]2009, 1069, rkr.; [X.]Hamburg, Urteil vom 9. November 2009 2 K 65/08, nicht veröffentlicht --n.v.--, rkr.; Drüen/ Hechtner, [X.]Steuerrecht --DStR-- 2006, 821, 822; [X.]in Weimann/Lang, § 18 UStG Ziff. 2.1.1; Maunz in Hartmann/ Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz, § 18 [X.]50; Wagner, E[X.]2010, 280, 282; wohl auch [X.]in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 18 [X.]224; Treiber in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 18 [X.]11; [X.]in Bunjes, UStG, 10. Aufl., § 18 [X.]4; [X.]in Offerhaus/Söhn/Lange, § 18 UStG [X.]24). Die Regelung liegt innerhalb des verfassungsrechtlichen Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers und wahrt insbesondere die Verhältnismäßigkeit.
a) Die Pflicht zur elektronischen Übermittlung der [X.]nach § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG dient verfassungsrechtlich legitimen Zielen.
aa) Die online übermittelte elektronische Steuererklärung bietet der Finanzverwaltung den großen Vorteil, die vom Steuerpflichtigen bzw. von dessen Berater bereits erfassten elektronischen Daten unmittelbar weiterverarbeiten zu können. Neben der Verwaltungsvereinfachung und der administrativen Kostenersparnis verbessert die elektronische Übermittlung offenkundig die Überprüfungsmöglichkeiten von Umsatzsteuer-Voranmeldungen durch die Finanzverwaltung und beschleunigt die Auswertung (vgl. Drüen/Hechtner, DStR 2006, 821, 822; [X.]in Tipke/ Kruse, a.a.O., § 150 AO [X.]36 i.V.m. § 85 AO [X.]33 ff.).
bb) Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich sowohl bei der Sicherstellung der von Art. 3 Abs. 1 GG verlangten Gleichmäßigkeit der Besteuerung und des Steuervollzugs (vgl. Urteile des [X.]vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89, [X.]84, 239, [X.]1991, 654; vom 9. März 2004 2 BvL 17/02, [X.]110, 94, 115, [X.]2005, 56) und auch bei der Gewährleistung einer effektiven, möglichst wirtschaftlichen und einfachen Verwaltung (vgl. Art. 20 Abs. 3 GG) um gewichtige öffentliche Belange handelt (vgl. BFH-Urteile vom 16. November 2011 X R 18/09, [X.]2012, 129, unter [X.](3) - [X.]67 -; vom 18. Januar 2012 II R 49/10, BFHE 235, 151, unter [X.]aa - [X.]47 - und [X.]bb ggg - [X.]96 -).
Die Automatisierung und maschinelle Bearbeitungsfähigkeit der [X.]sind in besonderem Maße geeignet, die Verwirklichung der genannten Belange zu fördern.
(1) Hängt die Festsetzung einer Steuer --wie vorliegend-- von der Erklärung des Steuerschuldners ab, werden erhöhte Anforderungen an die Steuerehrlichkeit des Steuerpflichtigen gestellt. Der Gesetzgeber muss die Steuerehrlichkeit deshalb durch hinreichende, die steuerliche Belastungsgleichheit gewährleistende Kontrollmöglichkeiten abstützen. Im Veranlagungsverfahren bedarf das Deklarationsprinzip der Ergänzung durch das Verifikationsprinzip (vgl. BVerfG-Urteil in [X.]84, 239, [X.]1991, 654, unter C.I.2.; in [X.]110, 94, [X.]2005, 56, unter C.II.1.).
(2) Dabei kommt insbesondere im Bereich der Umsatzsteuer der Bekämpfung des Steuerbetrugs besondere Bedeutung zu (vgl. z.B. Drüen/Hechtner, DStR 2006, 821, 822; Mattes, [X.]--UR-- 2006, 689; Ammann, [X.]2009, 372; Kemper, [X.]2009, 751; Pahne, [X.]2011, 247). So wird beispielsweise in dem Bericht des [X.]vom 3. September 2003 über Steuerausfälle bei der Umsatzsteuer durch Steuerbetrug und Steuervermeidung davon ausgegangen, dass dem Fiskus zum damaligen Zeitpunkt durch nationale und internationale Betrugsdelikte im Bereich der Umsatzsteuer jährlich zweistellige Milliardenbeträge entgehen (BTDrucks 15/1495, 3). Ebenso ergibt sich aus dem Gemeinsamen Bericht des [X.]und der Rechnungshöfe von [X.]und den [X.]zum innergemeinschaftlichen Umsatzsteuerbetrug vom 12. März 2009 die Notwendigkeit eines schnelleren Datenaustauschs der Steuerverwaltungen der Mitgliedstaaten (www.bundesrechnungshof.de/veroeffentlichungen/sonderberichte).
cc) Auch das Unionsrecht sieht die Befugnis der Mitgliedstaaten vor, die Übermittlung von Umsatzsteuer-Voranmeldungen auf elektronischem Weg vorzuschreiben (vgl. Art. 22 Abs. 4 Buchst. a der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern; Art. 250 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112/[X.]vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem --Amtsblatt der [X.]Nr. L 347, 1--).
b) § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG verstößt nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. dazu z.B. BFH-Urteil in [X.]2012, 129, unter [X.]- [X.]62 ff.-).
aa) Der Gesetzgeber hat die Frage der Zumutbarkeit gesehen und ihr durch die sog. Härtefallregelung in § 18 Abs. 1 Satz 2 UStG Rechnung getragen.
bb) Zudem haben die Finanzbehörden in den Fällen des § 150 Abs. 8 AO abweichend von § 18 Abs. 1 Satz 2 UStG keinen Ermessensspielraum. Denn ausweislich der Gesetzesmaterialien wurde durch § 150 Abs. 8 AO "in Ergänzung der einzelgesetzlichen Regelungen" (vgl. BTDrucks 16/10940, 10) der nach den Einzelsteuergesetzen bestehende Ermessensspielraum bei der Entscheidung über einen Härtefallantrag in den in § 150 Abs. 8 AO aufgeführten Fällen (wirtschaftliche oder persönliche Unzumutbarkeit) --zu Gunsten der [X.]beseitigt und ein Anspruch auf Befreiung begründet (vgl. BTDrucks 16/10910, 1; BTDrucks 16/10940, 10; [X.]in HHSp, § 150 [X.]53). § 150 Abs. 8 AO konkretisiert bestimmte Härtefälle und verdichtet in Fällen der wirtschaftlichen oder persönlichen Unzumutbarkeit den nach den Einzelsteuergesetzen bestehenden Anspruch des Steuerpflichtigen auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Befreiungsantrag zu einem Anspruch auf Befreiung.
(1) § 150 Abs. 8 AO, der in dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Steuerbürokratieabbaugesetz vom 2. September 2008 (BTDrucks 16/10188) noch nicht enthalten war, ist aufgrund der Beschlussempfehlung des federführenden Finanzausschusses des [X.]vom 12. November 2008 in den Gesetzentwurf aufgenommen worden (BTDrucks 16/10910).
Der Finanzausschuss empfahl darin "insbesondere, den Gesetzentwurf dahingehend zu ändern, dass in bestimmten Härtefällen ein Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zur Übermittlung von Daten an die Finanzverwaltung in Papierform besteht" (vgl. BTDrucks 16/10910, 1).
(2) Im Bericht des Finanzausschusses vom 13. November 2008 wird das Anliegen des Antrags allgemein vorgestellt (BTDrucks 16/10940, 3):
Danach ermögliche es § 150 Abs. 8 AO "denjenigen, die nicht über die technischen Voraussetzungen verfügen, weiterhin Daten auf Papierbasis zu übermitteln." Die Regelung sei so weit gefasst, dass eine ungerechtfertigte Versagung einer Ausnahmegenehmigung ausgeschlossen sei. Gegen die Möglichkeit der tatsächlichen Freiwilligkeit der elektronischen Datenübermittlung habe man sich entschieden, da man zu der Auffassung gekommen sei, dass die Nutzung der von der Steuerbehörde aufgebauten Infrastruktur im wirtschaftlich notwendigen Ausmaß nur durch die verpflichtende Einführung der elektronischen Datenübermittlung sichergestellt sei. Um dennoch jede Form von Unbilligkeit zu vermeiden, habe man sich auf eine großzügige Ausnahmeregelung ohne Notwendigkeit eines förmlichen Antrags geeinigt. Auch Schwierigkeiten mit der Kapazität der Datenleitungen insbesondere im ländlichen Raum führten zur Erzielung einer Ausnahmegenehmigung.
(3) Weiter wird § 150 Abs. 8 AO wie folgt im Einzelnen dargestellt (BTDrucks 16/10940, 10):
"Die Finanzbehörden können nach den einschlägigen Regelungen der Steuergesetze (z.B. § 25 Abs. 4 Satz 2 EStG, § 31 Abs. 1a Satz 2 KStG, § 14a Satz 2 GewStG oder § 181 Abs. 2a AO) zur Vermeidung unbilliger Härten auf Antrag auf eine Übermittlung der Steuererklärung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung verzichten. § 150 Abs. 8 AO bestimmt in Ergänzung der einzelgesetzlichen Regelungen, dass dem Antrag zu entsprechen ist, wenn die Härte darin besteht, dass dem Steuerpflichtigen die [X.]nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung wirtschaftlich oder persönlich nicht zuzumuten ist. In diesen Fällen haben die Finanzbehörden abweichend von den einzelgesetzlichen Regelungen keinen Ermessensspielraum.
Einem Steuerpflichtigen ist die [X.]nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung insbesondere nicht zuzumuten, wenn er nicht über die erforderliche technische Ausstattung verfügt und es für ihn nur mit nicht unerheblichem finanziellen Aufwand möglich wäre, die für eine elektronische Übermittlung der Steuererklärungen nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz mittels Datenfernübertragung erforderlichen technischen Möglichkeiten zu schaffen. Eine unbillige Härte ist darüber hinaus anzunehmen, wenn der Steuerpflichtige nach seinen individuellen Kenntnissen und Fähigkeiten nicht oder nur eingeschränkt in der Lage ist, die Möglichkeiten einer Datenfernübertragung zu nutzen. In der Praxis dürften diese Voraussetzungen insbesondere bei Kleinstbetrieben gegeben sein."
c) Die in § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG enthaltene Anordnung begegnet unter Berücksichtigung der Regelungen in § 18 Abs. 1 Satz 2 UStG und in § 150 Abs. 8 AO keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
aa) Der Einwand der Klägerin, die Vorschrift des § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG verpflichte den Unternehmer, Umsatzsteuer-Voranmeldungen "nur" noch auf elektronischem Weg zu übermitteln, greift zu kurz.
Denn die Vorschriften des § 18 Abs. 1 Satz 2 UStG und des § 150 Abs. 8 AO bieten bei sachgerechter, die Vorstellungen des Gesetzgebers berücksichtigender Anwendung hinreichend Gewähr, dass etwaige Härten im Einzelfall vermieden werden.
bb) Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass nach § 18 Abs. 2 Satz 3 UStG das Finanzamt den Unternehmer von der Verpflichtung zur Abgabe der Voranmeldungen und Entrichtung der Vorauszahlungen befreien kann, wenn die Steuer für das vorangegangene Kalenderjahr nicht mehr als 1.000 € beträgt. Wird diese Befreiung erteilt (vgl. dazu Abschn. 18.2. Abs. 2 Satz 2 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses --UStAE--) entfällt somit auch die Verpflichtung zur elektronischen Übermittlung.
Unabhängig von der Regelung des § 18 Abs. 2 Satz 3 UStG kann das Finanzamt den Unternehmer von der Abgabe von Voranmeldungen befreien, z.B. wenn und soweit in bestimmten Voranmeldungszeiträumen regelmäßig keine Umsatzsteuer entsteht (Abschn. 18.6. Abs. 1 Satz 1 UStAE).
3. Im Ergebnis zu Recht hat das [X.]entschieden, dass sich ein Anspruch der Klägerin darauf, die Umsatzsteuer-Voranmeldungen weiterhin auf amtlich vorgeschriebenem Vordruck (Papierform) abgeben zu dürfen, nicht aus § 150 Abs. 8 AO ergibt.
Die dafür erforderliche Voraussetzung, dass der Klägerin die Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldungen nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch [X.]wirtschaftlich oder persönlich unzumutbar ist (vgl. § 150 Abs. 8 Satz 1 AO), liegt nicht vor.
a) Wirtschaftliche Unzumutbarkeit i.S. des § 150 Abs. 8 Satz 1 AO ist gegeben, wenn die Schaffung der technischen Möglichkeiten für eine [X.]nur mit einem nicht unerheblichen finanziellen Aufwand möglich wäre (vgl. § 150 Abs. 8 Satz 2 Alternative 1 AO).
Davon kann im Streitfall schon angesichts der von der Klägerin erwirtschafteten Gewinne (in den Jahren 2005 bis 2008 jeweils mehr als ... €) nicht ausgegangen werden. Sie trägt selbst vor, dass für den Zugang zum [X.]in der heutigen [X.]nur ein unerheblicher finanzieller Aufwand erforderlich sei. Soweit sie darauf hinweist, bei der Frage des finanziellen Aufwands dürfe nicht unberücksichtigt bleiben, dass für einen internetfähigen Computer GEZ-Gebühren erhoben würden, wäre dies im Streitfall jedenfalls angesichts der Höhe der Gewinne der Klägerin unbeachtlich.
aa) Zwar wurde zu § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG a.[X.]die Ansicht vertreten, die Vorschrift umfasse nicht die Pflicht des Unternehmers, sich zur Erfüllung der Erklärungspflicht auf elektronischem Wege Hard- und Software (erst) anschaffen zu müssen (vgl. [X.]Hamburg, Beschluss vom 10. März 2005 II 51/05, E[X.]2005, 992; Niedersächsisches FG, Urteil in E[X.]2009, 1069, rkr.; Drüen/Hechtner, DStR 2006, 821, 824; Seer, [X.]31 [2008], 7, 23; Maunz in Hartmann/Metzenmacher, § 18 UStG [X.]53).
Diese Ansicht konnte sich auf die Gesetzesbegründung zu § 18 Abs. 1 UStG a.[X.]stützen, wonach dem Härtefallantrag insbesondere dann stattzugeben sei, wenn der Unternehmer nicht über die technischen Voraussetzungen verfüge, die für die Übermittlung nach der [X.]eingehalten werden müssten (BTDrucks 15/1798, 13; BTDrucks 15/1945, 14).
bb) § 150 Abs. 8 Satz 1 i.V.m. Satz 2 Alternative 1 [X.]stellt jedoch für einen Anspruch auf Befreiung nicht auf das Vorhandensein technischer Ausstattung ab, sondern darauf, ob die "Schaffung" der technischen Möglichkeiten für eine [X.]für den Unternehmer nur mit einem nicht unerheblichen finanziellen Aufwand möglich wäre.
Damit hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass im Rahmen des § 150 Abs. 8 AO bei wirtschaftlicher Zumutbarkeit der Anschaffung allein das Fehlen der für eine elektronische Übermittlung der Voranmeldungen erforderlichen Technik keinen Anspruch i.S. des § 150 Abs. 8 Satz 1 AO auf Befreiung von der Abgabe von Voranmeldungen in elektronischer Form begründet (ebenso Wagner, E[X.]2010, 280, 282; a.A. Klein/Rätke, AO, 10. Aufl., § 150 [X.]21; [X.]in Tipke/Kruse, a.a.O., § 150 AO [X.]43, jedoch ohne auf den Wortlaut des § 150 Abs. 8 Satz 2 AO näher einzugehen).
Dies bedeutet aber nicht, dass die Frage der vorhandenen technischen Ausstattung nicht im Rahmen der Ermessensausübung nach § 18 Abs. 1 Satz 2 UStG zu berücksichtigen wäre (s. unter II.4.b dd).
b) Der Klägerin ist die Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldungen auf elektronischem Weg auch nicht i.S. des § 150 Abs. 8 Satz 1 AO aus persönlichen Gründen unzumutbar.
aa) Persönliche Unzumutbarkeit im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn der Steuerpflichtige nach seinen individuellen Kenntnissen und Fähigkeiten nicht oder nur eingeschränkt in der Lage ist, die Möglichkeiten der [X.]zu nutzen (vgl. § 150 Abs. 8 Satz 2 Alternative 2 AO).
bb) Diese Voraussetzung ist zwar gegeben, wenn der Steuerpflichtige über keinerlei Medienkompetenz verfügt und z.B. aufgrund seines Alters auch keinen Zugang zur Computertechnik mehr finden kann (vgl. [X.]in HHSp, § 150 FGO [X.]53; [X.]in Tipke/Kruse, a.a.O., § 150 AO [X.]43; Klein/Rätke, a.a.O., § 150 [X.]21; Pahlke/Koenig/Cöster, Abgabenordnung, 2. Aufl., § 150 [X.]40). Darauf beruft sich die Klägerin aber ohne Erfolg.
(1) Die Klägerin ist eine [X.](§ 161 des Handelsgesetzbuchs --HGB--). Sie wird durch die Komplementär-GmbH und diese durch ihre vier Geschäftsführer A, B, [X.]und [X.]vertreten. Zu Recht weist das [X.]darauf hin, dass Alter und mangelnde Computererfahrung lediglich einzelner von mehreren Geschäftsführern grundsätzlich nicht geeignet sind, einen Anspruch auf Befreiung i.S. des § 150 Abs. 8 Satz 1 AO zu begründen.
Denn bei einer [X.]haben die geschäftsführenden persönlich haftenden Gesellschafter (§§ 161, 114, 125, 164, 170 HGB) die Pflichten zu erfüllen, welche dieser Gesellschaft wegen der Besteuerung auferlegt sind (§ 34 Abs. 1 AO). Ist persönlich haftender Gesellschafter eine GmbH, haben deren Geschäftsführer (§ 35 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung --GmbHG--) die steuerlichen Pflichten dieser Gesellschaft (§ 34 Abs. 1 AO) und mit diesen die steuerlichen Pflichten der [X.]zu erfüllen. Zu diesen Pflichten gehört es auch, Steuererklärungen abzugeben (vgl. [X.]in HHSp, § 34 AO [X.]45; [X.]in Tipke/Kruse, a.a.O., § 34 AO [X.]19).
(2) Sind --wie hier-- mehrere gesetzliche Vertreter einer GmbH bestellt, so trifft jeden von ihnen gemäß § 34 Abs. 1 AO, § 35 GmbHG die Pflicht zur Geschäftsführung im Ganzen, d.h. grundsätzlich jeder von ihnen hat auch alle steuerlichen Pflichten zu erfüllen, die der GmbH auferlegt sind (vgl. BFH-Urteile vom 26. April 1984 V R 128/79, BFHE 141, 443, [X.]1984, 776; vom 23. Juni 1998 VII R 4/98, BFHE 186, 132, [X.]1998, 761).
Als Geschäftsführer der GmbH trifft deshalb auch [X.]und [X.]die Verpflichtung, bis zum 10. Tag nach Ablauf jedes Voranmeldungszeitraums eine Voranmeldung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch [X.]nach Maßgabe der [X.]zu übermitteln (§ 34 Abs. 1 AO, § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG). Unerheblich sind die Einwände der Klägerin, [X.]und [X.]seien lediglich formal bestellt (vgl. [X.]in HHSp, § 34 AO [X.]54, m.w.N.) und private Gründe hinderten [X.]und [X.]an der Ausübung der Geschäftsführertätigkeit. Anhaltspunkte dafür, dass sie nicht über die für eine [X.]notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen, sind weder vorgetragen noch anderweitig zu erkennen.
c) Sonstige Gründe, aus denen sich im Streitfall aus § 150 Abs. 8 Satz 1 AO außerhalb der in § 150 Abs. 8 Satz 2 AO formulierten Regelbeispiele ("insbesondere") ein Anspruch der Klägerin auf Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldungen auf amtlich vorgeschriebenem Vordruck ergeben könnte, sind durch das [X.]nicht festgestellt worden und auch nicht ersichtlich.
Sie können insbesondere nicht aus allgemeinen Bedenken gegen die Sicherheit der von § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG vorgeschriebenen elektronischen Übermittlung von Voranmeldungen nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch eine Datenübertragung nach Maßgabe der --aufgrund der Ermächtigung in § 150 Abs. 6 AO erlassenen-- [X.]i.d.[X.]der Änderungsverordnung vom 20. Dezember 2006, BGBl I 2006, 3380 (abgedruckt u.a. bei [X.]in HHSp, § 150 AO [X.]51) hergeleitet werden (vgl. Niedersächsisches FG, Urteil in E[X.]2009, 1069, rkr.; [X.]Hamburg, Urteil vom 9. November 2009 2 K 65/08, n.v., rkr.; Drüen/Hechtner, DStR 2006, 821, 827 f.; Wagner, E[X.]2010, 280, 282; Maunz in Hartmann/Metzenmacher, § 18 UStG [X.]50; [X.]in Weimann/Lang, § 18 UStG Ziff. 2.1.1; wohl auch Treiber in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 18 [X.]12a; [X.]in Bunjes, a.a.O., § 18 [X.]4; a.[X.]in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 18 [X.]51 a.E.).
Hierzu hat das [X.]zu Recht im Einzelnen --und insoweit von der Revision nicht [X.]dargelegt, dass die Übermittlung der Daten im --auf der Basis der [X.]von der Finanzverwaltung zur Verfügung gestellten-- ELSTER-Verfahren (vgl. dazu Drüen/Hechtner, DStR 2006, 821, 824 ff.; [X.]in Tipke/Kruse, a.a.O., § 150 AO [X.]35 ff.) nicht manipulationsanfälliger als die papiergebundene Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldungen ist.
Ein etwaiges trotz Anwendung der zur Verfügung stehenden technischen Sicherungsmöglichkeiten verbleibendes Risiko eines "Hacker-Angriffs" auf die gespeicherten oder übermittelten Daten ist im überwiegenden Interesse des Gemeinwohls hinzunehmen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 235, 151, unter [X.]- [X.]102 -).
4. Im Ergebnis zu Recht hat das [X.]das [X.]zur Neubescheidung der Klägerin verpflichtet (§ 101 Satz 2 FGO).
a) Da nach den tatsächlichen Feststellungen des [X.]die Voraussetzungen des § 150 Abs. 8 AO für einen Anspruch der Klägerin, die Umsatzsteuer-Voranmeldungen weiterhin in Papierform abgeben zu dürfen, nicht gegeben sind, verbleibt es bei ihrem Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über ihren Antrag gemäß § 18 Abs. 1 Satz 2 UStG, auf die elektronische Übermittlung zur Vermeidung unbilliger Härten zu verzichten (vgl. [X.]in HHSp, § 150 AO [X.]53 f.; [X.]in Offerhaus/ Söhn/Lange, § 18 UStG [X.]24). Davon ist das [X.]zutreffend ausgegangen.
b) Dem ist das [X.]bislang --wie das [X.]im Ergebnis zu Recht entschieden [X.]nicht nachgekommen, weil es von dem durch § 18 Abs. 1 Satz 2 UStG eingeräumten Ermessen nicht --wie nach § 102 Satz 1 FGO erforderlich-- in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat.
aa) Im Rahmen des § 18 Abs. 1 Satz 2 UStG sind einerseits die vom Unternehmer für das Vorliegen eines Härtefalls vorgetragenen Gründe in die pflichtgemäße Ermessensausübung und Einzelfallabwägung umfassend einzubeziehen. Andererseits sind diesen Erwägungen die dargelegten Interessen des Fiskus an einer elektronischen Übermittlung der Umsatzsteuer-Voranmeldungen gegenüberzustellen.
bb) Das [X.]hat in seiner Einspruchsentscheidung vom 18. März 2005 im [X.]dargelegt, dass ein Härtefall i.S. des § 18 Abs. 1 UStG dann vorliegen könne, wenn ein Unternehmer finanziell nicht zu den für eine elektronische Übermittlung erforderlichen Investitionen in der Lage sei oder kurzfristig eine Einstellung seiner betrieblichen Tätigkeit oder eine Umstellung der Soft- bzw. Hardware beabsichtige. Es hat das Vorliegen dieser Tatbestände verneint und dabei die Zugehörigkeit der Klägerin zu einem "Konzern" berücksichtigt.
cc) Dies ist bereits deshalb unzureichend, weil das [X.]die von der Klägerin mit ihrem Antrag vom 12. Dezember 2004 und mit ihrem Einspruch vom 25. Dezember 2004 vorgetragenen Gründe für eine Befreiung nicht --bzw. nicht vollständig-- gewürdigt hat.
Eine fehlerfreie Ermessensausübung setzt aber voraus, dass die Behörde ihre Entscheidung anhand eines einwandfrei und erschöpfend ermittelten Sachverhalts trifft und dabei die Gesichtspunkte tatsächlicher und rechtlicher Art berücksichtigt, die nach Sinn und Zweck der Norm, die das Ermessen einräumt, maßgeblich sind (vgl. dazu z.B. BFH-Urteil vom 22. Mai 2001 VII R 79/00, [X.]2001, 1369, unter II.1.; [X.]vom 25. August 2010 X [X.]149/09, [X.]2011, 266, unter II.2.b, m.w.N.; [X.]in HHSp, § 5 AO [X.]122; [X.]in Tipke/ Kruse, a.a.O., § 102 FGO [X.]1a, m.w.N.; [X.]in HHSp, § 102 FGO [X.]87, 97 ff., m.w.N.).
dd) Bei der nach § 18 Abs. 1 Satz 2 UStG zu treffenden Ermessensentscheidung muss das Finanzamt insbesondere den Einwand eines Unternehmers berücksichtigen, er verfüge nicht über die für eine elektronische Übermittlung der Umsatzsteuer-Voranmeldungen erforderliche Hard- und Software (vgl. [X.]in HHSp, § 150 AO [X.]54; [X.]in Bunjes, a.a.O., § 18 [X.]4). Das ergibt sich aus der (unter [X.]und b) dargelegten Entstehungsgeschichte des § 18 Abs. 1 Satz 2 UStG und insbesondere aus den (unter [X.]bb) wiedergegebenen Vorstellungen des Gesetzgebers.
Soweit das [X.]in seiner Einspruchsentscheidung die Klägerin hinsichtlich der für eine elektronische Übermittlung der Umsatzsteuer-Voranmeldungen erforderlichen technischen Ausstattung auf den Internetzugang anderer "Konzerngesellschaften" verwiesen hat, ist diese --vom [X.]vor dem [X.]und in der Revisionserwiderung vertiefte und vom [X.]grundsätzlich für zutreffend gehaltene-- Erwägung nicht statthaft. Denn bei der Klägerin und den vom [X.]angesprochenen "Konzerngesellschaften" handelt es sich um selbständige Rechtssubjekte. Folglich kann die technische Ausstattung anderer "Konzerngesellschaften" grundsätzlich nicht der Klägerin zugerechnet werden. Zudem hat das [X.]bei seiner Argumentation die sich aus dem Steuergeheimnis gemäß § 30 AO ergebenden Grenzen nicht beachtet.
Ob im Fall einer Organschaft (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG) etwas anderes gilt, braucht im Streitfall nicht entschieden zu werden. Denn nach dem vom [X.]festgestellten Sachverhalt liegen die Voraussetzungen einer Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG (s. dazu z.B. BFH-Urteile vom 1. Dezember 2010 XI R 43/08, BFHE 232, 550, [X.]2011, 600; vom 7. Juli 2011 V R 53/10, BFHE 234, 548, [X.]2011, 2195) im Streitfall nicht vor. Davon geht offenbar auch das [X.]aus.
c) Das [X.]hat den Antrag der Klägerin, ihre Umsatzsteuer-Voranmeldungen weiterhin in Papierform abgeben zu dürfen, bislang in der Einspruchsentscheidung vom 18. März 2005 erst auf der Grundlage der mittlerweile außer [X.]getretenen Regelung des § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG a.[X.]und des im Dezember 2004 von der Klägerin dargestellten --mittlerweile jedenfalls teilweise überholten-- Sachverhalts beurteilen können.
Da die Sache mangels einer Ermessensreduzierung auf Null nicht i.S. von § 101 Satz 1 FGO spruchreif ist (vgl. [X.]in Tipke/Kruse, a.a.O., § 101 FGO [X.]2; [X.]in Tipke/Kruse, a.a.O., § 102 FGO [X.]10, m.w.N.; [X.]in HHSp, § 102 FGO [X.]118) und der [X.]nicht befugt ist, sein Ermessen an die Stelle des Ermessens der Finanzbehörde zu setzen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 24. August 2011 I R 87/10, [X.]2012, 161, unter II.3.; [X.]in Tipke/Kruse, a.a.O., § 102 FGO [X.]9, m.w.N.; [X.]in HHSp, § 102 FGO [X.]114, m.w.N.) verbleibt es bei der vom [X.]bereits ausgesprochenen Verpflichtung des FA, die Klägerin --nunmehr unter Beachtung der Rechtsauffassung des [X.]erneut zu bescheiden (§ 101 Satz 2 FGO).
Meta
14.03.2012
Urteil
vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 20. Oktober 2009, Az: 5 K 149/05, Urteil
§ 18 Abs 1 UStG 2005, Art 22 Abs 2 Buchst a EWGRL 388/77, Art 250 Abs 2 EGRL 112/2006, § 34 Abs 1 AO, § 150 Abs 8 S 1 AO, § 101 FGO, § 102 FGO, § 150 Abs 8 S 2 AO, Art 3 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG, § 2 Abs 2 Nr 2 UStG 2005
Zitiervorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 14.03.2012, Az. XI R 33/09 (REWIS RS 2012, 8189)
Papierfundstellen: REWIS RS 2012, 8189
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
Verspätungszuschlag bei fehlender Erklärungsabgabe durch Datenfernübertragung
Pflicht zur Einreichung einer E-Bilanz bei finanziellem Aufwand von ca. 40 €
Abgabe einer Steuererklärung durch Übergabe eines Datenträgers (USB-Stick oder CD)
(Aufhebung einer Zuständigkeitsvereinbarung nach § 27 AO)
Keine unbillige Härte bei Verpflichtung eines Unternehmers zur elektronischen Übermittlung seiner Bilanz und GuV