Bundesgerichtshof, Urteil vom 23.07.2019, Az. VI ZR 337/18

6. Zivilsenat | REWIS RS 2019, 5201

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Gegenstand

Erklärung mit Nichtwissen durch in Anspruch genommene Kfz-Versicherung nach Verkehrsunfall


Leitsatz

Zur Zulässigkeit einer Erklärung mit Nichtwissen seitens des unmittelbar in Anspruch genommenen Kfz-Haftpflichtversicherers hinsichtlich der Darstellung des Unfallhergangs durch den Geschädigten.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil der 16. Zivilkammer des [X.] vom 24. Juli 2018 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger macht gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche wegen eines Verkehrsunfalls geltend.

2

Der Kläger hat behauptet, er habe am 25. November 2016 an einer Ampel wegen Rotlicht halten müssen, wobei offenbar aus Unachtsamkeit ein Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen M.        auf seinen PKW aufgefahren sei. Ein Fahrzeug mit einem solchen Kennzeichen war damals bei der [X.] haftpflichtversichert. Eine polizeiliche Unfallaufnahme fand ebenso wenig statt wie eine Dokumentation des Unfalls durch Fotos. Der Unfallgegner, der sich als "Herr B." vorstellte, nannte dem Kläger lediglich eine Telefonnummer und eine An-schrift.

3

Die Beklagte hat den vom Kläger geschilderten Unfallhergang, insbesondere eine Beteiligung des bei ihr versicherten Fahrzeugs an dem Unfallgeschehen, mit Nichtwissen bestritten, weil ihr eine überprüfbare Schadensmeldung nicht vorliege. Nach dem unstreitig gebliebenen Vortrag der [X.] war das Kraftfahrzeug mit dem vom Kläger genannten Kennzeichen am 16. November 2016 von ihrem Versicherungsnehmer an eine Person veräußert worden, die sich als "[X.]" ausgegeben hatte. Die vom Erwerber versprochene umgehende Ummeldung des PKWs auf den Käufer erfolgte nicht. Die Beklagte versuchte, sowohl dem Erwerber des bei ihr versicherten Fahrzeugs unter den im Kaufvertrag angegebenen Personalien als auch dem vom Kläger benannten Fahrzeugführer unter der dem Kläger mitgeteilten Anschrift ein Formular zur Schadensmeldung zu übermitteln. Beide Schreiben der [X.] kamen jedoch als unzustellbar zurück. Der Versicherungsnehmer der [X.] erstattete wegen der vom Erwerber im Kaufvertrag offensichtlich falsch angegebenen Personalien Strafanzeige.

4

Das Amtsgericht hat die Klage nach persönlicher Anhörung des [X.] abgewiesen. Die Berufung des [X.] blieb vor dem [X.] erfolglos. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

I.

5

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, das Amtsgericht habe zu Recht den vom Kläger geltend gemachten Schadensersatzanspruch verneint. Der Kläger habe zwar einen Schadensersatzanspruch gemäß §§ 7, 17 [X.] in Verbindung mit § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] nach Grund und Höhe schlüssig dargelegt. Das Amtsgericht habe aber zutreffend angenommen, dass die Beklagte die [X.] des bei ihr versicherten Kraftfahrzeugs zulässigerweise mit Nichtwissen habe bestreiten können und der Rechtsstreit daher auf dieser (streitigen) Grundlage zu entscheiden gewesen sei. Die hier entscheidungserhebliche, strittige und höchstrichterlich noch ungeklärte Frage, ob der alleinverklagte Haftpflichtversicherer den Unfallhergang bzw. die Beteiligung des bei ihm versicherten Fahrzeugs an dem behaupteten Verkehrsunfall in Fällen wie dem vorliegenden mit Nichtwissen bestreiten dürfe, sei zu bejahen. Da die Geständniswirkung des § 138 Abs. 3 ZPO somit nicht eingreife, sei der beweisbelastete Kläger für die [X.] des bei der [X.] versicherten Kraftfahrzeugs beweisfällig geblieben. Insoweit seien Beweiserhebung und Beweiswürdigung durch das Amtsgericht nicht zu beanstanden.

II.

6

Diese Erwägungen halten im Ergebnis den Angriffen der Revision stand. Es ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht das Bestehen eines [X.] des Klägers gegen die Beklagte nach § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. §§ 122, 95 Abs. 1 [X.] verneint hat, weil der Kläger die Anspruchsvoraussetzungen nicht nachweisen konnte.

7

1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die [X.] eines bei der [X.] nach § 1 [X.] haftpflichtversicherten Kraftfahrzeuges notwendige Voraussetzung für den gegen die Beklagte geltend gemachten Direktanspruch ist. Nur in diesem Fall kann sich hier ein etwaiger Schadensersatzanspruch des Klägers nach §§ 7, 17, 18 [X.] oder § 823 BGB gegen einen Versicherungsnehmer der [X.] oder gegen einen Mitversicherten richten, wie es § 115 Abs. 1 [X.] erfordert (vgl. Senatsurteile vom 5. Dezember 1978 - [X.], [X.], 256, 258, juris Rn. 10; vom 31. Januar 2012 - [X.], [X.], 261 Rn. 6; vom 8. Dezember 2015 - [X.], [X.]Z 2018, 140 Rn. 20; vom 27. Februar 2018 - [X.], [X.], 624 Rn. 15; [X.] in [X.], [X.], 9. Aufl., § 115 Rn. 23 f. [X.]; [X.] in [X.]/[X.], jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2016, § 115 [X.] Rn. 21 [X.]).

8

2. Anders als die Revision meint, hat das Berufungsgericht die behauptete [X.] des bei der [X.] haftpflichtversicherten Kraftfahrzeugs zu Recht seitens [X.], 45. Aufl., [X.] § 7 Rn. 48 [X.]; [X.] in [X.], [X.], 27. Aufl., Kapitel 25 Rn. 249 [X.]) Klägers für beweisbedürftig gehalten. Die Beklagte durfte sich zu dieser Behauptung gemäß § 138 Abs. 4 ZPO mit Nichtwissen erklären, so dass sie nicht nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gilt.

9

a) Nach § 138 Abs. 4 ZPO ist eine Erklärung mit Nichtwissen - also die Einlassung, die Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Behauptungen des Gegners nicht zu kennen (vgl. [X.], Urteil vom 12. November 2015 - I ZR 167/14, [X.], 985 Rn. 124) - nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der [X.] noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind; bei einer juristischen Person kommt es insoweit auf ihre Organe an (vgl. [X.], Urteile vom 8. Januar 2019 - [X.]/17, [X.], 815 Rn. 34; vom 22. April 2016 - [X.], [X.], 1384 Rn. 20; vom 19. April 2001 - I ZR 238/98, [X.]W-RR 2002, 612, 613, juris Rn. 28 [X.]; vom 7. Oktober 1998 - [X.], [X.] 1999, 26, 27, juris Rn. 14 [X.]).

Eine Erklärung mit Nichtwissen ist auch außerhalb des Bereichs der eigenen Handlungen und eigenen Wahrnehmung der [X.] unzulässig, wenn und soweit eine Informationspflicht der [X.] hinsichtlich der vom Gegner behaupteten Tatsachen besteht (vgl. nur [X.], Urteile vom 8. Januar 2019 - [X.]/17, [X.], 815 Rn. 34; vom 22. April 2016 - [X.], [X.], 1384 Rn. 20; vom 2. Juli 2009 - [X.], [X.]W-RR 2009, 1666 Rn. 16; jeweils [X.]). Die [X.] trifft eine solche [X.], sofern die maßgebenden Tatsachen Personen bekannt sind, die unter ihrer Anleitung, Aufsicht oder Verantwortung tätig geworden sind (vgl. nur [X.], Urteile vom 8. Januar 2019 - [X.]/17, [X.], 815 Rn. 34; vom 22. April 2016 - [X.], [X.], 1384 Rn. 20; vom 12. November 2015 - I ZR 167/14, [X.], 985 Rn. 124; vom 17. September 2009, [X.], [X.]Z 182, 245 Rn. 20; vom 19. April 2001 - I ZR 238/98, [X.]W-RR 2002, 612, 613, juris Rn. 30; jeweils [X.]). Auch im Fall des Forderungsübergangs ist der [X.] davon ausgegangen, dass der [X.] in Ausübung seines Auskunftsrechts nach §§ 412, 402 BGB Erkundigungen anstellen muss, bevor eine Erklärung mit Nichtwissen in Betracht kommt (Urteil vom 18. März 1992 - [X.], [X.], 1624, 1626, juris Rn. 19 [X.]). Ein Insolvenzverwalter darf eine Tatsache, zu der sich Erkenntnisse aus den Unterlagen des Schuldners oder von diesem selbst ergeben können, mit Nichtwissen nur bestreiten, wenn er ohne Erfolg die Unterlagen gesichtet und notfalls den Schuldner befragt hat und wenn er das Ergebnis seiner Bemühungen nachvollziehbar darlegt ([X.], Urteile vom 16. November 2012 - [X.], [X.] 2013, 486 Rn. 16; vom 15. März 2012 - [X.], [X.]W-RR 2012, 1004 Rn. 16).

Die Anforderungen an die [X.] dürfen allerdings nicht überspannt werden. Einer [X.] darf nur eine zumutbare Informationspflicht auferlegt werden (vgl. [X.], Urteile vom 12. November 2015 - I ZR 167/14, [X.] 2016, 488 Rn. 124 [X.]; vom 21. März 1996 - [X.], [X.]W 1996, 1954, 1957, juris Rn. 33; vom 15. November 1989 - [X.], [X.]Z 109, 205, 209 f., juris Rn. 16). Auch bei Bestehen einer Informationspflicht ist eine Erklärung mit Nichtwissen zulässig, wenn sich für die [X.] nach Einholen der Erkundigungen bei den maßgeblichen Personen keine weiteren Erkenntnisse ergeben oder die [X.] nicht beurteilen kann, welche von mehreren unterschiedlichen Darstellungen über den Geschehensablauf der Wahrheit entspricht, und sie das Ergebnis ihrer Erkundigungen in den Prozess einführt (vgl. [X.], Urteile vom 8. Januar 2019 - [X.]/17, [X.], 815 Rn. 34 [X.]; vom 22. April 2016 - [X.], [X.], 1384 Rn. 20 [X.]; vom 15. November 1989 - [X.], [X.]Z 109, 205, 209 f., juris Rn. 16).

b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann es dem im Wege des [X.] nach § 115 [X.] Abs.1 Satz 1 Nr. 1 [X.] in Anspruch genommenen Haftpflichtversicherer nicht schon deshalb verwehrt werden, die Unfalldarstellung des Geschädigten mit Nichtwissen zu bestreiten, weil und soweit der Versicherungsnehmer selbst an einer entsprechenden Einlassung gehindert ist.

Einen solchen Gleichlauf der Darlegungslast von Versicherer und Versicherungsnehmer halten zwar - worauf sich die Revision beruft - Teile der Rechtsprechung und Literatur zurückgehend auf eine ältere obergerichtliche Entscheidung für geboten. Dort wurde dem Versicherer, der neben dem Versicherungsnehmer und dem Fahrer des versicherten Fahrzeugs auf Schadensersatz in Anspruch genommen wurde, eine Erklärung mit Nichtwissen zum Unfallgeschehen vor allem unter Hinweis auf die (angebliche) notwendige Streitgenossenschaft zwischen den [X.] und den Sinn und Zweck des Haftpflichtversicherungsrechts nicht gestattet, obwohl der Versicherer bei den unauffindbaren Mitbeklagten keine Informationen hatte einholen können ([X.], [X.]W 1974, 1473; dem im Ergebnis folgend [X.], BeckRS 2011, 98; [X.], [X.] 2018, 282, 283 f.; Stiefel/[X.]/[X.], Kraftfahrtversicherung, 19. Aufl., § 115 [X.] Rn. 141; Musielak/[X.]/[X.], ZPO, 16. Aufl., § 138 Rn. 17; [X.] in [X.]/[X.], ZPO, 40. Aufl., § 138 Rn. 20; unklar [X.] in [X.], ZPO, 23 Aufl., § 138 Rn. 43; [X.], Die Informationspflicht der [X.]en bei der Erklärung mit Nichtwissen; 1993, [X.] f.; [X.], [X.]W 1990, 3233, 3238).

Diese Entscheidung wird aber zu Recht kritisiert (vgl. [X.]/[X.], ZPO, 32. Aufl., § 138 Rn. 15; MüKoZPO/[X.], 5. Aufl., § 138 Rn. 30; [X.]/Schütze/[X.], ZPO, 4. Aufl., § 138 Rn. 44; AK-ZPO/[X.] § 138 Rn. 73; [X.], Bestreiten mit Nichtwissen, 1997, [X.] ff.). Denn die Gleichstellung der Darlegungspflicht von Versicherer und Versicherungsnehmer lässt unberücksichtigt, dass es bei der Frage der Unzulässigkeit einer Erklärung mit Nichtwissen über den vom Wortlaut des § 138 Abs. 4 ZPO unmittelbar erfassten Bereich der eigenen Handlungen und Wahrnehmungen der [X.] hinaus nicht um die Zurechnung von Kenntnissen bestimmter Dritter, sondern um eine Informationspflicht der [X.] geht, die Kenntnis aus eigener Wahrnehmung nicht hat, sich diese aber beschaffen kann (vgl. [X.], Urteil vom 15. November 1989 - [X.], [X.]Z 109, 205, 209 f., juris Rn. 16).

Aus dem Verhältnis zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer im Rahmen einer auf § 115 Abs. 1 [X.] gestützten Klage und dem Zweck des [X.] des Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer ergeben sich demgegenüber keine durchgreifenden Argumente für ein grundsätzliches Verbot des Bestreitens mit Nichtwissen seitens des Versicherers.

Werden Haftpflichtversicherer und Schädiger gemeinsam im selben Rechtsstreit in Anspruch genommen, liegt zwischen ihnen gemäß §§ 59, 60 ZPO eine einfache Streitgenossenschaft vor, so dass die Handlungen des einen Streitgenossen dem anderen weder zum Vorteil noch zum Nachteil gereichen dürfen (§ 61 ZPO). Bei der Nebenintervention des [X.] ergibt sich dies auch aus § 69 ZPO (vgl. Senatsbeschluss vom 29. November 2011 - [X.], [X.], 434 Rn. 4; Senatsurteil vom 13. Juli 2010 - [X.], [X.], 1444 Rn. 11). Gemäß dem Zweck der § 115 Abs. 1 Nr. 1, § 124 Abs. 1 [X.], § 3 Nr. 8 [X.] a.[X.], wonach ein rechtskräftiges klageabweisendes Urteil, das zwischen dem klagenden Geschädigten und dem Versicherer ergangen ist, auch zugunsten des beklagten Versicherungsnehmers wirkt, darf der Haftpflichtversicherer, selbst wenn er zusammen mit seinem Versicherungsnehmer in Anspruch genommen wird, bereits im Prozess seine eigenen Interessen nach §§ 61, 69 ZPO wahrnehmen. Sinn dieser Regelung ist es nämlich, dem Geschädigten keine Ansprüche gegen den Versicherer über das materielle Haftpflichtrecht hinaus zuwachsen zu lassen. Der Haftpflichtversicherer soll nicht Gefahr laufen, trotz des für ihn günstigen, die Klage abweisenden Urteils im Falle der Verurteilung seines Versicherungsnehmers aufgrund seiner Zahlungspflicht aus dem Deckungsverhältnis doch noch in Anspruch genommen zu werden (vgl. Senatsbeschluss vom 29. November 2011 - [X.], [X.], 434 Rn. 5; Senatsurteil vom 15. Januar 2008 - [X.], [X.], 485 Rn. 6 f. [X.]). Dementsprechend hat es der erkennende Senat bei dem Verdacht einer Unfallmanipulation für zulässig gehalten, dass der Haftpflichtversicherer sowohl den behaupteten Unfall als auch den behaupteten Unfallhergang mit Nichtwissen bestreitet, und zwar auch dann, wenn er in dem Rechtsstreit nicht nur für sich selbst, sondern zugleich auch als Streithelfer seines Versicherungsnehmers auftritt (Beschluss vom 25. März 2014 - [X.], [X.] 2014, 206). Der grundlegende Zweck des § 115 Abs. 1 Nr. 1 [X.], die Stellung des Geschädigten zu verbessern, indem er einen zusätzlichen und solventen Schuldner erhält (vgl. [X.]. 16/3945 S. 88), wird dadurch nicht in Frage gestellt.

Aus dem Gesamtschuldverhältnis zwischen Versicherer und Schädiger (§ 115 Abs. 1 Satz 4, § 116 [X.], § 421 BGB) ergibt sich - anders als die Revision meint (so offenbar auch, allerdings ohne nähere Begründung, Stiefel/[X.]/[X.], Kraftfahrtversicherung, 19. Aufl., § 115 [X.] Rn. 141) - kein Gleichlauf der Darlegungspflichten des Versicherers und des Versicherten, § 425 Abs. 1 BGB.

c) Den vom Geschädigten verklagten Haftpflichtversicherer trifft aber die Pflicht, sich bei seinem Versicherungsnehmer und etwaigen unfallbeteiligten Mitversicherten (etwa dem Fahrzeugführer) zu erkundigen, ob der Vortrag des Geschädigten zum Unfallgeschehen zutrifft, bevor er sich zum klägerischen Vorbringen einlässt (eine Informationspflicht des Versicherers bejahen auch MüKoZPO/[X.], 5. Aufl., § 138 Rn. 20; [X.]/Schütze/[X.], ZPO, 4. Aufl., § 138 Rn. 44; [X.] in [X.], ZPO, 23. Aufl., § 138 Rn. 43; [X.] in [X.]/[X.], ZPO, § 139 Rn. 11; [X.], Bestreiten mit Nichtwissen, 1997, S. 119; wohl auch [X.], [X.], 592). [X.] er sich mit Nichtwissen erklären, muss er hinreichende Gründe dafür darlegen, warum er sich auf der Grundlage der erteilten Auskünfte nicht dazu einlassen kann, ob das Vorbringen des Geschädigten zutrifft.

Die Informationspflicht des Versicherers kann zwar nicht damit begründet werden, dass sich eine [X.] nicht durch arbeitsteilige Organisation ihren prozessualen Erklärungspflichten entziehen können soll (vgl. zu diesem Argument für die Informationspflicht bei Personen, die unter Anleitung, Aufsicht oder Verantwortung der [X.] tätig werden: [X.], Urteile vom 22. April 2016 - [X.], [X.] 2016, 1012 Rn. 22; vom 12. November 2015 - I ZR 167/14, [X.] 2016, 488 Rn. 124; jeweils [X.]). Sie ergibt sich aber daraus, dass eine Erklärung mit Nichtwissen - unabhängig davon, ob die betreffende Tatsache den Bereich eigener Handlungen und Wahrnehmung betrifft oder nicht - nur zulässig ist, wenn der Erklärende tatsächlich keine Kenntnis hat, wie aus Wahrheitspflicht (§ 138 Abs. 1 ZPO) und [X.] (§ 138 Abs. 2 ZPO) folgt (vgl. [X.]/[X.], ZPO, 32. Aufl., § 138 Rn. 13). Der Regelung in § 138 Abs. 4 ZPO liegt dementsprechend der - auf den Bereich außerhalb eigener Handlungen und Wahrnehmung übertragbare und in der dargestellten Rechtsprechung des [X.]s zur Anwendung der Vorschrift zum Ausdruck kommende - Gedanke zugrunde, dass die Zulässigkeit einer Erklärung mit Nichtwissen dort eingeschränkt werden kann, wo diese Kenntnis und damit eine Einlassung dazu erwartet werden kann, ob der in Rede stehende Tatsachenvortrag zutrifft oder nicht (vgl. auch [X.], Bestreiten mit Nichtwissen, 1997, S. 5 f., 144 f.).

Bei dem vom Geschädigten unmittelbar in Anspruch genommenen Haftpflichtversicherer ist dies hinsichtlich des Unfallgeschehens der Fall. Den Versicherungsnehmer und die Mitversicherten trifft die Obliegenheit, den Versicherungsfall dem Versicherer unverzüglich anzuzeigen und ihm jede Auskunft zu erteilen, die zur Feststellung des Versicherungsfalles oder des Umfangs der Leistungspflicht des Versicherers erforderlich ist (§§ 30, 31 [X.]; für die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung vgl. [X.], [X.], [X.] 1 [X.] 2015). Der vom Geschädigten in Anspruch genommene Versicherer kann sich daher regelmäßig unschwer Informationen über das Unfallgeschehen verschaffen, wenn sie ihm nicht ohnehin bereits vorliegen. Denn der Verpflichtete wird die notwendigen Auskünfte im Regelfall freiwillig erteilen, um nicht Gefahr zu laufen, seinen Versicherungsschutz zu verlieren (vgl. [X.] [X.] 2015). Da der Versicherer im Rahmen des § 115 Abs. 1 [X.] im Wege eines gesetzlichen Schuldbeitritts lediglich akzessorisch für den Schädiger haftet (vgl. Senatsurteile vom 5. Dezember 1978 - [X.], [X.], 256, 258, juris Rn. 10, und vom 31. Januar 2012 - [X.], [X.], 261 Rn. 6; [X.] in [X.], [X.], 9. Aufl., § 115 Rn. 23 f. [X.]; [X.] in [X.]/[X.], jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl., § 115 [X.] Rn. 21 [X.]), stehen der vom Geschädigten in Anspruch genommene Versicherer und der Versicherungsnehmer sowie mitversicherte Personen - auch wenn sie nicht gemeinsam verklagt werden - im gleichen „Lager“, wie es der [X.] für die Bejahung einer aus dem Bestehen von [X.] hergeleiteten [X.] für notwendig gehalten hat (vgl. Urteil vom 2. Juli 2009 - [X.], [X.]W-RR 2009, 1666 Rn. 17). Der redliche Versicherungsnehmer wird zudem das Interesse des Versicherers teilen, unberechtigte Schadensersatzforderungen abzuwehren, zumal eine Einstandspflicht des Versicherers nachteilige Folgen für den Versicherungsnehmer haben kann (etwa durch den Verlust von [X.]). Grundsätzlich wird der Versicherer also seine Einlassung zum Vortrag der [X.] zum Unfallgeschehen auf die Auskünfte des Versicherungsnehmers und gegebenenfalls mitversicherter Personen stützen können. Daher muss er im Rahmen des § 138 Abs. 4 ZPO diese Informationsquelle ausschöpfen, bevor er den klägerischen Vortrag zum Unfallgeschehen mit Nichtwissen bestreiten darf.

d) Die Beklagte hat im Streitfall die sie treffende Informationspflicht erfüllt. Sie hat nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts ihren ursprünglichen Versicherungsnehmer kontaktiert. Aufgrund dessen Mitteilung über die Veräußerung des bei ihr haftpflichtversicherten Fahrzeugs hat sie dann versucht, dem Erwerber, der mit der Veräußerung als neuer Versicherungsnehmer gemäß §§ 122, 95 Abs. 1 [X.] in das Versicherungsverhältnis eingetreten war (vgl. dazu auch G.7.1 [X.] 2015; [X.], Urteil vom 7. März 1984 - [X.], [X.]W 1984, 1967, 1968, juris Rn. 16; Stiefel/[X.]/[X.], Kraftfahrtversicherung, 19. Aufl., [X.] 2015 G.7 Rn. 1 ff. [X.]), unter der von ihm gegenüber dem Veräußerer angegebenen Anschrift ein Formular zur Schadensmeldung zu übermitteln. Daneben hat die Beklagte den vom Kläger benannten Führer des gegnerischen unfallbeteiligten Fahrzeugs unter der ihr vom Kläger genannten Anschrift als - möglichen - Mitversicherten nach § 1 [X.] angeschrieben. Beide Schreiben konnten nicht zugestellt werden, weil die der [X.] vorgelegten Anschriften offenbar unzutreffend waren.

Bei dieser Sachlage, die die Beklagte im Verfahren offengelegt hat, durfte die Beklagte die behauptete [X.] des bei ihr haftpflichtversicherten Fahrzeugs mit Nichtwissen bestreiten. Weitere Nachforschungen waren ihr entgegen der Auffassung der Revision im Rahmen des § 138 Abs. 4 ZPO nicht zumutbar.

3. Nach den vom Berufungsgericht nicht beanstandeten Feststellungen des Amtsgerichts hat der Kläger unter Zugrundelegung des - zutreffenden (vgl. [X.] in [X.], [X.], 27. Aufl., Kapitel 25 Rn. 249 [X.]) - Beweismaßes des § 286 ZPO die behauptete [X.] des bei der [X.] haftpflichtversicherten Fahrzeugs nicht beweisen können. Verfahrensrügen werden insoweit von der Revision nicht erhoben.

[X.]     

      

von [X.]     

      

[X.]

      

Klein     

      

Böhm     

      

Meta

VI ZR 337/18

23.07.2019

Bundesgerichtshof 6. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Wuppertal, 24. Juli 2018, Az: 16 S 78/17

§ 115 Abs 1 VVG, § 138 Abs 4 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 23.07.2019, Az. VI ZR 337/18 (REWIS RS 2019, 5201)

Papier­fundstellen: MDR 2019, 1188-1189 NJW 2019, 3788 REWIS RS 2019, 5201

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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