Bundessozialgericht, Urteil vom 13.10.2010, Az. B 6 KA 32/09 R

6. Senat | REWIS RS 2010, 2427

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Gegenstand

Vertragszahnärztliche Vergütung - Degressionsregelung - keine Sonderregelungen für MKG-Chirurgen


Leitsatz

Bei den Degressionsregelungen des § 85 Abs 4b ff SGB 5 bedarf es keiner Sonderregelung für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 20. Mai 2009 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Tatbestand

1

Im Streit stehen degressionsbedingte Honorarkürzungen.

2

Der Kläger nimmt als Mund-, Kiefer und Gesichtschirurg ([X.]) an der vertragszahnärztlichen Versorgung in [X.] teil. Die beklagte [X.] ([X.]) stellte zunächst mit vorläufigem Degressionsbescheid vom 14.10.2005 für die [X.] bis [X.]/2005 eine Überschreitung der [X.] um 63 159 Punkte fest. Der hiergegen erhobene Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 7.11.2005). Während des nachfolgenden Klageverfahrens erließ die Beklagte am 26.7.2006 einen (weiteren) vorläufigen Degressionsbescheid für das [X.]. Darin stellte sie fest, dass der Kläger mit einer Gesamtpunktmenge von 466 414 Punkten die degressionsfreie Punktmenge von 328 844 Punkten für das [X.] um 137 570 Punkte überschritten hatte; hieraus resultierte eine Honorarrückforderung in Höhe von 24 368,20 Euro.

3

Klage (Urteil des [X.]) und Berufung (Urteil des [X.] vom 20.5.2009) sind erfolglos geblieben. Das [X.] hat ausgeführt, § 85 Abs 4b [X.] sei verfassungsgemäß; daher bedürfe es keiner verfassungskonformen Auslegung zugunsten der [X.]en. Die Neuregelungen der Degressionsvorschriften durch das [X.] ( vom 14.11.2003, [X.] 2190) seien weder generell noch speziell hinsichtlich der [X.]en zu beanstanden. Die Absenkung der [X.] zum 1.1.2005 habe auch die [X.]en erfassen dürfen, ohne dass dies gegen Art 3 Abs 1 GG und/oder Art 12 Abs 1 GG verstoße. Dies habe das BSG bereits in Bezug auf die Oralchirurgen entschieden. Die Gruppe der [X.]en könne der Gruppe der Oralchirurgen gleichgestellt werden; beide Gruppen hätten bei typisierender Betrachtung dasselbe Leistungsspektrum und würden daher bei der Honorarverteilung gleich behandelt. Dass [X.]en und Oralchirurgen über unterschiedliche Ausbildungen verfügten, könne außer Betracht bleiben, da der Gesetzgeber bei der für Kieferorthopäden geltenden Sonderregelung nur an die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit angeknüpft habe. Der Gesetzgeber sei bei der zulässigen generalisierenden Betrachtung der Auswirkungen auf den Berufszweig insgesamt nicht verpflichtet, darauf Rücksicht zu nehmen, dass ein Teil der [X.]en keine oder kaum Zahnersatz-Leistungen ([X.]) erbringe.

4

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von Bundesrecht. Die Absenkung der [X.] zum 1.1.2005 für Zahnärzte, die auch [X.]en seien, verstoße gegen Art 3 Abs 1 GG, weshalb eine verfassungskonforme Auslegung geboten sei. Die Berufsgruppe der ausschließlich chirurgisch tätigen Zahnärzte zeichne sich dadurch aus, dass sie nur chirurgische Leistungen aus Teil 1 des [X.] für zahnärztliche Leistungen ([X.]) abrechne. Er - der Kläger - habe im [X.] 99,3 % seines Honorars mit konservierend-chirurgischen Leistungen erzielt; prothetische und kieferorthopädische Leistungen habe er überhaupt nicht abgerechnet. Dieser Befund sei typisch für die gesamte Fachgruppe; 2004 habe der Anteil prothetischer Leistungen in der Gruppe der [X.]en - nach Angaben der Beklagten - 2,11 % betragen.

5

Eine unangemessene Benachteiligung seiner Berufsgruppe liege schon darin, dass die Aufwertung der konservierend-chirurgischen Leistungen im Zuge der Neurelationierung des [X.] zum 1.1.2004 nicht mit einer Anhebung der Degressionsschwellen für ausschließlich chirurgisch tätigen Zahnärzte verbunden worden sei. Erst recht gelte dies für die mit der Neuregelung der Vergütung des Zahnersatzes begründete Absenkung der Degressionsstufen zum 1.1.2005 für alle Zahnärzte mit Ausnahme der Kieferorthopäden. [X.]en würden damit zum einen ohne sachlich gerechtfertigten Grund wie sonstige Zahnärzte behandelt, obwohl sie anders als diese ausschließlich konservierend-chirurgisch tätig seien und keine oder nur verschwindend wenige [X.] erbrächten; zum anderen würden sie nicht wie die Kieferorthopäden von der Absenkung ausgenommen, obwohl sie sich ebenso wie diese freiwillig auf ihr Fachgebiet beschränkten und ebenso wenig [X.] erbrächten.

6

Die Rechtsprechung des [X.] sei auf [X.]en nicht übertragbar, weil sich das Abrechnungsverhalten der [X.]en deutlich von dem der Oralchirurgen unterscheide. Zwar möge sich das Leistungsspektrum weitgehend decken, jedoch gelte dies für den Anteil anderer Leistungen - insbesondere der Prothetik - gerade nicht. Das [X.] habe es unterlassen, den Sachverhalt durch Einholung valider Daten von den [X.]en in Deutschland aufzuklären. Anlass hierzu hätte angesichts der gravierenden Unterschiede zwischen [X.]en und Oralchirurgen bestanden. So liege der Anteil der [X.] bei Oralchirurgen angeblich bei 13,22 %, bei [X.]en hingegen nur bei 2,11 %. Es gebe nur wenige [X.]en, die gelegentlich auch [X.] erbrächten - meist im Zusammenhang mit chirurgischen Eingriffen, die bei einem sonst nicht behandelbaren Patienten in Vollnarkose erbracht würden. So habe der Anteil der [X.] an der Gesamtabrechnung der [X.]en im Jahr 2003 0,66 % ([X.] Hamburg), 0,42 % ([X.] Schleswig-Holstein) bzw 0,03 % ([X.] Mecklenburg-Vorpommern) betragen. Auch wenn man einen Prothetikanteil von ca 2 % im Leistungsspektrum der [X.]en unterstelle, rechtfertige dieser verschwindend geringe Anteil keine Absenkung der [X.]n um 25 %. Der tatsächlich verbleibende Anteil werde auf jeden Fall durch die unterbliebene Anhebung der [X.]n nach Aufwertung der konservierend-chirurgischen Leistungen zum 1.1.2004 kompensiert.

7

Der Kläger beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts [X.]-Brandenburg vom 20.5.2009 und des Sozialgerichts [X.] vom 11.10.2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 14.10.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 7.11.2005 und in der Fassung des Bescheides vom 26.7.2006 aufzuheben.

8

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Sie ist der Ansicht, die Absenkung der [X.] zum 1.1.2005 rechtfertige sich daraus, dass Zahnärzte in durchaus nennenswertem Umfang auch [X.] erbrächten. Der Gesetzgeber sei nicht verpflichtet, außer den Kieferorthopäden auch die [X.]en davon auszunehmen. Kieferorthopäden erbrächten als gesamte Gruppe typischerweise keine [X.]; diese Besonderheit gelte nicht für [X.]en. Zwar gebe es [X.]en, die - wie der Kläger - keine [X.] erbrächten, andererseits jedoch auch solche, die - wenn auch nur in geringem Umfang (2004: 2,11 %) - prothetisch tätig seien. Kieferorthopäden seien dagegen ausschließlich kieferorthopädisch tätig.

Entscheidungsgründe

Die Revision des [X.] ist nicht begründet. Das [X.] hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die angefochtenen [X.]escheide der [X.]eklagten sind rechtmäßig. Dem Kläger steht kein höheres Honorar unter Zugrundelegung einer höheren degressionsfreien Punktmenge zu.

Die gesetzlichen Vorschriften über die Punktwertdegression, deren grundsätzliche Anwendbarkeit auf MKG-Chirurgen die [X.]eteiligten ebenso wenig in Frage stellen wie ihre dem Wortlaut des Gesetzes entsprechende und rechnerisch korrekte Anwendung durch die [X.]eklagte, sind auch in ihrer konkreten Ausgestaltung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

1. Die Degressionsregelungen des § 85 Abs 4b bis 4f [X.] sind, wie das [X.]SG und das [X.] bereits wiederholt entschieden haben, mit Art 12 Abs 1 GG und Art 3 Abs 1 GG sowie mit dem Rechtsstaatsprinzip vereinbar (zuletzt [X.]SG, Urteil vom [X.] [X.] 21/09 R - Rd[X.] 17 mwN, zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen). Auch die heute geltende Fassung des § 85 Abs 4b Satz 1 [X.], die dieser durch das [X.] der gesetzlichen Krankenversicherung ([X.] - [X.] vom 14.11.2003, [X.] 2190) erhalten hat, ist verfassungsgemäß, wie der Senat bereits mit Urteil vom 29.11.2006 ([X.] 4-2500 § 85 [X.] Rd[X.] 13 f, 25) festgestellt und mit Urteilen vom 16.12.2009 (- [X.] [X.] 10/09 R - [X.] 4-2500 § 85 [X.] Rd[X.] 13, sowie - [X.] [X.] 39/08 R - [X.], 117 = [X.] 4-2500 § 85 [X.]) sowie vom [X.] (- [X.] [X.] 21/09 R - Rd[X.] 18, zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen) bekräftigt hat.

2. Die mit Wirkung zum 1.1.2005 erfolgte Absenkung der degressionsfreien [X.] und der [X.] (zu den Einzelheiten s [X.]SG [X.] 4-2500 § 85 [X.] Rd[X.] 15 und [X.] vom 16.12.2009 - [X.] [X.] 10/09 R = [X.] 4-2500 § 85 [X.] Rd[X.] 15 f) für alle Zahnärzte mit Ausnahme der Kieferorthopäden durfte auch die [X.] erfassen, ohne dass dies gegen die Vorgaben des Art 3 Abs 1 und/oder des Art 12 Abs 1 GG verstößt.

a) Das Gleichbehandlungsgebot des Art 3 Abs 1 GG fordert, wesentlich Gleiches gleich zu behandeln, während wesentlich Ungleiches ungleich behandelt werden kann (stRspr, vgl z[X.] [X.]E 113, 167, 214 = [X.] 4-2500 § 266 [X.] Rd[X.]3; vgl auch [X.]E 98, 365, 385; [X.]E 112, 368, 404 = [X.] 4-2600 § 307a [X.]). Eine Ungleichbehandlung ist mit Art 3 Abs 1 GG vereinbar, wenn Unterschiede solcher Art und solchen Gewichts bestehen, dass sie diese Ungleichbehandlung rechtfertigen können (s z[X.] [X.]E 111, 115, 137 = [X.] 4-8570 § 6 [X.] Rd[X.]8; [X.]E 113, 167, 214 f = [X.] aaO); die Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte ist nur dann rechtswidrig, wenn die tatsächliche Ungleichheit so groß ist, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten [X.]etrachtungsweise nicht unberücksichtigt bleiben darf; der Spielraum des Gesetzgebers ist dabei weit bemessen ([X.]E 98, 365, 385; [X.]E 112, 368, 404 = [X.] aaO).

Der Normgeber darf auswählen und gewichten, nach welchen Kriterien er Sachverhalte als im Wesentlichen gleich oder ungleich ansieht, muss dabei aber sachgerecht verfahren ([X.], 144 = [X.] 4-2500 § 85 [X.], Rd[X.]). Er ist auch befugt, zu pauschalieren, zu typisieren, zu generalisieren und zu schematisieren (vgl z[X.] [X.]E 111, 115, 137 = [X.] aaO Rd[X.]8; [X.]E 116, 164, 180; zuletzt [X.] [X.]eschluss vom 28.9.2010 - 1 [X.]vR 1660/08 - juris Rd[X.]; ebenso z[X.] [X.]SG [X.] 4-2500 § 85 [X.] Rd[X.] 21 mwN; [X.], 144 = [X.] 4-2500 § 85 [X.], Rd[X.]). Dies setzt voraus, dass die damit verbundenen Härten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar sind (vgl [X.]E 84, 348, 360; [X.]E 87, 234, 255 f), lediglich eine verhältnismäßig kleine Anzahl von Personen betreffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist ([X.]E 63, 119, 128; [X.]E 98, 365, 385; [X.] [X.]eschluss vom [X.] - 1 [X.]vL 9/06 - ua - juris Rd[X.]0; zuletzt [X.] [X.]eschluss vom 28.9.2010 - 1 [X.]vR 1660/08 - juris Rd[X.]).

Der Normgeber hat daher grundsätzlich bei Regelungen im [X.])ärztlichen Vergütungsrecht - wie generell im Sozialrecht (vgl [X.] [X.]eschluss vom [X.] - 1 [X.]vR 2530/05 - ua - juris Rd[X.]6, unter 3., unter Hinweis auf [X.]E 17, 210, 216; [X.]E 77, 84, 106, und [X.]E 81, 156, 205) - eine weitgehende Gestaltungsfreiheit, ob bzw inwieweit er für verschiedene Fachgruppen unterschiedliche Regelungen trifft oder sie gleich behandelt. Dies hat der Senat bereits für den Satzungsgeber bei der Honorarverteilung ausgeführt ([X.]SG [X.] 4-2500 § 85 [X.] Rd[X.] 21 ff, insbesondere auch Rd[X.] 24 mwN), und das gilt gleichermaßen auf [X.] förmlicher Gesetze (vgl [X.], 158 = [X.] 4-2500 § 135 [X.], Rd[X.] 20, mwN; [X.]SG [X.] 4-2500 § 85 [X.] Rd[X.] 16).

b) Nach diesen Maßstäben stellt weder die Gleichbehandlung der MKG-Chirurgen mit den sonstigen Vertragszahnärzten in [X.]ezug auf die Degressionsregelung (aa) noch die diesbezügliche Ungleichbehandlung im Verhältnis zu den Kieferorthopäden ([X.]) einen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG dar.

aa) Wie der Senat bereits mit Urteil vom 29.11.2006 ([X.] 4-2500 § 85 [X.] Rd[X.] 17) entschieden hat, durfte der Gesetzgeber die degressionsfreie Gesamtpunktmenge und die Degressionsstufen zum 1.1.2005 (s hierzu Art 2 [X.] 7c iVm Art 37 Abs 8 [X.]) für alle Vertragszahnärzte, die nicht als Kieferorthopäden zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen sind, im Zuge der Umstellung der Abrechnung von [X.] auf Festzuschüsse absenken. Diese Absenkung ist auch insoweit mit Art 3 Abs 1 sowie Art 12 Abs 1 GG vereinbar, als sie die MKG-Chirurgen mit erfasst.

Soweit der Kläger geltend macht, die zu den Oralchirurgen entwickelte Rechtsprechung des Senats könne auf MKG-Chirurgen nicht übertragen werden, muss dem nicht weiter nachgegangen werden. Deshalb bedarf es auch keiner weiteren Sachaufklärung, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang MKG-Chirurgen Zahnersatz eingliedern oder diese sich - wie der Kläger es darstellt: vergleichbar den Kieferorthopäden in ihrem originären Leistungsbereich - seit jeher auf zahnchirurgische Leistungen beschränken.

Die [X.]esonderheit der Gruppe der MKG-Chirurgen besteht darin, dass diese sowohl als Vertragsärzte als auch als Vertragszahnärzte zugelassen sind. Zum [X.]erufsbild des MKG-Chirurgen gehört es, dass er in seiner Praxis ärztliche und zahnärztliche Tätigkeiten anbietet und ausübt (vgl [X.], 145, 147 = [X.] 3-5525 § 20 [X.] 1 S 3). MKG-Chirurgen müssen seit 1924 sowohl ärztlich als auch zahnärztlich ausgebildet sein (s hierzu [X.] aaO = [X.] aaO). Nach der [X.] 2003 der [X.] (, in der Fassung vom [X.]) setzt die Facharztweiterbildung zum MKG-Chirurgen auch das zahnärztliche Staatsexamen voraus (vgl Abschnitt A § 4 Abs 1 Satz 2 M-W[X.]O-Ä sowie Abschnitt [X.] zu [X.] 18 M-W[X.]O-Ä). Ähnliche [X.]estimmungen enthalten die Weiterbildungsvorschriften der Länder. So setzt nach der Weiterbildungsordnung der Landesärztekammer [X.]erlin der [X.]eginn der Weiterbildung zum MKG-Chirurgen auch die [X.] als Zahnarzt oder die Erlaubnis zur Ausübung des zahnärztlichen [X.]erufes voraus (vgl § 4 Abs 1 Halbsatz 2 W[X.]O vom [X.], A[X.]l 1995 S 2573, idF des [X.]. Nachtrags vom 17.10.2001). Die Doppelqualifikation ist Ausdruck des gewachsenen [X.]erufsbildes; dessen [X.]esonderheit besteht darin, dass die MKG-Chirurgie die [X.]ereiche Chirurgie und Zahnheilkunde zu einem einheitlichen [X.]eruf verbindet ([X.], 145, 147 = [X.] 3-5525 § 20 [X.] 1 S 3 mwN). MKG-Chirurgen sind daher im Regelfall auch als Zahnärzte approbiert und sowohl zur vertragsärztlichen als auch zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen (vgl [X.]SG [X.] 3-2500 § 106 [X.] 54 S 299 mwN)

Aufgrund ihrer Doppelzulassung als Vertragsärzte und als Vertragszahnärzte steht es ihnen frei, ob sie einen Tätigkeits- und Abrechnungsschwerpunkt im vertragszahnärztlichen oder im vertragsärztlichen [X.]ereich wählen. Zudem können sie zumindest einzelne Leistungen aus ihrem gesamten [X.]ehandlungsspektrum entweder vertragsärztlich oder vertragszahnärztlich abrechnen ([X.]SG [X.] 3-2500 § 106 [X.] 54 S 299; [X.], 145, 151 = [X.] 3-5525 § 20 [X.] 1 S 8; [X.]SG [X.] 3-2500 § 106 [X.]6 S 204 f). Denn es gibt im Rahmen der möglichen [X.]etätigungsfelder von MKG-Chirurgen Leistungen, die nur vertragsärztlich, andere, die nur vertragszahnärztlich abrechenbar sind, und weitere, die sowohl vertragsärztlich als auch vertragszahnärztlich abrechenbar sind, je nachdem, ob es für sie Vergütungstatbestände nur im Einheitlichen [X.]ewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen (E[X.]M-Ä) oder nur im [X.]ema-Z oder in beiden Leistungsverzeichnissen gibt (vgl [X.]SG [X.] 3-2500 § 106 [X.] 54 S 299).

Der E[X.]M-Ä enthält in seinem Kapitel III. b ("[X.] Versorgungsbereich") Abschnitt 15 ("Gebührenordnungspositionen der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie") sowie in seinem Kapitel IV. ("Arztgruppenübergreifende spezielle Gebührenordnungspositionen") Abschnitt 31.2.8 ("Definierte operative Eingriffe der Mund-, Kiefer- und Gesichts-Chirurgie", iVm Anhang 2, dort [X.] 2.10 und 2.21) eine Vielzahl von Leistungen, für die sich Entsprechungen im [X.]ema-Z finden. Dies gilt etwa für die Extraktion von Zähnen (vgl [X.]1.2.8 iVm [X.] 15321 bis 15324 E[X.]M-Ä), die Resektion von Wurzelspitzen ([X.] 15323 E[X.]M-Ä) und die zusätzliche Wurzelkanalbehandlung ([X.] 15324 E[X.]M-Ä), also für typische Leistungen der MKG- wie auch der Oralchirurgie.

MKG-Chirurgen sind aufgrund ihrer Doppelzulassung, insbesondere aber ihrer primären "Verankerung" im ärztlichen [X.]ereich - es handelt sich um eine ärztliche Weiterbildung -, in mehr oder minder starkem Umfang auch im vertragsärztlichen [X.]ereich tätig. So ist aus früheren Verfahren bekannt, dass MKG-Chirurgen im Zusammenhang mit ihren chirurgischen Leistungen in weitem Umfang auch vertragsärztliche Leistungen abrechnen bzw abgerechnet haben (vgl [X.]SG [X.] 3-2500 § 106 [X.] 54 S 300). Angesichts des Umstands, dass MKG-Chirurgen bei bestimmten Leistungen ein (gewisses) Wahlrecht haben, ob sie diese nach dem vertragsärztlichen oder dem vertragszahnärztlichen Leistungsverzeichnis abrechnen, hat es der Senat bereits in früheren Entscheidungen als erforderlich erachtet, im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsprüfung vertragszahnärztlicher Prüfgremien nach § 106 [X.] im Regelfall neben den vertragszahnärztlichen auch die vertragsärztlichen [X.] einzubeziehen ([X.]SG [X.] 3-2500 § 106 [X.] 54 S 300; [X.]SG [X.] 3-2500 § 106 [X.]6 S 204 f).

Da die Angehörigen dieser Gruppe mithin bestimmte Leistungen aus dem Fachgebiet der MKG-Chirurgie ohne Rechtsverstoß als ärztliche oder zahnärztliche Leistungen abrechnen können, hat der Gesetzgeber sie bezogen auf die hier umstrittenen Degressionsregelungen ungeachtet des Umfangs der von ihnen erbrachten Zahnersatzleistungen wie alle Zahnärzte behandeln dürfen. Denn ähnlich wie Vertragszahnärzte typischerweise neben den aus der Gesamtvergütung honorierten und der Degression unterworfenen Leistungen aus den [X.]ereichen konservierend-chirurgische Versorgung, Parodontosebehandlung und Individualprophylaxe auch Zahnersatz eingliedern, erbringen die MKG-Chirurgen neben den aus der vertragszahnärztlichen Gesamtvergütung honorierten konservierend-chirurgischen Leistungen vertragsärztliche Leistungen, die von der [X.] honoriert werden.

Ziel und Zweck der Degressionsregelung ist es neben der Erzielung von Einsparungen bei den Krankenkassen und der [X.]erücksichtigung von Rationalisierungsmöglichkeiten und Kostenvorteilen bei großen Umsätzen, Fehlentwicklungen bei der Qualität der zahnärztlichen Versorgung entgegenzusteuern, indem Zahnärzten mit umsatzstarken Praxen ein Anreiz gegeben wird, Patienten an andere, die Punktmengengrenzen nicht erreichende Zahnärzte abzugeben und so der Gefahr von Qualitätsdefiziten infolge übermäßiger Leistungserbringung entgegenzuwirken (stRspr des [X.]SG, zuletzt Urteil vom [X.] [X.] 21/09 R - Rd[X.] 17 mwN, zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen). Die degressionsfreien [X.] und die Degressionsstufen sind dabei auf einen in Vollzeit tätigen Zahnarzt bezogen, wie sich im Umkehrschluss aus § 85 Abs 4b Satz 5 [X.] ergibt.

Geht man mithin davon aus, dass nach der Konzeption des Gesetzgebers die Grenzwerte des § 85 Abs 4b [X.] das Leistungsvolumen beschreiben - bzw jedenfalls vor der Absenkung der [X.] beschrieben haben -, das vom einzelnen Zahnarzt hinsichtlich der chirurgischen Tätigkeit ohne Qualitätseinbußen erbracht werden kann, ist es gerechtfertigt, alle Zahnärzte gleich zu behandeln, die neben diesen Leistungen noch andere Leistungen für die Versicherten der Krankenkassen erbringen dürfen und tatsächlich erbringen. Das betrifft bei den Oralchirurgen - je nach Praxis sehr unterschiedlich - die Eingliederung von Zahnersatz und bei den MKG-Chirurgen - auch dem Umfang nach sehr unterschiedlich - vertragsärztliche Leistungen.

Soweit der Kläger geltend macht, in seiner Praxis spielten vertragsärztliche Leistungen keine Rolle, rechtfertigt das keine andere [X.]eurteilung der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelung. Der Gesetzgeber ist berechtigt, einen [X.]erufszweig insgesamt in den [X.]lick zu nehmen, um daran seine Regelung zu orientieren (vgl [X.]SG [X.] 4-2500 § 85 [X.] Rd[X.] 23 mwN). Allein der Umstand der Doppelzulassung indiziert, dass ärztliche Leistungen für die Ausübung des [X.]erufs eines MKG-Chirurgen unverzichtbar sind. Deren Umfang hängt im Übrigen auch von der individuellen Entscheidung des Praxisinhabers ab, wo er welche Leistungen abrechnet. Es liegt auf der Hand, dass das Ausmaß der im jeweiligen [X.]ereich abgerechneten Leistungen bei alternativer Abrechnungsmöglichkeit nicht allein fachlichen Vorgaben folgt, sondern wesentlich dadurch mitbestimmt wird, welcher [X.] sich als ökonomisch günstiger erweist. Eine eher geringe Quote vertragsärztlicher Leistungen in der einzelnen MKG-Praxis kann daher auch darauf beruhen, dass das [X.] im zahnärztlichen [X.]ereich ungeachtet der Regelungen des § 85 Abs 4b [X.] immer noch höher ist als im vertragsärztlichen [X.]ereich.

[X.]) Aus den vorstehenden Ausführungen folgt zugleich, dass auch die Ungleichbehandlung von Kieferorthopäden und MKG-Chirurgen in [X.]ezug auf die zum 1.1.2005 erfolgte Absenkung der [X.] verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist.

In seinem Urteil vom 29.11.2006 ([X.] 4-2500 § 85 [X.] Rd[X.] 21) hat der Senat im Einzelnen dargelegt, dass sich ein ausreichender Sachgrund dafür, nur für Kieferorthopäden eine Sonderregelung zu treffen, daraus ergibt, dass diese als gesamte Gruppe typischerweise keine [X.] erbringen. Auch soweit sie berufsrechtlich daran nicht gehindert sind (vgl [X.]SG [X.] 4-2500 § 106 [X.] 12 Rd[X.] 19), gliedern diejenigen Zahnärzte, die eine Zulassung als Kieferorthopäde beantragen und erhalten, faktisch keinen Zahnersatz ein. Von dieser Annahme ist auch der Gesetzgeber des [X.] ausgegangen (s Fraktionsentwurf-[X.], [X.]T-Drucks 15/1525 [X.] zu Art 2 [X.] 7c; vgl auch Antwort der [X.]undesregierung, [X.]T-Drucks 15/2710 [X.]). Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass Kieferorthopäden neben kieferorthopädischen noch andere zahnärztliche Leistungen erbringen.

Die Gruppe der Kieferorthopäden im bedarfsplanungsrechtlichen Sinne besteht aus Zahnärzten, die nur für die Erbringung kieferorthopädischer Leistungen ermächtigt sind und keine prothetischen Leistungen erbringen dürfen, sowie aus Vertragszahnärzten für Kieferorthopädie, die theoretisch Zahnersatz eingliedern dürfen, das aber in der Realität nicht tun. Das Klientel der Kieferorthopäden im vertragszahnärztlichen [X.]ereich besteht wegen der grundsätzlichen gesetzlichen [X.]eschränkung des Anspruchs auf Versorgung mit kieferorthopädischen Leistungen auf Kinder und Jugendliche (vgl § 28 Abs 2 Satz 6 [X.] zum - grundsätzlichen - Ausschluss des Anspruchs auf kieferorthopädische [X.]ehandlung für volljährige Versicherte) nahezu ausschließlich aus diesem Personenkreis. Die Annahme, gerade ein Kieferorthopäde, der sein eigentliches Leistungsangebot erwachsenen Versicherten überhaupt nicht zur Verfügung stellen kann, würde Versicherte im vierten und fünften Lebensjahrzehnt, in dem ein [X.]edarf an prothetischer Versorgung typischerweise auftritt, mit Zahnersatz versorgen, liegt so fern, dass der Gesetzgeber dem nicht Rechnung tragen musste.

Die Sonderrolle der Kieferorthopäden wird - wie der Senat bereits dargelegt hat (vgl [X.] 4-2500 § 85 [X.] Rd[X.] 21) - auch dadurch bestätigt, dass für diese eine gesonderte [X.]edarfsplanung erfolgt. Nach Abschnitt [X.] der seinerzeit maßgeblichen, aufgrund der Ermächtigung des § 92 Abs 1 Satz 2 [X.] 9 [X.] erlassenen "Richtlinien des [X.]undesausschusses der Zahnärzte und Krankenkassen über die [X.]edarfsplanung in der vertragszahnärztlichen Versorgung" ([X.]edarfsplanungs-Richtlinien Zahnärzte - [X.]edarfsplanungsRL-ZÄ) wurden die Verhältniszahlen, von denen bei der Ermittlung des allgemeinen bedarfsgerechten [X.] auszugehen ist, getrennt für die zahnärztliche und die kieferorthopädische Versorgung festgelegt (aaO Abs 1 Satz 1 und 2). Hieran hat sich auch durch die Aufhebung von Zulassungsbeschränkungen im vertragszahnärztlichen [X.]ereich nichts geändert (vgl hierzu § 4 Abs 2 und § 5 Abs 1 Satz 2 [X.]edarfsplanungsRL-ZÄ vom [X.]).

Eine ebensolche Situation ist indessen - wie dargelegt - bei der Gruppe der MKG-Chirurgen nicht gegeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach hat der Kläger die Kosten des erfolglos eingelegten Rechtsmittels zu tragen (§ 154 Abs 2 VwGO). Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der [X.]eigeladenen ist nicht veranlasst, weil diese im Verfahren keine Anträge gestellt haben (§ 162 Abs 3 VwGO, vgl [X.] 96, 257 = [X.] 4-1300 § 63 [X.], Rd[X.] 16).

Meta

B 6 KA 32/09 R

13.10.2010

Bundessozialgericht 6. Senat

Urteil

Sachgebiet: KA

vorgehend SG Berlin, 11. Oktober 2006, Az: S 71 KA 401/05, Urteil

Art 3 Abs 1 GG, Art 12 Abs 1 GG, § 85 Abs 4b S 1 SGB 5 vom 14.11.2003

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 13.10.2010, Az. B 6 KA 32/09 R (REWIS RS 2010, 2427)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 2427

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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1 BvR 1660/08

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