Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.09.2021, Az. IV ZB 17/20

4. Zivilsenat | REWIS RS 2021, 2766

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Gegenstand

Nachlasssache: Antrag auf Angabe des Berufungsgrunds im Erbschein bei mehreren Testamenten


Leitsatz

Im Erbschein ist der Berufungsgrund grundsätzlich auch dann nicht anzugeben, wenn dies beantragt ist.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des [X.] - 2. Zivilsenat - vom 7. April 2020 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 810.000 € festgesetzt.

Gründe

1

I. Die Beteiligten sind die Söhne der Erblasserin; ein weiterer [X.] verstarb 2013 kinderlos.

2

Mit notariellem gemeinschaftlichen Testament vom 20. Oktober 1982 hatten sich die Erblasserin und ihr Ehemann, der 1984 verstarb, gegenseitig als Alleinerben sowie die Beteiligten als Erben zu gleichen Teilen nach dem Überlebenden eingesetzt. Sie hatten außerdem angeordnet, dass der Überlebende über das ererbte und sein eigenes Vermögen unter Lebenden und von Todes wegen frei verfügen könne.

3

Die Erblasserin errichtete am 17. Dezember 2015 ein weiteres notarielles Testament. Danach sollte es grundsätzlich bei der hälftigen Erbeinsetzung der Beteiligten gemäß dem Testament vom 20. Oktober 1982 verbleiben, wobei detaillierte Regelungen zur Erbauseinandersetzung, insbesondere im Hinblick auf das vom Beteiligten zu 2 bewohnte Hausgrundstück, erfolgten. Nach dem Tod der Erblasserin wurden 2018 beide Testamente eröffnet.

4

Der Beteiligte zu 1 hat gestützt auf das Testament vom 20. Oktober 1982 die Erteilung eines Erbscheins mit dem Inhalt beantragt, dass er und der Beteiligte zu 2 aufgrund gewillkürter Erbfolge Erben zu je 1/2 seien. Er hat behauptet, die Erblasserin sei am 17. Dezember 2015 nicht testierfähig gewesen.

5

Das Nachlassgericht hat die für die Erteilung des Erbscheins zugunsten der Beteiligten als Erben zu je 1/2 erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet, ohne in seinem Beschluss festzustellen, auf welchem Testament die Erbfolge beruht. Dagegen hat der Beteiligte zu 1 Beschwerde mit dem Antrag erhoben zu beschließen, dass der Erbschein aufgrund des [X.] vom 20. Oktober 1982 erteilt werde. Daraufhin hat das Nachlassgericht den Beschluss dahingehend ergänzt, dass im Erbschein der Eintritt der Erbfolge "aufgrund testamentarischer Verfügung" festzustellen sei. Das [X.] hat die Beschwerde zurückgewiesen.

6

Hiergegen richtet sich die vom [X.] zugelassene Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1, mit der er seinen [X.] in der Fassung der Beschwerde weiterverfolgt.

7

II. [X.] ist zulässig, aber unbegründet.

8

1. Das Beschwerdegericht, dessen Entscheidung unter anderem in [X.] 2020, 571 veröffentlicht ist, hat ausgeführt, das Nachlassgericht habe zu Recht offengelassen, ob es die zur Begründung des Antrags erforderlichen Tatsachen aufgrund des [X.] vom 20. Oktober 1982 oder aufgrund des [X.] vom 17. Dezember 2015 für festgestellt erachte, weil nach beiden Testamenten die Beteiligten zu 1/2 Erben geworden seien. Eine Bindung des Nachlassgerichts an ein bestimmtes Testament enthalte die gesetzliche Regelung des § 352 FamFG nicht. Dem Beteiligten zu 1 gehe es um die Klärung der Frage, ob die Teilungsanordnung im Testament 2015 wirksam sei. Dieses auf die Auseinandersetzung der Miterben zielende Rechtsschutzziel sei aber kein tauglicher Gegenstand des Erbscheinsverfahrens. Der Argumentation des Beteiligten zu 1, er könne die Beseitigung der aus seiner Sicht aufgrund des [X.] vom 17. Dezember 2015 unrichtig vorgenommenen Grundbucheintragungen hinsichtlich des Nachlassgrundstücks nur mit der begehrten Angabe im Beschluss des Nachlassgerichts zum genauen [X.] erreichen, könne nicht gefolgt werden. Denn aus dem Erbschein als solchem gehe auch dann nicht hervor, auf welcher Verfügung er beruhe.

9

2. Das hält der rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.

a) Das Beschwerdegericht hat zutreffend angenommen, dass aus einem Erbschein nicht hervorgeht, auf welcher letztwilligen Verfügung er beruht; der Beteiligte zu 1 kann daher einen Erbschein mit dem Inhalt, den er mit der Rechtsbeschwerde erstrebt, nicht erlangen. Im Erbschein ist der [X.] auch dann grundsätzlich nicht anzugeben, wenn dies beantragt wird.

Gemäß § 2353 [X.] ist dem Erben auf seinen Antrag hin ein Zeugnis über sein Erbrecht, d.h. darüber, dass der im Erbschein so Bezeichnete Erbe ist, und (gegebenenfalls) über die Größe des Erbteils zu erteilen; außerdem sind Anordnungen zu nennen, die den Erben beschränken, vgl. § 2365 [X.]. Eine Angabe des [X.]es sieht der Gesetzeswortlaut dagegen nicht vor. Er ist daher grundsätzlich nicht in den Erbschein aufzunehmen (vgl. [X.]/[X.], [X.] (2016) § 2353 Rn. 426; Soergel/[X.], [X.]. § 2353 Rn. 29; [X.]/[X.], § 2353 Rn. 14 [Stand: 1. Mai 2021]; [X.] in [X.]/[X.], [X.]. § 2353 Rn. 5; [X.]/[X.], 8. Aufl. § 2353 Rn. 46; [X.] 1973, 28 unter [X.] b; [X.] in [X.]/[X.], [X.] 11. Aufl. § 38 Rn. 115). Nur ausnahmsweise kann er anzugeben sein, etwa wenn dies bei mehrfachem [X.] (§§ 1951, 2088 [X.]) zur Bezeichnung des Umfanges des Erbrechts notwendig ist (vgl. [X.] Rpfleger 1978, 17 [juris Rn. 6]; [X.]/[X.], [X.] (2016) § 2353 Rn. 428; [X.]/[X.], 8. Aufl. § 2353 Rn. 26; [X.] in [X.]/[X.], [X.] 11. Aufl. § 38 Rn. 116).

Dieser beschränkte Inhalt entspricht dem Zweck des Erbscheins, den Erben durch die Richtigkeitsvermutung (§ 2365 [X.]) zu legitimieren und den guten Glauben an seine Rechtsstellung zu schützen (§ 2366 [X.]). Die Vermutung der Richtigkeit des Erbscheins nach § 2365 [X.] - und damit auch dessen öffentlicher Glaube nach § 2366 [X.] - gilt positiv nur für das bezeugte Erbrecht sowie negativ dafür, dass andere als die angegebenen Beschränkungen nicht bestehen (vgl. [X.], Beschluss vom 26. Mai 1982 - [X.], [X.]Z 84, 196 unter 2 [juris Rn. 9]). Der gesetzliche Inhalt des Erbscheins ist strikt dahin begrenzt, dass er das Erbrecht des berufenen Erben und etwaige Einschränkungen desselben zu bezeugen hat (vgl. [X.], 173, 178). Den Beteiligten steht kein Recht zu, eine Ergänzung des Erbscheins zu fordern, die über den gesetzlichen Rahmen des Erbscheins hinausgeht und an dessen Rechtswirkungen nicht Teil hat (vgl. [X.], 173, 178). Ein dennoch angegebener [X.] nimmt nicht an der Vermutungswirkung der §§ 2365 ff. [X.] teil (vgl. [X.]/[X.], [X.] (2016) § 2353 Rn. 426; Soergel/[X.], [X.]. § 2365 Rn. 4; [X.]/[X.], § 2353 Rn. 14 [Stand: 1. August 2021]; [X.], [X.] 16. Aufl. § 2365 Rn. 4; [X.]/[X.], 8. Aufl. § 2365 Rn. 11).

Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde erfordert daher auch eine Bindung an den [X.] keine Angabe des darin genannten [X.]s im Erbschein. § 352 FamFG regelt den Inhalt des Antrags, nicht den Inhalt des Erbscheins. Soweit die herrschende Meinung davon ausgeht, dass dem Erbschein kein anderer als der beantragte Inhalt gegeben werden darf (vgl. [X.], Beschluss vom 11. Oktober 1961 - [X.], [X.]Z 36, 42 unter II 1 [juris Rn. 7]; [X.], 172, 180; BayObLG FamRZ 2003, 1590, 1592 [juris Rn. 40]; [X.] FamRZ 2013, 1250, 1251 [juris Rn. 5]; [X.] Rpfleger 1978, 17 [juris Rn. 5]; MünchKomm-FamFG/[X.], 3. Aufl. § 352e Rn. 6; [X.], [X.] 16. Aufl. § 2353 Rn. 14; [X.] in [X.]/[X.], [X.]. § 2353 Rn. 102; BeckOGK/Fröhler, [X.] § 2353 Rn. 294 [Stand: 15. Mai 2021]; [X.] in [X.]/[X.], Erbrecht 3. Aufl. § 352e FamFG Rn. 176), betrifft dies nur den gesetzlich bestimmten Inhalt des Erbscheins. Die danach erforderlichen Angaben müssen dem Antrag entsprechen oder er ist abzulehnen.

Auch § 35 Abs. 1 Satz 1 GBO macht die Angabe des [X.]es im Erbschein nicht erforderlich. Nach dieser Vorschrift wird durch den Erbschein die Erbfolge gegenüber dem Grundbuchamt nachgewiesen. [X.] Nachweise zu Rechtsverhältnissen, die sich aus der zugrundeliegenden letztwilligen Verfügung ergeben, werden damit nicht erbracht. Falls der Erbe sein Recht durch Vorlage des Erbscheins nachweist, wird als Grundlage seiner Eintragung als neuer Eigentümer daher im Grundbuch auch nur der "Erbschein" und nicht dessen Tenor oder eine zugrundeliegende letztwillige Verfügung angegeben, § 9 Abs. 1 d) Grundbuchverfügung.

b) Es kann offenbleiben, ob das Beschwerdegericht zu Recht davon ausgegangen ist, dass ein Antragsteller seinen [X.] nicht mit Bindungswirkung für das Nachlassgericht auf eines von mehreren Testamenten, aus denen sich die Erbfolge ergeben könnte, beschränken kann. Es hat bereits deshalb im Ergebnis zu Recht die erforderlichen Tatsachen für die Erteilung eines Erbscheins, der die Beteiligten zu 1 und 2 als Erben zu je 1/2 ausweist, für festgestellt erachtet, weil die Beteiligten aufgrund des [X.] vom 20. Oktober 1982 Erben geworden sind. Ein anderer [X.] kommt nicht in Betracht, ohne dass es auf die Wirksamkeit des [X.] vom 17. Dezember 2015 ankäme.

Die Erblasserin und ihr Ehemann haben in ihrem gemeinschaftlichen Testament vom 20. Oktober 1982 die Beteiligten als Erben des Überlebenden zu gleichen Teilen eingesetzt. Diese Verfügung hat die Erblasserin nicht aufgehoben oder durch eine andere ersetzt. Im Testament vom 17. Dezember 2015 heißt es vielmehr unter Ziffer III., dass es bei der hälftigen Erbeinsetzung grundsätzlich verbleiben solle und die Erblasserin diese ausdrücklich wiederhole. Nach dem klaren Wortlaut der Testamente beruht daher die Erbenstellung der Beteiligten, die in dem zu erlassenden Erbschein bezeugt werden wird, weiterhin auf der früheren Verfügung. Die sonstigen Anordnungen in dem späteren Testament sind dagegen nicht Gegenstand des Erbscheins.

[X.]     

      

Harsdorf-Gebhardt     

      

Dr. Brockmöller

      

Dr. Bußmann     

      

Dr. Bommel     

      

Meta

IV ZB 17/20

08.09.2021

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, 7. April 2020, Az: 2 W 83/19, Beschluss

§ 2353 BGB, § 352 FamFG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.09.2021, Az. IV ZB 17/20 (REWIS RS 2021, 2766)

Papier­fundstellen: NJW 2021, 3727 MDR 2021, 1538-1539 REWIS RS 2021, 2766

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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