Bundespatentgericht, Beschluss vom 16.06.2014, Az. 24 W (pat) 508/14

24. Senat | REWIS RS 2014, 4899

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Schwalm" – geographische Herkunftsangabe - Freihaltungsbedürfnis


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2011 060 032.5

hat der 24. Senat ([X.]) des [X.] am 16. Juni 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] sowie der Richterin [X.] und des Richters Heimen

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Angemeldet als Marke wurde am 3. November 2011 unter Nr. 30 2011 060 032.5 die Bezeichnung

2

[X.]

3

zur Eintragung in das beim [X.] ([X.]) geführte Register für Dienstleistungen der Klassen 35, 40 und 41. Nach Einschränkung des Dienstleistungsverzeichnisses im Beschwerdeverfahren verfolgt die [X.]elderin die [X.]eldung noch in Bezug auf die folgenden Dienstleistungen weiter:

4

[X.]: [X.], insbesondere lithografische [X.], Offsetdruckarbeiten, Schablonendruckarbeiten.

5

Die mit einer Beamtin des gehobenen Dienstes besetzte Markenstelle für [X.] hat mit Beschluss vom 5. April 2012 die [X.]eldung zurückgewiesen. Zur Begründung hat die Markenstelle ausgeführt, der angemeldeten Marke fehle als geografische Angabe für sämtliche angemeldeten Dienstleistungen die erforderliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.], sie sei zudem für diese Dienstleistungen eine beschreibende Angabe gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] und auch insoweit von der Eintragung ausgeschlossen.

6

Die Markenstelle hat dazu ausgeführt, die Angabe „[X.]“ bezeichne u. a. eine bestimmte Region im [X.], die zum nordhessischen „[X.]-Eder-Kreis“ gehöre. Die Bezeichnung sei daher geeignet, einen beschreibenden Hinweis auf den Erbringungsort der Dienstleistungen zu geben. Der angesprochene Konsument oder Interessent werde nur wahrnehmen, dass die beanspruchten Dienstleistungen in der nordhessischen Region „[X.]“ angeboten und/oder erbracht würden. Es handele sich daher lediglich um einen Hinweis auf eine Geschäftsstätte in einem konkret abgrenzbaren geografischen Gebiet und somit um eine schutzunfähige merkmalsbeschreibende Angabe. Als geografische Herkunftsangabe sei sie nicht in der Lage, die Dienstleistungen nach der betrieblichen Herkunft zu individualisieren und so auf einen ganz bestimmten Betrieb hinzuweisen.

7

Hiergegen wendet sich - im vorgenannten Umfang - die Beschwerde der [X.]elderin.

8

Zur Begründung führt sie aus, dass der maßgebliche Verkehr bei Dienstleistungen der noch in Rede stehenden Art den Ort der Erbringung als beliebig ansehen würde. Die bloße Möglichkeit, dass eine Dienstleistung an einem Ort erbracht werden könne, reiche nicht aus, um solche Angaben als Merkmalsbeschreibung anzusehen. Dies sei nur ausnahmsweise anders, wenn z. B. die Ortsangabe auf eine bestimmte Qualität hinweise.

9

Die [X.]elderin beruft sich ferner darauf, dass nach den bislang vorgelegten Nachweisen nicht davon ausgegangen könne, dass die Angabe „[X.]“ dem Verkehr als Bezeichnung einer bestimmten Region ausreichend bekannt sei, es bestehe auch kein Bezug zu den noch beanspruchten Dienstleistungen. Die Angabe „[X.]“ könne auch nicht mit den politischen Bezeichnungen „[X.]-Eder-Kreis“ oder „[X.]stadt“ gleichgesetzt werden, da der Verkehr von derartigen Städte- bzw. Kreisnamen nicht auf den Namen der jeweiligen Region schließe. Das Gleiche gelte auch für die Bezeichnung „Schwälmer“, die nicht mit der Angabe „[X.]“ gleichzusetzen sei.

Schließlich könne es der [X.]elderin nicht verwehrt werden, ihre Firma sowie den gleichlautenden Namen der geschäftsführenden Gesellschafter markenrechtlich schützen zu lassen.

Die [X.]elderin beantragt,

den Beschluss der Markenstelle für [X.] vom 5. April 2012 aufzuheben und die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

Einen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung hat die [X.]elderin nicht gestellt.

II.

Die zulässige, insbesondere nach §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 S. 1 [X.] statthafte Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Einer Eintragung der angemeldeten Bezeichnung steht das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] entgegen, denn das angemeldete Zeichen beschreibt ohne Weiteres die geographische Herkunft der angemeldeten und noch beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen im Sinne dieser Vorschrift. Die Markenstelle hat die [X.]eldung daher zu Recht nach § 37 Abs. 1 [X.] zurückgewiesen.

Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] sind Zeichen von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder sonstiger Merkmale der beanspruchten Waren dienen können. Die auf Art. 3 Abs. 1 Buchstabe c der [X.] zurückzuführende Bestimmung verfolgt das im Allgemeininteresse liegende Ziel, sämtliche Zeichen oder Angaben, die geeignet sind, Merkmale der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zu beschreiben, frei zu halten ([X.] GRUR 2008, 503 (Rn. 22, 23) – [X.]). Sie dürfen nicht aufgrund einer Eintragung nur für ein Unternehmen monopolisiert werden (vgl. [X.] GRUR 1999, 723 (Rn. 25)

Bei der [X.] ist auf die Wahrnehmung des angesprochenen Verkehrs abzustellen. Dieser umfasst alle Kreise, in denen die fragliche Marke aufgrund der beanspruchten Waren und/oder Dienstleistungen Verwendung finden oder Auswirkungen haben kann (vgl. [X.] GRUR 2004, 428 (Rn. 65) - [X.]), hier also sowohl die [X.] für die Dienstleistungen der [X.], als auch die allgemeinen, angemessen informierten und durchschnittlich aufmerksamen Endverbraucher.

Zu den in § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] angeführten freihaltebedürftigen Angaben zählen als Bezeichnung der geographischen Herkunft u. a. solche Angaben, die den Ort, an dem die in Rede stehenden Dienstleistungen erbracht oder angeboten werden können, benennen. Dazu gehören als beschreibende Herkunftsangaben auch Namen von Flüssen, Seen oder Bergen, die nicht ohne Weiteres selbst als konkrete Angaben über die geographische Herkunft von Waren/Dienstleistungen anzusehen sind, wenn sie zugleich die angrenzenden Gebiete, Regionen oder Landschaften hinreichend deutlich bezeichnen ([X.] GRUR 1999, 723

So ist es hier. Die Angabe „[X.]“ bezeichnet - in Anlehnung an den gleichnamigen Fluss - u. a. eine naturräumliche Region in [X.] (vgl. [X.], [X.], 21. Aufl., 2006, [X.]; s. auch Kartenausschnitt [X.], [X.]; der [X.]. mit [X.]. v. 7.3.2014 übersandt) mit dem Hauptort [X.]stadt (ca. 18.000 Ew.). [X.] ist die Region dem [X.]-Eder-Kreis mit der Kreisstadt [X.] ([X.]) (ca. 180.000 Ew.) Die Angabe „[X.]“ wird dabei als übergeordnete Bezeichnung verwendet, die mehrere Ortschaften in der als „[X.]“ bezeichneten Region umfasst (vgl. z. B. „[X.] Touristik“, „Schwälmer Tracht“ - die als Vorbild für die Märchenfigur [X.] gilt, vgl. [X.]; Schwälmer Mundart, der [X.]. mit [X.]. v. 7.3.2014 übersandt). Die Region [X.] hat als Teil des [X.] auch eine gewisse touristische Bedeutung, so als ein mutmaßlicher Ursprungsort der [X.]´schen Märchen (vgl. [X.], [X.], [X.], der [X.]. mit [X.]. v. 7.3.2014 übersandt), so dass eine ausreichende Bekanntheit in einem ausreichend großen Teil des angesprochenen Verkehrs angenommen werden kann. [X.] ist in diesem Zusammenhang, dass diese Bezugnahme irrtümlich oder ohne wissenschaftlichen Nachweis erfolgt. Allein der Umstand, dass die Region [X.] sich - wenngleich aus vorrangig touristischen Gründen - als Herkunft dieser weithin bekannten Märchengestalten berühmt, genügt, um eine relevante Bekanntheit beim inländischen Verkehr anzunehmen. Für einen hinlänglichen Bekanntheitsgrad spricht auch, dass die Bezeichnung „[X.]“ Eingang in die Ortsbezeichnungen „[X.]stadt“ und „[X.]-Eder-Kreis“ gefunden hat. Entgegen der Auffassung der [X.]elderin macht es für die Eignung der Angabe „[X.]“ als Bezeichnung für eine bestimmte Region auch keinen Unterschied, dass die Bezeichnung in den Fundstellen des Öfteren als Adjektiv, nämlich „Schwälmer“ verwendet wird, weil der angesprochene Verkehr dies ohne Weiteres als korrekte Ableitung von „[X.]“ und als Hinweis auf eine geografische Angabe erkennt. Hauptwort und Adjektiv sind in dieser Hinsicht grundsätzlich gleich zu behandeln. (vgl. dazu [X.], [X.], 28 W (pat) 573/11 - ILMTALER; B. v. 17.09.2012, 28 W (pat) 16/11 - Ahrtaler).

Gemäß der Rechtsprechung des [X.] ([X.]) ist bei der Prüfung des beschreibenden Charakters von Ortsangaben nicht nur auf ein aktuelles Freihaltungsbedürfnis abzustellen, sondern auch die Möglichkeit zu erörtern, ob eine beschreibende Verwendbarkeit der fraglichen Angabe vernünftigerweise in der Zukunft zu erwarten ist, so dass die Angabe zur Bezeichnung der geographischen Herkunft dienen kann. In diesem Zusammenhang weist der [X.] ausdrücklich darauf hin, dass das Verbot der Eintragung geographischer Herkunftsangaben insoweit nicht voraussetzt, dass „ein konkretes, aktuelles oder ernsthaftes Freihaltungsbedürfnis … besteht“ (vgl. [X.] GRUR 1999, 723 (Nr. 35)

Soweit die [X.]elderin argumentiert, der Ort der Erbringung der beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen sei für den Verkehr unerheblich, ändert dies nichts daran, dass die Bezeichnung „[X.]“ freihaltebedürftig ist, weil sie die so gekennzeichneten Dienstleistungen objektiv als aus einem bestimmten Ort, nämlich aus der Region [X.] mit dem Hauptort [X.]stadt, stammend beschreiben kann und nicht nach ihrer betrieblichen Herkunft. Zudem ist es nach wie vor möglich und gerade nicht fernliegend, dass die Abnehmer der Dienstleistungen „[X.], insbesondere lithografische [X.], Offsetdruckarbeiten, Schablonendruckarbeiten“ diese bei ortsansässigen Unternehmen in Auftrag geben (wollen), so dass die Ortsangabe durchaus für den angesprochenen Verkehr von Bedeutung ist.

Ihrer Eignung, als geografische Herkunftsangabe zu dienen, steht auch nicht entgegen, dass die Bezeichnung „[X.]“ mehrfach gebraucht wird, also als Name für verschiedene Ortsangaben bzw. Flüsse dient (vgl. dazu u. a. [X.], B. v. 30.09.2009, 26 W (pat) 38/09 - [X.]), so etwa auch für einen Fluss im [X.] Grenzgebiet.

Auch der Umstand, dass das angemeldete Zeichen zugleich ([X.] der [X.]elderin und der Familienname der derzeitigen Geschäftsführer ist, führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Eine ansonsten schutzunfähige Angabe kann nicht allein deshalb Markenschutz erlangen, weil sie mit dem Namen des [X.]elders identisch ist. Es genügt für das [X.], dass die insoweit mehrdeutige angemeldete Bezeichnung in einer ihrer möglichen Bedeutungen beschreibend ist (vgl. [X.]/Hacker [X.], 10. Aufl., § 8 Rn. 348). Dies ist auch deshalb sachgerecht, weil das Markenrecht nicht an die Person des Inhabers gebunden ist und der angesprochene Verkehr regelmäßig die Eigentumsverhältnisse nicht kennt. Insofern wird der Träger eines (für bestimmte Waren/Dienstleistungen schutzunfähigen) Namens aus sachlichen Gründen anders behandelt als Personen, deren Namen für die betroffenen Waren und/oder Dienstleistungen keine beschreibende Bedeutung hat. Soweit die [X.]elderin auf das Recht der Gleichnamigen abstellt, ist dieses für die hier maßgebliche, allein markenrechtlich zu beurteilende Frage der absoluten Schutzhindernisse nicht von Belang.

Ein Anlass, aus Billigkeitsgründen die Erstattung der Beschwerdegebühr gemäß § 71 Abs. 3 [X.] anzuordnen, besteht nicht (vgl. [X.]/Hacker [X.] 10. Aufl., § 71 Rn. 43).

Meta

24 W (pat) 508/14

16.06.2014

Bundespatentgericht 24. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 16.06.2014, Az. 24 W (pat) 508/14 (REWIS RS 2014, 4899)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 4899

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