Bundesfinanzhof, Beschluss vom 25.07.2016, Az. X B 20/16

10. Senat | REWIS RS 2016, 7676

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde; Verfahrensfragen


Leitsatz

1. NV: Die Vollmacht des Prozessbevollmächtigten wirkt gegenüber dem FG so lange fort, bis das Erlöschen der Vollmacht angezeigt wird.

2. NV: Wer den Anschein setzt, er habe unter einer bestimmten Anschrift eine Wohnung, muss dies grundsätzlich bei einer Zustellung gegen sich gelten lassen.

3. NV: Ein Beteiligter ist nur ohne sein Verschulden am Erscheinen zum Termin verhindert, wenn er tatsächlich persönlich verhindert ist.

4. NV: Der Beteiligte muss sich das Verschulden des Prozessbevollmächtigten nicht zurechnen lassen, wenn die Vollmacht mangels Anzeige ihres Erlöschens nur noch im Außenverhältnis fortwirkt.

5. NV: Das Verfahren über einen Folgebescheid ist regelmäßig auszusetzen, wenn Fragen streitig sind, die dem Verfahren über einen Grundlagenbescheid vorbehalten sind.

6. NV: Die Frage, ob ein wirksamer Grundlagenbescheid existiert, ist jedoch im Verfahren über den Folgebescheid zu prüfen.

7. NV: Die Aussetzung kann unterbleiben, wenn eine Entscheidung im Verfahren über den Grundlagenbescheid nicht zu erwarten ist. Sie muss unterbleiben, wenn eine solche Entscheidung gänzlich fernliegt.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des [X.] vom 17. November 2015  8 K 10181/11 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und [X.]eschwerdeführer (Kläger) war neben seinem [X.]ater ([X.]) Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Das hierfür zuständige Finanzamt ([X.]) erließ [X.] u.a. für das Streitjahr 1997. Es entspann sich u.a. ein Streit um die Frage der ordnungsgemäßen [X.]ekanntgabe. [X.] legte Einspruch ein. Das [X.] zog den Kläger zum [X.]erfahren hinzu und wies den Einspruch zurück. Der Kläger sowie der Insolvenzverwalter über das [X.]ermögen des [X.] erhoben Klage zum dortigen Finanzgericht ([X.]). Nach einem Erörterungstermin hob das [X.] die Feststellungsbescheide gegenüber [X.] auf und übersandte dem Insolvenzverwalter [X.]erechnungen gleichen Inhalts. Das [X.] ließ den Rechtsstreit des [X.] als sonstige Erledigung aus dem [X.] austragen. Die [X.]nschrift des [X.] sei nicht bekannt. [X.]ußerdem sei mit der [X.]ufhebung der [X.]escheide gegenüber [X.] die Grundlage für eine zulässige Klage des [X.] entfallen, da dieser nur Hinzugezogener zum Einspruchsverfahren des [X.] gewesen sei.

2

Der [X.]eklagte und [X.]eschwerdegegner (das Finanzamt --[X.]--) berücksichtigte im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung des [X.] die seitens des [X.] festgestellten Einkünfte. Im Einspruchsverfahren teilte das [X.] dem [X.] auf Nachfrage mit, der Feststellungsbescheid sei bestandskräftig, da mit [X.]ufhebung gegenüber [X.] die verbundene Klage des [X.] mangels Zulässigkeit als erledigt zu betrachten sei. Das [X.] wies den Einspruch als unbegründet zurück.

3

Hiergegen erhob [X.] in [X.]ertretung für den Kläger Klage. Eine dem [X.]ugenschein nach für [X.] ausgestellte [X.]ollmacht des [X.] vom 10. [X.]ugust 2011 wurde zwei Tage darauf nachgereicht. In der Sache trug [X.] vor, der Feststellungsbescheid entspreche nicht den tatsächlichen Ergebnissen und sei dem Kläger auch nicht ordentlich zugestellt worden, während das [X.] sich auf die [X.]estandskraft des Feststellungsbescheids berief. Das Finanzgericht ([X.]) beraumte auf den 17. November 2015 mündliche [X.]erhandlung an. Die Ladung wurde dem [X.] ausweislich der Postzustellungsurkunde am 30. Oktober 2015 durch Einlegen in den zur Wohnung gehörenden [X.]riefkasten unter der [X.]nschrift in [X.] zugestellt, die [X.] in seinem letzten Schriftsatz vom 1. Februar 2015 verwandt hatte. [X.]m 16. November 2015 teilte [X.] dem [X.] per Telefax unter einer [X.]nschrift in [X.] mit, er sei nicht mehr bevollmächtigt, da der Kläger einen [X.]nwalt genommen habe, und beantragte Terminsverlegung sowie unmittelbare Ladung des [X.]. Er habe seit Monaten einen ersten Wohnsitz in [X.], die Ladung erst in der letzten Woche erhalten und weder den Kläger noch dessen [X.]nwalt erreicht, um den Termin bekanntzugeben. Er selbst sei aufgrund von [X.] verhindert. Das [X.] richtete am selben Tage für [X.] eine [X.]nfrage an das Einwohnermeldeamt in [X.], die aber mangels eindeutiger Identifikation ergebnislos blieb.

4

Das [X.] führte die [X.]erhandlung durch und wies die Klage ab. Der Kläger sei ordnungsgemäß geladen. Die [X.]ollmacht des [X.] habe fortbestanden, bis ihr Erlöschen angezeigt wurde. Die [X.]ehauptung, er habe den Kläger nicht erreichen können, sei unglaubhaft. In der Sache sei die Klage unbegründet. Zwar seien nicht die Einwendungen gegen den Grundlagenbescheid, wohl aber der Umfang der [X.]indungswirkung des Grundlagenbescheids und damit dessen Wirksamkeit zu prüfen. [X.]ei Gesamtwürdigung der Umstände sei von einer wirksamen [X.]ekanntgabe an den Kläger auszugehen. Eine [X.]ussetzung des [X.]erfahrens nach § 74 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) im Hinblick auf mögliche Änderungen des Grundlagenbescheids finde nicht statt, da eine Entscheidung in einem besonderen Grundlagenverfahren nicht zu erwarten sei. Nachdem der Kläger selbst keinen Einspruch eingelegt habe und die Einspruchsentscheidung ihn nicht zusätzlich beschwert habe, sei er trotz Hinzuziehung nicht selbst klagebefugt gewesen. Das [X.] habe daher die Klage des [X.] zu Recht als unzulässig behandelt und beendet.

5

[X.]m 7. Januar 2016 teilte das Einwohnermeldeamt nach nunmehriger Identifizierung des [X.] mit, die [X.]nschrift in [X.] sei seit dem 21. [X.]ugust 2014 die Hauptwohnung, die [X.]nschrift in [X.] sei seit diesem Zeitpunkt die Nebenwohnung.

6

Mit seiner [X.]eschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision rügt der nunmehr anwaltlich vertretene Kläger im Wesentlichen [X.]erfahrensmängel.

7

Durch die [X.]erhandlung in seiner [X.]bwesenheit sei ihm das rechtliche Gehör versagt worden. Das [X.] habe ihn nicht fristgemäß geladen und den Termin nicht verlegt, obwohl er diesen ohne [X.]erschulden nicht habe wahrnehmen können. [X.] sei nicht ordnungsgemäß geladen worden, da die Zustellung durch Niederlegung nur zulässig sei, wenn es zuvor einen Zustellversuch gegeben habe. [X.] habe aber unter der [X.] in [X.] nicht mehr gewohnt. Die Heilung der fehlerhaften Zustellung in der Woche vor dem Termin habe die Ladungsfrist nicht mehr gewahrt. Ein [X.]erschulden des [X.] müsse der Kläger sich nicht zurechnen lassen. Im Übrigen bestehe auch zwischen dem Kläger und [X.] seit vielen Jahren ein tiefes Zerwürfnis. [X.] sei mehrfach mit gefälschten [X.]ollmachten und Unterschriften im Geschäftsverkehr aufgetreten, was zeige, dass die Wirksamkeit einer [X.]evollmächtigung stets hinterfragt werden müsse. Das habe das [X.] versäumt. Tatsächlich sei eine [X.]ollmacht am 16. November 2015 nicht mehr vorhanden gewesen, was auch das [X.] zutreffend ausführe.

8

Nach alledem sei der Kläger im [X.]erfahren nicht wirksam vertreten gewesen. Das [X.] habe sich mit einer Prozessvollmacht des [X.] nicht auseinandergesetzt.

9

Das [X.] habe den Feststellungsbescheid fälschlich als Grundlagenbescheid behandelt, da dieser nicht wirksam bekanntgegeben worden sei. Es sei unklar, wann das [X.] die [X.]ekanntgabe annehme.

Schließlich habe das [X.] zu Unrecht das [X.]erfahren nicht nach § 74 [X.]O ausgesetzt. Selbst wenn der Feststellungsbescheid wirksam bekanntgegeben worden wäre, habe das [X.] nicht von seiner [X.]estandskraft ausgehen dürfen, nachdem der Kläger beim [X.] hiergegen Klage erhoben habe. Es sei nicht korrekt, die Klage als unzulässig zu behandeln.

Entscheidungsgründe

II. [X.] ist unbegründet. Ein Grund für die Zulassung der Revision nach § 115 [X.]bs. 2 [X.]O liegt nicht vor.

1. Die Durchführung der mündlichen [X.]erhandlung trotz [X.]bwesenheit des [X.] verletzte dessen [X.]nspruch auf rechtliches Gehör i.S. des § 119 Nr. 3 [X.]O nicht.

a) Der Kläger wurde über seinen Bevollmächtigten [X.] ordnungsgemäß, insbesondere fristgerecht, zur mündlichen [X.]erhandlung geladen.

aa) Der Kläger war bis zum 16. November 2015 und damit auch am 30. Oktober 2015 durch [X.] vertreten. [X.] ist als Prozessbevollmächtigter für den Kläger aufgetreten und verfügte zunächst über eine [X.]ollmacht. Diese [X.]ollmacht bezog sich auf alle [X.]erfahren vor dem [X.]. Der [X.] hat davon auszugehen, dass der Kläger diese [X.]ollmacht tatsächlich ausgestellt hat. Der Kläger hat zwar vorgetragen, dass [X.] sich mehrfach gefälschter [X.]ollmachten und Unterschriften bedient habe, und hat beanstandet, dass das [X.] die [X.]ollmacht nicht geprüft habe. Dieser [X.]orwurf enthält aber nicht die Behauptung, gerade diese [X.]ollmacht sei gefälscht gewesen. [X.]ielmehr hat der Kläger ausgeführt, eine [X.]ollmacht sei am 16. November 2015 "nicht mehr" vorhanden gewesen, was notwendig impliziert, dass zuvor eine [X.]ollmacht bestanden hat. Bestand aber eine [X.]ollmacht, so wirkte sie nach § 155 [X.]O i.[X.].m. § 87 [X.]bs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) gegenüber dem [X.] so lange fort, bis das Erlöschen der [X.]ollmacht angezeigt wurde. Dieser Zeitpunkt war der 16. November 2015. Das bedeutet, dass das [X.] bis zu diesem Zeitpunkt Prozesshandlungen, insbesondere auch Ladungen (vgl. dazu etwa Beschluss des [X.] --BFH-- vom 21. Juli 2011 I[X.] B 99/10, BFH/N[X.] 2011, 1904, m.w.N.), wirksam gegenüber dem bisherigen Bevollmächtigten vornehmen konnte. [X.]uf die Frage, wann die [X.]ollmacht erloschen ist, kommt es in diesem Zusammenhang noch nicht an.

bb) [X.]uch die Zustellung der Ladung nach §§ 91, 53 [X.]O war als Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten nach § 53 [X.]bs. 2 [X.]O i.[X.].m. § 180 ZPO ordnungsgemäß. Nach dieser [X.]orschrift kann, wenn die Zustellung nach § 178 [X.]bs. 1 Nr. 1 oder 2 ZPO nicht ausführbar ist, das Schriftstück in einen zu der Wohnung oder dem Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche [X.]orrichtung eingelegt werden. Die Einlegung ist im Streitfall in einen zu der Wohnung des [X.] gehörenden Briefkasten erfolgt und wurde mit diesem Zeitpunkt wirksam, ungeachtet der Frage, wann [X.] sie tatsächlich zur Kenntnis genommen hat. Damit ist auch die zweiwöchige Ladungsfrist des § 91 [X.]bs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 [X.]O gewahrt.

aaa) Der Begriff der Wohnung i.S. des § 180 ZPO entspricht angesichts der [X.]erknüpfung der beiden [X.]orschriften dem [X.] des § 178 ZPO, so dass die zu dieser [X.]orschrift ergangene Rechtsprechung ebenfalls heranzuziehen ist. Es handelt sich um den Ort, an dem der Zustellungsempfänger tatsächlich lebt und schläft, so dass die ordnungsbehördliche Meldung nicht erheblich ist (vgl. Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 8. [X.]ufl., § 53 Rz 76). [X.]orübergehende oder längere bis mehrmonatige [X.]bwesenheit ist unschädlich (vgl. BFH-Entscheidungen vom 1. Dezember 1988 [X.] R 125/83, BFH/N[X.] 1989, 523; vom 4. Juni 1987 [X.] R 131/86, [X.], 305, [X.] 1988, 392, beide jeweils unter 2.a der Entscheidungsgründe; vom 16. Dezember 2004 II B 164/03, BFH/N[X.] 2005, 716). Erst die endgültige [X.]ufgabe der Wohnung schließt die Zustellung aus (Gräber/Stapperfend, a.a.[X.]). Wer sich nach außen den [X.]nschein gibt, an einem bestimmten Ort eine Wohnung zu haben, somit bewusst und zielgerichtet einen Irrtum über seinen tatsächlichen Lebensmittelpunkt herbeiführt, muss dies bei einer Zustellung gegen sich gelten lassen (vgl. [X.]/Stöber, ZPO, 31. [X.]ufl., § 178 Rz 7, m.w.N.). Das [X.] hat die diesbezügliche Rechtsprechung nicht beanstandet (Nichtannahmebeschluss vom 15. Oktober 2009  1 BvR 2333/09, Neue Juristische [X.] Zivilrecht 2010, 421, unter [X.] (1), unter [X.]useinandersetzung mit der Rechtsprechung verschiedener Obergerichte).

bbb) Nach diesen Maßstäben ist davon auszugehen, dass [X.] jedenfalls zum Zeitpunkt der Ladung noch eine Wohnung unter der [X.]nschrift in [X.] unterhielt. [X.] hatte selbst seinen letzten Schriftsatz vom 1. Februar 2015 unter dieser auch früher bereits verwendeten [X.]nschrift verfasst und keine [X.]nschriftenänderung mitgeteilt, was ihm als Prozessbevollmächtigtem oblegen hätte. Zu diesem Zeitpunkt war die Wohnung in [X.] bereits als Nebenwohnung registriert. Wenn [X.] weiter unter dieser [X.]nschrift korrespondierte, konnte und musste das [X.] sich darauf verlassen, dass es sich um eine auch für Zustellungen zur [X.]erfügung stehende Wohnung handelte. Soweit der Kläger sich nunmehr darauf beruft, [X.] habe dort zum Zeitpunkt der Zustellung nicht mehr gewohnt, ist dies als Schutzbehauptung zu werten, um die Zustellung als mangelbehaftet darzustellen. [X.]us der meldeamtlichen Herabstufung der Wohnung in [X.] zur Nebenwohnung im Jahre 2014 kann der Kläger nichts für sich herleiten. Zum einen ist die Registrierung der Wohnungen beim Einwohnermeldeamt ohnehin nicht erheblich. Zum anderen ist auch eine Nebenwohnung immerhin eine Wohnung. Diese Meldung steht folglich der durch das tatsächliche [X.]erhalten des [X.] begründeten [X.]nnahme, er habe dort eine Wohnung unterhalten, noch weniger entgegen als wenn [X.] dort überhaupt nicht gemeldet gewesen wäre. Der [X.] kann daher offenlassen, wie im Übrigen mit Nebenwohnungen zu verfahren ist.

b) Das [X.] war auch nicht zur [X.]erlegung des Termins verpflichtet. Nach § 155 [X.]O i.[X.].m. § 227 [X.]bs. 1 Satz 1 ZPO kann aus erheblichen Gründen u.a. ein Termin aufgehoben oder verlegt werden. Nach § 155 [X.]O i.[X.].m. § 227 [X.]bs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO ist das [X.]usbleiben einer [X.] (im Finanzprozess des Beteiligten) oder die [X.]nkündigung, nicht zu erscheinen, kein erheblicher Grund, wenn nicht das Gericht dafür hält, dass die [X.] ohne ihr [X.]erschulden am Erscheinen verhindert ist. Das [X.] ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger nicht ohne sein [X.]erschulden am Erscheinen verhindert war.

aa) Soweit [X.] erklärt hatte, er selbst sei zum Termin verhindert, kam es hierauf nicht mehr an, da er gleichzeitig bekundete, nicht mehr bevollmächtigt zu sein, somit die [X.]ollmacht auch im [X.]ußenverhältnis am 16. November 2015 endete. Er hätte den Kläger ohnehin nicht mehr vertreten können.

bb) Soweit es den Kläger selbst betrifft, ist die fehlende Teilnahme am Termin als verschuldet zu bewerten. Das gilt unabhängig davon, ob [X.] den Kläger noch vor dem Termin unterrichtet hat.

aaa) Der [X.] kann nicht ausschließen, dass [X.] trotz gegenteiliger Behauptung den Kläger noch vor dem Termin informiert hat. Selbst in der Beschwerdeschrift hat der Kläger nicht explizit behauptet, er sei nicht informiert worden. In diesem Falle wäre die Nichtwahrnehmung des Termins schon deshalb als verschuldet zu betrachten, weil der Kläger keine persönliche [X.]erhinderung geltend gemacht hat. [X.]llein der [X.]ortrag der Beschwerdeschrift, er habe wegen nicht ordnungsgemäßer Ladung und fehlender Terminsverlegung nicht am Termin teilnehmen können, ersetzt dies nicht. Darauf hätte es keinen Einfluss, zu welchem konkreten Zeitpunkt der Kläger die Information des [X.] vor dem Termin erhalten hat.

bbb) Die [X.]bwesenheit in der mündlichen [X.]erhandlung ist aber auch dann verschuldet, wenn [X.] den Kläger tatsächlich nicht von dem Termin informiert haben sollte und der Kläger deshalb tatsächlich daran gehindert gewesen sein sollte, selbst an der mündlichen [X.]erhandlung teilzunehmen oder einen anderen Bevollmächtigten damit zu beauftragen.

Das [X.] hat es zutreffend für unglaubhaft erachtet, dass der zwischen der Zustellung der Ladung und der [X.]nzeige des Erlöschens der [X.]ollmacht noch prozessbevollmächtigte [X.] unter [X.]usschöpfung der üblichen Kommunikationsmittel (Post, Telefon, Telefax und E-Mail) weder den Kläger persönlich noch dessen [X.]nwalt habe erreichen können. Sollte [X.] tatsächlich niemanden informiert haben, wäre dies daher [X.] anzulasten. Der Kläger wiederum hätte sich die unzureichende Information durch [X.] nach § 155 [X.]O i.[X.].m. § 85 [X.]bs. 1 ZPO zurechnen zu lassen. Soweit der Kläger hiergegen Einwände erhebt, hat er entgegen § 116 [X.]bs. 3 Satz 3 [X.]O deren tatsächliche [X.]oraussetzungen nicht dargelegt. Zwar findet die [X.]erschuldenszurechnung nicht mehr statt, wenn die [X.]ollmacht des früheren Prozessbevollmächtigten im Innenverhältnis nicht mehr besteht und nur noch im [X.]ußenverhältnis nach § 155 [X.]O i.[X.].m. § 87 [X.]bs. 1 ZPO fortwirkt (vgl. Beschluss des [X.] vom 19. September 2007 [X.]III ZB 44/07, Neue Juristische Wochenschrift 2008, 234, unter II.2.). Der Kläger hat aber nicht vorgetragen, wann die [X.]ollmacht des [X.] geendet haben soll, insbesondere, dass dies vor dem 16. November 2015 der Fall gewesen sei. Dann aber kann kein früherer Zeitpunkt angenommen werden. [X.]llein die behaupteten Zerwürfnisse beenden keine [X.]ollmacht.

Der [X.] kann offenlassen, ob aus der [X.]erschuldenszurechnung auch Fälle auszunehmen sind, in denen der Prozessbevollmächtigte den Beteiligten vorsätzlich schädigt (vgl. dazu [X.]/ [X.]ollkommer, ZPO, 31. [X.]ufl., § 85 Rz 13). Der Kläger hat zwar eine tiefgreifende Störung des [X.]erhältnisses zu [X.] behauptet, aber nicht geltend gemacht, [X.] habe ihn absichtlich gerade über den Termin nicht informiert, um ihn den Prozess verlieren zu lassen. Dagegen spricht auch, dass [X.] immerhin noch im Interesse des [X.] die [X.]erlegung des Termins beantragt hat.

2. [X.]us denselben Gründen liegt der gerügte [X.]ertretungsmangel nach § 119 Nr. 4 [X.]O nicht vor. Der Kläger war bis zum 16. November 2015 durch [X.] vertreten. [X.]uch die Fortwirkung der [X.]ertretung nach § 155 [X.]O i.[X.].m. § 87 [X.]bs. 1 ZPO ist eine ordnungsgemäße [X.]ertretung. [X.]ndernfalls wäre diese [X.]orschrift obsolet. [X.]on diesem Zeitpunkt an konnte er sich selbst vertreten.

3. Mit der Rüge, das [X.] sei zu Unrecht von einer Bekanntgabe und folglich von einer Bindungswirkung des Feststellungsbescheids im vorliegenden Einkommensteuerverfahren ausgegangen, beanstandet der Kläger lediglich die materiell-rechtliche Unrichtigkeit des [X.]-Urteils. Damit kann er die Zulassung der Revision nicht erreichen. Das betrifft insbesondere die Überlegung, eine Bekanntgabe an [X.] in seiner Eigenschaft als [X.]ertreter des [X.] sei nicht möglich, da das F[X.] wegen der Differenzen zwischen dem Kläger und [X.] die [X.] gewählt habe. Dazu hat der Kläger zwar Überlegungen zur Sach- und Rechtslage angestellt, aber keinen Zulassungsgrund i.S. des § 115 [X.]bs. 2 [X.]O dargelegt.

Der Kläger hält dem [X.] außerdem vor, es habe sich mit der Frage nicht auseinandergesetzt, wie am 21. Januar 2003 eine wirksame Bekanntgabe erfolgt sein soll. Ein Begründungsmangel i.S. des § 119 Nr. 6 [X.]O liegt darin nicht. Das [X.] hat nämlich gar nicht die [X.]nsicht vertreten, die Bekanntgabe sei zu diesem Datum erfolgt. Es hat vielmehr ausgeführt, dass die Bekanntgabe zu einem nicht näher zu konkretisierenden Zeitpunkt nach dem [X.]usfertigungsdatum am 1. Oktober 2002, aber jedenfalls bis zum 21. Januar 2003 erfolgt sei, dem Zeitpunkt, zu dem das F[X.] X im Hinblick auf die Einspruchsfrist zugunsten des [X.] die Bekanntgabe angenommen hatte.

4. Im Ergebnis zu Recht hat schließlich das [X.] die [X.]ussetzung des [X.]erfahrens nach § 74 [X.]O abgelehnt. Die Entscheidung über die [X.]ussetzung steht im Ermessen des [X.], das allerdings im Streitfall in der Weise auf Null reduziert war, dass die [X.]ussetzung nicht in Betracht kam. [X.]uf die Überlegungen des [X.] zur Zulässigkeit der Klage des [X.] vor dem [X.] Y kommt es nicht an.

a) Das [X.]erfahren ist regelmäßig auszusetzen, wenn die Klage gegen einen [X.] gerichtet ist und Besteuerungsgrundlagen streitig sind, deren abschließende Prüfung dem [X.]erfahren über einen Grundlagenbescheid vorbehalten ist (vgl. [X.]/[X.], Finanzgerichtsordnung, 8. [X.]ufl., § 74 Rz 12). [X.]llerdings ist im [X.]erfahren über den [X.] zu prüfen, ob überhaupt ein wirksamer und damit bindender Grundlagenbescheid existiert, da die Wirksamkeit der Bekanntgabe nicht Gegenstand der Entscheidung des Grundlagenbescheids ist (vgl. BFH-Urteil vom 6. Dezember 1995 I R 131/94, BFH/N[X.] 1996, 592, unter II.2.). Diese Prüfung hat das [X.] vorgenommen. Ist der Grundlagenbescheid bereits ergangen, aber angefochten, ist regelmäßig eine [X.]ussetzung des [X.]erfahrens ermessensgerecht (vgl. [X.]sbeschluss vom 8. Januar 2013 [X.]203/12, BFH/N[X.] 2013, 511, unter [X.]). [X.]on der [X.]ussetzung des [X.]erfahrens kann aber abgesehen werden, wenn eine Entscheidung in einem Grundlagenverfahren nicht zu erwarten, etwa ein Grundlagenbescheid wegen verspäteter Klageerhebung bestandskräftig geworden ist (vgl. [X.] vom 24. März 1999 I B 14/98, BFH/N[X.] 1999, 1383, unter 1.c cc).

b) Im Streitfall war eine Änderung des Feststellungsbescheids auf die beim [X.] Y angebrachte Klage des [X.] nicht nur nicht zu erwarten, sondern so fernliegend, dass es ermessensfehlerhaft gewesen wäre, das [X.]erfahren auszusetzen. Der [X.] kann offenlassen, ob die Klage durch Prozessurteil abgewiesen werden müsste, wenn das [X.] Y sie auf Betreiben des [X.] als Feststellungsbeteiligtem wieder bearbeiten sollte.

[X.]ielmehr scheitert die [X.]ussetzung bereits daran, dass das [X.] Y die Klage des [X.] aus dem [X.]erfahrensregister ausgetragen hat und der Kläger sie nicht betreibt. Es handelt sich zwar um eine lediglich technische Maßnahme, die die Rechtshängigkeit des Klageverfahrens nicht berührt. Eine Änderung des Feststellungsbescheids kann aber überhaupt nur dann zu erwarten sein, wenn das Klageverfahren vor dem [X.] Y Fortgang nimmt. Das setzt voraus, dass der Kläger es betreibt. Wenn aber das [X.]erfahren aus dem Register ausgetragen ist, wird das [X.] Y von [X.]mts wegen nichts mehr unternehmen. Ohne Zutun des [X.] wird es daher keine Änderung des Bescheids geben, und zwar unabhängig davon, ob die Klage in der Sache [X.]ussicht auf Erfolg hätte, wenn sie betrieben würde.

Der Kläger hat nie behauptet, er kümmere sich um die Fortsetzung des [X.]erfahrens beim [X.] Y. Er hat im Gegenteil mit Schriftsatz vom 28. Juni 2014 erklärt, die Klagen beim [X.] Y hätten keinen Erfolg haben können. Der Kläger hätte sich lediglich gegen die [X.]e wehren können. Wie sich aus einem beigefügten Schreiben an das F[X.] X vom 31. Mai 2014 ergibt, ist er zwar dort vorstellig geworden, aber wiederum nicht beim [X.] Y. Nachdem ihm das F[X.] X mit Schreiben vom 12. Juni 2014 sogar mitgeteilt hatte, er möge sich mit weiterem [X.]orbringen an das [X.] Y unter dem dortigen [X.]ktenzeichen wenden, hat der Kläger mit Schriftsatz vom 20. Juli 2014 im vorliegenden [X.]erfahren mitgeteilt, es habe keine Möglichkeit mehr gegeben, gegen den nach eigenem Dafürhalten nicht zugestellten Grundlagenbescheid irgendwelche Rechtsmittel einzulegen, und dies mit Schriftsatz vom 14. [X.]ugust 2014 wiederholt. Mit diesem [X.]ortrag hat der Kläger unmissverständlich zum [X.]usdruck gebracht, dass er das [X.]erfahren vor dem [X.] Y nicht weiter zu führen beabsichtigt. Ob dies wiederum auf einem Rechtsirrtum über die Rechtsfolgen der Registerlöschung beim [X.] Y beruht, ist unerheblich.

[X.]bgesehen davon, dass es für die Entscheidung des [X.] über die [X.]ussetzung auf etwaigen [X.]ortrag in der Beschwerdeschrift nicht mehr ankäme, hat der Kläger bis heute nichts Gegenteiliges behauptet. Der [X.]ortrag allein, die [X.]erfahrensweise des [X.] Y sei unzutreffend, ersetzt nicht eine [X.]ktivität des [X.], ohne die das [X.] Y nicht mehr tätig werden wird.

c) Die unterbliebene [X.]ussetzung bewirkt keinen endgültigen [X.] für den Kläger, soweit es das Feststellungsverfahren betrifft. Sollte der Kläger sich doch noch um den Fortgang des [X.]erfahrens vor dem [X.] Y bemühen und einen materiell-rechtlichen Erfolg erzielen, wird der Einkommensteuerbescheid, der Gegenstand des vorliegenden [X.]erfahrens ist, nach § 175 [X.]bs. 1 Satz 1 Nr. 1 der [X.]bgabenordnung ([X.]) zu ändern sein. Für die Festsetzungsfrist gilt § 171 [X.]bs. 10 Satz 1 [X.].

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 [X.]bs. 2 [X.]O.

6. [X.]on einer weiteren Darstellung wird nach § 116 [X.]bs. 5 Satz 2 [X.]O abgesehen.

Meta

X B 20/16

25.07.2016

Bundesfinanzhof 10. Senat

Beschluss

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 17. November 2015, Az: 8 K 10181/11, Urteil

§ 53 FGO, § 74 FGO, § 91 FGO, § 119 Nr 3 FGO, § 119 Nr 4 FGO, § 119 Nr 6 FGO, § 155 FGO, § 85 Abs 1 ZPO, § 87 Abs 1 ZPO, § 178 Abs 1 ZPO, § 180 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 25.07.2016, Az. X B 20/16 (REWIS RS 2016, 7676)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 7676

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

X B 14/13 (Bundesfinanzhof)

(Aussetzung eines gegen einen Folgebescheid gerichteten Klageverfahrens - Anspruch auf Akteneinsicht - Voraussetzungen für In-camera-Verfahren …


X B 22/22 (AdV) (Bundesfinanzhof)

Sicherheitsleistung bei AdV des Folgebescheides


IX R 21/10 (Bundesfinanzhof)

(Pflicht zur Anpassung eines Folgebescheids an den Grundlagenbescheid - Zeitpunkt des Eintritts und Umfang der …


X B 90/12 (Bundesfinanzhof)

Aussetzung des Klageverfahrens


X R 24/13 (Bundesfinanzhof)

(Saldierung nach § 177 AO bei Änderung eines Folgebescheids)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.