Bundesfinanzhof, Urteil vom 03.06.2014, Az. II R 45/12

2. Senat | REWIS RS 2014, 5117

STEUERRECHT WOHNEIGENTUM ERBRECHT ERBSCHAFTSTEUER BUNDESFINANZHOF (BFH) ERBSCHAFT TESTAMENTE

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Gegenstand

Steuerbefreiung für letztwillige Zuwendung eines Wohnungsrechts an Familienwohnung an längerlebenden Ehegatten


Leitsatz

Ein steuerbegünstigter Erwerb eines Familienheims i.S. des § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG liegt nur vor, wenn der längerlebende Ehegatte von Todes wegen endgültig zivilrechtlich Eigentum oder Miteigentum an einer als Familienheim begünstigten Immobilie des vorverstorbenen Ehegatten erwirbt und diese zu eigenen Wohnzwecken selbst nutzt. Die von Todes wegen erfolgende Zuwendung eines dinglichen Wohnungsrechts an dem Familienheim erfüllt nicht die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist zu 1/3 Miterbin ihres im August 2009 verstorbenen [X.]hemanns ([X.]). Weitere Miterben sind die beiden Kinder des [X.].

2

Zum Nachlass gehörte u.a. ein mit einem Zweifamilienhaus bebautes Grundstück. [X.]ntsprechend den testamentarischen Verfügungen des [X.] wurde das [X.]igentum an diesem Grundstück jeweils zur Hälfte an die beiden Kinder übertragen und der Klägerin unentgeltlich ein lebenslanges, dinglich gesichertes Wohnungs- und Mitbenutzungsrecht an der in dem Haus befindlichen Wohnung eingeräumt, die die Klägerin und [X.] bis zu dessen Tod gemeinsam bewohnt hatten.

3

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) vertrat die Auffassung, die Steuerbefreiung für Familienheime gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4b des [X.]rbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes ([X.]rbStG) sei auf den [X.]rwerb von bloßen [X.] nicht anwendbar, und bezog daher den Kapitalwert des der Klägerin eingeräumten Wohnungs- und Mitbenutzungsrechts in die [X.]rmittlung von deren steuerpflichtigem [X.]rwerb ein. Der [X.]inspruch blieb erfolglos.

4

Das Finanzgericht ([X.]) wies die Klage mit der Begründung ab, § 13 Abs. 1 Nr. 4b [X.]rbStG sei auf den [X.]rwerb eines bloßen Wohnungs- und Mitbenutzungsrechts weder dem Wortlaut nach noch entsprechend anwendbar. Die Beschränkung der Steuerbefreiung auf den [X.]rwerb von [X.]igentum oder Miteigentum an einem Familienheim sei verfassungsgemäß. Das Urteil des [X.] ist in [X.]ntscheidungen der Finanzgerichte 2012, 2220 veröffentlicht.

5

Mit der Revision wendet sich die Klägerin gegen diese Auffassung. In verfahrensrechtlicher Hinsicht regt sie an, das Verfahren bis zur [X.]ntscheidung des [X.] ([X.]) über den Vorlagebeschluss des [X.] ([X.]) vom 27. September 2012 II R 9/11 ([X.][X.] 238, 241, [X.], 899) gemäß § 74 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) auszusetzen.

6

Durch den während des Revisionsverfahrens ergangenen Änderungsbescheid vom 14. Dezember 2012 erklärte das [X.] die Steuerfestsetzung gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 der Abgabenordnung ([X.]) für vorläufig hinsichtlich der Frage der Verfassungsmäßigkeit des [X.]rbStG.

7

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den [X.]rbschaftsteuerbescheid vom 14. Dezember 2012 dahingehend zu ändern, dass der steuerpflichtige [X.]rwerb ohne Berücksichtigung des Kapitalwerts des ihr eingeräumten Wohnungs- und Mitbenutzungsrechts an der Familienwohnung ermittelt und die [X.]rbschaftsteuer entsprechend herabgesetzt wird.

8

Das [X.] beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision führt aus verfahrensrechtlichen Gründen zur Aufhebung der Vorentscheidung, weil sich während des Revisionsverfahrens der Verfahrensgegenstand, über dessen Rechtmäßigkeit das [X.] zu entscheiden hatte, geändert hat (§ 127 [X.]O). An die Stelle des angefochtenen Erbschaftsteuerbescheids vom 1. August 2012, über den das [X.] entschieden hat, ist während des Revisionsverfahrens der Bescheid vom 14. Dezember 2012 getreten und nach § 121 Satz 1 i.V.m. § 68 Satz 1 [X.]O Gegenstand des Verfahrens geworden. Diese Vorschriften gelten auch, wenn ein angefochtener Bescheid lediglich um einen Vorläufigkeitsvermerk ergänzt wird ([X.]-Urteil vom 24. April 2013 II R 65/11, [X.], 404, [X.], 633). Das angefochtene Urteil ist daher gegenstandslos und aufzuheben ([X.]-Urteile vom 2. März 2011 II R 5/09, [X.], 1147, und vom 17. April 2013 II R 12/11, [X.], 386, [X.], 740, jeweils m.w.[X.]).

Einer Zurückverweisung der Sache an das [X.] nach § 127 [X.]O bedarf es jedoch nicht, da sich aufgrund des Änderungsbescheids an den zwischen den Beteiligten streitigen Punkten nichts geändert hat ([X.]-Urteile vom 15. Dezember 2010 II R 45/08, [X.], 218, [X.], 292, und vom 12. Januar 2011 II R 30/09, [X.], 755). Die vom [X.] getroffenen tatsächlichen Feststellungen bilden nach wie vor die Grundlage für die Entscheidung des [X.]; sie fallen durch die Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils nicht weg, da das finanzgerichtliche Urteil nicht an einem Verfahrensmangel leidet ([X.]-Urteile in [X.], 404, [X.], 633, und in [X.], 386, [X.], 740).

III. [X.] ist spruchreif. Die Klage ist unbegründet und war daher abzuweisen. Der angefochtene Erbschaftsteuerbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Zuwendung des Wohnungs- und Mitbenutzungsrechts an die Klägerin unterliegt als Erwerb von Todes wegen gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 [X.] der Erbschaftsteuer. Die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 [X.] steht der Klägerin nicht zu.

1. Nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 [X.] bleibt u.a. der Erwerb von Todes wegen des Eigentums oder Miteigentums an einem im Inland belegenen bebauten Grundstück i.S. des § 181 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 des [X.]es durch den überlebenden Ehegatten steuerfrei, soweit der Erblasser darin bis zum Erbfall eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat und die beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist (Familienheim). Der Erwerber kann die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 2 [X.] jedoch nicht in Anspruch nehmen, soweit er das begünstigte Vermögen aufgrund einer letztwilligen oder rechtsgeschäftlichen Verfügung des Erblassers auf einen Dritten übertragen muss. Dritter in diesem Sinn kann auch ein Miterbe sein (a.A. für die vorliegende Fallgestaltung [X.] in Troll/[X.]/[X.], [X.], § 13 Rz 68). Erfüllt der Dritte die Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Nr. 4c [X.], steht ihm die Steuerbefreiung nach dieser Vorschrift zu.

2. Die von Todes wegen erfolgte Zuwendung eines dinglichen Wohnungs- und Mitbenutzungsrechts an einer vom Erblasser bis zum Eintritt des Erbfalls zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung an den überlebenden Ehegatten erfüllt nicht die Voraussetzungen für die Gewährung der Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 [X.].

a) Nach ihrem Wortlaut setzt die Vorschrift ausdrücklich den Erwerb von Eigentum oder Miteigentum an einem Familienheim durch den überlebenden Ehegatten voraus. Die Begriffe "Eigentum" und "Miteigentum" sind dabei im zivilrechtlichen Sinn zu verstehen. Wie sich auch aus dem systematischen Zusammenhang zu den Sätzen 2 und 3 der Vorschrift ergibt, liegt ein Erwerb i.S. des § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 [X.] nur vor, wenn der Erblasser zivilrechtlicher Eigentümer oder Miteigentümer (§ 1008 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB--) des [X.] war und der überlebende Ehegatte das zivilrechtliche Eigentum oder Miteigentum an dem Familienheim von Todes wegen erwirbt ([X.] in [X.]/[X.], § 13 [X.] Rz 39.7; [X.] in [X.][X.], § 13 [X.] Rz 35; [X.] in Fischer/Jüptner/[X.]/[X.], [X.], 5. Aufl., § 13 Rz 36; [X.] in [X.]/[X.], [X.], § 13 Rz 84; [X.] in Troll/[X.]/[X.], a.a.[X.], § 13 Rz 68). Die Einräumung eines dinglichen Wohnungs- und Mitbenutzungsrechts gewährt dem Rechtsinhaber demgegenüber nur ein Nutzungsrecht (§ 1093 BGB), lässt aber die zivilrechtlichen Eigentumsverhältnisse unberührt und genügt daher nicht den Anforderungen des § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 [X.] ([X.], Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge 2010, 174, 178). Davon abgesehen begründet ein solches Recht entgegen der Ansicht der Klägerin auch kein wirtschaftliches Eigentum des Berechtigten i.S. des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO ([X.]-Urteil vom 29. März 2007 IX R 14/06, [X.]/NV 2007, 1471, m.w.[X.]).

b) Der Zweck des § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 [X.] rechtfertigt ebenfalls nicht die Anwendung der Vorschrift auf den Erwerb eines dinglichen Wohnungs- und Mitbenutzungsrechts durch den überlebenden Ehegatten.

Eine Auslegung gegen den eindeutigen Wortlaut eines Gesetzes kommt nur in Betracht, wenn die wortgetreue Gesetzesanwendung offensichtlich dem Willen des Gesetzgebers widerspricht und zu einem offenbar sinnwidrigen Ergebnis führt, das durch die beabsichtigte Auslegung vermieden oder jedenfalls entscheidend gemindert würde, ohne andere Wertungswidersprüche hervorzurufen (vgl. [X.]-Urteile vom 1. August 1974 IV R 120/70, [X.]E 113, 357, [X.] 1975, 12; vom 28. Oktober 1983 III R 129/79, [X.]E 139, 416, [X.] 1984, 91, und vom 11. Juni 2013 II R 4/12, [X.], 392, [X.], 742).

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Zusammenhang nicht erfüllt. Die Beschränkung des Anwendungsbereichs des § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 [X.] auf den Erwerb des Eigentums oder Miteigentums an einem Familienheim ist nicht sinnwidrig. Sie entspricht vielmehr der Absicht des Gesetzgebers, die Gewährung einer Steuerbefreiung auf den Erwerb von Wohneigentum durch den überlebenden Ehegatten zu begrenzen. Ausweislich der Gesetzesbegründung (Bericht des Finanzausschusses, BTDrucks 16/11107, S. 8) dient die Regelung über die Steuerfreistellung von Wohneigentum für Ehegatten und Lebenspartner "neben dem Schutz des gemeinsamen familiären Lebensraums dem Ziel der Lenkung in Grundvermögen schon zu Lebzeiten des Erblassers" und der krisenfesten Erhaltung des besonders geschützten Familiengebrauchsvermögens in Gestalt des [X.] von Ehegatten und Lebenspartnern. Das mit der Vorschrift verfolgte Ziel, die Substanz des begünstigten [X.] innerhalb der ehelichen Lebensgemeinschaft zu erhalten, kommt auch in den Regelungen des § 13 Abs. 1 Nr. 4b Sätze 2 und 3 [X.] zum Ausdruck. Durch den darin normierten Wegfall der Steuerbefreiung für den Fall, dass der überlebende Ehegatte das Familienheim aufgrund einer letztwilligen oder rechtsgeschäftlichen Verfügung des Erblassers auf einen Dritten überträgt oder im Rahmen der Nachlassteilung auf einen Miterben überträgt, soll sichergestellt werden, dass nur demjenigen eine Steuerbefreiung gewährt wird, der endgültig das Eigentum an dem Familienheim erhält ([X.] in [X.]/[X.], a.a.[X.], § 13 Rz 84) und dieses selbst zu eigenen Wohnzwecken nutzt.

c) Aus diesen Gründen scheidet auch eine analoge Anwendung des § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 [X.] aus. Eine für eine Analogie erforderliche planwidrige Regelungslücke liegt nur vor, wenn das Gesetz, gemessen an seiner eigenen Absicht und der ihm immanenten Teleologie, unvollständig und somit ergänzungsbedürftig ist und seine Ergänzung nicht einer gesetzlich gewollten Beschränkung auf bestimmte Tatbestände widerspricht ([X.]-Urteile vom 22. Dezember 2011 III R 5/07, [X.]E 236, 137, [X.], 678, und vom 29. August 2012 II R 49/11, [X.]E 238, 499, [X.], 104, jeweils m.w.[X.]).

An einer solchen planwidrigen Gesetzeslücke fehlt es vorliegend. Angesichts der mit der Steuerfreistellung verfolgten Ziele und der in § 13 Abs. 1 Nr. 4b Sätze 2 und 3 [X.] getroffenen Regelungen zum Wegfall der Steuerbefreiung bei Weitergabe des Wohneigentums ist davon auszugehen, dass sich der Gesetzgeber bewusst dafür entschieden hat, nur die Übertragung des Wohneigentums auf den überlebenden Ehegatten und nicht auch die Einräumung eines dinglichen Wohnungs- und Mitbenutzungsrechts am Familienheim zu begünstigen. An diese gesetzgeberische Entscheidung sind die Finanzverwaltung und die Rechtsprechung nach Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) gebunden.

d) Ob eine Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 [X.] zu gewähren wäre, wenn der überlebende Ehegatte das ihm letztwillig zugewendete Eigentum oder Miteigentum an dem Familienheim unter Vorbehalt eines Wohnungsrechts auf einen Dritten überträgt, ohne hierzu verpflichtet zu sein, braucht vorliegend nicht entschieden zu werden. Denn der Ehegatte hätte in einem solchen Fall --anders als in der [X.] jedenfalls unbeschränktes Eigentum erworben, über das er frei verfügen könnte.

3. Es ist mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Besteuerung vereinbar, dass die Steuerbefreiung des § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 [X.] nur eingreift, wenn der überlebende Ehegatte das Eigentum oder Miteigentum an dem Familienheim erwirbt, ohne es aufgrund einer letztwilligen oder rechtsgeschäftlichen Verfügung des Erblassers auf einen Dritten übertragen zu müssen, nicht aber, wenn ihm lediglich ein dingliches Wohnungsrecht an der Familienwohnung zugewendet wird.

a) Weder der durch Art. 6 Abs. 1 GG gebotene Schutz der Ehe noch die Gewährleistung des Erbrechts durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG fordern die in § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 [X.] vorgesehene Steuerbefreiung oder deren Ausdehnung auf weitere Fallgruppen.

Der Gesetzgeber hat nach der Rechtsprechung des [X.] (vgl. Beschlüsse vom 22. Juni 1995  2 BvR 552/91, [X.]E 93, 165, [X.] 1995, 671; vom 28. Oktober 1997  1 BvR 1644/94, [X.]E 97, 1, und vom 21. Juli 2010  1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07, [X.]E 126, 400) aufgrund dieser grundrechtlichen Bindungen die familiäre Verbundenheit der nächsten Angehörigen zum Erblasser auch erbschaftsteuerrechtlich zu berücksichtigen. Das im Verfassungsrecht verankerte [X.] gibt dem Erbschaftsteuerrecht Maß und Richtung ([X.]-Beschluss in [X.]E 126, 400, unter [X.]). Der steuerliche Zugriff ist danach bei nahen Familienangehörigen, also insbesondere Ehegatten, eingetragenen Lebenspartnern und Kindern, derart zu mäßigen, dass diesen der jeweils überkommene Nachlass zumindest zum deutlich überwiegenden Teil oder, bei kleineren Vermögen, völlig steuerfrei zugute kommt (Beschlüsse in [X.]E 93, 165, [X.] 1995, 671, unter [X.], und in [X.]E 126, 400, unter [X.] (1)). Eine vollständige Steuerbefreiung des von Todes wegen erfolgenden Erwerbs vom verstorbenen Ehegatten ist hingegen verfassungsrechtlich nicht geboten ([X.]-Beschluss in [X.]E 97, 1, unter B.I.2.a).

Die verfassungsrechtlich gebotene Berücksichtigung des [X.]s geschieht regelmäßig durch die Gewährung der Freibeträge nach § 16 Abs. 1 [X.] und die Abstufung des [X.] nach dem Grad der verwandtschaftlichen Beziehungen gemäß §§ 15, 19 [X.] ([X.]-Beschluss in [X.]E 126, 400, unter [X.] (1); [X.]-Urteil vom 18. Juli 2013 II R 35/11, [X.]E 242, 153, [X.], 1051, Rz 11, 20). Der dem überlebenden Ehegatten gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 [X.] zustehende Freibetrag von 500.000 € ermöglicht ihm, ein durchschnittliches Einfamilienhaus vom Erblasser von Todes wegen steuerfrei zu erwerben, und genügt somit den verfassungsrechtlichen Anforderungen (vgl. [X.]-Beschluss in [X.]E 93, 165, [X.] 1995, 671, unter [X.] i.V.m. [X.]-Beschluss vom 22. Juni 1995  2 BvL 37/91, [X.]E 93, 121, [X.] 1995, 655, unter [X.]; [X.]-Beschluss vom 1. September 2004 II B 35/03, [X.]/NV 2005, 210). Eine zusätzliche Steuerbefreiung des Erwerbs eines [X.] oder eines Wohnungsrechts daran durch den überlebenden Ehegatten ist verfassungsrechtlich nicht geboten.

b) Die Einführung der in § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 [X.] vorgesehenen Steuerbefreiung verpflichtet den Gesetzgeber auch nicht unter dem Gesichtspunkt des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) dazu, die Steuerbefreiung auf den Erwerb eines dinglichen Wohnungsrechts an der Ehewohnung durch den überlebenden Ehegatten zu erstrecken. Der Gesetzgeber durfte vielmehr die in der Steuerbefreiung liegende Ausnahme von der Besteuerung des gesamten Erwerbs aus den oben unter [X.] genannten Gründen auf den Erwerb des Eigentums oder Miteigentums an einem Familienheim beschränken, ohne den ihm zustehenden weiten Gestaltungsspielraum zu überschreiten. Es handelt sich dabei um sachlich einleuchtende Gründe für die gesetzliche Differenzierung.

Zudem ist zu berücksichtigen, dass die in § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 [X.] vorgesehene Steuerbefreiung ihrerseits erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegt. Die vom Senat im Urteil in [X.]E 242, 153, [X.], 1051, Rz 11, zu § 13 Abs. 1 Nr. 4a [X.] a.F. erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen im vorliegenden Zusammenhang gleichermaßen (vgl. H.-U. [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/Wälzholz, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, [X.], 4. Aufl., § 13 [X.] Rz 49; [X.] in [X.][X.], a.a.[X.], § 13 [X.] Rz 35; [X.]/[X.]/Tappe, Steuerrecht, 16. Aufl., Rz 1601). Wie das [X.] im Beschluss in [X.]E 93, 121, [X.] 1995, 655, unter [X.] ausgeführt hat, muss der Gesetzgeber bei der Steuerfreistellung des zur individuellen Lebensgestaltung bestimmten Vermögens Grundeigentümer und Inhaber anderer Vermögenswerte in einem gleichen Individualbedarf steuerlich gleichbehandeln. Es erscheint zweifelhaft, ob § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 [X.] mit diesem Gleichbehandlungsgebot vereinbar ist. Eine Anwendung dieser Vorschrift über ihren Wortlaut hinaus wäre jedenfalls verfassungsrechtlich noch bedenklicher und ist somit ausgeschlossen.

4. Da die Steuerfestsetzung durch den Änderungsbescheid vom 14. Dezember 2012 hinsichtlich der Frage der Verfassungsmäßigkeit des [X.] für vorläufig erklärt wurde, braucht das Verfahren nicht bis zur Entscheidung des [X.] über den Vorlagebeschluss des [X.] in [X.]E 238, 241, [X.], 899 ausgesetzt zu werden. Aufgrund der Vorläufigkeit der Steuerfestsetzung droht der Klägerin kein [X.] (vgl. [X.]-Urteile vom 18. September 2007 IX R 42/05, [X.]E 219, 81, [X.] 2008, 26, und vom 30. September 2010 III R 39/08, [X.]E 231, 7, [X.] 2011, 11, Rz 51, jeweils m.w.[X.]). Sollte aufgrund einer Entscheidung des [X.] die Steuerfestsetzung wegen Verfassungswidrigkeit des [X.] aufzuheben sein, ist diese Aufhebung aufgrund des Vorläufigkeitsvermerks von Amts wegen vorzunehmen.

Meta

II R 45/12

03.06.2014

Bundesfinanzhof 2. Senat

Urteil

vorgehend FG Köln, 8. August 2012, Az: 9 K 3615/11, Urteil

§ 13 Abs 1 Nr 4b ErbStG 1997, Art 3 Abs 1 GG, Art 6 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 03.06.2014, Az. II R 45/12 (REWIS RS 2014, 5117)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 5117

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